Der Gute Hirte Juli/August 2010 - Evangelische Kirchengemeinde ...
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Unser Leben, so scheint es, ist von Absichten,Wünschen<br />
und Plänen bestimmt, aber das Leben richtet<br />
sich nicht danach.Wie gerne hätte ich meine Zukunft<br />
im Griff:„Drum mach dir einen Plan und sei ein großes<br />
Licht und mach dir gleich nen zweiten Plan,funktionieren<br />
tun sie beide nicht!“ Ja, da hat er, Brecht,<br />
eben leider Recht. Das Leben ist eine wachsende<br />
Größe, die uns zufällt.Wir können das Leben nur zulassen.Oh<br />
wie gerne würde ich so leben,aber ich vertraue<br />
dem Zu-Fallen nicht, habe Angst vor Überraschungen,viel<br />
zu oft drehe ich am Rad,warum gerade<br />
ich, wieso jetzt, warum? Es fällt mir oft einfach nur<br />
schwer, mein Leben, so wie es ist, anzunehmen, viel<br />
zu oft erfinde ich Entschuldigungen, suche ich nach<br />
dem Schuldigen, einfach nur, weil ich nicht loslassen<br />
kann, mein Versagen nicht, die Beleidigungen und<br />
Verletzungen nicht.All das, was mein Leben gezeichnet<br />
hat,fällt mir schwer loszulassen,weil ich nicht zulassen<br />
kann, dass mein Leben eben so ist, wie es ist.<br />
Und so sehe ich die Möglichkeiten nicht.<br />
Von Gregor von Nazianz (329/330–390) stammen<br />
folgende Worte: „Was nicht angenommen ist, ist auch<br />
nicht geheilt.“ (Orationes Theologicae/Theologische<br />
Reden,Freiburg 1996).Nein,das ist kein Fatalismus,<br />
sondern Vertrauen,ja,Gottvertrauen.Klar,Pläne und<br />
Ziele sind wichtig für unser Leben, aber wir sollten<br />
uns auch die Freiheit für die Möglichkeiten und<br />
Überraschungen, die das Leben und die Gott für uns<br />
bereithält, lassen.Viel schöner hat es der brasilianische<br />
Bischof Dom Helder Camara (1909–1999) formuliert:„Sag<br />
ja zu den Überraschungen,die deine Pläne<br />
durchkreuzen,deine Träume zunichtemachen,deinem Tag<br />
eine ganz andere Richtung geben – ja vielleicht deinem<br />
Leben. Sie sind nicht Zufall. Lass dem himmlischen<br />
Vater die Freiheit,deine Tage zu bestimmen.“ (Mach aus<br />
mir einen Regenbogen, Zürich 1981). Ja, das wünsche<br />
ich mir und ich wünsche es Ihnen: mehr Mut<br />
zu den Überraschungen und die Freiheit, loszulassen,<br />
wenn es nötig ist, und zuzupacken, wenn es darauf<br />
ankommt.<br />
Ihr Pfarrer Michael Wenzel