Ansprache Rektor Thomas Multerer - Gymnasium Oberaargau
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der Stunde fünf Singvögel und können drei davon nachmachen“ (Das Beispiel<br />
ist von mir!).<br />
Ich erinnere mich an das Sprachlabor, keine Fremdsprache ohne Sprachlabor.<br />
Und es gab die neuen Lernformen, man hat den Frontalunterricht<br />
verteufelt und den Gruppenunterricht zum einzig wahren Stil erklärt.<br />
Es gab aber auch die andere Seite: Ich erinnere mich an die frühen Lehrpläne,<br />
die allesamt ausschliesslich Stoffpläne waren. Überhaupt war in<br />
meinen Anfangszeiten als Lehrer gar viel vom „Stoff“ die Rede. Dann kamen<br />
die Lehrpläne, die kaum Inhalte mehr aufführten, sondern nur noch<br />
Ziele und Kompetenzen, plötzlich waren die Inhalte sekundär. Dann besann<br />
man sich wieder auf die Inhalte und begann Bildungsstandards zu<br />
formulieren.<br />
Das Meiste ist wieder verschwunden, obwohl es seinerzeit mit aller Vehemenz<br />
gefordert wurde als einerseits die alleinseligmachende Didaktik und<br />
Pädagogik oder andererseits die ultima ratio der Lerninhalte.<br />
Was ich jetzt sage, ist natürlich eine Karikatur, aber man erfindet das<br />
Schulehalten alle fünf bis sechs Jahre neu. Ich überblicke mittlerweile etwa<br />
fünf bis sechs solche Zyklen. Und erstaunlicherweise sind meist jene<br />
Wissenschaftler, die eine Reform mit apodiktischer Grausamkeit gefordert<br />
haben, die ersten, die dann davon abweichen. Sie haben einen neuen<br />
Zyklus eröffnet und schliessen ihn dann auch selbst wieder. „Neuere Studien<br />
hätten ergeben, dass es wohl doch nicht ganz so sei…“ liest man<br />
dann. Hätte man in älteren Studien schon so gefragt wie in den neueren<br />
Studien, hätte man bestimmt die Resultate der neueren Studien schon in<br />
den älteren Studien haben können. Irgendwie will in dieser Pädagogik die<br />
Sache einfach nicht so recht funktionieren! Alle systematischen Bemühungen<br />
gehen irgendwann in die Irre und man muss zugeben, dass die Sache<br />
doch komplexer ist. Was macht man da? Nun, man macht das, was man<br />
in unserer Zeit immer macht, wenn etwas nicht funktioniert, man verstärkt<br />
die Kontrolle. Man entwickelt ein Qualitätssicherungssystem, das<br />
die Abläufe kontrollieren soll, man evaluiert extern und intern, organisiert<br />
Qualitätszyklen, definiert die Abläufe und füllt die Formulare. Aber es will<br />
damit dann doch niemand recht glücklich werden. Bei aller Bemühung<br />
wird man den Verdacht dann doch nicht los, dass das alles mit dem Wesen<br />
der Schule dann doch nicht so viel zu tun hat.<br />
Ich karikiere, wie gesagt, meine Damen und Herren, und es ist auch boshaft,<br />
was ich sage. Ich wende mich keineswegs gegen didaktische oder<br />
methodische Systeme an sich; auch nicht gegen Qualitätssicherungssysteme.<br />
Sondern ich wende mich gegen die Art und Weise, mit der diese<br />
Systeme jedesmal für sakrosankt und alleinseligmachend beschrieben und<br />
erklärt werden.<br />
Die Bemühungen um die Entwicklung der Qualität haben in vielem unser<br />
Bewusstsein gestärkt, wir haben klarer hinzuschauen begonnen, systematischer<br />
Gespräche geführt – das ist alles keine Frage. Auch die didaktischen<br />
Zyklen, von denen ich gesprochen habe, haben uns für die Vielfalt<br />
der Möglichkeiten im Unterricht die Augen zu öffnen geholfen. Auch das ist<br />
keine Frage.<br />
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