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Vier Justizmorde auf Führerbefehl - Unitas Ruhrania

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Die Urteilsschrift vom 23. Juni 1943, aus: Wer sterben kann, wer will den zwingen?, Werkheft zur Seligsprechung<br />

der Lübecker Märtyrer, hg. vom Erzbistum Hamburg, Bistum Osnabrück, Redaktion: Propst<br />

Franz Mecklenfeld, Prof. Dr. Dr. Helmuth Rolfes, Hamburg 2011, 112 Seiten.<br />

die sie bewiesen haben, die bürgerlichen<br />

Ehrenrechte <strong>auf</strong> Lebenszeit abgesprochen<br />

worden (§ 32 StGB).“ 4<br />

Damit hatte er 2. Senat des Volksgerichtshofs<br />

den Erwartungen des Führers<br />

vollends Entsprochen. Zutreffend stellt der<br />

BGH in einer vergleichbaren Verurteilung<br />

durch den Volksgerichtshof fest: „Eine besonders<br />

kritische Überprüfung von Todesurteilen<br />

ist namentlich vor dem Hintergrund<br />

der Erfahrungen mit der NS-Diktatur notwendig.<br />

Das menschenverachtende nationalsozialistische<br />

Regime wurde durch willfährige<br />

Richter und Staatsanwälte gestützt<br />

die das Recht pervertierten. Die Grausamkeit,<br />

die das Bild der Justiz in der NS-Zeit prägt,<br />

gipfelte in einem beispiellosen Mißbrauch<br />

der Todesstrafe.“ 5<br />

Auch die weiteren Ausführungen des<br />

BGH-Urteils treffen passgenau <strong>auf</strong> die<br />

Volksgerichtshofurteile gegen die Lübecker<br />

Märtyrer zu: „Hier wird das angesichts des<br />

festgestellten tatsächlichen Sachverhalts<br />

fehlende Gewicht des von einem Angeklagten<br />

verschuldeten Unrechts durch übersteigerte,<br />

nur noch propagandistisch zu verstehende<br />

Formulierungen überspielt. In<br />

einem so begründeten Todesurteil kommen<br />

schon in der Wortwahl unmissverständlich<br />

der unbedingte Wille zur physischen Vernich-<br />

tung eines politischen Gegners ohne Rücksicht<br />

<strong>auf</strong> dessen persönliche Schuld und der<br />

Wunsch nach genereller Abschreckung auch<br />

um den Preis eines Menschenlebens zum<br />

Ausdruck. Dies ist willkürliches Töten unter<br />

dem Vorwand eines justizförmigen Verfahrens.“<br />

6<br />

Dementsprechend lassen sich die<br />

Todesurteile in dem Volksgerichtshof-Urteil<br />

gegen die Lübecker Kapläne nur als willkürliche<br />

Gewaltakte gegenüber angeblichen<br />

„Volksschädlingen“ – wie die damals übliche<br />

Bezeichnung lautete – und als gewollte<br />

Schreckensherrschaft zur Unterstützung<br />

der staatlichen Machthaber durch massive<br />

Abschreckung deuten. Nicht anders beurteilt<br />

das Landgericht Berlin das weitgehend<br />

übereinstimmend begründete Urteil des<br />

Volksgerichtshofs gegen den Pastor Karl<br />

Friedrich Stellbrink eingehend, dass „es vielmehr<br />

dem Volksgerichtshof dar<strong>auf</strong> ankam,<br />

einen politisch unliebsamen, weil nicht<br />

gleich geschalteten Geistlichen unbedingt<br />

der Todesstrafe zuzuführen. Zum andern hat<br />

sich der Senat mit der Frage, ob ein minderschwerer<br />

Fall gemäß § 5 Abs. 2 KSStVO zu<br />

bejahen sei, nur insoweit beschäftigt, als er<br />

dessen Vorliegen apodiktisch verneint.“ 7<br />

3. Der faktische Stellvertreterprozess<br />

gegen Clemens August<br />

von Galen (1878 bis 1946,<br />

damals Bischof von Münster)<br />

Die „im Namen des Deutschen Volkes“<br />

ergangenen und sofort rechtskräftigen Urteile<br />

gegen die Lübecker Märtyrer zählen zu<br />

den NS-Blutjustiz-Entscheidungen, die<br />

„Schandurteile für Rechtsprechung erklärt“<br />

haben. 8 Der Prozess war ein nach 68 Jahren<br />

noch erschütterndes „abgekartetes Spiel“<br />

in einem gerichtlichen Scheinverfahren. Die<br />

Prozedur dürfte sich an folgenden Zielvorstellungen<br />

orientiert haben. Einmal sollte<br />

sie ein Schauprozess sein, um allgemein<br />

etwaige Regimezweifler nachhaltig abzuschrecken.<br />

Gleichzeitig sollten Einzelheiten<br />

geheim bleiben, um keine Unruhe bei kirchentreuen<br />

Volksgenossen hervorzurufen.<br />

Dies zeigt die Verfügung des Oberstaatsanwalts<br />

Schuberth als Leiter der Vollstreckungsbehörde<br />

bei dem Sondergericht<br />

Hamburg vom 12. November 1943. Hier wurden<br />

fünf Einzelmaßnahmen des Vollstreckungsvollzuges<br />

bezüglich Pastor Stellbrink<br />

jeweils für „geheim“ erklärt. 9<br />

Zum andern sollte dem Bischof von<br />

Münster, Clemens August von Galen, eine<br />

deutliche Warnung erteilt werden, ohne<br />

jedoch die als kirchentreu eingeschätzten<br />

Westfalen zu provozieren. Das ist zweifeifrei<br />

dokumentiert: Neben der Anklageschrift<br />

des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof<br />

Dr. Ernst Lautz 10 befindet sich<br />

im Bundesarchiv ein undatierter und nicht<br />

unterschriebener offensichtlicher Entwurf >><br />

unitas 2/2011 105

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