Wolfgang Graf Vitzthum - Reden zum 20. Juli 1944
Wolfgang Graf Vitzthum - Reden zum 20. Juli 1944
Wolfgang Graf Vitzthum - Reden zum 20. Juli 1944
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Volkserziehung. Demokratisierung wurde abgelehnt. Der George-Kreis war eine<br />
Dichterschule, keine Demokratieschule.<br />
Die künstlerische Moderne ging, europaweit, oft Hand in Hand mit politisch<br />
Reaktionärem. Aber auch der Reichstag mit seinem Ermächtigungsgesetz vom 23.<br />
März 1933, das de facto die Diktatur etablierte, verkannte die Flammenschrift an der<br />
Wand. Ja selbst der Papst scheute sich vier Monate später nicht, mit Hitler ein<br />
Konkordat zu schließen – was das Regime dann international aufwertete und<br />
innenpolitisch stabilisierte.<br />
Medium der Freundschaft und Erziehung im George-Kreis war das Gespräch, waren<br />
gemeinsame Reisen und Feste, war das gemeinsame Arbeiten (an Manuskripten wie<br />
an Skulpturen). Das Schreiben und Rezitieren von Gedichten war ein Ritual. Am<br />
kostbarsten die Stunde, in der in vertrauter Runde Dichtung vorgetragen (nicht:<br />
besprochen) wurde. "Private" Unterhaltungen, gar weltanschauliche Debatten waren<br />
verpönt. Ungewöhnliche Sehweisen und unbürgerliche Lebensformen wurden<br />
erprobt. Gewisse Grundsätze des Bürgertums freilich seien gut, meinte George:<br />
"Zwei mal zwei ist vier, auch wenns die Bürger sagen."<br />
Der Dichter betonte Führung der Vorragenden, Gemeinschaft und Dienst. Er hoffte,<br />
seine jungen Freunde, als "ganze Menschen" gebildet, würden sich eines Tages<br />
völlig verwirklichen, jeder auf seinem Gebiet, jeder nach seinem Wesen, jeder mit<br />
einer eigenständigen Position. Die heroische, die tragische Haltung, "der Einsatz für<br />
das Edelste auch gegen den Stärkeren" (Ernst Gundolf), die Verbindung also von<br />
Haltung und Hingabe, von Geist und Tat waren zentrale Motive im George-Kreis.<br />
Jedem seiner Freunde müsse klar sein, lehrte der Dichter, was ihm auferlegt sei, was<br />
er deshalb nicht umgehen dürfe, was kein anderer für ihn tun könne (Eberhard<br />
Zeller): "Wer adel hat erfüllt sich nur im bild/Ja zahlt dafür mit seinem untergang."<br />
Adel hatte für George nichts zu tun mit feudaler Romantik. Das zeigt etwa ein<br />
Gedicht aus dem Jahr 1914. Es belegt zugleich Georges Offenheit und Modernität<br />
und lautet:<br />
Neuen adel den ihr suchet<br />
Führt nicht her von schild und krone!<br />
Aller stufen halter tragen<br />
Gleich den feilen blick der sinne<br />
Gleich den rohen blick der spähe.<br />
Stammlos wachsen im gewühle<br />
Seltne sprossen eignen ranges<br />
Und ihr kennt die mitgeburten<br />
An der augen wahrer glut.<br />
II.<br />
Im zweiten Teil meines Vortrags behandle ich nun die Brüder Stauffenberg, ihre<br />
verwirklichte Sittlichkeit in Bildung, Haltung und Tat.<br />
Die Zwillinge Berthold und Alexander von Stauffenberg kamen am 15. März 1905 in<br />
Stuttgart zur Welt, als Söhne des späteren Oberhofmarschalls des letzten<br />
württembergischen Königs Wilhelm II. Gut zweieinhalb Jahre später, am 15.<br />
November 1907, wurde ihr Bruder Claus geboren. Die geistig bedeutende Mutter,<br />
© 2008 Gedenkstätte Deutscher Widerstand<br />
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