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Energie für unsere Zukunft

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<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Wasserstoff: Ein<br />

05<br />

Als Region einen<br />

13 18<br />

Schritt voraus<br />

Hoffnungsträger <strong>für</strong><br />

die <strong>Energie</strong>wende<br />

Ausbilden <strong>für</strong> ein<br />

klimafreundliches<br />

Morgen<br />

1. Ausgabe Februar 2024<br />

Pionierarbeit<br />

35 junge Menschen schweißen, drehen, löten und programmieren<br />

aktuell in der Ausbildungswerkstatt von Uniper. Sie werden<br />

dort in Berufen der Mechanik und der Elektrotechnik ausgebildet.<br />

Und sie bringen Leben in das stillgelegte Steinkohlekraftwerk<br />

im Rüstersieler Groden, das 45 Jahre lang ein wichtiger<br />

Stromproduzent war. Unter ihnen ist auch der erste angehende<br />

Mechatroniker, der sich mit Zusatzmodulen zum Thema Wasserstoff<br />

gezielt auf die Technologien der zukünftigen <strong>Energie</strong>versorgung<br />

vorbereitet. Damit leistet er Pionierarbeit und er ist<br />

nicht der Einzige.<br />

Eines ist klar: Ohne <strong>Energie</strong> geht es nicht. Aber wir haben die<br />

Wahl, wie und womit wir sie erzeugen. Die auch bei uns spürbaren<br />

Klimaveränderungen weisen den Weg. Kohlekraftwerke<br />

sind die Vergangenheit. Die <strong>Zukunft</strong> gehört der umweltfreundlichen<br />

<strong>Energie</strong> aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind.<br />

Und das Thema ist nicht neu. Die Geschichte der <strong>Energie</strong>wende<br />

beginnt bereits in den späten 1970er Jahren 1 , und schon hundert<br />

Jahre zuvor prophezeite der Schriftsteller Jules Verne, dass<br />

Wasserstoff in der <strong>Zukunft</strong> eine entscheidende Rolle spielen wird.<br />

Seitdem wurden viele Tonnen Kohle und viele Barrel Öl verbrannt<br />

und haben klimaschädliche Treibhausgase produziert.<br />

Höchste Zeit also, dass wir <strong>unsere</strong> <strong>Energie</strong>versorgung auf<br />

einen umweltfreundlichen<br />

Kurs bringen. Da<strong>für</strong> gibt es<br />

keinen fertigen Fahrplan und<br />

auch keine schnellen Lösungen.<br />

Aber es gibt viele Menschen,<br />

die ihre Ideen und ihre<br />

Kraft einbringen, um diese<br />

Aufgabe zu lösen. Einige von<br />

ihnen stellen wir in diesem<br />

Magazin vor.<br />

1<br />

www.carbonbrief.org/zeitliste-vergangenheitgegenwart-zukunft-deutschen-energiewende<br />

BILD<br />

Yusri Ahmed (vorne) und<br />

Noah (hinten) durchlaufen<br />

bei Uniper eine Ausbildung<br />

zum Elektroniker <strong>für</strong><br />

Betriebstechnik.<br />

Foto: Björn Lübbe<br />

Mehr unter:<br />

energyhubwilhelmshaven.de<br />

„Meine Arbeit rund um den Prozess ‚Kohle<br />

verbrennen, um Strom zu erzeugen‘ hat mir Spaß<br />

gemacht. Aber dass wir heute aus eigenen<br />

Ressourcen Wind- und Solarstrom erzeugen<br />

können und sogar auf dem eigenen Dach Strom<br />

produzieren, mit dem wir in <strong>unsere</strong>n Elektroautos<br />

von A nach B fahren können, das finde<br />

ich fantastisch.“<br />

Michael Renner Mitarbeiter Operative Steuerung / Betrieb<br />

Wasserstoffanlagen bei Uniper Energy Storage – Seite 21


2 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Willkommen!<br />

Annette<br />

Muschalik<br />

Autorin<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

finden Sie die Themen rund um <strong>unsere</strong> <strong>Energie</strong>versorgung manchmal<br />

kompliziert und anstrengend? Mir geht es so. Besonders schwierig fand ich<br />

die Entscheidung, ob wir privat in <strong>unsere</strong>m Haus die alte Gasheizung durch<br />

eine Wärmepumpe ersetzen. Wir haben monatelang mit uns gerungen und<br />

uns schließlich da<strong>für</strong> entschieden, weil wir einen klimafreundlicheren Weg<br />

gehen wollen. Jetzt, wo die erste Ausgabe von ‚<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong>‘<br />

erscheint, wird auch die Wärmepumpe eingebaut. Ich bin ein bisschen nervös,<br />

weil sie sich nun in <strong>unsere</strong>m alten Haus bewähren muss und ich nicht<br />

gerne friere. Diese gefühlte Restunsicherheit finde ich bezeichnend <strong>für</strong> viele<br />

Entscheidungen, die wir im Zuge der <strong>Energie</strong>wende in Politik, Wirtschaft<br />

und im Privaten treffen müssen. Meinem Mann und mir hat geholfen, dass<br />

wir uns aus verschiedenen Quellen und Erfahrungsberichten informiert<br />

haben. Überzeugt hat uns am Ende eine neue Technologie und ein ausführliches<br />

Gespräch mit einem Installateur.<br />

Informationsquelle will auch dieses Bürgermagazin des ENERGY HUB –<br />

Port of Wilhelmshaven sein. Wenn nach dem Lesen zumindest ein Teil Ihrer<br />

Fragen beantwortet ist, wenn Ihnen die Zusammenhänge klarer und<br />

Begriffe wie ‚<strong>Energie</strong>wende‘ oder ‚Empowerment‘ verständlicher geworden<br />

sind, dann haben wir unser wichtigstes Ziel erreicht. Da<strong>für</strong> bin ich rausgegangen<br />

und habe mit den Menschen gesprochen, die aktiv am Umbau<br />

<strong>unsere</strong>r <strong>Energie</strong>versorgung arbeiten. Beim Lesen werden Sie hoffentlich<br />

die Begeisterung spüren, die mir bei diesen Gesprächen begegnet ist.<br />

Und weil die Projekte rund um den ENERGY HUB so dynamisch sind,<br />

berichten wir auch in <strong>Zukunft</strong> in weiteren Ausgaben darüber. Dazu möchten<br />

wir uns gerne mit Ihnen austauschen und wissen, welche Fragen Sie<br />

bewegen. Am Ende des Heftes erfahren Sie, wie Sie uns erreichen können.<br />

Bis dahin wünsche ich Ihnen ein hoffentlich informatives Lesevergnügen.<br />

Herzlichst Ihre<br />

Annette Muschalik


<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 3<br />

Inhalt<br />

Warum brauchen wir<br />

die <strong>Energie</strong>wende?<br />

Als Region einen Schritt voraus<br />

Was ist der ENERGY HUB –<br />

Port of Wilhelmshaven?<br />

LNG – die Brücke über<br />

die Versorgungslücke<br />

Sicherheit<br />

Arbeiten am Terminal<br />

04<br />

05<br />

06<br />

10<br />

11<br />

12<br />

06<br />

Wasserstoff: Ein Hoffnungsträger<br />

<strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>wende<br />

Pionierarbeit im Untergrund<br />

Kohlenstoffdioxid: Den Feind<br />

zum Freund machen<br />

13<br />

15<br />

16<br />

12<br />

Ausbilden <strong>für</strong> ein<br />

klimafreundliches Morgen<br />

Die Ausbildungswerkstatt<br />

Am Ende kam der Neuanfang<br />

Was ist … ?<br />

Noch Fragen?<br />

18<br />

19<br />

20<br />

22<br />

24<br />

15<br />

Fotos: Uwe Oppitz, Rhenus und<br />

Annette Muschalik<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

Wilhelmshaven mbH<br />

Rathausplatz 10<br />

26382 Wilhelmshaven<br />

Telefon: 04421 91060<br />

E-Mail: mail@wirtschaft-wilhelmshaven.de<br />

Gestaltung und Satz: DOCK26 GmbH<br />

Weserstraße 76 b<br />

26382 Wilhelmshaven<br />

Telefon 0 44 21 / 8 70 33-0<br />

Herstellung: Print Media Group GmbH<br />

Gutenbergstraße 4<br />

69181 Leimen<br />

Redaktion: Annette Muschalik<br />

Fotos: Annette Muschalik, Axel Biewer, Björn Lübbe<br />

(Wilhelmshavener Zeitung), TES, Uniper SE, Uwe Oppitz,<br />

Rhenus, Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wilhelmshaven<br />

mbH, benjaminnolt, Archivist, belamy, Graficriver,<br />

stas111, Olga, SkyLine, Iconographic, Nazariy, killykoon,<br />

mintra, Andrii, Lubo Ivanko, bht2000 – stock.adobe.com,<br />

spiralmedia, PeterSnow – istockphoto.com


4 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Warum brauchen wir die <strong>Energie</strong>wende?<br />

Warum brauchen wir<br />

die <strong>Energie</strong>wende?<br />

„Wenden” heißt, einen neuen Kurs einschlagen. Für <strong>unsere</strong> <strong>Energie</strong>versorgung führt<br />

dieser Kurs in Richtung Klimaschutz und Unabhängigkeit.<br />

Seit Jahrzehnten steigen<br />

weltweit die Durchschnittstemperaturen.<br />

Hitze lässt<br />

Böden verdorren, Wälder<br />

brennen, Starkregen überschwemmt<br />

Städte und Dörfer.<br />

All das hat längst auch<br />

Europa, Deutschland und<br />

<strong>unsere</strong> Region erreicht. Steigt<br />

noch dazu der Meeresspiegel<br />

durch das Abschmelzen der<br />

Polkappen, sind wir hier an<br />

der Küste als erstes davon<br />

betroffen. Wenn wir Schlimmeres<br />

verhindern wollen,<br />

müssen wir aktiv werden.<br />

Das bedeutet vor allem, die<br />

Treibhausgase zu reduzieren.<br />

Allen voran das Kohlendioxid<br />

(CO 2<br />

) als Hauptverursacher<br />

der Klimaerwärmung. CO 2<br />

entsteht in großen Mengen<br />

dort, wo fossile <strong>Energie</strong>träger<br />

wie Kohle, Gas und Erdöl<br />

verbrannt werden. Windkraft<br />

oder Solarstrom produzieren<br />

dagegen keine schädlichen<br />

Treibhausgase und sie stehen<br />

unendlich zur Verfügung –<br />

auch bei uns. Alles zusammen<br />

macht diese „erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n“ so wertvoll.<br />

