10.07.2015 Views

Dauphin - animaliter - Tiere in der Literatur des Mittelalters

Dauphin - animaliter - Tiere in der Literatur des Mittelalters

Dauphin - animaliter - Tiere in der Literatur des Mittelalters

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

8 <strong>Tiere</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Literatur</strong> <strong>des</strong> <strong>Mittelalters</strong>. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Lexikonprojekt – Probeartikel »Delf<strong>in</strong>«II. Tierallegorese und Tierkunde1. Physiologus, BestiarienUnter dem lat. Namen Serra (›Säge‹) wird e<strong>in</strong> Meerestier beschrieben, das Eigenschaften e<strong>in</strong>es Delf<strong>in</strong>s aufweist:Es folgt Schiffen mit gespreizten Schwanz und Flügeln [geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d wohl die Flossen], bis es müde wird. AlsDelf<strong>in</strong> jedoch kommt <strong>der</strong> Delf<strong>in</strong> auch <strong>in</strong> den deutschsprachigen Versionen <strong>des</strong> Physiologus nicht vor.Lit.: B. E. PERRY: Physiologus, Pauly-Wissowa 39 (1941), 1092 [zur Frage <strong>der</strong> Identität von Serra bzw. Prion und Delf<strong>in</strong>].2. Tierkunde, EnzyklopädikSab<strong>in</strong>e ObermaierWie schon se<strong>in</strong>e Vorlage, <strong>der</strong> Liber de naturis rerum (Redaktion Thomas III), ordnet Konrad von Megenberg <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Buch <strong>der</strong> Natur den Delf<strong>in</strong> den merwun<strong>der</strong>n und nicht den vischen zu. Bereits <strong>in</strong> Konrads Vorlage s<strong>in</strong>djedoch alle Informationen vermieden, die auf e<strong>in</strong> Säugetier h<strong>in</strong>weisen (<strong>in</strong>sbes. das Gebären und die Atmung).Konrad beschreibt analog zu Thomas III die für Fische ungewöhnliche Position <strong>des</strong> Maules am Bauch, dieBeson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Zunge, den Geruchss<strong>in</strong>n, das Alter (140 Jahre mit abgehauenem Schwanz); er erwähnt dieLiebe zu Gesang und Saitenspiel, die Schnelligkeit, die Absenz <strong>der</strong> Galle sowie die Eigenschaft, Menschen, dieDelf<strong>in</strong>fleisch gegessen haben, zu fressen, sobald diese <strong>in</strong>s Wasser gefallen s<strong>in</strong>d, dagegen Menschen, die diesnicht getan haben, zu retten und vor an<strong>der</strong>en Meerestieren zu schützen. Knapp wir die Arion-Sagewie<strong>der</strong>gegeben (mit Verweis auf Albertus Magnus). Ihr folgt <strong>der</strong> Bericht über die ›Trauerarbeit‹ <strong>der</strong> Delf<strong>in</strong>e,wenn e<strong>in</strong>er ihrer Artgenossen gefangen wird o<strong>der</strong> stirbt (nach Pl<strong>in</strong>ius) sowie die rührende Erzählung von <strong>der</strong>Freundschaft zwischen e<strong>in</strong>em Knaben und e<strong>in</strong>em Delf<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Campania zu Zeiten <strong>des</strong> Augustus (nachAlbertus). Abschließend wendet sich Konrad von Megenberg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen Zusatz gegen den Vorwurf <strong>der</strong>Lüge von Seiten solcher Leser, die nur glauben wollen, was sie gesehen haben, sich aber auch die größten Lügenvon Riesen und Recken anhören, die Konrad je gehört hat. Den bei Thomas von Cantimpré eigens aufgeführtenNildelf<strong>in</strong>, <strong>der</strong> erfolgreich gegen Krokodile kämpft, hat Konrad wie schon Thomas III nicht.Ausg.: Konrad von Megenberg: Das ›Buch <strong>der</strong> Natur‹, ed. R. LUFF/G. STEER, 2003, 261f.; Thomas von Cantimpré: Liber de naturis rerum.Redaktion III (Thomas III), ed. Projektgruppe B2 <strong>des</strong> SFB 226 Würzburg-Eichstätt unter Leitung von B. K. Vollmann, [1992, masch.], 80f.