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Bulletin 26 - Alvar Aalto Gesellschaft

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zur Landschaft, um die Natur ins Haus zu holen. Vor<br />

den Schlafzimmern geometrisierte <strong>Aalto</strong> den abfallenden<br />

Hang durch Betonstreifen, die den Geländeverlauf<br />

wie Höhenlinien nachzeichnen. Die Naturform<br />

wird somit sanft in die Geometrie des Hauses übergeleitet.<br />

Diese Korrespondenz zwischen Architektur<br />

und Natur findet sich ähnlich beim Rathaus in<br />

Saynätsalo oder beim Eperimentierhaus auf Muuratsalo<br />

und wurde zu einem Kennzeichen der Architektur<br />

<strong>Aalto</strong>s.<br />

Auf die Innenausstattung legte <strong>Alvar</strong> <strong>Aalto</strong> ganz<br />

besonderes Gewicht, hier zeigt sich an zahllosen<br />

Details seine schier unerschöpfliche Kreativität und<br />

sein virtuoser Umgang mit Materialien. Lampen,<br />

Einbauten und einige Möbel wurden nur für diese<br />

Villa entworfen und als Unikate ausgeführt. Die<br />

Anlage ist deshalb ein Gesamtkunstwerk im besten<br />

Sinn des Wortes.<br />

Die Bezeichnung Maison Carré ist ein von<br />

<strong>Aalto</strong> erfundenes Wortspiel. Der Name des Bauherrn,<br />

Carré (d.h. Quadrat), wird in Bezug gebracht<br />

zu einem der berühmtesten historischen Bauwerke<br />

in Frankreich, dem römischen Tempel in Nîmes, der<br />

unter dem Begriff maison carrée geläufig ist. Das<br />

Wortspiel umfaßt aber noch eine weitere Bedeutungsebene,<br />

denn der Grundriß der Anlage ist<br />

wirklich aus carrées, aus Quadraten komponiert,<br />

die <strong>Aalto</strong> allerdings raffiniert gegeneinander verschob<br />

und spielerisch ineinander verschränkte. Der<br />

römische Podiumtempel wird somit von <strong>Aalto</strong>, der<br />

Die Wellendecke der Galerie (noch mit Kunstwerken). Foto Heikki Havas.<br />

in seinem Werk vielfach Bezüge zur antiken Architektur<br />

gestaltete, gleichsam in einen modernen<br />

Kunsttempel transformiert.<br />

Als der Bauherr die Maison Carré bezog, feierte<br />

er zusammen mit dem Architekten ein großes<br />

Fest, zu dem Georges Braque, Alexander Calder,<br />

La Maison Louis Carré<br />

Kurze Erzählung zur Entstehung, basierend auf einem Gespräch mit Marlaine Perrochet<br />

Das Ehepaar Carré. Foto Heikki Havas.<br />

Louis Carré<br />

Paris war nach dem Zweiten Weltkrieg Ende der<br />

Vierziger und während der Fünfziger Jahre die Weltmetropole<br />

der Kunst und des Kunstbetriebs im Bereich<br />

der Literatur und vor allem der bildenden<br />

Künste. In diesem Umfeld war Louis Carré ein sehr<br />

erfolgreicher Kunsthändler und Kunstsammler zeitgenössischer<br />

Kunst. Er war Besitzer einer grossen<br />

Galerie an vorzüglicher Lage in Paris. Aus seiner<br />

Tätigkeit ergab sich sein Bedürfnis, die von ihm bevorzugten<br />

und deshalb nicht zum Verkauf angebotenen<br />

Werke zu seiner eigenen Freude und zum<br />

Genuss eines engeren Freundeskreises in einem von<br />

ihm bewohnten Haus zu vereinen. Sein Anspruch war<br />

ein hoher und bestand aus den folgenden Vorstellungen:<br />

– Doppelfunktion – Angemessene Räume zur Darstellung<br />

von Kunstwerken und gleichzeitig Bildung<br />

von Wohnräumen<br />

– Anspruch auf ein zeitgemässes Haus von hohem<br />

architektonischem Anspruch<br />

– Hohe Wohnqualität, Pflege aller Details zur Erfüllung<br />

aller denkbaren Ansprüche der Bewohner<br />

und ihrer Gäste<br />

Der Anstoss zur Kontaktnahme mit <strong>Alvar</strong> <strong>Aalto</strong><br />