Nutzen wir sie, können wir die<br />

Klimaerwärmung bremsen.<br />

Die Abschlusserklärung der<br />

letzten Weltklimakonferenz<br />

im Dezember (COP28) fordert,<br />

dass bis 2030 die Kapazitäten<br />

an erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />

weltweit verdreifacht werden.<br />

Deutschland hat sich bereits<br />

100 %<br />

1990<br />

Vergleichswert<br />

35 %<br />

2030<br />

22 %<br />

2040<br />

mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Bundesklimaschutzgesetz<br />

und seinen darauf folgenden Novellen ehrgeizige<br />

Ziele gesetzt. Verglichen mit 1990 sollen die Treibhausgase<br />

bei uns<br />

bis 2030 um 65 Prozent reduziert werden<br />

bis 2040 um 88 Prozent reduziert werden<br />

und bis 2045 soll die Netto-Treibhausgas-Neutralität<br />

erreicht werden.<br />

Der Krieg in der Ukraine hat uns dann schlagartig gezeigt, wie<br />

abhängig wir von einem <strong>Energie</strong>lieferanten, in diesem Fall<br />

Russland, sind. Wir müssen deshalb schnellstmöglich Strategien<br />

und Maßnahmen entwickeln, die uns unabhängiger machen.<br />

Das Ziel ist, <strong>unsere</strong> <strong>Energie</strong>interessen selbstverantwortlich<br />

und selbstbestimmt umzusetzen (Empowerment). Da<strong>für</strong><br />

brauchen wir verschiedene technische Lösungen und verschiedene<br />

Partner. Denn <strong>unsere</strong> eigenen Kapazitäten an erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n werden nicht ausreichen, um alle Haushalte<br />

und die Industrie mit <strong>Energie</strong> zu versorgen. Wir müssen auch<br />

in <strong>Zukunft</strong> <strong>Energie</strong> über Pipelines oder per Schiff importieren.<br />

Wasserstoff (H 2<br />

) wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.<br />

Er dient als <strong>Energie</strong>träger ebenso wie als <strong>Energie</strong>speicher<br />

0 %<br />

2045<br />

CO 2<br />

-Neutralität<br />

„Die Transformation<br />

<strong>unsere</strong>r <strong>Energie</strong>versorgung<br />

steht in den<br />

nächsten Jahrzehnten<br />

vor dem vermutlich<br />

revolutionärsten<br />

Umbruch seit der<br />

Elektrifizierung der<br />

Industriegesellschaften.“<br />

2<br />

Prof. Dr.-Ing. Matthias Luther<br />

Lehrstuhlinhaber – Lehrstuhl<br />

<strong>für</strong> Elektrische <strong>Energie</strong>systeme<br />

der Friedrich-<br />

Alexander-Universität<br />

Erlangen-Nürnberg (FAU)<br />

und er erfüllt als „grüner<br />

Wasserstoff“ alle Anforderungen<br />

an eine umweltfreundliche<br />

<strong>Energie</strong>versorgung. Das<br />

Beste daran: Wilhelmshaven<br />

und <strong>unsere</strong> Region bieten<br />

ideale Voraussetzungen, um<br />

genau diese <strong>Energie</strong>wende<br />

zu stemmen.<br />

2<br />

Pressemitteilung vom 9.2.2022 zu den Ergebnissen<br />

des Forschungsprojekts „InnoSys 2030“,<br />

www.amprion.net/Presse/Presse-Detailseite_39296.html<br />

BILD<br />

Deutschlands Plan<br />

bei der Reduzierung<br />

des CO 2<br />

-Ausstoßes.<br />

Grafik: DOCK26


Als Region einen Schritt voraus<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 5<br />

BILD<br />

Blick auf den Wilhelmshavener<br />

Außenhafen mit<br />

seinen Raffinerieanlagen<br />

und Kraftwerken.<br />

Foto: Axel Biewer<br />

Als Region<br />

einen Schritt<br />

voraus<br />

Nirgendwo in Deutschland kann die <strong>Energie</strong>wende schneller<br />

und kostengünstiger umgesetzt werden als in <strong>unsere</strong>r Region.<br />

Warum? Weil wir bereits über die nötige Infrastruktur verfügen.<br />

Wir haben den einzigen Tiefwasserhafen, den große Tanker<br />

anlaufen können. Wir haben Zugang zum größten Kavernenfeld<br />

Deutschlands, das als Wasserstoffspeicher genutzt werden<br />

kann. Wir verfügen schon heute über ein umfangreiches Netz<br />

an Pipelines ins In- und Ausland. Wir haben Platz, um die Infrastruktur<br />

<strong>für</strong> eine neue umweltfreundliche <strong>Energie</strong>versorgung<br />

aufzubauen. Und: Wir knüpfen direkt an die Erfahrungen und<br />

die Anlagen der bestehenden Gas- und Ölindustrie an. Seit<br />

Jahrzehnten ist die Region Wilhelmshaven Dreh- und Angelpunkt<br />

<strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>versorgung in Deutschland. Erst Öl und<br />

Gas, dann Strom aus Windkraft und bald auch Wasserstoff.<br />

Alles zusammen macht <strong>unsere</strong> Region einzigartig. Einzigartig<br />

gut geeignet, um die <strong>Energie</strong>wende mit hoher Geschwindigkeit<br />

umzusetzen. Zur Realität gehört aber auch, dass dadurch<br />

das Landschaftsbild verändert wird. Neue Leitungen werden<br />

entstehen – zum Teil sichtbar, zum Teil unter der Erde. Neue<br />

Industrieanlagen werden gebaut, wo früher naturnahe Flächen<br />

waren. Es werden neue Wind- und Solarparks entstehen. Das<br />

ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit,<br />

die <strong>Energie</strong>wende als Pioniere mitzugestalten. Wir können<br />

die Lösungen liefern, die Deutschland ausreichend und umweltfreundlich<br />

mit <strong>Energie</strong> versorgen. Und dieser Wandel soll<br />

weitere positive Impulse bringen: Neue Technologien schaffen<br />

neue Arbeitsplätze und zusätzliche Steuereinnahmen ermöglichen<br />

eine bessere Infrastruktur in den Bereichen Gesundheit,<br />

Bildung und Kultur. Es können sogar ganz neue regionale<br />

Kreisläufe entstehen, wie die Nutzung von Abwärme zum<br />

kostengünstigen Heizen <strong>unsere</strong>r Wohnungen. Die <strong>Energie</strong>wende<br />

vor <strong>unsere</strong>r Tür ist keine Bürde – sie ist eine Chance <strong>für</strong> uns<br />

und <strong>unsere</strong> Region.<br />

„Wilhelmshaven und die Region haben eine<br />

unfassbar große Veränderungsaufgabe vor sich.<br />

Da<strong>für</strong> braucht es Wagemut, eine positive<br />

Fehlerkultur und die Bereitschaft der Menschen,<br />

Veränderung anzunehmen und ihre<br />

Komfortzone zu verlassen.“ 3<br />

Gunnar Barghorn Stahlbauunternehmer,<br />

Autor und Redner aus Brake<br />

3<br />

Wilhelmshavener Zeitung vom 28. Oktober 2023


6 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Was ist der ENERGY HUB – Port of Wilhelmshaven?<br />

Was ist der<br />

ENERGY HUB – Port of<br />

Wilhelmshaven?<br />

„Hub” beschreibt einen Ort, an dem Verbindungen zusammenlaufen und<br />

neue Richtungen eingeschlagen werden können.<br />

Die <strong>Energie</strong>wende ist ein<br />

gewaltiges Projekt, das mit<br />

hoher Geschwindigkeit umgesetzt<br />

werden muss. Um diese<br />

Aufgabe zu bewältigen, haben<br />

sich im ENERGY HUB Unternehmen<br />

zu einem Netzwerk<br />

zusammengeschlossen.<br />

Sie alle glauben daran, dass<br />

die <strong>Energie</strong>wende möglich<br />

ist. Und sie glauben daran,<br />

dass <strong>unsere</strong> Region der<br />

ideale Standort da<strong>für</strong> ist.<br />

01<br />

Der ENERGY HUB startete im<br />

Oktober 2021 mit 16 Mitgliedern.<br />

Heute sind mehr als 40<br />

nationale und internationale<br />

Unternehmen Teil des Netzwerks.<br />

Hinzu kommen Partner<br />

in Forschung, Politik und<br />

BILD 01<br />

Uwe Oppitz blickt vom<br />

Bulk Terminal Wilhelmshaven<br />

auf die Kraftwerke.<br />

BILD 02<br />

Infoveranstaltung <strong>für</strong><br />

Bürger zum TES Green<br />

ENERGY HUB in Hooksiel.<br />

BILD 03<br />

Eine Delegation des ENERGY<br />

HUB berichtete in Brüssel<br />

über die Standortvorteile<br />

der Region.<br />

Fotos: Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

Wilhelmshaven mbH, TES<br />

Verwaltung. Der ENERGY HUB<br />

deckt als Unternehmensverbund<br />

alle Bereiche ab, die <strong>für</strong><br />

die Umstellung der <strong>Energie</strong>versorgung<br />

wichtig sind: Import<br />

von Rohstoffen, Produktion<br />

vor Ort, ein Leitungsnetz<br />

<strong>für</strong> den Weitertransport und<br />

nötige Speicherkapazitäten.<br />

Die Größe der Aufgabe hat<br />

ermöglicht, was bisher<br />

schwer vorstellbar war: Nicht<br />

mehr in Einzelinteressen<br />

denken und nicht mehr alleine<br />

nach Lösungen suchen.<br />

Stattdessen bringen die Unternehmen ihre vielfältigen<br />

Fähigkeiten, Mittel und Ideen zusammen, um als kraftvolles<br />

Kompetenzzentrum die <strong>Energie</strong>versorgung neu aufzustellen.<br />

Wir haben mit dem Sprecher des Unternehmensverbunds,<br />

Uwe Oppitz, über die bisherige Entwicklung des ENERGY HUB<br />

gesprochen.<br />

? Herr Oppitz, was konnte der ENERGY HUB in den<br />

vergangenen gut zwei Jahren <strong>für</strong> die Region erreichen?<br />

„Als wir angefangen haben, war Wilhelmshaven ein<br />

weißer Fleck <strong>für</strong> die Politik in Berlin. Deutschland und<br />

selbst die Menschen vor Ort hatten vergessen, dass<br />

Wilhelmshaven mit seinen Rohölimporten längst eine


Was ist der ENERGY HUB – Port of Wilhelmshaven?<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 7<br />

