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Wolfgang Naundorf

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einer Granate abgerissen worden. Er bewegte sich wie ein<br />

Artist auf seinen Krücken.<br />

Wenn wir nicht gerade behandelt wurden, spielten wir<br />

Kinder im Krankenhaus miteinander oder lernten Reime<br />

auswendig wie z. B. diesen:<br />

»Maikäfer flieg,<br />

dein Vater ist im Krieg,<br />

deine Mutter ist in Pommernland,<br />

Pommernland ist abgebrannt,<br />

Maikäfer flieg.«<br />

Ich lag einige Wochen im Krankenhaus und machte mir<br />

ehrlich gesagt keine Gedanken, was »zu Hause« los war,<br />

wie es meiner Mutter und Renate erging. Dann kam der<br />

Tag, an dem das Krankenhaus evakuiert wurde. Auf den<br />

Hof fuhren Lastwagen, auf die wir klettern sollten. Es waren<br />

russische Fahrzeuge, gefahren von russischen Soldaten.<br />

Bei ihnen wussten man nie, woran man war. Einerseits<br />

konnten sie herzensgut, andererseits unsagbar brutal<br />

sein. Innerhalb von einer Sekunde auf die andere konnte<br />

ihre Stimmung umschlagen.<br />

Ich versteckte mich hinter der Eingangstür, weil ich<br />

noch einmal heim wollte. Die Schwestern zählten draußen<br />

die Kinder wieder und wieder.<br />

»Da fehlt doch einer.«<br />

Plötzlich zog eine Schwester die Tür zu und entdeckte<br />

mich. Ich sagte:<br />

»Ich muss doch noch mal nach Hause, meine Mutter<br />

und meine Schwester holen.«<br />

Sie antwortete: »Da brauchst du nicht mehr hinzugehen,<br />

das hat keinen Zweck. Die beiden haben die Ratten<br />

schon längst aufgefressen.«<br />

Ehe ich über diesen Satz nachdenken konnte, hatte sie<br />

mich aus dem Haus und auf den LKW getrieben. Ab ging<br />

die Fahrt. Weil ich als Letzter aufgestiegen war, saß ich<br />

ganz hinten rechts in der Ecke. Wir fuhren die ganze<br />

Nacht durch, bis wir an einem großen Haus anhielten.<br />

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