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E1-I1-Parco Ticino

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E1-Italien (1) - Parco Ticino



EIN REISEBUCH VON

Michael-wandert


E1-Italien-1

Auf dem E1 durch die Lombardei:

Campo dei Fiori und Parco Ticino

E1-Tag 140-146

DATUM

3. März – 11. März 2020

GESAMMELTE FLAGGEN

31

2

9

142

143

Footprints

Länder

Tage

Fotos

Kilometer



Auf dem Fernwanderweg E1 durch Italien

16. Januar 2020 in Italien

Auf der südlichen Seite des Luganer Sees startet der italienische Abschnitt des E1 in Porto-Ceresio. Erst geht es

durch die südlichen Ausläufer der Alpen, dann am Ticinio durch die Poebene, später über die Höhen des Appenin.

Man durchwandert die Regionen Lombardei, Piemont, Ligurien, Emilia-Romana, Toskana und Umbrien. Nach ca.

1.000 Kilometern endet der offizielle E1 bisher in Castelluccio di Norcia, soll aber um weitere 1.000 km verlängert

werden, so dass der Weg tatsächlich einmal in Sizilien enden wird. Bisher jedoch sind erst Teilabschnitte fertig

gestellt (siehe Karte). Oh mio dio!

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN

16 Uhr ⛅ 6 °C 281 m


E1-I-Tour 1: Lago di Lugano -> Genova

16. Januar 2020 in Italien

So sollte die Tour werden:

Von Porto-Ceresio am Luganer See geht es drei Etappen durch den regionalen Naturpark 'Campo dei Fiori', bis in

Sesto Calende der südliche Zipfel des Lago Maggiore erreicht ist. Daran anschließend geleitet der 'Parco Ticino'

den E1 vier Etappen lang durch die Po-Ebene. Es geht westlich an der Metropolregion Mailands vorbei. 'Am siebten

Tag sollst Du ruhn', das werde ich wohl in Pavia tun. Die vermutlich sehenswerte Stadt liegt etwas abseits der E1-

Route. Ein Zug wird mich weiter durch die südliche Po-Ebene bringen, die für mich als Wanderer vermutlich wenig

Interessantes zu bieten hat. Ab Tortona geht es zu Fuß weiter. Nach drei weiteren Etappen wird das Mittelmeer zu

sehen sein. Der E1 folgt weiter dem Ligurischen Höhenweg durch das Ligurische Apennin Richtung Südosten. Für

mich allerdings soll diese Tour dort enden, wo der E1 einst seinen südlichen Terminus fand - in Genua am

Ligurischen Meer.

Zeit Sonnig Höhe über NN

16 Uhr ☼ 8 °C 278 m


Tag

1

Reisen zu Zeiten Coronas (1)

3. März 2020 in Deutschland

Eigentlich hätte ich jetzt am Airoporto Malpensa bei Mailand landen sollen, stattdessen sitze ich noch im Flughafen

Hamburg und warte auf meine Verbindung nach Düsseldorf. Was ist passiert? Mein Direktflug nach Mailand wurde

gestern Abend annulliert. Nachdem ich nun eine Woche lang die Auswirkungen der Corona Epidemie

beobachtete, von der ausgerechnet die Region, in die ich heute fliegen werde, besonders betroffen ist, rechnete

ich mit Problemen. Dass diese ausgerechnet heute - direkt vor Reisebeginn - eintreten, damit rechnete ich nicht

mehr. Der Flugausfall scheint mir allerdings eher der allgemeinen Hysterie geschuldet zu sein. Airlines streichen

Flüge aufgrund zahlreicher Stornierungen von uns Flugpassagieren. Meinen Flug konnte ich glücklicherweise auf

einen anderen umbuchen. ich brauche jetzt nur länger zum Ziel. Der erste Wandertag ist damit weitgehend

gestrichen. Ich kann zufrieden sein, wenn ich meine vorgebuchte Unterkunft vor Sonnenuntergang noch erreiche...

Zeit Regen Höhe über NN

8 Uhr 5 °C 33 m


Tag

1

Reisen zu Zeiten Coronas (2)

3. März 2020 in Deutschland

Gelandet auf dem Düsseldorfer Flughafen. Mehr als zwei Stunden Gelegenheit für Airport-Shopping oder für

Kaffee in einem der überzogen teuren Coffeeshops. Mal sehen. Das Wichtigste jedoch ist, dass der Flug nach

Mailand, mitten hinein ins Corona-Land, auch wirklich statt finden wird. Momentan sieht es so aus, denn viele

Leute warten bereits am Gate und warten wie ich auf den Weiterflug.

Zeit Sonnig Höhe über NN

11 Uhr ☼ 6 °C 46 m


Tag

1

Reisen zu Zeiten Coronas (3)

3. März 2020 in Italien

Pünktlich angekommen in Malpensa Aeroporto. Ganze 25 Passagiere saßen in der Maschine, die wohl 150 Personen

fassen könnte. Milano ist zur Zeit kein begehrtes Flugziel.

