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In/Press // Ausgabe #6 // September 2019

Analyse / Praxis / Perspektive - linkes Infozine aus Braunschweig

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<strong>In</strong>/<strong>Press</strong><br />

Sellner, Malenki, <strong>In</strong>ternet & Straße<br />

Eine Bestandsaufnahme der ‚Identitären Bewegung‘ im<br />

Sommer <strong>2019</strong><br />

Die Identitäre Bewegung ist ein<br />

Riese im <strong>In</strong>ternet. Ihre Aktionen<br />

sind darauf ausgelegt. Ihre Videos<br />

erzielen eine große Reichweite<br />

und durch verschiedene Kanäle<br />

und Accounts bei YouTube, Twitter<br />

und <strong>In</strong>stagram schaffen sie<br />

sich eine eigene Erlebniswelt im<br />

<strong>In</strong>ternet. Im Kern stehen dabei<br />

drei Arten von Videoformaten. Auf<br />

der einen Seite sind es natürlich<br />

die klassischen Aktionsvideos, mit<br />

denen sie bekannt geworden sind.<br />

Sei es die Besteigung des Brandenburger<br />

Tors, um dort ein Banner<br />

aufzuhängen, ihre Darstellung<br />

der „Defend Europe“-Kampagne,<br />

bei der sie auf dem Mittelmeer<br />

rumfuhren und aktiv versuchten,<br />

Menschen auf dem Mittelmeer<br />

aufzuhalten sowie als neustes Video<br />

ein Transparent, dass an die<br />

Festung Hohensalzburg während<br />

der Salzburger Festspiele gehängt<br />

wurde. Diese Videos werden meisten<br />

von den offiziellen Gruppenaccounts<br />

online gestellt, wie „Identitäre<br />

Bewegung Deutschland“,<br />

„Identitäre Bewegung Bayern“ etc.<br />

Bei den anderen beiden Arten von<br />

4<br />

Videos wird klar Gesicht gezeigt.<br />

Dabei seien zuerst die Videos zu<br />

nennen, die als Kommentierung<br />

politischer Ereignisse dienen.<br />

Das ist die eigentliche Stärke der<br />

„Identitären Bewegung“. Sie haben<br />

mit dem Österreicher Martin<br />

Sellner, der unangefochtene Chef<br />

im deutschsprachigen Raum, sowie<br />

Alexander Kleine, der sich<br />

selbst Alex Malenki nennt, zwei<br />

führende Kader, die bereit sind,<br />

sich permanent ins Rampenlicht<br />

zu stellen. Hinzu kommt, dass<br />

Kleine zusammen mit Philip Thaler<br />

das Format „Laut gedacht“<br />

moderiert, eine rechte Videoreihe<br />

zwischen Satire und Kommentierung<br />

politischer Alltagsthemen. Es<br />

gibt noch mehr „Identitäre“, die<br />

sich mit Namen zu der Bewegung<br />

bekennen, diese sind aber nicht so<br />

reichweitenstark im <strong>In</strong>ternet aktiv,<br />

wie die genannten Drei. Dabei<br />

haben alle eine längere politische<br />

Vergangenheit und gerade Sellner<br />

und Thaler auch eine im klassischen<br />

neonazistischen Spektrum.<br />

Als vermeintliche „Avantgarde“<br />

der „Neuen Rechten“ gab es bei<br />

ihnen einen Wandel des Umfelds.<br />

Weg von den Kameradschaftsund<br />

Parteistrukturen hin zu Burschenschaften<br />

(bei Martin Sellner<br />

die „Wiener akademische Burschenschaft<br />

Olympia“ und bei Thaler<br />

die „Halle-Leobener Burschenschaft<br />

Germania“) und der Nähe<br />

zur intellektuellen Elite in Form<br />

des rechten „<strong>In</strong>stitut für Staatspolitik“<br />

und dem „Antaios Verlag“<br />

von Götz Kubitschek (so erschienen<br />

dort mit „Identitär“, „Jung,<br />

weiblich, rechts“ und „Kontrakultur“<br />

drei Bücher der „Identitären<br />

Bewegung in seinem Verlag“).<br />

Diese Online-Aktivisten nutzen<br />

die Möglichkeiten des <strong>In</strong>ternets<br />

möglichst breit, um dort ihre<br />

rechte Ideologie zu verbreiten.<br />

<strong>#6</strong> / <strong>September</strong> <strong>2019</strong><br />

Martin Sellner beweist dabei einen<br />

absoluten Geltungsdrang,<br />

indem er mit andauernden Livestreams<br />

und Videos zu speziellen<br />

Themen ungefähr alles kommentiert,<br />

was in seinem Alltag passiert<br />

und was ihn bewegt. Dabei setzt<br />

er ganz klar darauf, mehr oder weniger<br />

subtil auch die Positionen<br />

seiner „Bewegung“ zu stärken. Er<br />

redet vom „<strong>In</strong>fokrieg“ um seine<br />

Arbeit im <strong>In</strong>ternet als politischen<br />

Hegemoniekampf zu legitimieren,<br />

der „Re-Migration“, um die<br />

rassistische Vorstellung eines<br />

vermeintlich homogenen Europas<br />

zu verschleiern, vom „großen<br />

Austausch“ um damit zu sagen,<br />

dass es einen großen Plan gäbe,<br />

die weiße, christliche Gesellschaft<br />

zu zerstören und durch Menschen<br />

aus dem Nahen Osten zu ersetzen -<br />

oder vom „tiefen linken Staat“, der<br />

zeige, dass die Demokratie nur ein<br />

Scheinsystem ist, hinter dem eine<br />

linke Regierung steht, die alles verwaltet<br />

und rechte Bestrebungen<br />

blockt beziehungsweise aufhält.<br />

<strong>In</strong>haltlich zeichnet sich dabei eine<br />

klare Linie von Nationalismus,<br />

Sexismus, Rassismus und möglichst<br />

viel Verschwörungstheorie<br />

ab. Neuerdings, seit eine Verbindung<br />

von ihm zum Attentäter<br />

in Christchurch gezogen wurde,<br />

grenzt er sich demonstrativ von<br />

Gewalt und Rassismus ab. Das<br />

passiert aber so oberflächlich,<br />

dass er entweder nicht merkt, dass<br />

seine Videos durchgehend rassistisch<br />

sind und sich davon formal<br />

zu distanzieren nicht reicht, wenn<br />

man ansonsten locker weiterhetzt,<br />

oder aber er hat kein <strong>In</strong>teresse<br />

es weiter zu verschleiern.<br />

Beides ist möglich, da er auch als<br />

Chefideologe der „Identitären“<br />

immer wieder durch plumpes<br />

Gepöbel und wenig argumentative<br />

Unterfütterung auffällt.<br />

Das beweist er zum Beispiel, wenn<br />

5

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