entscheidende Rolle <strong>für</strong> die Versorgungssicherheit des<br />

Landes spielt. Durch den Einmarsch Russlands in die<br />

Ukraine änderte sich das schlagartig. Kanzler Olaf Scholz<br />

erwähnte in seiner darauffolgenden Rede am 27. 2. 2022<br />

dreimal das Wort ‚Wilhelmshaven‘ und dann entstand<br />

hier binnen acht Monaten das erste LNG-Terminal. Seitdem<br />

muss ich niemandem in Berlin mehr erklären, wo<br />

Wilhelmshaven liegt. Wenn heute neue Gesetze wie das<br />

Wasserstoffbeschleunigungsgesetz gemacht werden,<br />

dann ist klar, dass <strong>unsere</strong> Region dabei mitgedacht wird.<br />

Wir sagen auch nicht mehr: ‚Wir liegen nur 65 Kilometer<br />

vom ersten deutschen Wasserstoffnetz entfernt‘. Heute<br />

ist Wilhelmshaven mit zwei Leitungen im Wasserstoff-<br />

Kernnetz vertreten und wir sagen selbstbewusst: Hier<br />

ist der Startpunkt. Das ist fantastisch.“<br />

? Was treibt die Unternehmen an, sich im ENERGY HUB<br />

zu engagieren?<br />

„Sie wissen, dass ihre fossilen Geschäftsfelder und ihre<br />

fossile <strong>Energie</strong>versorgung keine <strong>Zukunft</strong> haben. Deshalb<br />

machen sie sich Gedanken, wie sie ohne fossile <strong>Energie</strong>n<br />

weiter wirtschaftlich handeln können. Wir alle wissen,<br />

dass wir so nicht weitermachen können, dass wir über<br />

<strong>unsere</strong> Verhältnisse gelebt haben. Also müssen wir jetzt<br />

gemeinsam schauen, dass wir die Kurve kriegen. Das ist<br />

eine perfekte Symbiose: Soziale Verantwortung gepaart<br />

mit der Chance, neue Geschäftsfelder zu entwickeln und<br />

Arbeitsplätze zu sichern.“<br />

? Und was treibt Sie ganz persönlich an?<br />

„Da gibt es die Motivation des Unternehmers, aber auch<br />

eine private. Ich bin Logistiker. Ich engagiere mich,<br />

weil ich fest daran glaube, dass sich energieintensive<br />

Industrien hier ansiedeln werden. Und diese Industrien<br />

brauchen Logistik. Das treibt mich aus unternehmerischer<br />

Sicht an. Dieses Interesse teile ich aber auch mit<br />

den Bürgern und den Politikern der Region. Denn diese<br />

Ansiedlungen schaffen wertvolle Arbeitsplätze und<br />

erhöhen die Kaufkraft vor Ort. Das stärkt wiederum den<br />

Einzelhandel und den finanziellen Spielraum der<br />

Kommunen. Privat motiviert mich, dass ich Vater bin.<br />

Meine Frau und ich haben uns keine Sorgen darüber<br />

gemacht, Kinder in die Welt zu setzen. Das möchte ich<br />

auch meinen Söhnen ermöglichen. Ich möchte, dass sie<br />

<strong>für</strong> ihre Kinder an eine lebenswerte <strong>Zukunft</strong> glauben<br />

können. Deshalb versuche ich, eine klimafreundliche<br />

<strong>Energie</strong>versorgung mitzugestalten.“<br />

03<br />

02


8 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Was ist der ENERGY HUB – Port of Wilhelmshaven?<br />

BILD<br />

Im Wilhelmshavener TES-Showroom (Marktstraße 54)<br />

informieren sich Delegationen aus aller Welt. Öffnungszeiten:<br />

Mi. 9–12 und 15–18 Uhr sowie Do. und Fr. 9–12 und 14–17 Uhr<br />

Foto: TES<br />

EIN VERBUND – VIELE PROJEKTE<br />

Bis 2031 stehen in einer ersten Phase mehrere Milliarden Euro<br />

Projektgelder bereit. Mit diesem Geld wollen die Unternehmen<br />

des ENERGY HUB zentrale Bausteine der <strong>Energie</strong>wende vorantreiben.<br />

Die Projekte verteilen sich dabei auf fünf Eckpfeiler:<br />

Import und Anlandung<br />

von <strong>Energie</strong>trägern<br />

per Schiff und über<br />

Pipelines<br />

Aus- und Umbau des<br />

Leitungsnetzes zu<br />

einem europäischen<br />

H 2<br />

-Netz<br />

CO 2<br />

-Hub<br />

(mehr auf Seite 16–17)<br />

Umnutzung unterirdischer<br />

Kavernen zur<br />

Wasserstoff-Zwischenspeicherung<br />

Produktion von umweltfreundlichen<br />

<strong>Energie</strong>trägern<br />

wie grünem<br />

Wasserstoff direkt vor<br />

Ort<br />

Bei der Umsetzung ihrer Projekte wollen die Unternehmen<br />

gemeinsam handeln, um ressourcenschonende Kreisläufe zu<br />

entwickeln und das Risiko <strong>für</strong> den Einzelnen zu minimieren.<br />

„Das ist eine perfekte Symbiose:<br />

Soziale Verantwortung gepaart mit der Chance,<br />

neue Geschäftsfelder zu entwickeln und<br />

Arbeitsplätze zu sichern.“<br />

Uwe Oppitz Geschäftsführer der Rhenus Ports GmbH & Co. KG<br />

und Sprecher des ENERGY HUB<br />

? Herr Oppitz, können Sie diese Zusammenarbeit<br />

genauer erklären?<br />

„Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist die Elektrolyse, also die Produktion<br />

von Wasserstoff. Sie benötigt sehr viel Wasser. Deshalb<br />

ist es sinnvoll, dass sich die Elektrolyseunternehmen<br />

zusammensetzen, um den Wasserbedarf abzustimmen<br />

und gemeinsam mit dem Wasserversorger ein intelligentes<br />

Wassermanagement zu entwickeln. Ein weiteres<br />

Beispiel ist die gemeinsame Ausbildung von Fachkräften<br />

in einem Ausbildungszentrum (Seite 19).“<br />

? Wie weit sind die Projekte fortgeschritten und<br />

wie senken sie das Risiko <strong>für</strong> die Unternehmen?<br />

„Für alle gilt, dass die endgültigen Investitionsentscheidungen<br />

immer von den gesetzlichen Voraussetzungen<br />

abhängen, einschließlich der entsprechenden Fördergeldzusagen.<br />

Das unternehmerische Risiko ist hier sehr<br />

hoch, weil wir Neuland betreten. Deshalb sind Kooperationen<br />

wichtig, um das Risiko auf mehrere Schultern<br />

zu verteilen. Schließlich hängen auch Arbeitsplätze<br />

davon ab.“<br />

? Gibt es Fortschritte bei der politischen<br />

Beschlussfassung?<br />

„Ganz wichtig war die Zusage des Bundes zum Bau<br />

eines AVG-Anlegers in Wilhelmshaven. Wir werden in<br />

Deutschland auch in <strong>Zukunft</strong> auf Importe angewiesen<br />

sein. Deshalb brauchen wir diesen ‚Anleger <strong>für</strong> verflüssigte<br />

Gase‘. Für die Finanzierung des Baus gab es<br />

Anfang Dezember grünes Licht vom Bund und vom<br />

Land. Mit 600 Millionen Euro ist der Anleger die größte<br />

Hafeninvestition seit dem JadeWeserPort. Vor allem aber<br />

ist er ein entscheidender Schritt, um Wilhelmshaven zu<br />

einer zentralen Drehscheibe <strong>für</strong> klimafreundliche Gase<br />

auszubauen. Für <strong>unsere</strong> Mitgliedsunternehmen TES<br />

und Uniper wird damit ganz konkret die Voraussetzung<br />

geschaffen, die Investitionen in ihre landseitigen Terminals<br />

zu beschließen. Und das beflügelt in der Folge alle<br />

weiteren Projekte der Wertstoffkette.“


Was ist der ENERGY HUB – Port of Wilhelmshaven?<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 9<br />

UWE OPPITZ<br />

Uwe Oppitz ist einer von drei Geschäftsführern der Rhenus Ports GmbH<br />

& Co. KG und leitet dort das Geschäftsfeld „Ports” (Hafenbetriebe /<br />

Terminals). Seit der Gründung des ENERGY HUB – Port of Wilhelmshaven<br />

ist er Sprecher des Unternehmensverbunds. Oppitz wohnt<br />

mit seiner Familie in Nordenham.<br />

Foto: Uwe Oppitz, Rhenus<br />

MITGLIEDSUNTERNEHMEN ENERGY HUB<br />

ASSOZIIERTE MITGLIEDER ENERGY HUB


10 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> LNG – die Brücke über die Versorgungslücke<br />

LNG – die Brücke über<br />

die Versorgungslücke<br />

01<br />

LNG (flüssiges<br />

Erdgas) ist nicht das<br />

Ziel der <strong>Energie</strong>wende.<br />

LNG ist eine<br />

Übergangslösung auf<br />

dem Weg zu einer<br />

klimaneutralen und<br />

selbstbestimmten<br />

<strong>Energie</strong>versorgung.<br />

Deutschland LNG vor allem aus den USA. Ab 2026 besteht<br />

auch ein Lieferabkommen mit Katar. Als Übergangslösung<br />

sind in Deutschland insgesamt fünf schwimmende Terminals<br />

vorgesehen. Neben den bereits eröffneten Terminals in<br />

Wilhelmshaven, Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und<br />

Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) sollen weitere in Stade<br />