Der Flug selbst entschädigte jedoch für die lange und verspätete Anreise. Die Sonne schien warm durch das

Kabinenfenster, weckte so richtig die Wanderlust in mir. Wir flogen über schneebedeckte Alpengipfel, zum Greifen

nah, über den Lago Maggiore, entlang des Ticinio, über den Flughafen hinaus in einer Schleife zurück zur

Landebahn. So konnte ich aus der Vogelperspektive in Augenschein nehmen, was mich die nächsten Tage

erwarten wird.

Gerade stehe ich am Binario 2 und warte auf die S50, die mich nach Varese bringen wird. Dort soll die Wanderung

losgehen.

Zeit Sonnig Höhe über NN

15 Uhr ☼ 13 °C 211 m




Tag

1

Tourstart in Varese

3. März 2020 in Italien

Die Regionalbahn S50 ist fast menschenleer. Pünktlich um 17 Uhr kommt sie in Varese an. Ich habe es trotz Corona-

Epidemie fast ins Herz des derzeitigen europäischen Virenherdes geschafft. Wer weiß, wie die Lage sein wird,

wenn ich zurück möchte. Zu gerne hätte ich meine Tour in Porto Ceresio gestartet, doch nun geht es von Varese

nach Brinzio hinauf, wo ich morgen auf den E1 stoßen werde.

Zeit Sonnig Höhe über NN

17 Uhr ☼ 7 °C 395 m


Tag

1

Varese->Brinzio

3. März 2020 in Italien

E1-Tag 140 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160134971/zoom

Die Straße, die ich nehme, führt aus dem Ort, dann geht es bergan. Stetig bergauf. Viel Verkehr. Nicht schön.

Endlich - abbiegen in den Wald. Ein toller Hohlweg, begrenzt von alten Mauern auf beiden Seiten. Es dämmert

bereits. Schneller! Der Waldweg kehrt zur Straße zurück. Viel Verkehr. Da - ein ein Bus hält. Ich bin nicht schnell

genug, er fährt ohne mich weiter. Ich nehme einen Seitenweg - eine Sackgasse. Hunde kläffen. Glücklicherweise

ist ein Zaun zwischen uns. Zurück zur Straße. Es wird dunkel, ich hole die Taschenlampe aus dem Rucksack,

schwenke die Lampe den Autoscheinwerfern entgegen, mache auf mich aufmerksam. Viele Autos weichen mir

aus, doch es bleibt gefährlich, hier zu gehen. Noch drei Kilometer. Ein Pfad führt nach von der Straße weg. Den

könnte ich nehmen. Ein Blick auf die Karte klärt: ja, das geht. Im Lichtkegel der Taschenlampe suche ich mir den

Weg durch die Dunkelheit, der weiter bergan führt. Schnee knirscht unter den Stiefeln - offenbar habe ich die

Schneegrenze erreicht. Mir gefällt das Einsinken in den Harsch, auch wenn das Vorankommen immer

beschwerlicher wird.

Es ist schon nach neunzehn Uhr, als ich in der Locanda del Brinsc läute. Die Pensionswirtin wartete voll Ungeduld,

denn ich bin ihr einziger Gast, Schnell sind die Formalitäten erledigt, das Zimmer bezogen. Das Restaurant der

Pension habe geschlossen, schließlich sei noch keine Saison, erklärt sie mir. Doch eine Pizzeria in der Nähe habe

geöffnet. So strecke ich in der Pizzeria 'Il Borgo'' die Beine lang aus und genieße den Abend bei Pizza und Bier.

Hier ist erstaunlich viel los.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN

20 Uhr ⛅ 3 °C 507 m




Tag

2

Locanda del Brinsc

4. März 2020 in Italien

Die Nacht in der Locanda del Brinsc war ruhig, das Frühstück leider farblos. Allerdings gab's Nutella satt

Espressomaschine musste ich erst bedienen lernen, die Einweisung gestern ging zu schnell.

. Die

Zeit Sonnig Höhe über NN Video

8 Uhr ☼ 3 °C 509 m


Tag

2

Im Bergmassiv des Campo dei Fiori

4. März 2020 in Italien

E1 Tag 141 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160198887/zoom

Brinzio verlasse ich bei voller Morgensonne. Es dauert nicht lange und der Weg führt steil bergan. Unter den Füßen

knirscht der Schnee. Hier ist kaum jemand gegangen in letzter Zeit, doch der Weg ist gut markiert. Hoch, höher,

immer höher. 500 Höhenmeter in nur 5 km! Ich bin völlig am Ende, als ich endlich oben bin. Die Bank am ersten

Aussichtspunkt kommt gerade recht. Der Blick auf den Lago di Varese ist grandios. Allein bin hier allerdings nicht.

