Besinnlichkeit aus dem Backofen - Teegebäck Raffael
Besinnlichkeit aus dem Backofen - Teegebäck Raffael
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Perfekte Springerle sind<br />
innen weich und außen<br />
leicht knusprig. Allerdings:<br />
Das Backen ist kein<br />
Zuckerschlecken.<br />
So geht es auch <strong>dem</strong> Schweizer Springerlebäcker<br />
Linus Feller. „Wir haben nicht mit Kunden zu tun,<br />
sondern mit Menschen, die mit uns die Leidenschaft<br />
der Springerlemodel teilen“, sagt der Gebäckliebhaber.<br />
Seit 25 Jahren widmet sich der<br />
gelernte B<strong>aus</strong>anitär-Fachmann <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Wallis,<br />
wo Springerle eigentlich unbekannt sind, der<br />
Krönung der häuslichen Backkunst. Durch Zufall<br />
kam er mit <strong>dem</strong> Bildgebäck <strong>aus</strong> Eierschaumteig in<br />
Berührung – und war fasziniert. Wie von seiner Frau:<br />
Wie das Gebäck lernte er sie auf einem Weihnachtsmarkt kennen.<br />
Inzwischen ist sie sein liebstes Springerle, und beide arbeiten<br />
im florierenden Familienunternehmen, <strong>dem</strong> Änis-Paradies,<br />
in Niedergösgen südlich von Basel. „Ich hab auf <strong>dem</strong> Markt<br />
ganz klein angefangen und schnell gemerkt, dass das Thema<br />
Springerle etwas ist, was lebt.“ Ein Rezept für Springerle musste<br />
er sich erst mühevoll erarbeiten. Die Zutaten, die Trocknungszeit<br />
und das Backen selbst – alles heikle Momente, die über das<br />
Gelingen entscheiden. „Man muss sehr genau sein: Hat man die<br />
Springerle eine Minute zu lange im Ofen, wird alles dunkel, bei<br />
einer Minute zu wenig werden sie teigig“, sagt der 53-Jährige.<br />
Springerle sind die Königsdisziplin<br />
der häuslichen Backkunst<br />
Auch das Abmessen der Zutaten und die Beschaffenheit der Eier<br />
wirken sich sofort auf die Bildschärfe <strong>aus</strong>. „Man muss den Grad<br />
der Perfektion suchen. Zeit und Liebe – das ist das Allerwichtigste.“<br />
Schweizer Besonnenheit und der feste Glaube ans Gelingen<br />
bewahrten ihn nach Rückschlägen in den Entwicklungsjahren<br />
davor, den Mut zu verlieren. Erst seit sieben, acht Jahren, sagt<br />
Feller, habe er das Backen wirklich perfektioniert, und auch die<br />
Model, die er selbst herstellt, seien jetzt auf höchstem Niveau.<br />
Von der Traubenlese über Krippenszenen und Herzmotive spie-<br />
Die Doppeldecker werden doppelt<br />
gebacken: zunächst ohne süße Füllung.<br />
Mit einem Schieber <strong>aus</strong> Buchsbaumholz<br />
verstreicht Zimmermann das Gelee.<br />
geln die Model ein Stück Kulturgeschichte wider und erzählen<br />
von der heilen Welt. Ob die Springerle bei so viel Aufwand nicht<br />
zu schade zum Essen sind? „Auf keinen Fall. Man isst sie ja nicht<br />
in Massen. Und ich liebe den Anisgeschmack“, sagt Feller. „Es<br />
ist eine kleine Freude für den doppelten Genuss: Erst die Optik,<br />
dann der Anisgeschmack.“<br />
Erst nach Weihnachten wird Feller wieder von den Messen und<br />
Märkten in seine Modelwerkstatt zurückkehren, in der er bis<br />
September kommenden Jahres wieder mit seinen Mitarbeitern<br />
die Springerlemodel herstellt. Zurzeit backen fünf bis sechs<br />
Leute jeden Tag Springerle für ihn, um sie auf den Weihnachtsmärkten,<br />
vor allem in Basel und Stuttgart, kistenweise frisch zu<br />
verkaufen. Industriell lassen sich die schönen Anisbrötli nicht<br />
fertigen, auch viele Bäckereien und Konditoreien sehen wegen<br />
des hohen Aufwands und der vielfältigen Möglichkeiten zu<br />
scheitern, davon ab, Springerle anzubieten.<br />
Auch vor Hildabrötchen schrecken Bäckereien und H<strong>aus</strong>frauen<br />
zurück – zu viele Arbeitsschritte sind es, bis die feinen Plätzchen<br />
endlich fertig sind. „Das zentrale badische Gebäck ist aber nun<br />
mal das Hildabrötchen“, sagt Zimmermann und schaut verträumt<br />
duch das Ofenglas. Daher drehen sich auch viele seiner<br />
Eigenkreationen wie das Freiburger Bächle <strong>aus</strong> Shortbread-Teig<br />
mit Gelee von Amerikatrauben <strong>aus</strong> seinem Schrebergarten und<br />
der Münstertaler rund um das süße Weihnachtsplätzchen. Der<br />
Münstertaler huldigt der achteckigen Grundfläche des Freiburger<br />
Münsters, so wie das Hildabrötchen der letzten badischen<br />
Großherzogin Hilda von Nassau gewidmet ist. Die letzten Arbeitsschritte<br />
nach <strong>dem</strong> Auskühlen der Plätzchen gehen ihm<br />
leicht von der Hand, hat er sich doch eigens ein Werkzeug gebaut,<br />
mit <strong>dem</strong> er die Marmelade schnell und gleichmäßig verteilen<br />
kann. Seine Bäckerkappe kann Zimmermann noch nicht<br />
absetzen. Der Tag ist noch jung, und die Kundschaft wird sich<br />
nicht mit einer Sorte Weihnachtsbrötchen zufrieden geben. „Auf<br />
<strong>dem</strong> Münstermarkt stehen ist die Kür, aber vorher kommt die<br />
Pflicht, und das ist manchmal hart.“ Richtig durchatmen kann<br />
der badische Bäcker auch nach Weihnachten nicht: Dann steht<br />
die Fasent kurz bevor – Zeit des Fettgebackenen. Lena Verfürth<br />
Deckel drauf und ab in den Ofen: Bald<br />
sind die Hildabrötchen fertig.<br />
Fotos: Stephan Hund, Guido Stuter, Fotolia<br />
Fotos: Stephan Hund<br />
Der Duft nach Heimat:<br />
Zur badischen Weihnacht<br />
gehören Hildabrötchen.<br />
Nicht ein Teilchen <strong>aus</strong> Fernost: Was Christophe<br />
Herr nicht selbst fertigt, kauft er bei Betrieben<br />
<strong>aus</strong> der unmittelbaren Umgebung ein.