GEFAHRENPERZEPTION - WANN IST ETWAS „GEFÄHRLICH
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Arbeitsmedizin 02 05 bel 31.08.2005 10:16 Uhr Seite 15<br />
Hormesis: Nicht<br />
die Ausnahme,<br />
sondern die Regel?<br />
Es gibt gute Beispiele<br />
für nicht-monotone<br />
Dosis-Wirkungs-<br />
Beziehungen. Unklar<br />
ist aber, inwieweit<br />
diese auf klare Endpunkte<br />
der Toxizität<br />
übertragbar sind<br />
Nicht-monotone<br />
Dosis-Wirkungs-<br />
Beziehungen sind<br />
auch im Bereich der<br />
chemischen Kanzerogenese<br />
denkbar<br />
(links) Abb. 2:<br />
Hormesis: U-Form der Dosis-<br />
Wirkungsbeziehung<br />
(rechts) Abb. 3:<br />
Denkmodell für eine<br />
U-förmige Dosis-Wirkungsbeziehung<br />
bei Mutationen<br />
durch Überlagerung von<br />
Einzeleffekten (hier: DNA-<br />
Schäden und Zellteilung)<br />
15<br />
Alle europäischen Diskussionsforen zu<br />
Schwellenwerten für genotoxische Stoffe<br />
sind sich aber darüber einig, dass die biologischen<br />
Wirkungsmechanismen bei der<br />
Bewertung von Kanzerogenen in Zukunft<br />
eine stärkere Rolle spielen müssen als<br />
bisher.<br />
Das vieldiskutierte Thema der sog.<br />
Hormesis wurde von Herrn Prof. Lutz in<br />
seinem Beitrag zu Effekten im Niedrigstdosisbereich<br />
erörtert. Im Zentrum der<br />
Risikoabschätzung in der Toxikologie<br />
steht ja das fundamentale Konzept der<br />
Dosis-Wirkungs-Beziehung, für das traditionellerweise<br />
lineare Modelle herangezogen<br />
werden. Neuerdings wird hingegen<br />
die Annahme diskutiert, dass Dosis-Wirkungsbeziehungen<br />
im Allgemeinen durch<br />
U-förmige Kurven beschreibbar sind. Es<br />
geht also im Grundsätzlichen um nichtmonotone<br />
Dosis-Wirkungs-Beziehungen,<br />
d. h. Dosis-Wirkungs-Kurven, die nicht<br />
immer in die gleiche Richtung gehen. Mit<br />
dem Begriff der Hormesis ist diese<br />
U-Form der Dosis-Wirkungs-Beziehung<br />
gemeint, und damit ist praktisch eine<br />
Wertigkeit verbunden:<br />
a) die Stimulation eines physiologischen<br />
Prozesses im Niedrigstdosisbereich<br />
und<br />
b) eine Umkehr der Wirkung (und damit<br />
eine Inhibition) im höheren Dosisbereich<br />
(Abbildung 2).<br />
Ein sehr schönes Beispiel aus der Pharmakologie<br />
wurde hier anhand der Produktion<br />
von cAMP in bestimmten Regionen<br />
des Rattengehirns in Abhängigkeit von<br />
Adenosin-Analoga dargestellt. Dies zeigte<br />
überzeugend, dass nicht-monotone<br />
Dosis-Wirkungs-Beziehungen real sein<br />
können. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit<br />
dies auf klare Endpunkte der Toxizität,<br />
denen ja eine Qualität zugeordnet<br />
werden kann, übertragbar ist. Die meisten<br />
Beobachtungen von Hormesis betreffen<br />
physiologische Prozesse (Metabolismus,<br />
Wachstum, Vermehrung) und sind<br />
oft nur in Zeitfenstern erfassbar. Im Bereich<br />
der chemischen Kanzerogenese<br />
wurden aber noch kaum nicht-monotone<br />
Dosis-Wirkungs-Beziehungen festgestellt.<br />
Wie dies dennoch theoretisch möglich<br />
wäre, wurde eindrucksvoll an dem einfachen<br />
Fall der gleichzeitigen Betrachtung<br />
von<br />
a) der Bildung von DNA-Schäden und<br />
b) der Modulation des Zellzyklus<br />
(Abbildung 3) dargestellt.<br />
Die Geschwindigkeit der Zellteilung muss<br />
der Entstehung von DNA-Schäden überlagert<br />
werden. Mit hoher Zellteilungsrate<br />
steigt ja die Wahrscheinlichkeit für Substitutionsmutationen,<br />
da die Zeit für die<br />
DNA-Reparatur erniedrigt ist. Hier besteht<br />
nun die Möglichkeit, dass selbst bei linea-