Auch mit dem Auto kommt man hier herauf und um die wenigen Parkplätze wird gerangelt. Weiter geht's auf einem

gut ausgebauten Höhenweg. Der Schnee ist niedergetrampelt und sehr glatt. Schnell geht's deshalb nicht voran,

ich muss acht geben, um nicht auszurutschen. Mit mir sind zahlreiche Spaziergänger, Jogger und ein paar Biker

unterwegs. Kein Wunder, denn die Aussicht ist malerisch. Unter meinen Stiefeln knirschender Schnee, über mir

azurblauer Himmel, in der Ferne die schneebedeckten Alpen. Eine fantastische Wegstrecke. Dann geht es wieder

abwärts, ich lasse die Schneegrenze hinter mir. Abwärts, immer weiter. Die Oberschenkel brennen längst. Endlich

ist die Stadtgrenze von Gavirate erreicht. Ich suche erst mal ein Café und werde in einer Seitenstraße fündig. Mit

Englisch komme ich hier nicht recht weiter, aber Kaffee versteht man ja überall. Ich rufe das B&B "Le Tre Arti" an,

frage nach, ob ich früher kommen kann. Das geht. Eine halbe Stunde später werde ich freundlich von Daniela

begrüßt, die eine liebevoll eingerichtete Unterkunft führt. Die letzten Sonnenstrahlen kann ich im Wintergarten

genießen und gleich geht es zum Essen.

Zeit Sonnig Höhe über NN

17 Uhr ☼ 9 °C 262 m





Tag

3

Frühstück im Le Tre Arti, Gavirate

5. März 2020 in Italien

Mein schönes Zimmer heißt 'La Dolce Vita'. Das passt ja. Allerdings weckt mich am frühen Morgen ein lärmender

Müllwagen. Die Nacht ist also rum für mich. Ich hole mir erst mal einen Kaffee aus der Nespresso-Maschine, die

gleich nebenan im Wintergarten steht. Beim Gehen merke ich: ich habe Muskelkater in den Waden. Warum nicht

in den Oberschenkeln? Nur gut, dass die heutige Tour vermutlich nicht so anstrengend sein wird.

Daniela hat mir ein schönes Frühstück bereitet. Kaffee aus der French-Press, es gibt Nutella, Croissant, Joghurt,

Saft, ... . Im Le Tre Arti habe ich mich wohl gefühlt. Nun kann der Wandertag beginnen.

Zeit Bewölkt Höhe über NN Video

8 Uhr ☁ 4 °C 265 m



Tag

3

Durch den Steinbruch nach Sesto Calende

5. März 2020 in Italien

E1 Tag 142 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160317155/zoom

Es ist Regen angesagt, doch noch ist nur der Himmel nur grau. Los geht's. Runter zum Lago di Varese, der in trüber

Morgenstimmung liegt. Kurz darauf sehe ich Palmen, die doch nicht über die Kühle hinwegtäuschen können.

Handschuhe, Mütze und Buff sind angesagt, die Regenjacke kann noch im Rucksack bleiben. Nach 4km komme

ich in Biandronno aus der Spur. Vielleicht habe ich eine der E1 Markierung, die bisher ausgezeichnet waren,

übersehen oder die Hunde, die hier überall zähnefletschend die Grundstücke verteidigen, haben mich abgelenkt.

Ich irre umher und kassiere drei Kilometer Umweg. In Villagio Ignes wird's spannend. E1-Wanderer, die vor mir hier

waren, beschreiben auf ihren Blogs, dass man nicht mehr durch den Steinbruch kommen würde, denn der Weg

sei weggesprengt worden. Ich kann berichten, dass man wieder durchkommt. Die neue Route führt nun nördlich

um die Halde herum statt mitten durch und ist perfekt ausgeschildert. Eine Bank mit bester Aussicht gibt es auch.

Dort mache ich Pause, die Hälfte der heutigen Strecke ist somit geschafft. Während ich den Blick schweifen lasse,

beginnt es zu regnen. Ein unschönes Stück auf einer vielbefahrenen Straße folgt, dann zeigt eine Informationstafel,

dass der Parco Ticinio beginnt. 2/3 der heutigen Strecke liegen hinter mir. Weiter geht es durch ausgedehnte

Waldstücke voller Brombeersträucher. Noch kommt man gut durch, doch in einem Monat mag hier alles

zugewuchert sein.

Gegen Ende der Etappe führt der Pfad an einer uralte Mauer entlang, ein letzter Hund bellt hinterm Zaun, dann

erreiche ich Sesto Calende. Das erstbeste Café am Kreise (es ist eine Pasticceria) suche ich auf, bestelle einen

Americano, was hier nichts anderes ist als Espresso mit heißem Wasser extra serviert. Dann schnell zum B&B Coco

Loco, denn nun beginnt es heftig zu regnen. Einchecken, heiß duschen und ab zum Italiener, der nur einen Kreisel

weiter liegt. Da sitze ich nun, habe gerade eine über den Teller ragende Pizza Tonno i Cipolla verdrückt (der Hunger

war groß), dazu eine Flasche Birra Minotta alla Piemontese. Und weil das Lokalbier so lecker ist, bestelle ich jetzt

noch eine Flasche. Denn Kohlenhydrate braucht der Wanderer! Mineralstoffe auch. Und Vitamine.