kam ausgerechnet aus dem Kreis der Künstler, die er<br />

in seiner Galerie vertrat. Fernand Léger, der gleichfalls<br />

mit <strong>Aalto</strong> befreundet war und ein Werk für das<br />

Rathaus von Säynätsalo schuf, war ein grosser Bewunderer<br />

seiner Bauten. In Kenntnis von Carrés<br />

Ansprüchen lag die Empfehlung Légers einer Kontaktnahme<br />

mit <strong>Aalto</strong> nahe. Sie fand statt, und der<br />

Auftrag war besiegelt, nachdem Carré die Villa<br />

Mairea besucht und mit Begeisterung die wunderbare<br />

Wohnlichkeit, den formalen Ausdruck und<br />

die Einbindung in die Natur in sich aufgenommen<br />

hatte.<br />

Die Beziehung zu <strong>Aalto</strong> war eine besondere. Sie<br />

war gut, beiderseits verständnisvoll und zeitweise<br />

spannungsvoll. <strong>Alvar</strong> <strong>Aalto</strong> trug, wie wir alle verstehen,<br />

viel zu diesem besonderen Verhältnis bei. Hinzu<br />

kam bei ihm die Faszination der französischen<br />

Le Corbusier, Charlotte Perriand, Hans Arp, Alberto<br />

Giacometti u.v.a. kamen. Da die Villa dann über fast<br />

ein halbes Jahrhundert nahezu unverändert blieb,<br />

kann heute eines der großen Dokumente der Architektur<br />

des 20. Jahrhunderts original wieder erlebt<br />

werden. Winfried Nerdinger<br />

Hauptstadt, die Gelegenheiten Bekanntschaften zu<br />

schliessen mit prominenten Künstlern und nicht zuletzt<br />

auch das elegante Leben, das er sehr genoss.<br />

Eine Erklärung für letzteres könnte sein ländlicher<br />

Ursprung sein, der sich darin kontrastierte. Seine<br />

Mitarbeiter aus jener Zeit können bestätigen, wie<br />

freudig er sie jeweils verliess mit der legendären<br />

Aussage „es ist wunderbar, in Helsinki zu leben,<br />

wenn man ein Flugticket nach Paris in der Brieftasche<br />

mit sich trägt“.<br />

Zur Zeit der Entstehung der Maison Carré<br />

(1957–1959) stand <strong>Alvar</strong> auf einem der Höhepunkte<br />

seiner Laufbahn. Wir möchten den Leser an einige<br />

Erfolge dieser Zeit erinnern:<br />

– Wettbewerb Kulturzentrum Wolfsburg. 1. Preis<br />

1958, Realisierung 1959–1969; Gleichzeitige<br />

Realisierung des Kirchenzentrums Heilig-Geist in<br />

Wolfsburg<br />

– Realisierung des Hauses der Kultur in Rautatalo<br />

Helsinki (1955–1958).<br />

– Museum in Aalborg. Wettbewerb 1. Preis 1958.<br />

– Kirche von Vuoksenniska-Imatra. Ausführung<br />

1957–1959.<br />

– Internationaler Wettbewerb Opernhaus Essen<br />

1. Preis 1959.<br />

Getragen von den Erfolgen dieser Zeit (die wohl<br />

auch viele Probleme in sich trugen), war die Maison<br />

Carré so etwas wie ein Leckerbissen, an dem tatsächlich<br />

auch viel herumgebissen wurde. Gemeint ist<br />

damit die starke Auseinandersetzung mit der Auf-

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