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Gesundheit, Heilung und Spiritualität - Deutsches Institut für ...

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4.7 Zur Zusammenarbeit von Fachleuten <strong>und</strong><br />

engagierten Laien im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

Die vergangenen Jahrzehnte waren in Deutschland durch<br />

eine stetige Zunahme der Ärzte, Psychotherapeuten, Pflegefachkräfte,<br />

Sozialarbeiter etc. im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung<br />

geprägt. Diese Entwicklung wurde finanziell vom<br />

Ausbau des Sozialstaats <strong>und</strong> fachlich von der Professionalisierung<br />

der Arbeit in Therapie, Pflege <strong>und</strong> Sozialarbeit bestimmt,<br />

die mit einer Ausdifferenzierung der Hilfesysteme<br />

(z.B. Krankenversorgung, Suchthilfe, Sozialpsychiatrie) verb<strong>und</strong>en<br />

war.<br />

Die Leitideen dieser Entwicklung sind die flächendeckende<br />

Versorgung <strong>und</strong> der individuelle Anspruch des Patienten/Klienten<br />

auf die bedarfsgerechte Leistung mit gesicherter<br />

Qualität. Diese beiden Leitideen können nicht durch<br />

freiwillige Initiativen <strong>und</strong> persönliches Engagement einzelner<br />

Menschen <strong>und</strong> Gruppen verwirklicht werden, sondern nur<br />

durch ein professionelles System. Allerdings ist das professionelle<br />

System umgekehrt auf komplementäre Ressourcen<br />

angewiesen. Zu nennen ist die Bereitschaft der Fachleute,<br />

persönlich <strong>und</strong> flexibel, zum Teil auch unentgeltlich, auf die<br />

Bedürfnisse der Patienten/Klienten einzugehen. Zu nennen<br />

sind auch die vielfältigen lokalen Initiativen, mit denen engagierte<br />

Menschen Versorgungslücken identifizieren – z.B. in<br />

der altersgemäßen ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung von Kindern<br />

wie auch von alten Menschen, aber auch von sozial<br />

benachteiligten Menschen – <strong>und</strong> sowohl konkrete Abhilfe<br />

schaffen wie auch Lobby-Arbeit <strong>für</strong> einen Umbau der Strukturen<br />

leisten. Diese Initiativen werden zum Teil von Selbsthilfegruppen<br />

<strong>und</strong> -organisationen, aber auch von engagierten<br />

Bürgern getragen, die die Notlagen anderer Menschen konkret<br />

wahrnehmen.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten <strong>und</strong> engagierten<br />

Laien im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen verdient jedoch heute verstärkte<br />

Aufmerksamkeit – auch in Kirche <strong>und</strong> Diakonie. Die Gründe<br />

da<strong>für</strong> sind folgende: Medizinisch-pflegerische Dienstleistun-<br />

71<br />

gen <strong>und</strong> Produkte können in der Regel nicht allein zur <strong>Heilung</strong><br />

kranker Menschen führen. Wichtige Ko-Faktoren sind<br />

Glaube <strong>und</strong> Lebenswille der betroffenen Menschen, ihre Einstellungen<br />

zur Krankheit <strong>und</strong> zur Therapie, ihr soziales Umfeld<br />

<strong>und</strong> ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Über<br />

diese Faktoren verfügen aber nicht die Fachleute, sondern<br />

gegebenenfalls die betroffenen Menschen bzw. die sozialen<br />

Strukturen, in denen sie leben.<br />

Gute <strong>Heilung</strong>serfolge erfordern ein Zusammenwirken des<br />

medizinisch-therapeutischen Systems mit den Betroffenen,<br />

ihren Angehörigen <strong>und</strong> Unterstützern. Sofern kranke<br />

Menschen über ausreichende seelische <strong>und</strong> soziale Ressourcen<br />

verfügen, kann sich das medizinisch-therapeutische<br />

System im Dialog mit den Betroffenen auf seine Kernaufgaben<br />

konzentrieren. Verfügt ein kranker Mensch unmittelbar<br />

über sehr wenige seelische <strong>und</strong> soziale Ressourcen, so<br />

müssen diese wieder gewonnen werden. Dies ist einerseits<br />

eine Aufgabe von Fachleuten (Therapeuten, Sozialpädagogen,<br />

Seelsorger), gelingt jedoch ohne die Mitwirkung engagierter<br />

Laien nur unvollkommen, weil Fachleute die soziale<br />

Teilhabe der kranken Menschen nicht allein herbeiführen<br />

können. Kirche <strong>und</strong> Diakonie können an dieser Stelle eine<br />

Brückenfunktion zwischen Fachleuten <strong>und</strong> engagierten Laien<br />

übernehmen. Zu ihren Kernkompetenzen gehört die Aktivierung<br />

freiwilligen Engagements, sie sind aber auch in der Lage,<br />

den Dialog zwischen Laien <strong>und</strong> Fachleuten zu führen.<br />

In den Jahren der sozialstaatlichen Expansion konnte man<br />

den irreführenden Eindruck gewinnen, als seien bezahlte<br />

Fachleute im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialwesen in der Lage,<br />

das konkrete soziale Engagement engagierter Menschen<br />

praktisch ganz zu ersetzen. Dieser Eindruck spiegelte sich in<br />

einer geringen Bereitschaft der Fachleute, mit Laien zusammenzuarbeiten.<br />

Im gegenwärtigen „Umbau des Sozialstaats“,<br />

der mit einem beträchtlichen Abbau öffentlich finanzierter<br />

Hilfen verb<strong>und</strong>en ist, wird häufig die Auffassung vertreten,<br />

freiwilliges Engagement sei flexibler <strong>und</strong> wirkungsvoller als<br />

staatliches Handeln. Dabei wird allerdings übersehen, dass<br />

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