Zeit Regen Höhe über NN

19 Uhr 5 °C 221 m





Tag

4

Frühstück im Coco Loco

6. März 2020 in Italien

Coco Loco hat irgendwas mit Katzen zu tun. Eine streicht zwischen meinen Beinen herum. Die Nacht war ruhig,

obwohl das B&B direkt an einer Einfallstraße nach Sesto Calende liegt. Als ich zum Frühstück über den Hof gehe,

hängt bleischwer feuchter Nebel über der nahen, sehr belebten Straße. Nun, nach einem guten Frühstück scheint

die Sonne in den Frühstücksraum. Es wird wohl ein sonniger Frühlingstag, so dass das Wandern am Ticinio entlang

zur Wonne werden wird. Bella Italia!

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN Video

8 Uhr ⛅ 4 °C 223 m


Tag

4

Panperduto Damm

6. März 2020 in Italien

E1-Tag 143 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160424279/zoom

Panperduto bedeutet: "Futsch, das Brot" und ist der Name dieses tollen Wehrs. Wer hier mit einem Boot kenterte,

dessen Pan war perdutto (wenn nicht Schlimmeres). Hier beginnt ein gewaltiges Kanalsystems, das offenbar der

Bewässerung der Region dient. (https://it.m.wikipedia.org/wiki/Diga_del_Panperduto). Von meiner Unterkunft in

Sesto Calende bis hierher bin ich bereits zehn Kilometer unterwegs. Aber das ist nicht so erwähnenswert wie das,

was nun folgt.

Zeit Sonnig Höhe über NN

11 Uhr ☼ 7 °C 187 m




Tag

4

Canale Industriale + Villoresi

6. März 2020 in Italien

Mit so etwas Spektakulärem habe ich nicht gerechnet! Kilometerlang geht es an diesen paarallel verlaufenden

Kanälen entlang. Das Wasser, das am Panperduto-Damm vom Ticinio in die zwei Betonbetten abgezweigt wird.

fließt schnell, Es gibt weitere Wehre, die das Wasser in andere Kanäle verteilen. Auch ein kleines Kraftwerk gibt

es. Absolut interessant! Nur schade, das ich immer weiter muss und keine Zeit habe, um mir alles ganz genau

anzuschauen. Zwischendurch führt der E1 auch zum Ticino zurück. Es ist ein imposantes Stück E1, ein absolutes

Highlight! Die Strömung hat mich sozusagen mitgerissen, die 30km bis Turbigo sind nur so verflogen.

Mehr hier: https://it.m.wikipedia.org/wiki/Canale_Industriale

Zeit Sonnig Höhe über NN

15 Uhr ☼ 10 °C 136 m





Tag

4

Pizzeria So

6. März 2020 in Italien

In der Pizzeria So ist nicht viel los. Die meisten Gäste kommen nur schnell herein und nehmen eine Pizza to go mit.

Weil es hier WiFi for free gibt, gibt es das Tourplan-Video schon jetzt, denn in meiner Unterkunft geht das Internet

nicht.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN Video

20 Uhr ⛅ 7 °C 161 m


Tag

5

Colazione in B&B L'Aloe

7. März 2020 in Italien

Als ich meine Unterkunft gestern abend suchte, konnte ich sie erst nicht finden. Ein hoher Zaun umgibt das

Anwesen, das Tor war versperrt. Hier soll ein B&B sein? Ein Anruf bei Francesca klärte mich auf. Das Tor öffnete

sich vollautomatisch, meine Wirtin kam mir entgegen und geleitete mich bis in den dritten Stock in ihr

Appartement. Denn das B&B ist eine zwei Zimmer Wohnung. Nur für mich! Nach einer kurzen Einweisung zog sie

sich zurück; sie wohnt wohl um die Ecke.