(Niedersachsen) und auf Rügen hinzukommen.<br />

02<br />

BILD 01<br />

Blick auf die ‚Höegh<br />

Esperanza‘, eine schwimmende<br />

Speicher- und<br />

Wiederverdampfungseinheit<br />

(FSRU), bei Nacht.<br />

BILD 02<br />

Von der Ausbildungs-Kooperation<br />

bei Uniper sollen viele<br />

Unternehmen profitieren.<br />

Fotos: Uniper<br />

Die <strong>Energie</strong>wende ist ein<br />

langwieriger Prozess, der<br />

Jahrzehnte dauern wird. Sie<br />

braucht Brückentechnologien<br />

wie LNG, um die <strong>Energie</strong>versorgung<br />

Deutschlands<br />

auf diesem langen Weg zu<br />

sichern. LNG wird per Tanker<br />

angeliefert. Auf festliegenden<br />

Schiffen, den sogenannten<br />

Speicher- und Regasifizierungseinheiten<br />

(FSRU), wird<br />

der flüssige Stoff wieder in<br />

gasförmigen Zustand umgewandelt<br />

und von dort in das<br />

bundesweite Leitungsnetz<br />

eingespeist. Bislang bezieht<br />

Ende Februar 2022 hat die Bundesregierung den Bau von<br />

LNG-Terminals beschlossen. In Wilhelmshaven konnte dies<br />

aufgrund der bereits vorhandenen Umschlaganlage am<br />

schnellsten umgesetzt werden. Am 5. Mai starteten die Bauarbeiten<br />

am Voslapper Groden. Gleichzeitig entstand eine 26<br />

Kilometer lange Gasleitung von Wilhelmshaven zum Gasspeicher<br />

in Etzel (WAL 1). 226 Tage später, am 17. Dezember 2022,<br />

gingen Terminal und Leitung in Betrieb. Beide können zukünftig<br />

auch Wasserstoff anlanden und transportieren. Das zweite<br />

LNG-Terminal in Wilhelmshaven soll im zweiten Quartal 2024<br />

den Betrieb aufnehmen. Es ist bereits über die neue „Wilhelmshaven<br />

Anbindungsleitung 2“ (WAL 2) an das Erdgasfernnetz<br />

angebunden. Die bundeseigene Deutsche Energy Terminal<br />

GmbH (DET) wird es so lange betreiben, bis das parallel geplante<br />

Wasserstoff-Terminal von „Tree Energy Solutions“ (TES)<br />

in Betrieb geht. WAL 1 und 2 können jährlich 100 Terawattstunden<br />

Gas transportieren. Das sind rund 20 Prozent der früheren<br />

Gasimporte aus Russland und entspricht dem Jahresverbrauch<br />

von rund 5 Millionen Haushalten. Im Dezember konnte die EWE<br />

eine weitere Leitung fertigstellen, die über 72 Kilometer von<br />

den Anschlussleitungen zu den Speichern in Nüttermoor und<br />

Jemgum (Landkreis Leer) führt. Auch diese Leitung ist bereits<br />

<strong>für</strong> den Transport von Wasserstoff ausgelegt.


Sicherheit<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 11<br />

Sicherheit<br />

LNG-Terminals sind im Betrieb nicht gefährlicher als bereits bestehende<br />

Rohstoffanleger. Wegen ihrer Bedeutung <strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>versorgung Deutschlands<br />

unterliegen sie aber besonders hohen Sicherheitsvorschriften.<br />

LNG selbst brennt nicht. Die hohe Dichte bei niedriger<br />

Temperatur verhindert dies. Wenn LNG ungewollt entweicht,<br />

stellt dies keine Gefahr <strong>für</strong> die Umwelt dar. Es<br />

verdampft schnell und verliert sich – anders als LPG<br />

(Liquid Petroleum Gas – „Flüssiggas“) – in der Atmosphäre,<br />

weil es leichter ist als Luft. Deshalb kann LNG<br />

auch nicht in den Boden eindringen oder sich mit Wasser<br />

vermischen. Ausgetretenes LNG kann sich jedoch in<br />

hochentzündliches Erdgas umwandeln, wenn es durch<br />

die Außentemperatur erwärmt wird. Entzündet sich dies,<br />

bildet sich entweder eine Flamme oder – wenn es länger<br />

verdampft – eine explosionsfähige Atmosphäre.<br />

Vynova sowie ein Feuerlöschschlepper beim LNG-Umschlag.<br />

Alarmiert werden außerdem die Feuerwehr<br />

Wilhelmshaven und die Polizei. Ihre Spezialkräfte sind<br />

<strong>für</strong> solche Fälle besonders ausgebildet und ausgerüstet.<br />

Sie greifen dabei auch auf ihre Erfahrungen mit dem<br />

bereits bestehenden Rohölanleger zurück. Ist nicht auszuschließen,<br />

dass die Bevölkerung beeinträchtigt wird<br />

oder möglicherweise gefährdet ist, warnen Behörden<br />

und Feuerwehr die Bürgerinnen und Bürger mithilfe von<br />

Lautsprecherwagen, Sirenenalarm, Warn-Apps (NINA,<br />

die Warn-App des Bundes oder KatWarn) und Rundfunkdurchsagen.<br />

Um die größtmögliche Sicherheit <strong>für</strong> Mitarbeiter und<br />

die Bevölkerung beim Betrieb von LNG-Terminals zu<br />

gewährleisten, müssen Betriebsstörungen und Unfälle<br />

bestmöglich vermieden werden. Dies wird durch technische<br />

Maßnahmen erreicht, indem nur sichere Bauteile<br />

und Komponenten verwendet werden. Zudem werden<br />

Prozesse und Arbeitsabläufe mehrfach abgesichert,<br />

rechnergestützt gesteuert und überwacht. Kommt es<br />

dennoch zum Störfall, stehen in den Terminalanlagen<br />

fest installierte Brandschutzeinrichtungen zur Verfügung.<br />

Zusätzlich unterstützen die Werkfeuerwehr der<br />

STÖRFALL<br />

Nicht jede Betriebsstörung ist ein Störfall. Der<br />

Begriff „Störfall“ bezeichnet Zwischenfälle wie<br />

eine Freisetzung von gefährlichen Stoffen, einen<br />

Brand oder eine Explosion größeren Ausmaßes,<br />

die sich aus einer Betriebsstörung ergeben und<br />

die zu einer ernsten Gefahr <strong>für</strong> Mensch und Umwelt<br />

in der Umgebung führen können.


12 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Arbeiten am Terminal<br />

Arbeiten am<br />

Terminal<br />

Beinahe automatisch wandert der Blick gen Meer, wenn dort am Ende der Umschlaganlage<br />

Voslapper Groden die ‚Höegh Esperanza’ auftaucht. Für die einen ein bedrohlicher Anblick,<br />

<strong>für</strong> die anderen ein majestätischer. Unscheinbar wirken dagegen die Bürocontainer auf der<br />

anderen Seite des Deichs. Sie sind der Arbeitsplatz von Andrea Benters und ihren Kollegen.<br />

Andrea Benters<br />

Administration<br />

LNG-Terminal<br />

Wilhelmshaven<br />

Sechs Beschäftigte von Uniper arbeiten am ersten LNG-<br />

Terminal an der Umschlaganlage Voslapper Groden. Andrea<br />

Benters ist die einzige Frau in dem Team. Gemeinsam sorgen<br />

sie <strong>für</strong> den reibungslosen Betrieb des Terminals und gemeinsam<br />

haben sie auch die hektische Zeit des Aufbaus gemeistert.<br />

„Für uns bedeutete die ‚neue Deutschlandgeschwindigkeit‘ enorm<br />

viel Stress. Das hat mich gedanklich oft bis in den Schlaf begleitet.<br />

Andererseits war es eine unheimlich spannende Zeit. Mittlerweile<br />

ist es nicht mehr so hektisch, aber immer noch sehr vielseitig.<br />

Es wird nie langweilig.“<br />

Dass sie heute so von ihrem ‚Bürojob‘ schwärmt, hätte sich<br />

Andrea Benters noch vor zwei Jahren nicht vorstellen<br />

können. Zu der Zeit arbeitete die gelernte Chemielaborantin<br />

noch im Labor des Steinkohlekraftwerks von Uniper. Der<br />

technische Ansatz ihres Berufes hat sie immer fasziniert.<br />

„Deshalb war ich anfangs auch etwas skeptisch, als ich gefragt<br />

wurde, ob ich die Assistenzstelle am LNG-Terminal übernehmen<br />

möchte. Ich hatte ja überhaupt keine Erfahrung mit klassischer<br />

Büroarbeit. Aber die Herausforderung hat mich gereizt.“<br />

Seit Oktober 2022 arbeitet die Mutter von zwei erwachsenen<br />

Kindern Vollzeit am LNG-Terminal. Sie freut sich jeden<br />

Morgen, wenn sie aus Neustadtgödens an ihren Arbeitsplatz<br />

im Containerbüro hinter dem Deich fährt, sagt sie. Dann<br />

kann sie weit über die Nordsee blicken und auf die ‚Höegh<br />

Esperanza‘, die sie „sehr beeindruckend“ findet, besonders<br />

wenn sie beleuchtet ist.<br />

Um 7.30 Uhr bespricht das Team, was der Tag bringen wird.<br />

Für ihre fünf Kollegen bedeutet das oft ständiges Hin und Her<br />

zwischen Büro und Anleger. Sie müssen sicherstellen, dass<br />

die Rückumwandlung des LNGs in Erdgas einwandfrei läuft.<br />

Da<strong>für</strong> warten und kontrollieren sie die Anlagen außerhalb<br />

der ‚Höegh Esperanza‘ und überwachen das Anlegen der LNG-<br />

Tanker. Das alles geschieht in einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst.<br />

Andrea Benters muss nachts nicht raus, aber<br />

Fremdarbeiter, die am Terminal eingesetzt sind, kommen an<br />

ihr nicht vorbei. Sie gibt die Arbeitsaufträge <strong>für</strong> sie raus.<br />

Zusätzlich zu allen Materialbestellungen kümmert sie sich<br />

um die umfangreiche Dokumentation <strong>für</strong> die LNG-Tanker.<br />

Die 53-Jährige fühlt sich wohl in ihrem neuen Arbeitsalltag.<br />

Als Bürgerin der Region ist sie sich aber auch der Kritik<br />

bewusst.<br />

„Für mich ist wichtig, dass ich weiß, wie engmaschig meine<br />

Kollegen und die Behörden die Abläufe kontrollieren. Das gibt mir<br />

ein sicheres Gefühl. Unser Auftrag ist es, die <strong>Energie</strong>versorgung<br />

zu unterstützen und ich bin stolz, Teil dieses Lösungsprozesses<br />

zu sein.“<br />

Foto: Annette Muschalik


Wasserstoff: Ein Hoffnungsträger <strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>wende<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 13<br />

