Architektur
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Vorwort<br />
BAUSTELLE<br />
EUROPA<br />
Im Osten wird viel gebaut. Das ist nichts Neues. Nicht nur Moskau, die bekannteste Baustelle der<br />
Welt, erweitert, verändert und erneuert sich. Auch andere, zum Teil junge Hauptstädte wie etwa<br />
Bratislava haben sich in den letzten Jahren rasant verwandelt. Die Innenstädte der kleinen und<br />
großen Metropolen sind längst renoviert und herausgeputzt, Hochhäuser, Bürogebäude und Headquarter<br />
sprießen förmlich aus dem Boden. Was benötigt wird, erfährt rasche Umsetzung. Doch Bauen<br />
ist nicht gleich <strong>Architektur</strong>. Was aber ist <strong>Architektur</strong>?<br />
Die letzte <strong>Architektur</strong>-Biennale in Venedig 2006 stellte sich dem Thema „Städte – urbane Zukunft<br />
der Menschheit“ und ging dem Einfluss von urbanem Wohnen nach. Denn in Europa leben rund 80<br />
Prozent der Menschen in Städten, global bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Städte<br />
gewinnen immer mehr an Bedeutung, dazu sind keine umfassenden Analysen erforderlich. Aber die<br />
gibt es in diesem Sinn auch nicht. Städtebau hat sich mehr oder weniger auf die Beobachtung von<br />
Einzelphänomenen beschränkt. Der „große“ Plan existiert weder im Osten noch im Westen. Und so<br />
geht es vielmehr darum, anhand von eigenen, individuellen Bauaufgaben, egal ob es sich dabei um<br />
ein Museum, ein Wohnhaus oder eine Firmenzentrale handelt, ein Zeichen zu setzen: nach außen<br />
hin zu wirken und in sich zu funktionieren, um es vereinfacht auszudrücken. Man passt sich global<br />
an einen „Bilbao“-Standard an. Das ist nicht immer sinnvoll – und es gelingt auch nicht immer.<br />
Abgesehen von diesen aktuellen Tendenzen kämpft man in den ehemaligen Ostblockländern und in<br />
Ex-Jugoslawien mit der Vergangenheitsbewältigung. <strong>Architektur</strong> ist immer auch ein Zeichen ihrer<br />
Zeit; Macht und politische Interessen werden darin verewigt. <strong>Architektur</strong> war und ist eine wichtige<br />
Repräsentantin von Ideologien. Dass man sich mit dieser relativ jungen Geschichte ungern<br />
beschäftigt, liegt auf der Hand. Abgesehen davon hat es der Denkmalschutz hinsichtlich der letzten<br />
50 Jahre auch im Westen schwer. Manchmal ist Distanz nötig, um Bedeutung besser einschätzen<br />
und anerkennen zu können. Doch bei Häusern „heilt die Zeit nicht alle Wunden“, sondern man lässt<br />
sie verfallen.<br />
Der vorliegende „Report“ stellt sich den Fragen der <strong>Architektur</strong> und sucht nach regionalen wie<br />
globalen Tendenzen und Stilrichtungen. Sebastian Fasthuber hat Kenner der Szenen in Bosnien,<br />
Kroatien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn für uns befragt und eine europäische Haltung herauskristallisiert.<br />
Auch wenn <strong>Architektur</strong> nicht (immer) regional bewertet werden kann, ist doch<br />
manchmal, wie im Fall von Estland, ein roter Faden in der Historie zu finden. Diesen verfolgte<br />
Georg Schöllhammer für uns. Wolfgang Pauser analysiert den „öffentlichen Bau“ an sich und fragt<br />
nach der Bedeutung von Repräsentanz in der <strong>Architektur</strong>. Berenika Partum wiederum dokumentiert<br />
die vielen im Entstehen begriffenen Museen in Polen, die nach formalen auch inhaltliche Debatten<br />
auslösen.<br />
So stellt Europa nicht nur eine politische Baustelle dar. Und fernab von zeitgenössischer wie schützenswerter<br />
Baukunst vermittelt der albanische Künstler Edi Hila in der vorliegenden Ausgabe ein<br />
anderes Bild von <strong>Architektur</strong>. Er widmet sich der „vergessenen, unsichtbaren“ <strong>Architektur</strong> und porträtiert<br />
Physiognomien von Baustellen, von verlassenen, unfertigen Gebäuden wie von Menschen<br />
aus dem 19. Jahrhundert, indem er den urbanen als auch den topografischen Kontext verlässt. Wir<br />
hingegen bleiben in einem Europa, das baut, baut und aufbaut.<br />
Herzlichst Ihr Redaktionsbuero<br />
Manuela Hötzl, Antje Mayer<br />
www.redaktionsbuero.at<br />
www.kontakt.erstebankgroup.net/report<br />
4 MAGAZIN FÜR KUNST UND ZIVILGESELLSCHAFT IN ZENTRAL- UND OSTEUROPA / Vorwort