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Zur Entwicklung der Kinder- und Jugendlichenpsychoanalyse

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In <strong>der</strong> Schweiz entwickelte Hans Zulliger die „nicht deutende Spieltherapie“, die sich dem<br />

beson<strong>der</strong>en Erleben des Kindes in <strong>der</strong> „magisch-animistischen“ Phase anpasst. Konflikte<br />

werden bis zur echten Konfliktlösung im affektbesetzten Spiel ausagiert, ohne dass die zu<br />

Gr<strong>und</strong>e liegenden psychodynamischen Vorgänge gedeutet werden. Symbolisierte<br />

Bedrohungen gehen auf entsprechende Erlebnisse zurück. Einfaches <strong>und</strong> nicht zu viel<br />

Spielzeug wird eingesetzt. Dazu Müller-Brühn: „Zulliger sieht die therapeutische ichstärkende<br />

Wirkung, die ‚heilenden Kräfte’ <strong>der</strong> ‚reinen Spieltherapie ohne Deuten unbewusster<br />

Inhalte <strong>und</strong> Zusammenhänge’ insbeson<strong>der</strong>e darin, dass die symbolische Bedeutung des<br />

kindlichen Spiels erkannt wird <strong>und</strong> die Therapeutin dem Kind in dessen Sprache<br />

beziehungsweise auf <strong>der</strong> symbolischen Ebene begegnet.“ (Müller-Brühn, 1998, 27)<br />

Es geht darum, das Spiel zu erleben. Bei älteren Kin<strong>der</strong>n allerdings räumt Zulliger ein, dass<br />

Deutungen nötig sein können, um eine Stagnation zu vermeiden. Zum Spiel komme ich<br />

später.<br />

Aus den USA <strong>und</strong> zwar von Erik H. Erikson kamen neue Anregungen. Auf dem Boden<br />

verschiedenster kulturanthropologischer, völkerk<strong>und</strong>licher Untersuchungen, aber auch eigener<br />

Feldforschungen entwarf er ein Konzept über die Kulturabhängigkeit früher Prägungen <strong>der</strong><br />

kindlichen Ich-<strong>Entwicklung</strong> („Kindheit <strong>und</strong> Gesellschaft“, 1950). Weitere Studien über die<br />

Identitätsbildung des Jugendlichen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Störungen folgten („Das Problem <strong>der</strong> Identität“,<br />

1956).<br />

Zu Konzepten v.a. aus <strong>der</strong> 2. Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts:<br />

Donald Woods Winnicott, <strong>der</strong> englische Kin<strong>der</strong>arzt <strong>und</strong> Analytiker, ist meiner Meinung nach<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig <strong>und</strong> richtungsweisend für die mo<strong>der</strong>ne analytische Kin<strong>der</strong>psychotherapie<br />

(er begann schon in den 30er Jahren mit seinen Tätigkeiten). Er geht davon aus, dass das Kind<br />

einen Anspruch hat auf eine „good enough mother“ <strong>und</strong> dass es diese notwendig braucht. Die<br />

„holding function“, d.h. die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Mutter, dem Kind die Sicherheit zu<br />

geben, die es zur Ausbildung seiner Persönlichkeit braucht, ist einer seiner wesentlichen<br />

Begriffe. Mit <strong>der</strong> Beschreibung des Übergangsobjekts <strong>und</strong> des Übergangsraums wird ein<br />

weiterer wichtiger Baustein zur Gr<strong>und</strong>legung einer neuen Einstellung in <strong>der</strong> Psychotherapie<br />

hinzugefügt (47). In diesem Raum ist spielerisches Handeln möglich. Winnicott sieht Spielen<br />

als schöpferisches Handeln <strong>und</strong> als Suche nach dem Selbst. Das Spiel sieht er als Begegnung.<br />

Dem entsprechend müsste auch die Kin<strong>der</strong>-/Psychotherapie das Angebot dieses<br />

Übergangsraums schaffen.<br />

Wilfred Bions Weiterentwicklung des Kleinschen Konzepts <strong>der</strong> projektiven Identifizierung<br />

mit dem Blick auf den unbewussten frühen Austausch zwischen Mutter <strong>und</strong> Kind <strong>und</strong> sein<br />

containment-Modell („Lernen durch Erfahrung“, „Elements of Psychoanalysis“,<br />

„Transformations“, Originale alle 1. Hälfte <strong>der</strong> 1960er) hat ein unentbehrliches Rüstzeug für<br />

das Verständnis früher <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> unerträglicher Prozesse, wie sie sich in <strong>der</strong> Übertragung<br />

zwischen Patient <strong>und</strong> Therapeut abspielen können, dazugegeben.<br />

Die Bindungstheorie nach John Bowlby (1969, 1973, 1980, 1982) <strong>und</strong> seine Konzepte zum<br />

Aufbau des Bindungsverhaltens eines Kindes betreffend seine primären Bezugspersonen <strong>und</strong><br />

die Konzepte über die Entstehung psychopathologischer Phänomene bei entsprechenden<br />

Unterbrechungen <strong>und</strong> Störungen dieses Prozesses, sind Teil psychologischen Alltagswissens<br />

geworden.<br />

In den letzten circa 25 Jahren ist die mo<strong>der</strong>ne Säuglingsforschung durch die Arbeiten z.B.<br />

Daniel Sterns hervorgetreten („Die Lebenserfahrung des Säuglings“, 1992). Hier geht es um<br />

die konsequente, direkte Beobachtung von Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkin<strong>der</strong>n unter<br />

Miteinbeziehung des Feldes <strong>der</strong> Beobachtung (inklusive des Beobachters selbst).<br />

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