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Hans Waldenfels SJ Größe und Grenzen der frühen Jesuitenmission ...

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Von 1630 lebte er dann bis zu seinem Tod in Peking. Es ist zu beachten, dass Schall dort das<br />

Ende <strong>der</strong> Ming- <strong>und</strong> den Anfang <strong>der</strong> Qing-Zeit miterlebte. Der Wechsel des Regimes brachte<br />

aber für die Jesuiten zunächst keine wesentlichen Verän<strong>der</strong>ungen, da sowohl <strong>der</strong> letzte Ming-<br />

Kaiser als auch <strong>der</strong> erste Qing-Kaiser ihnen mit großem Wohlwollen begegneten.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Sterne<br />

Als herausragende Lebensleistung Schalls gilt seine Mitarbeit an <strong>der</strong> Reform des chinesischen<br />

Kalen<strong>der</strong>s, zu <strong>der</strong> er an den kaiserlichen Hof berufen wurde. Er kam an den Hof zur Zeit des<br />

Kaisers Chongzhen (1611-1644, Kaiser von 1627-1644). Zusammen mit chinesischen<br />

Gelehrten arbeitete er an einer mathematischen <strong>und</strong> astronomischen Enzyklopädie, vor allem<br />

aber am Kalen<strong>der</strong>. Um die Bedeutung dieser Tätigkeit voll würdigen zu können, ist es<br />

notwendig, auf die Bedeutung <strong>der</strong> Astronomie in China zu achten.<br />

Wir unterscheiden heute strikt zwischen Astronomie <strong>und</strong> Astrologie. Man muss allerdings<br />

wissen, dass noch für Johannes Kepler (1571-1630) die Astrologie „als den Menschen<br />

einbeziehen<strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> Astronomie <strong>und</strong> ihrer Erforschung <strong>der</strong> den ganzen Kosmos von<br />

seinem Schöpfer eingestiftete Harmonie“ galt (Voss 1111). Schon aus schriftlichen Zeugnissen<br />

aus Mesopotamien ist bekannt, dass aus <strong>der</strong> Berechnung <strong>und</strong> Deutung von Konstellationen<br />

von Sternen <strong>und</strong> Sternbil<strong>der</strong>n Rückschlüsse auf politische Entwicklungen gezogen wurden.<br />

Vor allem an Königshöfen waren Priester damit beschäftigt, aus <strong>der</strong> Beobachtung <strong>der</strong><br />

Planetenbewegungen Rückschlüsse auf den Willen <strong>der</strong> Götter zu ziehen <strong>und</strong> entsprechende<br />

Auskünfte an die jeweiligen Herrscher kalendarisch weiterzugeben. Restbestände dieser<br />

Einstellung finden wir bis in die Gegenwart in <strong>der</strong> Verbreitung von Horokopen, so dass sich<br />

auch heute noch die Frage nach einem sachgerechten pastoralen Umgang mit dem Phänomen<br />

<strong>der</strong> Sterndeutung stellt (Böhringer 1112f.).<br />

In gewissem Sinne waren in China die Begriffe „Astrologie“ <strong>und</strong> „Astronomie“ austauschbar,<br />

so dass auch dort von „Astronomie“ gesprochen wurde, wo „Astrologie“ gemeint war.<br />

Kolvenbach macht daher zu Recht darauf aufmerksam, dass hinter dem Interesse des<br />

chinesischen Kaiserhofs an abendländischen Naturwissenschaften vor allem das Interesse am<br />

Wohlergehen ihrer Herrschaft <strong>und</strong> ihres Volkes stand, sowie <strong>der</strong> Wunsch, die Harmonie ihres<br />

Tuns mit den Gesetzen <strong>der</strong> Natur sicher zu stellen (Kolvenbach 38f.). Folglich hatte auch die<br />

gewünschte Kalen<strong>der</strong>reform es wesentlich mit <strong>der</strong> politischen Situation am Ende <strong>der</strong> Ming-<br />

Zeit (1368-1644) zu tun. Für Schall von Bell ergab sich daraus die Chance, Einfluss zu<br />

gewinnen am Kaiserlichen Hof. Dieser Einfluss erreichte seinen Höhepunkt, als er zum<br />

Direktor des Büros für Astronomie berufen wurde.<br />

Aus den Briefen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Dokumenten Schalls geht hervor, dass für ihn <strong>der</strong> Kalen<strong>der</strong><br />

nichts mit irgendwelchen abergläubigen Praktiken zu tun hatte. Zwar war die Überzeugung,<br />

dass die Himmelskörper einen starken Einfluss auf das Schicksal des Menschen ausübten<br />

nach wie vor auch in Europa verbreitet. Doch innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft Jesu war das Werk<br />

des österreichischen Jesuiten Adam Tanner (1572-1632) Astrologia sacra (Ingolstadt 1615)<br />

weithin maßgeblich. Tanner aber vertrat nachdrücklich, dass <strong>der</strong> Kalen<strong>der</strong> nichts mit einer<br />

astronomia divininatrix <strong>und</strong> iudiciaria, d.h. mit <strong>der</strong> Voraussage zukünftiger Ereignisse aus <strong>der</strong><br />

Bewegung <strong>der</strong> Sterne zu tun hat.<br />

Schall von Bell war seinerseits bemüht, die Erkenntnisse bzw. den Erkenntnisstand damaliger<br />

Wissenschaft in <strong>der</strong> Gestaltung des Kalen<strong>der</strong>s zur Anwendung zu bringen. Ihm ging es, wie es<br />

in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Astronomie üblich wurde, um die Bestimmung <strong>der</strong> Himmelskörper, um die<br />

Berechnung ihrer Bewegungen, um ihre Eigenschaften <strong>und</strong> Konstellationen, also um all das,<br />

was seine Zeit in diesem Bereich an Erkenntnissen beitragen konnte. Mit gutem Gr<strong>und</strong><br />

werden er <strong>und</strong> Ricci mit den entsprechenden technischen Gerätschaften dargestellt. Es bleibt

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