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167 - Geschichts- und Heimatvereins Lüdenscheid

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10 V O R T R A G Prof. Dr. Dr. Klueting 50 Jahre <strong>Geschichts</strong>blätter<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Eigenart des <strong>Lüdenscheid</strong>er<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturraumes<br />

Vortrag von Prof. Dr. theol. Dr. phil. Harm Klueting,<br />

Universität zu Köln, anlässlich der Festveranstaltung<br />

„50 Jahre <strong>Lüdenscheid</strong>er <strong>Geschichts</strong>verein“<br />

am 19. März 2006 in den Museen der Stadt<br />

<strong>Lüdenscheid</strong><br />

I.<br />

Der <strong>Lüdenscheid</strong>er <strong>Geschichts</strong>verein gibt seit<br />

seiner Gründung vor 50 Jahren die „<strong>Geschichts</strong>blätter<br />

für <strong>Lüdenscheid</strong>“ mit dem Titel „Der Reidemeister“<br />

heraus. Das erste Heft, erschienen im August<br />

1956, wurde eingeleitet mit einem Artikel von<br />

Peter Schöller über „Entwicklung <strong>und</strong> Eigenart des<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturraumes von <strong>Lüdenscheid</strong>“. 1<br />

2004 lud mich der Vorsitzende des <strong>Geschichts</strong><strong>und</strong><br />

<strong>Heimatvereins</strong> <strong>Lüdenscheid</strong>, Herr Hartmut<br />

Waldminghaus, ein, heute vor Ihnen dasselbe<br />

Thema noch einmal zu behandeln.<br />

Peter Schöller, geboren 1923 in Berlin, aber mit<br />

Vorfahren aus dem Siegerland, aus Wuppertal<br />

<strong>und</strong> aus Hohenlimburg, war 33 Jahre alt, als er seinen<br />

Aufsatz verfaßte. Seit vier Jahren war er Assistent<br />

am damaligen „Provinzialinstitut für westfälische<br />

Landes- <strong>und</strong> Volksk<strong>und</strong>e“ des Landschaftsverbandes<br />

Westfalen-Lippe in Münster, an dessen<br />

Universität er sich 1959 habilitierte. Von 1964 bis<br />

1988 war er Professor an der Universität Bochum.<br />

Er starb 1988. 2<br />

Peter Schöller war Geograph. 1951 hatte er an<br />

der Universität Bonn mit einer geographischen<br />

Dissertation seinen Doktorgrad erworben. Das<br />

Thema war „Die rheinisch-westfälische Grenze<br />

zwischen Ruhr <strong>und</strong> Ebbegebirge“. 1953 wurde<br />

Schöllers Dissertation unter dem Titel „Die rhei-<br />

1 Peter Schöller, Entwicklung <strong>und</strong> Eigenart des Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturraumes von <strong>Lüdenscheid</strong>,<br />

in: Der Reidemeister 1 (1956), Nr. 1, S. 1-3.<br />

2 Hans Heinrich Blotevogel, Nachruf auf Peter Schöller (1923-1988), in: Westfälische<br />

Forschungen 38 (1988), S. 297-302.<br />

3 Peter Schöller, Die rheinisch-westfälische Grenze zwischen Ruhr <strong>und</strong> Ebbegebirge. Ihre<br />

Auswirkung auf die Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftsräume <strong>und</strong> die zentrale Funktion der Orte.<br />

von Harm Klueting<br />

nisch-westfälische Grenze zwischen Ruhr <strong>und</strong> Ebbegebirge.<br />

Ihre Auswirkung auf die Sozial- <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsräume <strong>und</strong> die zentrale Funktion der<br />

Orte“ 3 veröffentlicht. Auf diesem Buch beruhte<br />

Schöllers Aufsatz im „Reidemeister“ von 1956. 4<br />

Dementsprechend definierte er <strong>Lüdenscheid</strong> <strong>und</strong><br />

den <strong>Lüdenscheid</strong>er Raum kulturgeographisch von<br />

der Grenze her, d.h. von der Grenze zwischen<br />

dem Märkischen Sauerland <strong>und</strong> dem Bergischen<br />

Land. Er spricht vom märkischen Rönsahl - westlich<br />

von Meinerzhagen direkt an der Grenze zum<br />

heutigen Oberbergischen Kreis gelegen -, das sich<br />

im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert als Gewerbestandort nicht habe<br />

