www .qids.de - ADS / ADHS Monitoring
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QIDS aktuell 3/2004<br />
Aus <strong>de</strong>r Praxis für die Praxis<br />
Beson<strong>de</strong>rheiten von<br />
<strong>ADHS</strong> im Jugendalter<br />
Erschwernisse bei Diagnose und Therapie<br />
Neben emotionalen Problemen<br />
lei<strong>de</strong>n Jugendliche häufig unter<br />
Selbstwert- und I<strong>de</strong>ntitätsproblemen.<br />
Junge Menschen mit <strong>ADHS</strong><br />
haben zusätzlich eine ganze Reihe<br />
weiterer Probleme, die eine<br />
spezifische, altersgerechte Intervention<br />
erfor<strong>de</strong>rn. Über dieses<br />
Thema sprachen wir mit Dr.<br />
Ulrich Kohns, nie<strong>de</strong>rgelassener<br />
Kin<strong>de</strong>r- und Jugendarzt und<br />
Psychotherapeut in Essen.<br />
? Herr Dr. Kohns, im Jugendalter<br />
nimmt die motorische Unruhe<br />
von <strong>ADHS</strong>-Patienten bekanntermaßen<br />
ab.Was sind die<br />
charakteristischen <strong>ADHS</strong>-Symptome?<br />
Kohns: Das Verhalten pubertieren<strong>de</strong>r<br />
Jugendlicher ist geprägt durch<br />
die Suche nach einer unmittelbaren<br />
Bedürfnisbefriedigung, durch<br />
<strong>de</strong>monstratives Probierverhalten<br />
und durch i<strong>de</strong>alisierte Vorstellungen.<br />
Hinzu kommen Probleme <strong>de</strong>r<br />
Empathiefähigkeit, Affektregulation<br />
und Selbsteinschätzung. Diese Instabilität<br />
tritt bei Jugendlichen mit<br />
<strong>ADHS</strong> zusätzlich zu <strong>de</strong>n Störungen<br />
<strong>de</strong>r automatisierten, nicht willentlichen<br />
Selbstregulation von Aufmerksamkeit,<br />
Affekt, Handlungsorganisation<br />
und Motivation auf.<br />
Als Folge von <strong>ADHS</strong> und Pubertät<br />
kommt es zu Reizoffenheit, Ablenkbarkeit,<br />
Desorientierung („Weitwinkeloptik“),<br />
Gedankenhüpfen,<br />
Störung kognitiver Funktionen, einem<br />
Mangel in Arbeitsplanung und<br />
-ausführung („Chaot“), Schwierigkeiten<br />
bei Problemlösung, Entscheidungsfindung<br />
und Aufgabenübernahme<br />
sowie einem verzögerten<br />
Erwerb von Selbständigkeit.<br />
Die gestörte Impulskontrolle bewirkt<br />
eine unzureichen<strong>de</strong> antizipa-<br />
Dr. Ulrich Kohns, Essen<br />
Durch <strong>ADHS</strong>-bedingte Störungen<br />
entsteht ein Mangel an Ich-<br />
I<strong>de</strong>ntität und Sozialkompetenz<br />
beim Jugendlichen.<br />
torische Handlungskompetenz, ein<br />
gesteigertes Risikoverhalten, ein<br />
hastiges, unkontrolliertes, oft explosives<br />
und nur an <strong>de</strong>r unmittelbaren<br />
Situation orientiertes Verhalten<br />
(„von <strong>de</strong>r Hand in <strong>de</strong>n Mund“).<br />
Das hohe Aktivitätsniveau ist durch<br />
„innere Unruhe“ („wie getrieben“),<br />
die Unfähigkeit zur Entspannung<br />
und das Vermei<strong>de</strong>n ruhiger Tätigkeiten<br />
gekennzeichnet. Die Störung<br />
<strong>de</strong>r Affektregulation, bedingt<br />
durch Pubertät und <strong>ADHS</strong>, erscheint<br />
als emotionale Überempfindlichkeit<br />
(„auf und ab“) und gesteigerte<br />
emotionale Reaktionen<br />
unterschiedlicher Qualität und Beeinflussbarkeit<br />
(„unplanbar“).<br />
? Sie beschreiben im Jugendalter<br />
einen Diagnose-Shift zu<br />
aggressivem und dissozialem<br />
Verhalten.Was be<strong>de</strong>utet dies?<br />
Kohns: Mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter<br />
entwickeln Jugendliche ihre I<strong>de</strong>ntität<br />
und ihren Selbstwert, die Fä-<br />
aktuell<br />
higkeit zur Selbstregulation und<br />
zur sozialen Integration. Durch<br />
die <strong>ADHS</strong>-bedingte Störung <strong>de</strong>r<br />
Selbstregulation und Selbstwahrnehmung<br />
sowie durch immer wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong><br />
Erfahrungen misslingen<strong>de</strong>r<br />
sozialer Interaktionen<br />
entsteht ein Mangel an Ich-I<strong>de</strong>ntität<br />
und Sozialkompetenz mit<br />
unterschiedlichen Folgen. Einerseits<br />
ist dadurch vermehrt aggressiv-dissoziales<br />
Verhalten mit<br />
sozialer Desintegration, zunehmen<strong>de</strong><br />
Dissozialität, Häufung von<br />
Risikoverhalten, Neigung zu Substanzmissbrauch<br />
und Jugendkriminalität<br />
zu beobachten. An<strong>de</strong>rerseits<br />
kommt es bei an<strong>de</strong>ren<br />
Jugendlichen mit <strong>ADHS</strong> zur Entwicklung<br />
eines sozial unsicheren,<br />
ängstlich-vermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Verhaltens<br />
und nicht selten zu Angst<br />
und Depression.<br />
?<br />
Welche Folgen hat dies für<br />
die Betroffenen im Hinblick auf<br />
die Familie sowie auf die Schule<br />
bzw. das spätere Berufsleben?<br />
Kohns: Wird <strong>de</strong>r Jugendliche nicht<br />
vor Beginn dieser Fehlentwicklungen<br />
behan<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r bleibt er dauerhaft<br />
ohne Therapie, sieht man<br />
im Vergleich zu nicht betroffenen<br />
Jugendlichen eine mehrfach erhöhte<br />
Häufigkeit verschie<strong>de</strong>ner Auffälligkeiten:<br />
erhöhte Verletzungsgefahr<br />
mit erhöhten Gesundheitskosten,<br />
gehäufte Straßenverkehrs<strong>de</strong>likte,<br />
risikoreiches Sexualverhalten mit<br />
Erkrankung o<strong>de</strong>r früher Schwangerschaft,<br />
Klassenwie<strong>de</strong>rholungen,<br />
Schul- und Berufswechsel und<br />
-abbrüche, Arbeitsplatzwechsel,<br />
Arbeitslosigkeit, Konflikthäufung,<br />
Aggressionsdurchbrüche mit Körperverletzung<br />
o<strong>de</strong>r Sachbeschädigung,<br />
Beziehungsstörungen und<br />
-verluste, häufige Partnerwechsel,<br />
soziale Desintegration, dissoziales<br />
Verhalten bis zur Jugendkriminalität.<br />
Zugleich erhöhen Störungen<br />
<strong>de</strong>r sozialen Anpassungsfähigkeit<br />
und <strong>de</strong>r Persönlichkeitsentwicklung<br />
überdurchschnittlich stark<br />
die Neigung zum Substanzmissbrauch.<br />
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