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Dokumentation und Analyse von Nazi-Aktivitäten im ... - antifa.cc

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Barn<strong>im</strong>er Antifa Recherche - Seite 4<br />

Amadeu Antonio<br />

Kiowa<br />

Eines der ersten Opfer rassistischer<br />

Gewalt <strong>im</strong> vereinten Deutschland<br />

Eine zweijährige Bewährungsstrafe für einen Angeklagten,<br />

Jugendstrafen bis zu vier Jahren für den Rest:<br />

Mit diesem Urteilsspruch endete am 14. September<br />

1992 die zwe<strong>im</strong>onatige Verhandlung vor dem Bezirksgericht<br />

Frankfurt (Oder) gegen fünf Angeklagte, die<br />

vor 21 Jahren zusammen mit 60 anderen Rassisten<br />

in Eberswalde den angolanischen Vertragsarbeiter<br />

Amadeu Antonio Kiowa zu Tode gejagt <strong>und</strong> geprügelt<br />

hatten. Seine Mörder heißen: Kay-Nando Böcker,<br />

Sven Böcker, Gordon Kl<strong>im</strong>pel, Marek Jordan <strong>und</strong> Steffen<br />

Hübner – sie waren maßgeblich an den tödlichen<br />

Schlägen <strong>und</strong> Tritten gegen Antonio beteiligt.<br />

Die Tat: Amadeu Antonio Kiowa traf am 24. November<br />

1990, nachdem er mit vier Fre<strong>und</strong>_innen<br />

das Lokal “Hüttengasthof“ in Eberswalde verließ,<br />

auf 60 Neonazis, die “Neger klatschen“ wollten,<br />

so ein Zeuge vor Gericht. Auf Amadeu Antonio<br />

<strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>_innen wurde mit Lattenzäunen<br />

<strong>und</strong> Baseballschlägern brutal eingeschlagen. Bei<br />

dem Versuch zu fliehen, teilte sich die Gruppe.<br />

Amadeus Fre<strong>und</strong>_innen konnten entkommen. Er<br />

selbst jedoch nicht. Der angolanische Vertragsarbeiter<br />

wurde <strong>im</strong> späteren Verlauf <strong>von</strong> r<strong>und</strong> zehn<br />