Das Frühstück steht fix und fertig auf dem Küchentisch, nur den Kaffee muss ich mit einer italienischen Espresso

Maschine selber machen. Ich sitze am Küchentisch,durch die Scheiben blinzelt die Sonne herein. Es gibt sogar

einen Balkon, doch zum draußen frühstücken ist es noch zu frisch.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN

8 Uhr ⛅ 6 °C 153 m


Tag

5

Naviglio Grande

7. März 2020 in Italien

E1-Tag 144 | https://www.komoot.de/tour/160585039/zoom

Die ersten acht Kilometer führen am Naviglio Grande entlang, einem weiteren Kanal in diesem verzweigten

Bewässerungssystem. Zur Zeit führt er wegen Baggerarbeiten aber kein Wasser. Ich habe bei Wikipedia mal

geschnüffelt und stieß auf Folgendes: der Kanal wurde schon vor 800 Jahren erbaut. Er verbindet Mailand mit dem

Lago Maggiore. Also muss ich schon gestern an ihm entlang geschlendert sein. Das Kanal war sogar schiffbar. In

den 60'ger Jahren wurde der Transport eingestellt. Ein Radweg führt heutzutage den Kanal entlang. Er wird nicht

nur von mir genutzt, sondern auch von zahlreichen Radlern. Das Wetter ist ja auch prächtig. In Rubine verlässt der

E1 nun den Kanal.

Zeit Sonnig Höhe über NN

11 Uhr ☼ 12 °C 129 m





Tag

5

Schnitzeljagd

7. März 2020 in Italien

Es geht runter zum Ticinio. Aber erst einmal ist die Wegmarke weg, ich gehe zu weit. Also einen Bogen um ein

Feld gemacht, dann bin ich wieder auf Spur. Kurz darauf stehe ich am Ticinio. Für einen Kilometer geht's direkt am

reißenden Strom entlang, dann unter der A4 hindurch. Auch hier keine Wegmarke, mein Weg führt mich direkt in

die Brombeeren. Also zurück, bei Brombeerdornen hört der Spaß auf. Ich finde einen anderen Weg, ebenfalls ohne

Markierungen. Die finde ich erst ein Stück weiter, wo man sie eigentlich nicht braucht. Es ist wie auf einer

Schnitzeljagd. Hin und wieder wird aufgezeigt: ja, hier bist Du auf dem richtigen Weg. Dann zeigt eine andere

Marke an einer weiteren Weggabelung nach links, ich folge ihr. Ist irgendwie komisch. Und stimmt auch nicht.

Wieder zurück, dem eigenen Plan folgen. Es erscheinen E1-Marken dort, wo sie nichts nützen. so richtig verlassen

kann man sich auf sie heute nicht. Doch der Weg am Ticinio entlang ist schon toll. Reckt man etwas den Hals,

kann man im Norden noch die schneebedeckten Alpen ausmachen. Ein grandioses Panorama! Kurz vor dem Ziel

weist eine E1-Marke noch einmal in die falsche Richtung - ich merke es erst, nachdem ich wieder falsch abgebogen

bin. Merkwürdig nur, dass ein paar hundert Meter weiter eine Marke in die richtige Richtung weist. Die spinnen,

die Römer! Hätte ich die Route nicht auf dem Mobile gespeichert, würde ich sicherlich immer noch draußen herum

irren. So aber entspanne ich mich seit 16 Uhr in der Barcella Al Molino kurz vor Casterno. Beatrice, die mich an der

Rezeption empfängt, spricht so viel Englisch wie ich Italienisch. Aber wofür gibt's Google Translater? Gleich ist

die Verständigung flüssiger. Ich frage sie, wo ich essen gehen kann, denn die heutige Unterkunft liegt außerhalb.

800m zurück gibt es das Restaurant La Barcella, ich bin da schon vorbei gekommen. Feine Küche, nix Pizzeria.

Beatrice reserviert mir für 20 Uhr einen Tisch. Vorher sei nicht geöffnet. Eine Taschenlampe wird nötig sein, um

hin- und zurück zu finden, meint Beatrice. Ich bin gespannt und werde es mir munden lassen. Ich hab aber auch

einen Hungerast!

Zeit Sonnig Höhe über NN

18 Uhr ☼ 12 °C 100 m





Tag

5

La Barcella

7. März 2020 in Italien

Das Restaurant 'La Barcella' bedeutet 'Das Boot' und meine Unterkunft 'La Barcella al Mulino' ist 'Das Boot zur

Mühle'. Beides gehört zusammen und einem Eigentümer, den ich im Restaurant kennen lerne. Als ich komme, bin

ich der erste Gast, werde sogar auf Deutsch empfangen. Ich nehme das Menü zu 35€, bestehend aus Amuse-

Gueule, Vor-, Zwischen- und Hauptgang, Dessert, Espresso, Grappa, 1/2 Flasche Rotwein und Wasser. Es mundet

vorzüglich und das nicht nur, weil ich Hunger habe. Zwei Stunden später breche ich zufrieden, das Restaurant ist

mittlerweile gerammelt voll. Als mir der Proprietario zum Abschied eine Flasche Wein mitgeben möchte, die ich

Gewichtsgründen aber ablehnen muss, frage ich ihn, wie es möglich sei, dass sein Restaurant angesichts der

ungewissen Corona-Zeiten und der Tatsache, dem Krisengebiet doch nahe zu sein, so gut besucht sei. "It's

Saturday", meint er nur. Naja, hier scheint die Welt an diesem Tag noch im Lot zu sein.

