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Malerei der Langsamkeit - Galerie Hoeppner

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klassischen chinesischen Texte, dem „I Ging“ übersetzt als „Buch <strong>der</strong> Wandlungen“, dessen erste<br />

Quellen bis in das 2. vorchristliche Jahrtausend zurückreichen.<br />

Der Bambus als Sinnbild von Anstand und Bescheidenheit, sittlicher und geistiger Größe, einer<br />

aufrechten und ehrlichen Grundhaltung: in China symbolisiert <strong>der</strong> Bambus die positiven<br />

Eigenschaften des Menschen schlechthin. Die chinesische Hochachtung des Bambus ist<br />

dementsprechend kaum zu überschätzen. Besitzt er doch zudem die Eigenschaft, auch dem<br />

stärksten Wind zu trotzen, sich zwar zu biegen, aber nur bei äußerster Gewalteinwirkung zu<br />

brechen. Was das übertragen auf den menschlichen Charakter bedeutet, ist augenscheinlich.<br />

Im Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts erschienenen chinesischen Roman-Klassiker „Der Traum <strong>der</strong> Roten<br />

Kammer“ ist es die melancholische Hauptfigur Lin Daiyu (Blaujuwel), die nicht nur umgeben von<br />

Bambus („Bambusklause“) lebt, son<strong>der</strong>n auch im Bambus verborgen die Tränen um ihren Liebsten<br />

weint und letztendlich vor Gram im jugendlichen Alter von 20 Jahren stirbt. Die menschliche<br />

Tragödie spiegelnd heißt es kurz nach dem letzten Atemzug von Lin Daiyu „[E]s war keine Musik<br />

mehr zu vernehmen, nur leises Rascheln <strong>der</strong> vom Nachtwind bewegten Bambuszweige, die an <strong>der</strong><br />

mondbeschienenen Gartenmauer huschende Schatten laufen ließen.“ 3 Angespielt wird in diesem<br />

Trauerbild zudem auf den Ursprungsmythos <strong>der</strong> Bambusmalerei, <strong>der</strong> besagt, die ersten<br />

Bambusbil<strong>der</strong> seien mit Tusche festgehaltene Mondschatten.<br />

Der Bambuswald gilt in China seit jeher als Rückzugsort für Dichter, Gelehrte und Melancholiker<br />

und dient ihnen als Schonraum, in dem nicht zuletzt Literatur und Kunst entstehen können. Der<br />

hohle Kern <strong>der</strong> Bambus-Halme visualisiert Schlüssigerweise die daoistische Lehre von <strong>der</strong> ‚Leere<br />

als größter Fülle’ 4 . Leere ist in diesem Sinne als Potential zu denken, als Möglichkeit zur<br />

Entwicklung, als offene Gesinnung und meditative Grundhaltung, als Haltung des Künstlers und<br />

insbeson<strong>der</strong>e des Bambus-Malers. Der Kreis zwischen Kunstschaffen und -rezeption schließt sich.<br />

Von Ost nach West – Der gebrochene Bambus<br />

Seit drei Jahrzehnten nun gehört die Bambusmalerei zum Alltag von Shan Fan. Hun<strong>der</strong>te von<br />

Bil<strong>der</strong>n entstanden. Nicht nur sein Studium bei dem Filmemacher, Grafiker und Maler Klaus Peter<br />

Brehmer – bekannt unter dem Künstlernamen KP Brehmer 5 – verän<strong>der</strong>te seinen Blick auf den<br />

Inhalt und die Ästhetik <strong>der</strong> Kunst des eigenen Landes, es war in beson<strong>der</strong>em Maße <strong>der</strong> spanische<br />

Maler Antonio Tapies, <strong>der</strong> Shan Fan die Faszination und bis heute ungebrochene Kraft des<br />

Tuschestrichs vor Augen führte: „Tapies ist für mich <strong>der</strong> chinesische Maler des Westens. Wie kann<br />

ein Spanier einen solchen Strich malen! Da musste ich 10.000 Kilometer weit fliegen, um die<br />

eigene Tradition neu schätzen zu lernen! Durch Tapies wurde mir klar, dass es durchaus eine<br />

Verbindung zwischen Ost und West gibt.“<br />

In den ersten Jahren blieb Shan Fan bei <strong>der</strong> traditionellen Tusche-Technik, d. h. Halme und Gräser<br />

werden in konzentrierten Schwüngen in dichtem Schwarz bis hin zu einem nahezu unsichtbaren<br />

Farbhauch auf Reispapier gemalt. Im Vergleich mit den Werken seiner klassischen Vorbil<strong>der</strong> fällt<br />

sofort auf, dass Shan Fan bezüglich <strong>der</strong> Komposition neue Wege beschreitet. Nicht nur, dass er<br />

3 Der Traum <strong>der</strong> roten Kammer, aus dem Chinesischen von Franz Kuhn, Insel-Verlag 1995, S. 707.<br />

4 Vgl. dazu François Cheng, Fülle und Leere. Die Sprache <strong>der</strong> chinesischen <strong>Malerei</strong>, Merve Verlag Berlin, 2004 und<br />

François Jullien: Das große Bild hat keine Form o<strong>der</strong> Vom Nicht-Objekt durch die <strong>Malerei</strong>. Essay über<br />

Desontologisierung, Fink Verlag München, 2005.<br />

5 KP Brehmer (1938 – 1997), von 1971 bis 1997 Professor an <strong>der</strong> Hochschule für Bildende Künste, Hamburg. 1987 und<br />

1988: Gastdozent an <strong>der</strong> Kunstakademie in Hangzhou, China.<br />

<strong>Galerie</strong> <strong>Hoeppner</strong> | Kunsthandlung Haas<br />

Huyssenallee 70 | 45128 Essen, Germany<br />

Tel +49 201 22 28 80 | Fax +49 201 22 87 19<br />

kontakt@galerie-hoeppner.de<br />

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