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Claudia Lüke

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IMAGO<br />

Die Künstlerin <strong>Claudia</strong> <strong>Lüke</strong> schöpft mit ihrer raumgreifenden Installation für den Kunstverein Hattingen<br />

die bildnerischen Gestaltungsmittel weit aus und kommt doch immer wieder zum Ursprung, zur<br />

Zeichnung zurück.<br />

Der Anfang der künstlerischen Gestaltung ist die Zeichnung. Als unmittelbarer Ausdruck der Idee umreißt<br />

die Linie eine Vorstellung, die Gestalt werden will. Es drängt die Künstlerin und umgekehrt wird die<br />

Künstlerin angespornt, ein Bild zu finden, zu fixieren; das eine Bild - IMAGO - herauszuformen.<br />

Der Name "Imago" steht lateinisch für "Bild" und ist so schillernd wie im Deutschen: von Abbild bis<br />

Vorstellungsbild.<br />

Aus der Erfahrung und der künstlerischen Praxis kann der Prozess gezielter und konzentrierter einsetzen.<br />

Die künstlerische Entwicklung ist der eine Strom –Routine im positiven Sinn–, die Werkgeschichte rückblickend<br />

der zweite –Konsequenz als Reichtum; beide fließen hier zusammen.<br />

Die Objekte und der Raum wirken als Ganzes. Diese ganzheitliche Wirkung wird mittels "Schwarzlicht"<br />

unterstützt. Der Umraum bekommt durch das Überstrahlen des fluoreszierenden Lichtes etwas<br />

Schwebendes, die Teile der Installation sind nah und zugleich fern. Aus dem Dunkel erscheinen die<br />

Tücher, die zwei Farben –mit gelb und blau nur unzureichend benannt–, Linien und Flächen, die<br />

Korsagen wie von Innen erleuchtet.<br />

Die je 3-teiligen Voiles hängen frei im Raum. Sie sind transparent bemalt, so dass sie sich verdichtend<br />

steigern von einer anfangs eher umrisshaften Zeichnung zu einer am Ende eher malerischen Fläche. Ihre<br />

gestaltbildende Form pendelt sich ein zwischen Figuration und Verhüllung. Sie erscheinen nach beiden<br />

Seiten hin offen und doch geheimnisvoll. Ihr Titel "Tschador" gibt uns die Bestätigung, dass wir auf dem<br />

richtigen Weg sind. Die künstlerische Ausformung komponiert hier mit Gegensatzpaaren: Linie - Fläche,<br />

Positivform - Negativ-, Volumen - Hohlform, Farbreflex - Durchsicht, Stabilität - Labilität.<br />

Größe und Aufrichtung der Figurationen sind auf das menschliche Maß, unsere Proportionen konzentriert,<br />

das erleichtert uns, ein Gegenüber vorzustellen. Die Färbung wirkt dagegen kühl, so dass eine<br />

geheimnisvolle Ferne und Flüchtigkeit nie ganz überwunden werden kann, wie auch das durch Luftzug<br />

erregte Wallen diesen Eindruck verstärkt.<br />

Unbedingt korrespondieren die Korsagen in den Vitrinen als reale Volumina mit den Voiles, und es lässt<br />

sich Vergleichbares sagen zu <strong>Claudia</strong> <strong>Lüke</strong>s künstlerischem Gestalten. Zunächst wirken die recht üppigen<br />

Korsagen für die Weiblichkeit befremdlich. Ihr scheinbar freies Schweben in der Schwarzlicht-Säule<br />

und ihre sichtbare Hohlheit bei kräftiger Blaufärbung erscheinen skurril. Doch sie erfassen das gestalterische<br />

Thema der oben benannten Gegensatzpaare von der Seite der Bildhauerin.<br />

Die Korsagen, ebenfalls in der Höhe menschlicher Proportion angebracht, sind tatsächlich Hüllen für<br />

eine vorzustellende "Luftgestalt". Die Fixpunkte für das Körperhafte sind die Innenseiten der Korsagen.<br />

Alles andere, etwa Kopf oder Arme und Beine, wird mit der Entfernung von der Körperhülle unscharf<br />

und ungenau. Damit stehen diese "inneren", ursprünglich intimen Kleidungsstücke nun selbst nach<br />

außen gekehrt für das Entkleiden als Häutung, spezieller als zurückgelassener Kokon.<br />

Die Hohlform gilt bei den Plastikern als verlorene Form, wenn sie beim Freilegen der Gussform zerstört<br />

werden muss. Bei <strong>Claudia</strong> <strong>Lüke</strong> nun gewinnt diese Binnenform Beständigkeit, ein eigenes Gewicht. Es ist<br />

eine Zwischenzone, die materielle Präsenz mit Vorstellungen füllt schwebend zwischen greifbar und<br />

schwindend, immer mit Rückbindung auf ein Menschenbild.<br />

Michael Kade<br />

Kunsthistoriker M.A.

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