Zeit Klare Nacht Höhe über NN

21 Uhr



Tag

6

Prima Calazione nel La Molina

8. März 2020 in Italien

Zum Frühstück habe ich noch keinen rechten Hunger, das überreichliche Abendessen liegt mir noch im Magen.

Dabei sind ausreichend Kalorien zum Verbrennen doch wichtig, wenn Michael wandert. Vor allem, wenn es

unterwegs kaum eine Einkehr geben wird. So wie vermutlich heute. Eine erste Chance wird es vermutlich erst nach

24km in Besate geben. Bis zum Etappenziel ist es dann auch nicht mehr weit. Doch vielleicht ergibt sich ja unterwegs

an einer Agricoltura eine Gelegenheit. Ich lasse mir heißes Wasser in meinen Thermosbecher füllen lassen für den

Kaffee unterwegs und nehme mir etwas Zwieback vom Buffet. Das hat sich in den letzten Tagen für die Pause

zwischendurch bestens bewährt.

Zeit Sonnig Höhe über NN Video

8 Uhr ☼ 4 °C 103 m



Tag

6

Pause am Canale Scolmatore di NordOvest

8. März 2020 in Italien

E1-Tag 145 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160863128/zoom

Als ich starte, liegt noch Reif auf den Feldern. Der E1 mäandert von Hof zu Hof, dazwischen Wiesen und Felder.

Alte E1-Wegmarkierungen weisen mir den Weg, doch sie stehen nicht immer da, wo man sie braucht. Meist auf

der Geraden, selten an Weggabelungen. Nach sechs Kilometern stoße ich auf den Ticinio, wo der Canale

Scolmatore di NordOvest in den Fluss mündet. Hier ist DIE Gelegenheit für eine ausgiebige Pause im Sitzen. Endlich

einmal gibt es Bänke und Tische in ausreichender Zahl. Dazu einen schönen Blick über den breiten Fluss. In der

Sonne zu sitzen, über den Strom zu schauen, einen heißen Kaffee zu genießen - einfach herrlich. Doch den Platz

habe ich nicht für mich alleine. Acht Biker nutzen die Gelegenheit ebenfalls für eine Rast.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN

10 Uhr ⛅ 8 °C 101 m





Tag

6

pausa caffè nella cascina caremma

8. März 2020 in Italien

Nach der Pause geht es ein kurzes Stück am Canale Scolmatore di NordOvest entlang, anschließend führt der

Weg mich weiter kreuz und quer durch die Lande, vorbei an Bauernhöfen (casina), die bissig von Hunden verteidigt

werden. Manche sind im Zwinger, manche hinterm Zaun, ein paar laufen mir bellend und Zähne fletschend

entgegen, während ich mich den Höfen nähere. Dabei haben einige Hunde wohl mehr Angst vor mir als umgekehrt,

doch ein paar Mal trete ich lieber den Rückzug an, als sich die großen Hund nähern. Lieber mache ich auf dem

Acker einen weiten Bogen um das Gehöft als gebissen zu werden. Sicher ist sicher. Die Wanderlust weicht mit

jedem Kilometer etwas mehr, denn die Stecke erweist sich heute als eintönig. Dafür wird das Wetter immer schöner.

Ich sehne Besate herbei, hoffe, dort ein Café zu finden. Es kommt besser! Kurz vor Besate gibt es in der 'Cascina

Caremma' ein schönes Café. Ich lasse mich auf eine Pause nieder, genieße Schoko-Tart und zwei Cafè Americano.

Es war nötig.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN

14 Uhr ⛅ 13 °C 91 m





Tag

6

Plötzlich in der Zona Rossa

8. März 2020 in Italien

"Welcome to the Red Zone". So werde ich in gutem Englisch vom Proprietario der 'Casina Caiella' begrüßt. Meine

ihm zur Begrüßung entgegen gestreckte Hand möchte er nicht schütteln, weicht stattdessen noch einen Schritt

zurück. Ich sei sein letzter Gast für die nächsten Wochen, meint er, alle anderen Gäste hätten kurzfristig storniert.

Oh, tatsächlich? Also, wenn man wandert, kriegt man vom kurzfristigen Tagesgeschehen ja nicht alles mit. Das

will ich ja auch gar nicht. Heute Nachmittag bei der Kaffeepause in der Cascina war die Welt doch auch noch tutto

bene. Was ist denn passiert?

Meine Herberge liegt zwischen Motta Visconti und Casorate Primo auf dem platten Land, In der Herberge

bekomme ich nichts zu essen. Also muss ich noch mal raus. Ich gehe nach Casorate Primo, weil eine schöne Pizzaria

gleich am Ortseingang liegen soll. Doch die hat geschlossen, obwohl sie laut Google Maps geöffnet haben sollte.