„Ich bin davon überzeugt, meine Freunde, dass das<br />

Wasser dereinst als Brennstoff Verwendung findet,<br />

dass Wasserstoff und Sauerstoff, seine Bestandteile,<br />

zur unerschöpflichen und bezüglich ihrer Intensität ganz<br />

ungeahnten Quelle der Wärme und des Lichts werden. (...)<br />

Das Wasser ist die Kohle der <strong>Zukunft</strong>.“<br />

Jules-Gabriel Verne aus seinem 1875 erschienenen Roman<br />

„Die geheimnisvolle Insel“<br />

Wasserstoff:<br />

Ein Hoffnungsträger<br />

<strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>wende<br />

Wasserstoff ist das kleinste chemische Element,<br />

aber zusammen mit Wind- und Sonnenenergie<br />

spielt er eine Schlüsselrolle <strong>für</strong> eine klimafreundliche<br />

<strong>Energie</strong>versorgung.<br />

H 2<br />

kann als umweltfreundlicher <strong>Energie</strong>träger im Verkehr,<br />

in der Industrie, in Kraftwerken oder als Heizenergie<br />

eingesetzt werden, ohne dass schädliche Klimagase oder<br />

Nebenprodukte wie Kohlenstoffdioxid oder Kohlenstoff<br />

entstehen.<br />

1991 taucht erstmals Windkraft als <strong>Energie</strong>träger zur Stromerzeugung<br />

in der Statistik auf. 4 Zehn Jahre später folgte die<br />

Sonnenenergie. Seit 2019 ist die Windkraft sogar der führende<br />

<strong>Energie</strong>träger. Ihre Vorteile liegen auf der Hand: Wind- und<br />

Sonnenenergie sind umweltfreundlich und unerschöpflich.<br />

Allerdings stehen sie nicht überall und zu jeder Zeit in ausreichender<br />

Menge zur Verfügung.<br />

Hier kommt Wasserstoff (H 2<br />

) als neuer Hoffnungsträger bei<br />

der <strong>Energie</strong>versorgung ins Spiel.<br />

4<br />

https://www.destatis.de/DE/Im-Fokus/Klima/_inhalt.html<br />

H 2<br />

kann als Speicher dienen, wenn zu viel Wind- oder<br />

Solarstrom produziert wird.<br />

H 2<br />

kann per Schiff (in Form von Derivaten) oder Pipeline<br />

dorthin transportiert werden, wo er benötigt wird.<br />

GRÜNER WASSERSTOFF<br />

Für grünen Wasserstoff wird Wasser mittels Elektrolyse<br />

in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Es entsteht<br />

ein ungiftiges, farb- und geruchloses Gas, das bei der<br />

Verbrennung keine schädlichen Stoffe freisetzt. „Grün”<br />

wird er, wenn bei seiner Herstellung erneuerbare <strong>Energie</strong>n<br />

wie Wind- und Sonnenenergie eingesetzt wurden.<br />

>


14 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Wasserstoff: Ein Hoffnungsträger <strong>für</strong> die <strong>Energie</strong>wende<br />

„Unser Ziel als ENERGY HUB ist es, bis 2031<br />

pro Stunde 194 Tonnen Wasserstoff über<br />

Wilhelmshaven zu importieren. Das entspricht<br />

der Leistung von 6-7 Atomkraftwerken<br />

(6,5 Gigawatt). Damit wären 40 bis 61 Prozent<br />

Grau<br />

Erdgas + Heizöl<br />

des prognostizierten H 2<br />

-Bedarfs in Deutschland<br />

gedeckt, was 10 bis 15 Prozent der europäischen<br />

H 2<br />

-Produktion ausmacht.“<br />

Uwe Oppitz Sprecher des ENERGY HUB<br />

Grün<br />

Erneuerbare<br />

<strong>Energie</strong>n<br />

H 2<br />

Orange<br />

Biomasse + Strom<br />

aus Müllverbrennung<br />

Besonders in der Industrie, die mehr als ein Viertel des <strong>Energie</strong>verbrauchs<br />

in Deutschland ausmacht und gleichzeitig ein<br />

Viertel der Bruttowertschöpfung generiert sowie über 5,5<br />

Millionen Arbeitsplätze bietet, ist dies von großer Bedeutung.<br />

Die Unternehmen des ENERGY HUB setzen daher auf den Import,<br />

die Produktion und die Speicherung von Wasserstoff als<br />

zentrale Projekte, um die <strong>Energie</strong>wende voranzutreiben.<br />

WASSERSTOFF HAT VIELE FARBEN<br />

Wasserstoff ist an sich ein farbloses Gas, das auf unterschiedliche<br />

Weise hergestellt werden kann. Diese verschiedenen<br />

Herstellungsverfahren werden mit Farben gekennzeichnet.<br />

Maßgeblich <strong>für</strong> die Umweltbilanz von Wasserstoff in seinen<br />

verschiedenen Farben sind neben dem Herstellungsverfahren<br />

auch die jeweils eingesetzten <strong>Energie</strong>quellen.<br />

Bei der Produktion von sogenanntem grauen Wasserstoff wird<br />

<strong>Energie</strong> aus fossilen Quellen wie Erdöl, Kohle oder Erdgas verwendet.<br />

Dabei entsteht umweltschädliches Kohlenstoffdioxid<br />

(CO 2<br />

) als Abfallprodukt. Grauer Wasserstoff ist deshalb <strong>für</strong> eine<br />

klimaneutrale <strong>Energie</strong>versorgung ungeeignet. Aktuell macht er<br />

in Deutschland aber noch 40 Prozent des erzeugten Wasserstoffs<br />

aus.<br />

Blauer Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas hergestellt,<br />

jedoch wird das dabei entstehende Kohlenstoffdioxid nicht in<br />

die Atmosphäre abgegeben, sondern gespeichert oder industriell<br />

weiterverarbeitet (Seite 16 ff.). Dadurch ist blauer Wasserstoff<br />

weitgehend klimaneutral und gilt als gute Übergangslösung<br />

auf dem Weg zum eigentlichen Hoffnungsträger der<br />

<strong>Zukunft</strong>: grüner Wasserstoff.<br />

Blau<br />

Erdgas<br />

(CCU, CCS)<br />

Grauer Wasserstoff · Vorteile: Nutzung bestehender<br />

<strong>Energie</strong>quellen<br />

Nachteile: starke Umweltbelastung, Abhängigkeit von<br />

fossilen <strong>Energie</strong>quellen, energieintensive Herstellung<br />

Orangener Wasserstoff · Für die Herstellung des Wasserstoffs<br />

wird <strong>Energie</strong> aus Biomasse und Strom aus Müllheizkraftwerken<br />

genutzt. Orangener Wasserstoff ist so nicht klimaneutral,<br />

könnte aber zum Beispiel im Verkehrsbereich die Emissionsbilanz<br />

verbessern.<br />

Blauer Wasserstoff · Vorteile: Vielfältige Anwendungen,<br />

Herstellung nahezu klimaneutral, kurzfristig verfügbar<br />

Nachteile: Fehlende Speichermöglichkeiten, unterirdische<br />

Speicherung kann Umwelt belasten, Langzeitwirkung der<br />

Speicherung unklar<br />

Grüner Wasserstoff · vollständig klimaneutral,<br />

vielseitig einsetzbar, diverse Speichermöglichkeiten<br />

Wasserstoff wird noch in eine Reihe weiterer Farben eingeteilt.<br />

Je nach eingesetzter <strong>Energie</strong>quelle und Herstellungsverfahren<br />

kennzeichnen diese die unterschiedlichen Auswirkungen auf<br />

das Klima.<br />

<br />

Grafik: DOCK26<br />

WASSER FÜR WASSERSTOFF<br />

Für die Produktion von Wasserstoff ist viel Wasser nötig. Neun Kilogramm des Rohstoffs ergeben ein Kilogramm H 2<br />

.<br />

Das ist andererseits deutlich weniger, als <strong>für</strong> Benzin mit einem vergleichbaren <strong>Energie</strong>gehalt aufgebracht werden muss.<br />

Die Unternehmen des ENERGY HUB arbeiten intensiv an intelligenten Lösungen, um bei der zukünftigen Wasserstoffproduktion<br />

den Rohstoff so schonend und effizient wie möglich einzusetzen.


Pionierarbeit im Untergrund<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 15<br />

Pionierarbeit<br />

im Untergrund<br />

Die Storag Etzel GmbH ist eines der größten unabhängigen Speicherunternehmen <strong>für</strong> Erdöl und Erdgas<br />

in Europa. In dem Projekt „H 2<br />

CAST Etzel“ erforschen sie, inwieweit sich die bestehenden Öl- und Gaskavernen<br />

auf Wasserstoff umrüsten lassen. Das Projekt wird vom Land Niedersachsen und vom Bund<br />

gefördert, weil es <strong>für</strong> ganz Deutschland als Vorlage <strong>für</strong> die Wasserstoffspeicherung im Untergrund dient.<br />

