4 - Augsburger Allgemeine

42 Geschichten aus Schwaben & Oberbayern
Zusamaltheim
VON HERTHA STAUCH
Alles ist perfekt im Hause
Kratzer in Zusamaltheim im
Landkreis Dillingen. Blitzsauber
in Reih und Glied stehen
die Schalen, Schüsseln, Teller,
Vasen, Dosen und andere hölzerne
Gefäße in den Regalen –
jedes ein Unikat und von Hand
gefertigt. Helmut Kratzer
drechselt seit zwölf Jahren aus
Leidenschaft.
Seine Werkstatt – ein Anbau an
der Garage – ist bestens ausgestattet
für einen Hobbyhandwerker,
den die Technik ebenso
fasziniert, wie der Werkstoff
Holz. Er spannt einen Rohling
in die elektrische Drechselmaschine
ein: „Die schafft 300 bis
2500 Umdrehungen pro Minute,
das geht ganz schnell.“
Sagt’s und schon sind die ersten
Konturen einer Holzschale
sichtbar. „Schauen Sie, wie
schön die Maserung herauskommt“,
zeigt er auf die hellen
und dunklen Schattierungen.
Die rötliche Kirsche, die helle
Stechfichte mit dunklen Ästen,
gelblicher Apfel, Walnuss oder
marmoriertes Wurzelholz von
der Eibe – jedes Stück ist einmalig
und erzählt vom Leben
des Baumes, zu dem es einmal
gehörte.
Holz wird bei ihm
zum Blickfang
Der 74-Jährige verwendet gerne
auch Holz von exotischen
Gartenbäumen, Wurzeln oder
Pflanzen, die er sich von über-
Ein Multitalent
mit klaren Zielen
Helmut Kratzer liebt Holz – und hat sein Hobby zur Perfektion gebracht
all her besorgt: Reste aus der
Schreinerei oder von Baumfällarbeiten
– alles verarbeitet
er zu kunstvollen
Schmuckstücken.
Die Drechsel-
maschine dreht
das Holzstück,
die
Form des Gefäßes
entsteht
durch Handarbeit
mit dem
Drechseleisen,
das er vorsichtig an
das Holz anlegt. Eine Absaugmaschine
schluckt sofort
Staub und Späne ein. Mit verschiedenen
Schleifpapieren beginnt
die Feinarbeit. So wird
grobes Holz zu einer ganz sanften,
glatten Oberfläche verarbeitet
– so fein anzufassen wie
Porzellan oder eine glatte
Tischplatte.
Im Laufe der Zeit entstand im
Hause Kratzer so eine ganze
Sammlung an Holzgefäßen, die
überall in den Regalen und Vitrinen
des Hauses stehen. Regelmäßig
fährt Helmut Kratzer
zusammen mit seiner Frau
Annemarie zu Verkaufsausstellungen
und Kunsthandwerkermärkten.
„Wir brauchen ja
hier immer wieder Platz, können
nicht alles behalten“, sagt
Annemarie Kratzer, die ihren
Mann gerne managt. Fein säuberlich
hat sie die Werke ihres
Mannes in den Fotoalben dokumentiert
und aufgelistet und
auch in der Computerarbeit hat
sie sich inzwischen fit gemacht,
„Ich vergesse Zeit
und Raum, wenn ich in
meiner Werkstatt bin.“
Helmut Kratzer
um das Hobby des Mannes zu
digitalisieren.
Das Ehepaar Kratzer ist in
Zusamaltheim und
Umgebung wohl
bekannt. 30 Jah-
re lang führte
es einen kleinenLebensmittelladen
in
der Ortsmitte.
1998 dann war
Schluss – die
Kratzers zogen
rauf in ihr neues Eigenheim
am Lerchenberg.
Und seither wird gedrechselt.
„Eigentlich bin ich
gelernter Schlosser“, erzählt
Kratzer, der aus einer Landwirtschaft
in Roggden stammt.
Das Drechseln brachte er sich
nach und nach selbst bei,
machte auch mal einen Kurs.
Seine Kreativität
kennt kaum Grenzen
Inzwischen hat er sein Hobby
perfektioniert: „Man kann
beim Drechseln so kreativ sein,
ich vergesse Zeit und Raum,
wenn ich in meiner Werkstatt
bin“, sagt Helmut Kratzer.
Kreativ ist er auch noch in anderen
Dingen. Mit großer Liebe
zum Detail hat er sein Elternhaus
in Roggden im Kleinformat
nachgebaut – eine Sölde
im typisch schwäbischen Stil
mit Wohnhaus, Kuhstall,
Schweinekoben und Hühnerstall
– ein Lehrbeispiel, das in
einem Museum stehen könnte.
Helmut Kratzer aus Zusamaltheim hat ein besonderes Hobby: Er drechselt – hier in seiner Werkstatt an der Drechselmaschine. Foto: Stauch