entwickeln können, weil ihm wegen der Grenze<br />

das Hinterland im Bergischen fehlte. Er spricht<br />

auch vom bergischen Wipperfürth, das eines solchen<br />

Hinterlandes auf der anderen Seite der Grenze<br />

im Märkischen entbehrt habe. Anders <strong>Lüdenscheid</strong>!<br />

<strong>Lüdenscheid</strong> lag, Schöller zufolge, von der<br />

bergisch-märkischen Grenze für vormoderne Verkehrsverhältnisse<br />

weit genug entfernt. Und zugleich<br />

war diese Grenze im Westen, so Schöller,<br />

für <strong>Lüdenscheid</strong> Sicherung, also kein Nachteil wie<br />

für Rönsahl, sondern ein Vorteil. Zwar besitze <strong>Lüdenscheid</strong><br />

keine „natürliche Zentrallage“. Anders<br />

als die Stadt Siegen als Mittelpunkt des geographisch<br />

eindeutig abgrenzbaren Siegerlandes habe<br />

die Stadt <strong>Lüdenscheid</strong> „keine geographisch geschlossene<br />

Landschaft“, kein <strong>Lüdenscheid</strong>er Land.<br />

„Hier ist es vielmehr eine alte geschichtliche Scheide,<br />

die das <strong>Lüdenscheid</strong>er Gebiet im Westen begrenzt<br />

<strong>und</strong> gesichert hat. Denn wenn wir die Auswirkungen<br />

der Bergisch-Märkischen Territorialgrenze<br />

durch die Jahrh<strong>und</strong>erte hindurch verfolgen,<br />

so wird klar, daß das hierarchische Verhältnis<br />

<strong>und</strong> die Zuordnung der Bereiche durch die Stabi-<br />

lität der Grenze gleichsam garantiert wurde“.<br />

Schöller geht auch auf den „Wirtschaftsraum <strong>Lüdenscheid</strong>“<br />

ein, den er als „den östlichen Kernraum<br />

des Bergisch-Märkischen Industriegebietes“<br />

bezeichnet, „das von der Eisen- <strong>und</strong> Metallverarbeitung<br />

in Klein- <strong>und</strong> Mittelbetrieben bestimmt“<br />

werde. Mit dem Blick auf die erste Hälfte des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts räumt er - von 1956 aus betrachtet<br />

- ein, daß die „Ausstrahlung des <strong>Lüdenscheid</strong>er Industriebezirkes<br />

in den letzten Jahrzehnten z. B. mit<br />

der Elektroindustrie schon über die märkische<br />

Grenze nach Westen ins Gebiet von Radevormwald“<br />

hinübergegriffen habe, betont aber, daß „die<br />

Kulturraumgrenze hier außerordentlich konstant<br />

geblieben sei“. Selten treffe man heute „in einer<br />

einheitlichen natürlichen Landschaft eine so überzeugende<br />

Scheide zweier historischer Landschaften<br />

wie etwa zwischen Halver <strong>und</strong> Radevormwald.<br />

Ich habe Zweifel, ob man das heute, 50 Jahre<br />

später <strong>und</strong> in einer vollkommen anderen Gesellschaft<br />

mit hoher - vor einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

noch <strong>und</strong>enkbarer - Mobilität noch so sagen<br />

kann. Sicher bin ich mir hingegen, daß die Neunzehnjährigen<br />

aus Halver, die Kneipen der Düsseldorfer<br />

Altstadt <strong>und</strong> die Diskotheken in Köln nicht<br />

weniger kennen als die Neunzehnjährigen aus Radevormwald.<br />

Wer sollte sie hindern? Sicher am<br />

wenigsten die bergisch-märkische Grenze, die sie<br />

in der Mehrzahl der Fälle wahrscheinlich gar nicht<br />

mehr wahrnehmen. Was geht sie diese Grenze<br />

auch an, wenn sie womöglich in Kasachstan geboren<br />

wurden oder wenn sie zu Hause mit den Eltern<br />

nur türkisch sprechen?<br />

(Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für westfälische Landes- <strong>und</strong> Volksk<strong>und</strong>e. Reihe<br />

I: Wirtschafts- <strong>und</strong> Verkehrswissenschaftliche Arbeiten, Bd. 6) Münster 1953.<br />

4 Er nennt dort auch noch: Peter Schöller, Territorialgrenze, Konfessions- <strong>und</strong> Siedlungsentwicklung.<br />

Untersuchung zur historischen Kulturgeographie des märkisch-bergischen Grenzraumes,<br />

in: Westfälische Forschungen 6 (1943-52), S. 116-129.

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