Auch im Ort sind alle Restaurants zu. Die Pizzeria am Markt ebenso wie die um die Ecke. Alles hat zu, die Läden

sind verrammelt. Vereinzelt begegnen mir Menschen, andere stehen in Grüppchen beisammen und tuscheln.

Doch auf meine Fragen, was hier los sei, bekomme ich keine befriedigende Antwort. Offenbar spricht man kein

Englisch. Die Pizzeria "Mar Rosso", eher schon eine Döner Bude, ist offen, nimmt meine Bestellungen durch die

halb herunter gelassene Jalousie noch entgegen. Ich bestelle eilig eine Pizza Tonno zum Mitnehmen. "Besser

einfach, als gar nichts", denke ich, während mein Herz sich immer weiter zusammen zieht. Da kommt ein älterer

Herr in eigenartiger Uniform um die Ecke, ermahnt den Pizzabäcker mit italienischen Worten, die für mein Ohr sehr

scharf klingen, der daraufhin nervös und hektisch wird. Schnell reicht er mir eine Pappschachtel mit meiner Pizza.

Andere Wartende kriegen ihre Pizzen auch noch. Dann - rums - ist die Jalousie unten. Nun ist alles dicht in diesem

kleinen Ort. Meine Beklemmung wächst weiter. In Gedanken versunken gehe ich mit meiner Pappschachtel in der

Hand zurück zur Unterkunft. Was geschieht hier gerade? In meiner Unterkunft verdrückte ich die kalt gewordene

Pizza, rufe zu Hause an und frage meine Frau Britta, was sie Neues aus Italien weiß. In solchen Momenten ist es

überaus tröstlich, eine vertraute Stimme zu hören. So erfahre ich, was gerade los ist: Italien hat seinen Norden

abgesperrt, das Herz seiner Wirtschaft verschlossen. Die gesamte Lombardei und auch andere Regionen gehören

ab heute bis mindestens 2. April in eine Sicherheitszone, die nicht mehr ohne gewichtigen Grund betreten oder

verlassen werden darf. Eine Sperrzone für 16 Millionen Menschen ist entstanden.

Und ich bin mitten drin.

Zeit Bewölkt Höhe über NN

20 Uhr ☁ 9 °C 95 m



Tag

7

Casina Caiella

9. März 2020 in Italien

Trotz allem habe ich gut geschlafen. Der Morgen ist trist, das Frühstück einfach, doch der Kaffee wie immer perfetto.

Im Frühstücksraum steht nur ein Tisch. Es sollte ganz anders sein, denn für heute waren hundert Tagesgäste für

eine Veranstaltung angemeldet. Doch es wird niemand kommen, denn alle Gäste haben storniert. So erzählt mir

mein padre dell'ostello, während ich mich am Frühstücksbuffet bediene, dass er nur für mich hingestellt hat. Er

erzählt auch, dass er gerade nicht so recht weiß, wie es weiter gehen wird. Seine Stornorate liegt bei 100%, doch

die Kosten laufen ja weiter. Das Haus, in dem ich übernachtet habe, sei gerade erst zur Saison fertig geworden.

Puh! Dagegen sind meine Probleme ganz Kleine. Nun, ich werde einfach mal weiter gehen (s. Video) und heute

Abend sondieren.

Zeit Teils bewölkt Höhe über NN Video

8 Uhr ⛅ 5 °C 96 m



Tag

7

Ponte Barche

9. März 2020 in Italien

E1-Tag 146 | Karte: https://www.komoot.de/tour/160972343/zoom

Um 9 Uhr geht's los. Es regnet, mein Handy-GPS kommt nicht in Gang. Irgendwie ist heute alles anders als die

Tage zuvor. Nun, das wird schon, rede ich mir ein. Weiter geht es durch Felder und Wiesen, von Hof zu Hof. Die

Hunde fehlen heute, vielleicht mögen sie keinen Regen . Nach ein paar Kilometer bin ich wieder am Ticino. Hier

wird es landschaftlich schön, richtig urwaldähnlich bisweilen. Der Boden ist weich, aber trittfest. Das Wetter wird

besser, der Regen hört auf. Nach 8km kommt das erste Highlights des Tages in Sicht. Auf die Ponte Barche freute

ich mich schon lange. Auf einer Pontonbrücke gelangt man über den Ticino. Die meisten Pontons sind im weißen

Kiesbett trocken gefallen, nur wenige schwimmen im Wasser. Wo ist denn nur der reißende Ticino geblieben?

Hier ist er schmal und zahm. Die Brücke ist ein Kuriosum.