Neonazis verfolgt <strong>und</strong> zu Tode geprügelt. Erst als<br />

ein Bus vorbei fuhr, ließen die Täter <strong>von</strong> ihrem bereits<br />

bewusstlosen Opfer ab. Elf Tage später, am<br />

06. Dezember starb Amadeu Antonio, ohne je das<br />

Bewusstsein wiedererlangt zu haben.<br />

Der Prozess: Eineinhalb Jahre dauerte es, bis der<br />

Prozess vor dem Landgericht Frankfurt Oder gegen<br />

fünf der sechs Angeklagte began: Einer, neben<br />

seinem Bruder Sven, der Hauptverdächtige, Kay<br />

Nando Böcker war auf der Flucht. Die beiden Brüder<br />

waren zu dieser Zeit <strong>im</strong> Umfeld der neonazistischen<br />

NF aktiv. Der Prozess wurde damals vom<br />

Rechtsanwalt Ronald Re<strong>im</strong>ann, Vertreter der Nebenklage<br />

so beschrieben: “Die väterlich-gutmütige<br />

Prozessführung des Richters wurde der Schwere<br />

der Tat insgesamt nicht gerecht. Oft schien es so,<br />

als ob nicht der Tod eines Menschen Anlaß des<br />

Prozesses war, sondern ein banaler Ladendiebstahl<br />

<strong>von</strong> Jugendlichen.“ Der Frankfurter Richter<br />

wertete den tödlichen Überfall als „jugendtypische<br />

Verfehlung«“. Für ihn handelte es sich um<br />

ein „Ritual mit Gruppendynamik“. Entsprechend<br />

niedrig fielen die Strafen aus.<br />

Während des Prozess kam es <strong>im</strong>mer wieder zu<br />

Zwischenfällen, u.a. tauchten zwei Jugendliche in<br />

SA-ähnlicher Montur <strong>im</strong> Gerichtssaal auf. Einer<br />

der Jugendlichen war René Hermann, derzeit aktiv<br />

für den NPD Kreisverband Barn<strong>im</strong> Uckermark.<br />

Das Gedenken: Auf dem Friedhof am Stadtrand<br />

<strong>von</strong> Luanda (Angola, Afrika) liegt Amadeu Antonio<br />

begraben. Ein Haufen Sand, ein Haufen Erde.<br />

Für ein richtiges Grab aus Stein hat das Geld der<br />

Familie nicht gereicht – Obwohl der Kreistag<br />

am 08. Dezember 1990 beschloss, finanzielle Unterstützung<br />

für die Überführung des Leichnams<br />

nach Angola <strong>und</strong> die Beerdigung dort zu leisten,<br />

kam bei den Hinterbliebenen <strong>von</strong> Amadeu Antonio<br />

kein Geld an. Was bleibt, sind ein paar aufgeschichtete<br />

Steine die das Grab markieren. Auf die<br />

grausamen Ereignisse, die sich in jener Novembernacht<br />

abspielten erinnert in Eberswalde lediglich<br />

eine magere Gedenktafel. Die Kampagne “Light<br />

me Amadeu” sammelt derweil Unterschriften für<br />

eine Amadeu-Antonio-Straße.<br />

Doch einer der Täter, Steffen Hübner, hat ganz andere<br />

Sorgen: „Zum Wohlsein <strong>von</strong> Eberswalde sollte<br />

man die Tat vergessen, dass endlich mal Ruhe in<br />

die Stadt reinkommt. Det wär‘ meine Meinung.“<br />

Mit dieser Aussage ist er leider nicht allein in der<br />

Stadt <strong>im</strong> Nordosten Brandenburgs.<br />

Die Opferperspektive gab zum 20. Todestag eine<br />

Sonderbeilage für die Märkische Oderzeitung<br />

heraus. Die PDF ist <strong>im</strong> Internet auf der Seite der<br />

Opferperspektive zu finden.<br />

Barn<strong>im</strong>er Antifa Recherche - Seite 5<br />

Chronik rechter Gewalt<br />

<strong>im</strong> Barn<strong>im</strong><br />

*unvollständig – insbesondere die<br />

Taten Anfang der 90er sind wenig<br />

dokumentiert<br />

24.11.1990<br />

Eberswalde – In der Nacht vom 24. zum 25.<br />

November 1990 wurde der angolanische<br />

Vertragsarbeiter Amadeu Antonio Kiowa<br />

<strong>von</strong> 50 Neonazis gejagt, <strong>und</strong> später <strong>von</strong><br />

mindestens 10 Neonazis ermordet.<br />

07.06.1992<br />

Eberswalde – Am Üdersee fand ein<br />

Deutschlandweites Treffen <strong>von</strong> mindestens<br />

300 Neonazis statt.<br />

07.06.1992<br />

Eberswalde – Am Abend randalierten circa<br />

60 rechte Skindheads in der Stadt. Zuvor<br />

wurde versucht das “Haus der Kulturen“<br />

zu stürmen. Später lieferten sie sich eine<br />

Straßenschlacht mit der Polizei, wobei zwei<br />

Passant_innen verletzt wurden.<br />

26.08.1992<br />

Eberswalde – Die militante “Kameradschaft<br />

Eberswalde“ rief zu einer Demonstration<br />

mit 150 Teilnehmer_innen auf. Im Zuge<br />

dieser musste das örtliche Flüchtlingshe<strong>im</strong><br />

evakuiert werden. An dem Aufmarsch beteiligte<br />

sich auch die “Deutsche Liga für<br />

Volk <strong>und</strong> He<strong>im</strong>at“ sowie die “Nationalistische<br />

Front“.<br />

01.12.1992<br />

Eberswalde – In der Nacht gab es einen<br />

Brandanschlag auf das örtliche Flüchtlingshe<strong>im</strong>.<br />

Eine Baracke wurde völlig niedergebrannt.<br />

09.01.1993<br />

Klosterfelde-Trattendorf – In der Nacht wurde<br />

das Flüchtlingshe<strong>im</strong> Ziel eines versuchten<br />

Brandanschlages. Zwei Molotowcocktails<br />

verfehlten zum Glück das Gebäude.<br />

Die Polizei nahm zwei Verdächtige fest.<br />

06.02.1993<br />

Klosterfelde-Trattendorf – Das örtliche<br />

Flüchtlingshe<strong>im</strong> wurde erneut <strong>von</strong> Brandstiftern<br />

he<strong>im</strong> gesucht. Bei dem Versuch<br />

das He<strong>im</strong> in Brand zu stecken, wurden zwei<br />

Fensterscheiben eingeworfen <strong>und</strong> Brandsätze<br />

hineingeworfen. Die Brandsätze entzündeten<br />

sich nicht.<br />

18.03.1993<br />

Bernau – Drei Neonazis verübten einen<br />

Brandanschlag auf ein Fahrzeug der “Gemeinschaft<br />

Unabhängiger Staaten”, welches<br />

aus der Kaserne kam. Die Täter nutzten<br />

dabei Molotowcocktails <strong>und</strong> mehrere<br />

brennbare Flüssigkeiten.

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