[...]III. Tierdichtung1. FabelSab<strong>in</strong>e ObermaierDie offenbar als Kritik an den Delf<strong>in</strong>-Reiter-Geschichten konzipierte äsopische Fabel Affe und Delf<strong>in</strong>(DICKE/GRUBMÜLLER, Nr. 15) wird erst im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschsprachigen Fabelliteratur rezipiert: beiJohannes Posthius/Hartmann Schopper (Nr. 88) sowie im Affenspiel <strong>des</strong> Georg Nigr<strong>in</strong>us [beide unediert]; vgl.aber die Pañcatantra-Fabel Affe und Schildkröte, die mit dem Buch <strong>der</strong> Beispiele Ende 15. Jh. e<strong>in</strong>eÜbersetzung <strong>in</strong>s Deutsche f<strong>in</strong>det. Auch die äsopische Fabel Kle<strong>in</strong>er Fisch und Delf<strong>in</strong> (DICKE/GRUBMÜLLER, Nr.139) wird erst im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t rezipiert: bei Johann Aldelphus Mul<strong>in</strong>g [unediert], Burkhard Waldis (3,35;Quelle nach LIEB: Dorpius, Nr. 263) und Johannes Posthius/Hartmann Schopper (Nr. 30) [unediert]. Die späteRezeption <strong>der</strong> antiken Delf<strong>in</strong>-Fabeln dürfte se<strong>in</strong>en Grund dar<strong>in</strong> haben, dass e<strong>in</strong>e Vermittlung über die sonstübliche Phädrus- bzw. Romulus- sowie Babrios- bzw. Avianus-Tradition fehlt.Lit.: G. DICKE/K. GRUBMÜLLER: Katalog <strong>der</strong> Fabeln <strong>des</strong> <strong>Mittelalters</strong> und <strong>der</strong> frühen Neuzeit, 1987, Nr. 33-37, 150 [dort jeweils H<strong>in</strong>weis aufdie entsprechenden Ausgaben); L. LIEB: Erzählen an den Grenzen <strong>der</strong> Fabel, 1996, 72f. und Anhang, 302.2. <strong>Tiere</strong>posBisher ist mir ke<strong>in</strong> Delf<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em deutschsprachigen <strong>Tiere</strong>pos bekannt.IV. <strong>Tiere</strong> <strong>in</strong> nicht tierbestimmter <strong>Literatur</strong>1. Narrative TexteSab<strong>in</strong>e ObermaierSab<strong>in</strong>e ObermaierEpos/Roman: In Konrads von Würzburg Trojanerkrieg wird im Rahmen <strong>der</strong> Jugendgeschichte <strong>des</strong> Achillerzählt, wie die Meeresgött<strong>in</strong> Thetis, selbst auf e<strong>in</strong>em Delf<strong>in</strong> reitend, ihren Sohn Achill <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er durchsichtigenle<strong>der</strong>nen Hülle, die von zwei Delf<strong>in</strong>en getragen wird, auf die Insel Scyros zu Lycome<strong>des</strong> und se<strong>in</strong>en Töchternbr<strong>in</strong>gen lässt, um ihn vor dem Kriegsdienst gegen Troja zu bewahren (Deidamia-Episode, 13398-17321, hier:14024-14041). Konrads Quelle für diese Episode ist die Achilleis <strong>des</strong> Statius. Der Delf<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> dieser Episode nurwun<strong>der</strong>bares Transport- und Reittier (auch wenn er damit <strong>in</strong>direkt Leben retten darf). Für den erwachenden

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!