Carsten Reekers<br />

Projektleiter<br />

H 2<br />

CAST Etzel<br />

Carsten Reekers arbeitet seit 2008 bei der Storag Etzel.<br />

Er ist Projektleiter <strong>für</strong> „H 2<br />

CAST Etzel“ und wenn er über<br />

seine Arbeit spricht, sprudeln die Sätze nur so aus ihm<br />

heraus. Es ist deutlich zu spüren, dass er <strong>für</strong> dieses Projekt<br />

brennt.<br />

„Als Bauingenieur ist das <strong>für</strong> mich ein El Dorado, da ich mich<br />

mit vielen verschiedenen Disziplinen auseinandersetzen<br />

muss. Genehmigungsrecht, Werkstoffkunde oder auch Mikrobakteriologie.<br />

Und wo ich nicht weiterkomme, suche ich mir<br />

Spezialisten. Die Universität Bochum zum Beispiel ist eine der<br />

renommiertesten Adressen <strong>für</strong> Korrosionsuntersuchungen.<br />

Diese Pionierarbeit macht Spaß. Es mag im Moment schwer<br />

vorstellbar sein, dass Wasserstoff eine bedeutende Rolle in<br />

der <strong>Energie</strong>versorgung spielen wird, aber ich bin mir sicher,<br />

dass sich das in einigen Jahren ändern wird. Vor 30 Jahren<br />

hätten wir auch nicht gedacht, dass wir heute mit künstlicher<br />

Intelligenz arbeiten oder mit Elektroautos fahren.“<br />

Für „H 2<br />

CAST“ werden zwei Kavernen in Tiefen von 1.000 bis<br />

1.200 Metern mit einem Durchmesser von 50 Metern umgerüstet.<br />

Sie sind derzeit mit Sole aus Salz und Wasser gefüllt.<br />

Ein doppelwandiges Rohrsystem, das auch bei Erdgaskavernen<br />

zum Befüllen verwendet wird, wurde bereits eingebaut<br />

und von den Behörden genehmigt. Sechs Wochen haben<br />

Anlagenbauer, Schweißer und andere Gewerke rund um die<br />

Uhr an den Kavernen gearbeitet. Etwa 30 Fremdfirmen sind<br />

an dem Projekt beteiligt. Reekers und sein zehnköpfiges<br />

Team sind <strong>für</strong> die Umsetzung verantwortlich. Sie planen,<br />

steuern und überwachen die Arbeiten. Nach erfolgreichen<br />

Dichtigkeitstests mit Stickstoff sollen nun zusätzliche Tests<br />

mit Wasserstoff <strong>für</strong> größtmögliche Sicherheit sorgen. Mit der<br />

obertägig installierten Testanlage wird danach der Gasspeicherbetrieb<br />

mit allen Arbeitsschritten wie Verdichtung<br />

und Gastrocknung erprobt.<br />

„Vieles ist von den Erdgaskavernen übertragbar, aber eben nicht<br />

alles, weil Wasserstoff andere Eigenschaften aufweist.<br />

Die Frage <strong>für</strong> uns ist aber nicht, ob, sondern nur WIE es am<br />

besten funktioniert.“<br />

2026 möchte die Storag Etzel „H 2<br />

ready“ sein, also bereit <strong>für</strong><br />

die Speicherung von Wasserstoff. Damit wäre ein zentraler<br />

Baustein <strong>für</strong> die Umstellung der <strong>Energie</strong>versorgung erreicht.<br />

„Als Bauingenieur ist das <strong>für</strong> mich<br />

ein El Dorado.“<br />

Carsten Reekers Projektleiter H2CAST Etzel<br />

Foto: Annette Muschalik


16 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Kohlenstoffdioxid: Den Feind zum Freund machen<br />

Kohlenstoffdioxid:<br />

Den Feind zum<br />

Freund machen<br />

Der Umstieg von fossilen <strong>Energie</strong>trägern auf klimafreundliche<br />

Alternativen braucht vor allem eins: neue Ideen und Forschergeist.<br />

Die Pflanzen machen es uns vor: Sie leisten mit der Fotosynthese<br />

den bedeutendsten Stoffwechselprozess der Erde, indem<br />

sie CO 2<br />

und Wasser unter Verwendung von Sonnenenergie in<br />

Biomasse umwandeln. Dabei entsteht der Sauerstoff, den wir<br />

zum Leben brauchen.<br />

KOHLENSTOFF<br />

21 Millionen Tonnen Kohlenstoff setzt die deutsche<br />

Industrie jährlich in Produkte wie Schmerzmittel,<br />

Kunstdünger, Outdoorbekleidung oder Autoreifen um.<br />

Bisher stammen 90 Prozent des Kohlenstoffs aus<br />

fossilen Quellen wie Erdöl, Kohle und Erdgas. Hier ist<br />

Kohlenstoff aus recyceltem CO 2<br />

eine umweltschonende<br />

Alternative.<br />

Wir waren bisher nicht so clever und haben viel zu viel CO 2<br />

einfach<br />

in die Atmosphäre entweichen lassen, wo es maßgeblich<br />

<strong>für</strong> die Klimaerwärmung verantwortlich ist. Das muss sich ändern<br />

und das kann sich ändern. Da<strong>für</strong> soll CO 2<br />

eingefangen, gespeichert<br />

und recycelt werden. Eine Möglichkeit des Recyclings<br />

besteht darin, Kohlenstoff aus dem CO 2<br />

zu gewinnen. Kohlenstoff<br />

ist nicht nur ein Grundbaustein des Lebens, sondern auch<br />

ein wichtiger Rohstoff <strong>für</strong> die chemische Industrie.<br />

Zwei Methoden stehen uns heute technologisch bereits zur Verfügung.<br />

Die Carbon Capture and Utilization Technik (CCU) und<br />

das Carbon Capture and Storage Verfahren (CCS). Bei der CCU-<br />

Technik wird das durch industrielle Prozesse entstehende CO 2<br />

aufgefangen, der Kohlenstoff abgespalten und beispielsweise<br />

in der Chemieindustrie wiederverwendet. Beim CCS-Verfahren<br />

wird CO 2<br />

unterirdisch gespeichert, um zu verhindern, dass es in<br />

die Atmosphäre gelangt.<br />

02<br />

FOTOSYNTHESE<br />

Fotosynthese ist eine biochemische Reaktion, die das<br />

Leben auf <strong>unsere</strong>r Erde <strong>für</strong> uns erst möglich macht.<br />

Pflanzen, Algen und Bakterien nutzen dabei Sonnenenergie,<br />

Wasser und das in der Atmosphäre befindliche<br />

Kohlendioxid, um daraus Glucose und Sauerstoff zu<br />

bilden. So entstehen aus energiearmen anorganischen<br />

Stoffen mithilfe von Sonnenenergie energiereiche<br />

organische Stoffe.<br />

Grafik: DOCK26<br />

02<br />

Licht<br />

Kohlendioxid<br />

Wasser<br />

Sauerstoff


Kohlenstoffdioxid: Den Feind zum Freund machen<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 17<br />

01<br />

CCU – CARBON CAPTURE AND UTILIZATION<br />

01<br />

auffangen<br />

und<br />

nutzen<br />

Bei der Carbon Capture and Utilization Technik (CCU)<br />

wird das bei industriellen Prozessen entstehende CO 2<br />

nicht in die Atmosphäre abgegeben, wo es als Treibhausgas<br />

den Klimawandel beschleunigt, sondern es<br />

wird abgetrennt beziehungsweise aufgefangen.<br />

Anschließend kann der Kohlenstoff nach Aufbereitung<br />

und eventuellem Transport wieder direkt oder<br />

indirekt zur Herstellung kohlenstoffhaltiger Produkte<br />

genutzt werden. <br />

Grafik: DOCK26<br />

Wilhelmshaven kann sich zu einer wichtigen logistischen Drehscheibe<br />

<strong>für</strong> CO 2<br />

entwickeln, indem das CO 2<br />

, das beispielsweise<br />

per Zug angeliefert wird, von hier aus per Schiff oder Pipeline<br />

zu den Speicherstätten in der norwegischen und dänischen<br />

Nordsee weitertransportiert wird. Gleichzeitig wird im ENER-<br />

GY HUB daran gearbeitet, umweltfreundliche Kreisläufe zu<br />

entwickeln. So entstehen weltweit an Standorten mit großem<br />

Solar- oder Windenergieaufkommen Produktionsstätten <strong>für</strong><br />

grünen Wasserstoff. Kombiniert man diesen grünen Wasserstoff<br />

mit recyceltem CO 2<br />

, entsteht ein Gas, das sehr gut transportfähig<br />

ist und per Schiff nach Wilhelmshaven geliefert wird.<br />

Hier angelandet wird es wieder in Wasserstoff umgewandelt<br />

und direkt ins bundesweite Leitungsnetz eingespeist oder<br />

zwischengespeichert. Das dabei erneut frei werdende CO 2<br />

wird<br />

zurückgeführt an den Ausgangsort, um den Kreislauf dort erneut<br />

in Gang zu setzen.<br />

UMWELTBUNDESAMT<br />

„Eine vollständige Dekarbonisierung des Wirtschaftssystems<br />

ist nach heutigem Kenntnisstand nicht möglich.<br />

Kohlenstoff wird <strong>für</strong> ausgewählte Brenn- und<br />

Kraftstoffe sowie Rohstoffe der chemischen Industrie<br />

benötigt. Langfristig ist CCU daher ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil eines zukünftigen Wirtschaftssystems.<br />

Dabei sind nur CCU-Maßnahmen, deren <strong>Energie</strong>bedarf<br />

ausschließlich mit erneuerbaren <strong>Energie</strong>n gedeckt wird<br />

und die atmosphärischen Kohlenstoff nutzen, als treibhausgasneutral<br />

zu bewerten.” 5<br />

5 <br />

Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutzenergiepolitik-in-deutschland/carbon-capture-utilization-ccu#Fazit<br />

BILD<br />

Wälder sind wichtige<br />

CO 2<br />

-Speicher und<br />

Sauerstofflieferanten –<br />

hier der Forst Upjever.<br />

Foto: Björn Lübbe


18 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Ausbilden <strong>für</strong> ein klimafreundliches Morgen<br />

Ausbilden <strong>für</strong> ein<br />

klimafreundliches Morgen<br />

Jede gute Idee wird erst dann zu einem<br />

erfolgreichen Projekt, wenn es Menschen gibt,<br />

die sie umsetzen.<br />

dann werden in den nächsten Jahren bereits hunderte Fachkräfte<br />

benötigt. Insgesamt rechne ich mit weit über 1000<br />

Fachkräften, die hier an der <strong>Energie</strong>wende arbeiten werden.“<br />

BILD<br />

Ein Blick auf die<br />

Ausbildungsplätze der<br />

Industriemechaniker.<br />

Foto: Björn Lübbe<br />

Mehr als 20 Projekte liegen<br />

derzeit von den Unternehmen<br />

des ENERGY HUB auf dem<br />

Tisch. Einige werden bereits<br />

umgesetzt, andere haben gerade<br />

grünes Licht bekommen<br />

und wieder andere warten<br />

noch auf Genehmigungen.<br />

Klar ist aber schon jetzt:<br />

Richtig Fahrt aufnehmen<br />

kann jedes einzelne Projekt<br />

nur, wenn es genug Fachkräfte<br />

gibt, die den Betrieb<br />

der Anlagen sicherstellen. Die<br />

Dimensionen sind gewaltig,<br />

sagt Harald Seegatz. „Nehmen<br />

wir nur mal die Projekte<br />

zum Thema Wasserstoff,<br />

Dieser Bedarf war einer der Gründe, warum Uniper in den<br />

Werkstatträumen seines stillgelegten Steinkohlekraftwerks<br />

eine Ausbildungswerkstatt eingerichtet hat. „Wir haben die<br />

Ausbilder, wir haben die Maschinen und wir haben die Räumlichkeiten,<br />

um hier eine große Zahl von Fachkräften auszubilden.“<br />

Für die Unternehmen im ENERGY HUB bietet sich damit<br />

die Chance, nicht nur bei der technischen Umsetzung ihrer<br />

Projekte zu kooperieren, sondern auch bei der Ausbildung ihrer<br />

Fachkräfte. Und das muss schnell geschehen. Viele Projekte<br />

sollen 2027 oder 2028 starten. Da<strong>für</strong> müsste die 3,5-jährige<br />

Ausbildung bereits 2024 beginnen.<br />

Neben der Ausbildung sind auch Umschulungsangebote geplant,<br />

die sich zum Beispiel an Zeitsoldatinnen und -soldaten<br />

oder Menschen richten, die sich neu orientieren möchten.<br />

Diese Umschulungen dauern zwischen 18 und 30 Monaten<br />

und ermöglichen einen schnelleren Zuwachs an Fachkräften.<br />

Die Ausbildungswerkstatt bietet bereits heute aufbauende<br />

Lehrgänge in den Bereichen Mechanik und Elektronik an.


