Querdenker Ausgabe 1/2006 - xivilization
Querdenker Ausgabe 1/2006 - xivilization
Querdenker Ausgabe 1/2006 - xivilization
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Mut vor Fürstenthronen<br />
Eine notwendige Bürgertugend im demokratischen Gemeinwe-<br />
sen?<br />
Gegen den Strom zu schwimmen, ist keine<br />
bequeme Sache, braucht Mut, überdurchschnittlichen<br />
Energieeinsatz und<br />
motivierte Entschlossenheit. In der Regel<br />
ist dies somit keine Primärtugend des<br />
Durchschnittsbürgers.<br />
Wir ehren heute Menschen als Vorbilder,<br />
die in der Diktatur des Dritten Reiches<br />
den Mut zum aufrechten Gang und einer<br />
klaren Position gegen den Zeitgeist trotz<br />
aller persönlichen Nachteile hatten. Der<br />
Heiligenhimmel der katholischen Kirche<br />
hat einige Mitglieder, die zu Lebzeiten für<br />
ihren aufrechten Gang ein blutiges und<br />
manchmal auch unblutiges Martyrium<br />
erleiden mussten, zu ihrer Zeit sich von<br />
ihrer Kirche<br />
verraten fühlen<br />
mussten,<br />
später aber<br />
im zeitlichen<br />
A b s t a n d<br />
quasi als<br />
verspätete<br />
R echtfer tigung<br />
in ihrer<br />
Vorbildfunktion<br />
zur Ehre<br />
der Altäre erhobenwurden.<br />
Wir erwähnen<br />
heute<br />
auch lobend<br />
Schüler und<br />
Lehrer des<br />
Gymnasiums<br />
von Gersthofen,<br />
die in<br />
zunächst einsamem Entschluss gegen<br />
alle Widerstände aus der Kommunalpolitik<br />
nach 60 Jahren den in der Kriegswirtschaft<br />
eingesetzten ausländischen<br />
Zwangsarbeitern durch Namensnennung<br />
auf einem Denkmalstein ihre menschliche<br />
Würde zurückgaben. Praktische<br />
Vergangenheitsbewältigung durch Erinnerung<br />
gegen das Vergessenwollen als<br />
Voraussetzung von Versöhnung! Hut ab<br />
vor diesen Schülern!<br />
Gleichzeitig hören wir aus dem politischen<br />
Unterholz der bayerischen Kul-<br />
tur- und Bildungspolitik, dass eine Ministerin<br />
fünf Schulleiter von bayerischen<br />
Gymnasien vor einem guten Jahr zur<br />
rechtfertigenden Vorsprache verdonnert<br />
und einen Sozialkundelehrer aus Fürstenfeldbruck<br />
mit dienstlichen Strafen<br />
bedroht. Vergehen? Mündige Beamte<br />
haben im „Kulturkampf“ über Vor- bzw.<br />
Nachteile des achtklassigen Gymnasiums<br />
auf Grund ihrer langjährigen Praxis<br />
und Überzeugung mit ihrer eigenen Meinung<br />
nicht hinter dem Berg gehalten.<br />
Und weil diese Meinung offenkundig von<br />
der des Dienstherren abwich, soll es zu<br />
Drohungen („Wir können auch anders!“)<br />
und Repressalien gekommen sein.<br />
Die Bewertung eines solchen Vor-<br />
gangs mag je nach Perspektive unterschiedlich<br />
ausfallen. In diesem<br />
Zusammenhang müsste auch die Reichweite<br />
der speziellen Treuepflicht des<br />
Beamten und Lehrers seinem Dienstherren<br />
gegenüber erörtert werden.<br />
Ich frage mich heute nur: Wo war nach<br />
solch einem Vorgehen des Dienstherren<br />
die solidarische Stimme der anderen<br />
400 Schulleiter von bayerischen Gymnasien<br />
bzw. die Reaktion der Kollegen des<br />
Fürstenfeldbrucker Sozialkundelehrers?<br />
Oder ist vorauseilender Gehorsam eine<br />
neue Tugend? (or)<br />
Life | Mut<br />
11