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Der wandernde Handwerkergeselle in unserer Zeit.

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weise, er lernte auch städtische Art, sich zu geben und<br />

sich zu bewegen. Dann sagte er e<strong>in</strong>es schönen Frühl<strong>in</strong>gsmorgens<br />

dem Städtchen Lebewohl, um weiterzuwandern,<br />

soweit zunächst, als eben die Ersparnisse reichten, dann<br />

nahm er wieder Arbeit, und so g<strong>in</strong>g es fort. Schöne<br />

Gegenden und Städte wurden bevorzugt, die <strong>in</strong> diesem<br />

oder jenem Handwerksfach rühmlichst bekannt waren.<br />

„Und es war e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>e Erquickung für das Auge,<br />

e<strong>in</strong>en weitgereisten, zünftigen Handwerksbursdien zu begegnen,<br />

denn man wußte, dag er nicht gerade aus Not<br />

reiste, sondern gemäg den Innungsgesegen reisen mugte,<br />

um sich etwas den W<strong>in</strong>d um die Nase wehen zu lassen,<br />

h<strong>in</strong>ter den Ohren trocken zu werden und zu sehen, wie<br />

das Gewerk draugen betrieben wird, und, last not least,<br />

Neues zu lernen. Gern sah man ihn herankommen, wenn<br />

man sich vielleicht auf e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Spaziergang um die<br />

Stadt befand, und wenn er dann, freundlich grügend, vielleicht<br />

se<strong>in</strong>en Hut herhielt und um e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Reiseunterstügung<br />

bat, da warf man ihm mit Vergnügen e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Gabe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Man wugte, dag es mehr Klugheit von dem<br />

Wanderburschen war, wenn er versuchte, auf diese Weise<br />

billiger vorwärts zu kommen, um se<strong>in</strong>e gut verwahrten<br />

Zehrpfennige, die er von daheim mitgenommen, für alle<br />

Eventualitäten zu sparen ')•"<br />

c) Wandervorschriften der Innungen.<br />

<strong>Der</strong> gewanderte Geselle pflegte sich durch grögere<br />

Tüchtigkeit, Erfahrung, Geschick und Geschmack vom ungewanderten<br />

zu unterscheiden. Diese Erfahrungstatsache<br />

machte man sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Zeit</strong>, wo das Handwerk <strong>in</strong> Blüte<br />

stand und der Andrang zum Gewerbe augerordentlich grog<br />

war, zunuge. Um Pfuscher vom Meister zu unterscheiden,<br />

verlangte man als Bed<strong>in</strong>gung der Niederlassung e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Wanderzeit. Die gewöhnliche Wanderzeit betrug<br />

Rocholl, Dunkle Bilder aus dem Wanderleben. Berl<strong>in</strong><br />

1885. S. 40.<br />

2—4 Jahre >), für Meistersöhne nur Vh—2 Jahre. In Handwerkerkreisen<br />

unterschied man deshalb „geschenkte" oder<br />

„gewanderte" und „ungeschenkte" oder „ungewanderte"<br />

Handwerker. Das Geschenk, die Gesellenschenke und<br />

Wanderunterstügung waren Attribute des gewanderten<br />

Handwerkes; sie waren aus dem Wandern hervorgegangen<br />

und fehlten dort, wo e<strong>in</strong> Wanderzwang nicht bestand, wie<br />

z. B. <strong>in</strong> Frankreich 2).<br />

Auch die Stadtverwaltungen wollten sich vor schlechten<br />

Meistern und Stümpern schügen und schrieben als Bed<strong>in</strong>gung<br />

der Niederlassung <strong>in</strong> ihrer Stadt gleichfalls e<strong>in</strong>e<br />

Wanderzeit vor. In Würzburg wurde noch im Jahre 1611<br />

vom oberen Rate beschlossen, ke<strong>in</strong> Tuchscherer sollte<br />

Meister werden, der nicht 2 Jahre an e<strong>in</strong>em Stück gewandert<br />

hätte. Bei den übrigen Handwerken sollte es<br />

<strong>in</strong> gleicher Weise gehalten werden, damit die jungen Stümper<br />

ausgerottet würden 3).<br />

d) Brauch e<strong>in</strong>zelner Familien.<br />

Diese erzieherische und fortbildende Wirkung des<br />

Wanderns machten sich auch angesehene Handwerkerfamilien<br />

zunuge. In diesen ist es heute noch üblich, dag<br />

e<strong>in</strong>er der Söhne das Gewerbe se<strong>in</strong>es Vaters erlernt. <strong>Der</strong><br />

Sohn soll das Geschäft des Vaters fortführen, er soll die<br />

vorhandenen Betriebsmittel verwerten; er soll es e<strong>in</strong>mal<br />

weiterbr<strong>in</strong>gen als se<strong>in</strong> Vater. Um diesen besonders<br />

dazu zu befähigen, lägt ihn der Vater gewöhnlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

fremden Werkstatt e<strong>in</strong>e gründliche Lehrzeit durchmachen<br />

Das Zunftgeseg der Bäcker-Innung zu Eisenach aus dem<br />

Jahre 1685 sagt darüber: „Nach den ausgestandenen Lehrjahren<br />

soll e<strong>in</strong> Lehrjung mit gutem Wissen und Willen Abscheiden und<br />

folgends drey ganfee Jahrlang uf der Wanderschafft zuzubr<strong>in</strong>gen<br />

vergönnt se<strong>in</strong>." In der Zunftordnung für die Bäcker im Zunftbezirke<br />

Eisenach vom 18. Dezember 1838 heigt es: „Die Wanderzeit<br />

(der Gesellen) ist auf 2 J. bestimmt."<br />

ä) Vergleiche Mummenhof, Das Handwerk. S. 81.<br />

a) Ebenda S. 62.

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