Die Ausbildungswerkstatt<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 19<br />

Weitere Lehrgänge sowie Ausbildungsberufe zum Thema<br />

Wasserstoff sollen entwickelt werden. Auch eine Kooperation<br />

mit der Jade Hochschule besteht bereits. Die Hochschule ist<br />

ein enger Forschungspartner des ENERGY HUB. Studierende<br />

haben die Möglichkeit, Praktika in der Ausbildungswerkstatt<br />

zu absolvieren.<br />

HARALD SEEGATZ<br />

WARUM ES SICH LOHNT<br />

Neben den Ausbildungsangeboten braucht es vor allem Menschen,<br />

die Lust haben, diesen Weg zu gehen. Harald Seegatz ist<br />

überzeugt, dass sich das lohnt. „Hier können junge Menschen<br />

ihre eigene <strong>Zukunft</strong> und die ihrer Kinder und Enkel mitgestalten,<br />

denn hier bei uns wird die <strong>Energie</strong>wende vorangetrieben.<br />

Dazu kommt, dass die Arbeit heute viel abwechslungsreicher<br />

ist als zu meiner Zeit. Früher sind wir immer durch das gleiche<br />

Tor ins Kraftwerk gekommen und haben immer an den gleichen<br />

Anlagen gearbeitet. In <strong>Zukunft</strong> werden die Arbeitsplätze<br />

auf verschiedene Anlagen verteilt sein. Wer am Elektrolyseur<br />

arbeitet, wird auch mal zum Solarpark fahren und dort eine<br />

Sicherung einbauen. Das alles ist eine gigantische und spannende<br />

Aufgabe.“<br />

Harald Seegatz. Der 54-Jährige hat 1985 im Uniper<br />

Steinkohlekraftwerk seine Ausbildung zum <strong>Energie</strong>anlagenelektroniker<br />

begonnen. Seit 2015 ist er Uniper<br />

Konzernbetriebsratsvorsitzender und seit 2016 stellvertretender<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrats von Uniper<br />

SE. Seegatz wohnt mit seiner Familie in Schortens.<br />

Foto: Annette Muschalik<br />

Die Ausbildungswerkstatt<br />

In der Uniper-Ausbildungswerkstatt werden derzeit<br />

jahrgangsübergreifend 35 Auszubildende in den Berufen<br />

Industriemechaniker, Elektroniker <strong>für</strong> Betriebstechnik<br />

und Industrieelektroniker ausgebildet. Erstmals auch ein<br />

Mechatroniker, der zusätzliche Ausbildungseinheiten im<br />

Bereich Wasserstoff absolviert. Im Rahmen eines Kooperationsmodells<br />

bildet die Werkstatt auch Auszubildende<br />

anderer Unternehmen aus.<br />

Als zertifizierte Bildungsanstalt arbeitet die Werkstatt<br />

eng mit der Agentur <strong>für</strong> Arbeit und anderen Trägern<br />

zusammen.<br />

„Hier können junge Menschen ihre<br />

eigene <strong>Zukunft</strong> und die ihrer Kinder<br />

und Enkel mitgestalten.“<br />

Harald Seegatz Konzernbetriebsratsvorsitzender<br />

von Uniper SE<br />

Uniper rechnet Anfang 2024 mit der Bewilligung der<br />

beim Bund beantragten Fördermittel <strong>für</strong> den Ausbau der<br />

Werkstatt zu einem Aus- und Fortbildungszentrum.<br />

Fotos: Uniper


20 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Am Ende kam der Neuanfang<br />

Am Ende kam<br />

der Neuanfang<br />

Viele Menschen erleben die Veränderungen, die die <strong>Energie</strong>wende mit sich bringt, hautnah.<br />

Das ist oft nicht einfach, es öffnen sich aber auch ganz neue Türen.<br />

BILD<br />

Michael Renner vor der<br />

großen Hauptturbine im stillgelegten<br />

Uniper-Kraftwerk.<br />

Bis heute ist er begeistert von<br />

den gigantischen Ausmaßen<br />

der Anlage. Foto: Annette Muschalik<br />

„Eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung<br />

von Wasserstoffanlagen<br />

zu übernehmen, fand ich total spannend.“<br />

Michael Renner Uniper Energy Storage<br />

UNIPER SE<br />

Das Steinkohlekraftwerk in Wilhelmshaven wurde 1976<br />

in Betrieb genommen. Im April 2021 erhielt Uniper<br />

den Zuschlag der Bundesnetzagentur, das Kraftwerk<br />

stillzulegen. Die Stromproduktion wurde daraufhin im<br />

Dezember 2021 eingestellt. Die Mitarbeitenden wechselten<br />

auf andere Arbeitsplätze innerhalb und außerhalb<br />

des Konzerns oder schieden mit einer Vorruhestandsregelung<br />

aus dem Berufsleben aus. 2025 wird in Bad<br />

Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) ein „Reallabor“ von Uniper<br />

mit weiteren Partnern in Betrieb gehen, mit dem die<br />

komplette Wertschöpfungskette der Wasserstoffproduktion<br />

dargestellt wird.<br />

Ende 2021 wurde es still im Uniper Steinkohlekraftwerk in Wilhelmshaven.<br />

Die Anlagen, an denen viele Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter über Jahrzehnte mit Leidenschaft gearbeitet hatten,<br />

wurden abgestellt. Sie hatten ihren Wert <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />

verloren. „Das war kein schönes Gefühl”, erinnert sich Michael<br />

Renner. Er war zu dem Zeitpunkt Meister der E- und Leittechnik-Werkstatt.<br />

Wie das Ende dieser Ära <strong>für</strong> ihn zu einem beruflichen<br />

Neuanfang wurde, hat er im Gespräch erzählt.<br />

? Herr Renner, wie war das, als die Nachricht kam,<br />

„im Dezember ist definitiv Schluss“?<br />

„Es war nicht wirklich überraschend und ich war auch<br />

überzeugt, dass sich <strong>für</strong> mich etwas Neues ergeben<br />

wird. Aber ich hatte Kollegen, die das als ernste Bedrohung<br />

empfanden. Die kamen auch zu mir mit ihren


Am Ende kam der Neuanfang<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 21<br />

Sorgen. Das war im doppelten Sinne belastend – die<br />

eigene unsichere <strong>Zukunft</strong> vor Augen und andererseits<br />

viel Kraft aufzuwenden, um meine Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter bei der Neuorientierung zu unterstützen.<br />

