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kurt wolff an franz kafka, prag, porˇič 7 3. november 1921<br />
Verehrter und lieber herr kafka:<br />
Vor 14 tagen traf ich zufällig in leipzig, den aus prag kommenden ludwig hardt und<br />
fuhr mit ihm zusammen von leipzig nach Berlin. Auf dieser gemeinsamen fahrt er-<br />
zählte mir ludwig hardt von seinen prager Vortragsabenden und von der besonde-<br />
ren freude, die ihm das zusammensein mit Ihnen war.<br />
das gespräch mit ludwig hardt gibt mir Veranlassung, Ihnen einmal wieder unmit-<br />
telbar ein lebenszeichen zu geben. unser Briefaustausch ist selten und spärlich.<br />
keiner der Autoren, mit denen wir in Verbindung stehen, tritt so selten mit wünschen<br />
und fragen an uns heran wie sie und bei keinem haben wir das gefühl, daß ihm das<br />
äußere schicksal der veröffentlichten Bücher so gleichgiltig sei wie Ihnen. da scheint<br />
es wohl angebracht, wenn der Verleger von zeit zu zeit dem Autor sagt, daß diese<br />
teilnahmslosigkeit des Autors am schicksal der Bücher den Verleger nicht in seinem<br />
glauben und Vertrauen an die besondere Qualität der publikationen beirrt. Aus auf-<br />
richtigem herzen kommt mir die Versicherung, daß ich persönlich kaum zu zwei,<br />
dreien der dichter, die wir vertreten und an die öffentlichkeit bringen dürfen, inner-<br />
lich ein so leidenschaftlich starkes Verhältnis habe wie zu Ihnen und Ihrem schaffen.<br />
sie dürfen die äußeren erfolge, die wir mit Ihren Büchern erzielen, nicht als maßstab<br />
der Arbeit, die wir an den Vertrieb verwenden, nehmen. sie und wir wissen, daß es<br />
gemeinhin gerade die besten und wertvollsten dinge sind, die ihr echo nicht sofort,<br />
sondern erst später finden, und wir haben noch den glauben an die deutschen<br />
leserschichten, daß sie einmal die Aufnahmefähigkeit haben werden, die diese<br />
Bücher verdienen.<br />
es wäre mir nun eine besonders große freude, wenn sie uns die möglichkeit geben<br />
wollten, nach außen hin das unbeirrbare Vertrauen, das uns mit Ihnen und Ihrem<br />
schaffen verbindet, dadurch praktisch bestätigen zu dürfen, daß sie uns weitere<br />
Bücher zur Veröffentlichung übergeben. Jedes manuskript, zu dessen übersendung<br />
an uns sie sich entschließen können, wird willkommen sein und mit liebe und sorg-<br />
falt in Buchform veröffentlicht werden. wenn im laufe der zeit sie neben sammlun-<br />
gen kurzer prosastücke uns einmal eine große zusammenhängende erzählung oder<br />
einen roman übergeben könnten, – ich weiß ja von Ihnen selbst und von max Brod,<br />
wieviel manuskripte dieser Art fast beendet oder gar ganz beendet sind – so würden<br />
wir das mit besonderer dankbarkeit begrüßen. es kommt hinzu, daß naturgemäß die<br />
Aufnahmewilligkeit für eine zusammenhängende umfangreiche prosaarbeit größer<br />
ist als für sammlungen kürzere prosastücke. das ist eine banale und sinnlose einstel-<br />
lung der leser; aber sie ist nun einmal tatsache. die resonanz, die eine solche<br />
größere prosaarbeit finden wird, ermöglicht jedenfalls eine ungleich stärkere Verbrei-<br />
tung als wir sie bisher erzielten und der erfolg eines solchen Buches würde zugleich<br />
die möglichkeit zu einer lebhafteren propagierung der früher erschienenen bedeu-<br />
ten. Bitte, lieber herr kafka, machen sie mir die freude und geben sie mir nachricht,<br />
ob und was wir für die nächste zeit erhoffen dürfen. Ich hoffe, daß es Ihnen gesund-<br />
heitlich wieder leidlich geht, und grüße sie in unveränderter gesinnung als Ihr auf-<br />
richtig und herz lich ergebener [kurt wolff]<br />
kurt wolff an franz kafka, prag, porˇič 7 märz 1922<br />
sehr verehrter herr franz kafka:<br />
wenn ich auch auf meine letzten Briefe leider kein wort der resonanz<br />
bekam, will ich es nicht unterlassen, Ihnen heute erneut grüße<br />
zu schicken und Ihnen zu sagen, wie außerordentlich ich mich über<br />
die nachricht gefreut habe, daß sie sich inzwischen gesundheitlich<br />
wesentlich erholten.<br />
Ich hoffe von herzen, daß diese erholung von Bestand ist und sie<br />
sich auf lange zeit hinaus nicht mehr um Ihre gesundheit zu bekümmern<br />
haben.<br />
wenn im zusammenhang mit dieser genesung sie den wünschen<br />
Ihrer freunde folgend sich ein wenig mit Ihren manuskripten und<br />
Arbeiten beschäftigen, so denken sie bitte an die dringlichen Bitten,<br />
die meine letzten Briefe Ihnen zutrugen. es ist mir ein Bedürfnis,<br />
gerade Ihnen gegenüber zu wiederholen: die Auflageziffern der bei<br />
uns erschienenen Bücher haben nichts mit unserer inneren Beziehung<br />
zum dichter oder werk zu tun und die heftigkeit, mit der ich<br />
sie umwerbe, muß Ihnen das deutlicher als worte beweisen.<br />
Ich wiederhole meine wünsche und grüße und bin und bleibe gern<br />
und dankbar ergeben Ihr Verleger [kurt wolff]<br />
kurt wolff mit seiner ersten ehefrau elisabeth am Vierwaldstätter see, Juli 1929<br />
kurt wolff auf hiddensee, 1929