Zum Glück hat das bei allen gut funktioniert.“<br />

? Wie ging es <strong>für</strong> Sie persönlich weiter?<br />

„Ich wollte gerne im Konzern bleiben, habe aber irgendwann<br />

nicht mehr daran geglaubt, dass das klappt. Mein<br />

Vorteil war, dass ich im Gegensatz zu vielen meiner<br />

Kollegen schon Erfahrungen außerhalb des Unternehmens<br />

gemacht hatte. Meine Frau und ich beschlossen<br />

deshalb, dass wir notfalls umziehen. Eine dauerhafte<br />

Wochenendbeziehung wollten wir beide nicht. Ende 2021<br />

tauchte dann die Stellenanzeige bei der Uniper Energy<br />

Storage GmbH in Etzel auf, in der drei Beschäftigte <strong>für</strong><br />

den Betrieb von Wasserstoffanlagen gesucht wurden.“<br />

?<br />

Sind Sie sofort darauf angesprungen?<br />

„Ja. Ich wusste, das ist meine Chance, wieder eine<br />

unbefristete Stelle im Konzern zu bekommen. Und eine<br />

Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Wasserstoffanlagen<br />

zu übernehmen, fand ich total spannend. Ich war<br />

zu dem Zeitpunkt schon längst davon überzeugt, dass<br />

Wasserstoff eine wichtige Rolle in der <strong>Energie</strong>wende<br />

spielen wird.“<br />

? Woher kam diese Überzeugung?<br />

„Na ja, das hat schon eine Weile gedauert. Meine Arbeit<br />

rund um den Prozess „Kohle verbrennen, um Strom zu<br />

erzeugen“ hat mir Spaß gemacht. Aber mit der Zeit<br />

wurden die Nachteile immer deutlicher. Wir sind ein<br />

rohstoffarmes Land und sind angewiesen auf die Kohle,<br />

die uns aus dem Ausland geliefert wird. Die wurde immer<br />

schlechter und hat uns viele Probleme bereitet. Vor<br />

gut zehn Jahren kam dann hinzu, dass uns die Windkraft<br />

immer mehr „die Butter vom Brot” genommen hat. Je<br />

nach Wetterlage gingen <strong>unsere</strong> Betriebszeiten in den<br />

Keller, weil das Netz mit Windstrom voll war. Das fanden<br />

wir total blöd. Dass darin eine große Chance <strong>für</strong> die<br />

Umwelt und <strong>für</strong> uns als Gesellschaft liegt, damit musste<br />

ich mich erst mal auseinandersetzen.“<br />

? Wie war es, als Sie schließlich erfuhren, dass Sie den<br />

Job bekommen haben?<br />

„Ich habe einen Jubelschrei ausgestoßen. Der Anruf kam<br />

am 1. 12. 2021 – zufällig mein 13. Firmenjubiläum. Da<br />

spürte ich erst richtig, wie sehr mich die ganze Situation<br />

belastet hatte. Es fühlte sich an, als würde mir jemand<br />

ein Wagenrad von den Schultern nehmen. Ich hätte fast<br />

geheult vor Freude.“<br />

? Sie arbeiten jetzt seit zwei Jahren in der neuen Funktion.<br />

Hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?<br />

„Total. Früher mussten wir vor Ort technische Probleme<br />

schnell lösen, um den Betrieb nicht zu gefährden. Jetzt<br />

bin ich ungefähr die Hälfte des Monats auf Dienstreise.<br />

Das ist nicht ideal <strong>für</strong> das Familienleben, aber anderer-<br />

MICHAEL RENNER<br />

Michael Renner lebt mit seiner Frau und zwei Kindern<br />

in Friesland. Der 41-Jährige hat bei INEOS eine Ausbildung<br />

zum Elektroniker <strong>für</strong> Automatisierungstechnik<br />

gemacht und sich anschließend zum Industriemeister<br />

<strong>für</strong> Elektrotechnik weitergebildet. 2008 wechselte er<br />

in das Steinkohlekraftwerk der Uniper Kraftwerke<br />

GmbH, wo er ab 2013 die E- und Leittechnik-Werkstatt<br />

leitete. Seit dem Ende des Kraftwerksbetriebs arbeitet<br />

Renner <strong>für</strong> die Uniper Energy Storage GmbH in einem<br />

Steuerungsteam, das <strong>für</strong> Planung, Bau und Betrieb von<br />

Wasserstoffanlagen zuständig ist. Foto: Annette Muschalik<br />

seits kann ich heute auch im Homeoffice arbeiten. Durch<br />

die Reisen ist mein Berufsleben auf jeden Fall interessant<br />

und abwechslungsreich geworden. Ich treffe viele<br />

Leute – auch im Ausland – und ich bilde mich kontinuierlich<br />

weiter. Den Konzern habe ich jetzt eigentlich erst<br />

richtig kennengelernt. Und auch wenn ich heute nur<br />

noch selten einen Schraubendreher in der Hand halte –<br />

mit <strong>unsere</strong>n Erfahrungen aus der Praxis stellen wir<br />

beim Bau der neuen Wasserstoffanlage in Bad Lauchstädt<br />

wichtige Weichen <strong>für</strong> den kommenden Betrieb.“<br />

? Wie blicken Sie in die <strong>Zukunft</strong>?<br />

„Für mich fühlt es sich so an, als wäre die Talsohle<br />

durchschritten und wir können jetzt endlich nach vorne<br />

schauen. Es stehen Gelder zur Verfügung, um die Projekte<br />

zu realisieren und technisch versierte Menschen<br />

wie ich werden in <strong>Zukunft</strong> immer gebraucht. Davon bin<br />

ich überzeugt. Natürlich gibt es noch viele Probleme,<br />

aber es gibt auch schon verdammt viele Lösungen.“<br />

„Für mich fühlt es sich so an,<br />

als wäre die Talsohle durchschritten<br />

und wir können jetzt<br />

endlich nach vorne schauen.“<br />

Michael Renner Uniper Energy Storage


22 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Was ist … ?<br />

Was ist … ?<br />

A<br />

AVG-Anleger<br />

Anleger <strong>für</strong> verflüssigte Gase<br />

CCS-Verfahren<br />

Durch unterirdische Speicherung soll<br />

der Ausstoß von CO 2<br />

in die Atmosphäre<br />

verringert werden. Einen effektiven<br />

Beitrag zur Bekämpfung des<br />

Klimawandels kann die Speicherung<br />

nur leisten, wenn das eingelagerte<br />

CO 2<br />

dauerhaft und vollständig in den<br />

Speichern verbleibt. Dies fordert<br />

auch das Kohlendioxidspeicherungsgesetz.<br />

CO 2<br />

: Kohlenstoffdioxid<br />

(kurz: Kohlendioxid) setzt sich zusammen<br />

aus Kohlenstoff und Sauerstoff.<br />

CCCU-Technik<br />

Als CCU werden die Abscheidung,<br />

der Transport und die anschließende<br />

Nutzung von Kohlenstoffverbindungen<br />

bezeichnet, bei denen der Kohlenstoff<br />

mindestens einem weiteren<br />

Nutzungszyklus zugeführt wird.<br />

D<br />

Derivate<br />

Hier: Auf Wasserstoff basierende,<br />

gasförmige oder flüssige <strong>Energie</strong>träger.<br />

Dazu zählen unter anderem<br />

Methan, Ammoniak, Methanol.<br />

Dekarbonisierung<br />

Dekarbonisierung bedeutet, den<br />

Ausstoß von CO₂ in die Atmosphäre<br />

zu reduzieren. Das langfristige Ziel<br />

ist es, durch Wirtschaftstätigkeiten<br />

überhaupt keine Treibhausgase<br />

mehr auszustoßen.<br />

DET<br />

Deutsche Energy Terminal GmbH.<br />

Die neu gegründete bundeseigene<br />

Gesellschaft wird die staatlich angemieteten,<br />

schwimmenden LNG-<br />

Terminals (FSRU) an den Standorten<br />

Wilhelmshaven, Brunsbüttel und<br />

Stade betreiben. Die DET hält die<br />

Charterverträge <strong>für</strong> die Schiffe und<br />

verantwortet den kommerziellen<br />

Betrieb der Terminals.<br />

Elektrolyse<br />

Bei der Elektrolyse wird Wasser unter<br />

Einsatz von elektrischer <strong>Energie</strong> in<br />

Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten.<br />

Sie ist die effizienteste<br />

Methode, Wasserstoff zu produzieren,<br />

weil sie im Vergleich mit anderen Verfahren<br />

weniger <strong>Energie</strong> verbraucht<br />

und weil sie umweltfreundlich ist.<br />

Empowerment<br />

Empowerment umfasst Strategien und<br />

Maßnahmen, die es Menschen ermöglichen,<br />

ihre Interessen (wieder) selbstverantwortlich<br />

und selbstbestimmt umzusetzen<br />

und zu vertreten.<br />

Erneuerbare <strong>Energie</strong>n<br />

Hierzu gehören <strong>Energie</strong>quellen wie<br />

Wind, Sonne oder auch Wasserkraft. Sie<br />

stehen nahezu unerschöpflich zur Verfügung<br />

oder erneuern sich verhältnismäßig<br />

schnell.<br />

E


Was ist … ?<br />

<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> 23<br />

Fossile <strong>Energie</strong><br />

Fossile <strong>Energie</strong>quellen sind Brennstoffe<br />

wie Braun- und Steinkohle,<br />

Erdgas oder Erdöl. Sie wurden in<br />

geologischer Vorzeit gebildet und<br />

sind deshalb nur begrenzt vorhanden.<br />

FSRU<br />

(Floating Storage and Regasification<br />

Unit): Auf diesem Speicher- und<br />

Regasifizierungsschiff wird das per<br />

Tanker angelieferte Flüssigerdgas<br />

wieder in gasförmigen Zustand umgewandelt.<br />

F<br />

H<br />

H 2<br />

: Wasserstoff<br />

ist Bestandteil fast aller organischen<br />

Verbindungen. Zwei<br />

Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom<br />

bilden zusammen<br />

Wasser als grundlegendes Element<br />

allen Lebens auf der Erde.<br />

Wasserstoff ist brennbar und<br />

lässt sich ähnlich wie fossiles<br />

Erdgas oder Methan als <strong>Energie</strong>träger<br />

verwenden. Anders als bei<br />

fossilen <strong>Energie</strong>trägern entsteht<br />

bei dem Verbrennungsprozess<br />

aber lediglich Wasserdampf statt<br />

umweltschädlicher Abfallprodukte<br />

wie Kohlendioxid.<br />

K<br />

LNG<br />

(Liquefied Natural Gas)<br />

Flüssiges Erdgas<br />

WAL 1 und WAL 2<br />

Wilhelmshaven Anbindungsleitung<br />

1 und 2 (<strong>für</strong> Erdgas)<br />

W<br />

Kaverne<br />

Natürlicher oder künstlich hergestellter<br />

unterirdischer Hohlraum<br />

Wasserstoff-Kernnetz<br />

L<br />

Bis 2032 soll laut Bundesregierung<br />

ein 9.700 Kilometer langes Wasserstoff-Leitungsnetz<br />

entstehen. Dieses<br />

Wasserstoff-Kernnetz soll Häfen,<br />

Industrie, Speicher und Kraftwerke<br />

miteinander verbinden. Für 60 Prozent<br />

dieses Netzes sollen bestehende<br />

Erdgas-Röhren genutzt werden. 2025<br />

soll der erste Wasserstoff fließen.<br />

Bundeswirtschaftsminister Habeck<br />

kündigte an, dass es hier<strong>für</strong> ähnlich<br />

wie bei den LNG-Terminals ein Beschleunigungsgesetz<br />

geben soll.


24 <strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong> Noch Fragen?<br />

Noch Fragen?<br />

Das Thema <strong>Energie</strong>wende ist ebenso spannend wie vielfältig und oft auch kompliziert.<br />

Deshalb können auf 23 Seiten nicht alle Fragen beantwortet werden. In den kommenden<br />

Ausgaben werden wir uns unter anderem folgenden Themen widmen:<br />

Welche Bedingungen<br />

müssen Ausgleichsflächen<br />

erfüllen?<br />

Woher sollen die Wassermengen<br />

kommen,<br />

die <strong>für</strong> die Elektrolyse<br />

benötigt werden?<br />

Wie kann Wasserstoff noch<br />

„grün“ sein, wenn er über<br />

weite Strecken transportiert<br />

werden muss?<br />

Woher kommt die Windund<br />

Solarenergie, die<br />

wir in <strong>Zukunft</strong> brauchen?<br />

Wie kann CO 2<br />

transportiert<br />

werden, ohne in die<br />

Atmosphäre zu gelangen?<br />

SIE HABEN EINE FRAGE?<br />

Dann schreiben Sie uns gerne! Die Verantwortlichen des ENERGY HUB<br />

werden Ihnen antworten und auf ausgewählte Themen in der nächsten Ausgabe<br />

von „<strong>Energie</strong> <strong>für</strong> <strong>unsere</strong> <strong>Zukunft</strong>” näher eingehen.<br />

energyhub@wirtschaft-wilhelmshaven.de<br />

energyhub-wilhelmshaven.de

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