Zeit Regen Höhe über NN

11 Uhr 7 °C 72 m




Tag

7

Dopo Pavia

9. März 2020 in Italien

Noch sind es zwanzig Kilometer bis nach Pavia. Die heutige Strecke hält noch zwei weitere Highlights bereit:

Numerio Uno : schon mal Störche in Bäumen nisten gesehen? Nein? Ich heute. Bei der Cascina Arpassanta hocken

sie zu Dutzenden auf ihren Nestern in den Wipfeln und klappern mit den Schnäbel um die Wette. Lediglich eine

Bank fehlt mir, um sie in Ruhe zu betrachten, der Glücksmoment wäre vollkommen gewesen. So aber muss ich

den Apfelkuchen, den ich heute morgen einstecken durfte, im Stehen essen, während ich die halsbrecherischen

Landeanflüge der Störche auf ihre Nester zwischen den Ästen mit meinem Minifernglas verfolge. Von dieser

Überraschung beschwingt laufe ich weiter.

Nummero Due: Ein verschlossenes Tor am Ende einer kleinen Brücke, die über einen Kanal führt, stoppt jäh meinen

Vorwärtsdrang. Äh, so, ja - und nun? Wo war eigentlich die letzte Wegmarke? Habe ich eine Abzweigung

übersehen? Nein, sie zeigte hierher, wenn ich mich recht erinnere. Doch wenn es eine Wegführung braucht, ist

die E1 Markierung in diesem Land oft weg. Das ist auch hier wieder so. Doch der Weg muss über diese Brücke

gehen. Das sagt jedenfalls meine geplante Streckenführung im Handy. Es gibt auch gar keine Alternative im

Umkreis von 5km, um über diesen breiten Graben zu kommen. Was also tun? Am Wegesrand nahe der Brücke

steht ein kleines Hexenhaus, aus dem Schornstein steigt Rauch auf. Ich frage mich, ob die Hexe zu Hause ist., klopfe

zaghaft an die Tür. Nichts. Ich klopfe lauter. Die Tür öffnet sich einen Spalt. "Cosa?", klingt es heraus, es klingt nicht

unfreundlich. Ich versuch es gleich auf Englisch, wie ich nach Pavia komme. "Through the gate", erwidert eine

männliche Stimme in verständlichem Englisch. Die Tür geht ganz auf, ein Mann tritt heraus. Da sei doch ein Loch

zum Durchschlüpfen, meint er. "Und das Schild 'Durchgang verboten' und das Kamerasymbol?", erwidere ich. Das

gelte nicht für Fußgänger, wird mir erwidert. Ach so! Ich bin erleichtert, den Weg durch's Tor nehmen zu dürfen.

Gerade will ich durch den Spalt schlüpfen, da öffnet sich wie von Geisterhand das Tor. Der Mann ist schon wieder

im Haus verschwunden. Er hat wohl einen Knopf gedrückt. Ohne weitere Überraschungen geht es weiter, vorbei

an den drei Brücken, die vor Pavia liegen. Die letzte, die Ponte Coperto, ist mit Abstand die Schönste.

Zeit Bewölkt Höhe über NN

16 Uhr ☁ 10 °C 63 m





Tag

7

Ponte Coperto

9. März 2020 in Italien

In der Nähe der Ponte Coperto liegt mein Appartement, das ich schon vor Wochen für die kommenden zwei

Nächte reserviert habe. Der Plan war, in Pavia einen Pausentag einzulegen. Der Schlüssel zum Appartement ist in

einem Kasten hinterlegt, zu dem ich nun per SMS einen Code erhalte. So komme ich herein, das Appartement ist

kuschelig. Hier kann ich es eine Weile aushalten. Nach kurzen Rast geht es über die Ponte Coperto auf die anderen

Uferseite. Ich habe Hunger, der Sinn steht mir nach einer großen Pizza. Doch ich kriege schnell mit, dass die

Restaurants und Cafés heute spätestens um 18 Uhr schließen werden. Viele sind bereits jetzt geschlossen. Das

wird eng, ich muss mich eilen, sonst bekomme ich nichts zu essen. Irgendwie wirkt es beklemmend, was gerade

um mich herum geschieht. Es geschieht so plötzlich. In dem Café, in dem ich mich in der Nähe des Doms

niederlasse, bedient man mich sehr freundlich. Eilig bestelle ich ein Nudelgericht, dazu ein großes Bier. Details

von dem, was gerade geschieht, kann ich der Bedienung kaum entlocken, denn sie spricht kein Englisch. Ich habe

noch ganz zu Ende gegessen, da fährt ein Polizeiwagen über den Platz, löst geschäftige Hektik aus. Eilig werden

Tischdecken abgedeckt, hastig Tische und Stühle zusammengestellt. In Windeseile ist der Platz menschenleer.

Es ist wie zur Sperrstunde. Vereinzelt huschen Menschen über den Platz, verschwinden in den Seitenstraßen. Viele

tragen vor Mund und Nase einen Mundschutz. Der ungewohnte Anblick ängstig mich. Was passiert hier gerade?

Corona ist noch da, ich habe die wachsende Gefahr während des Wanderns nur verdrängt. Nachdenklich eile auch

ich zurück, überquere die Ponte Coperto ein zweites Mal, bin froh, die Tür meines kleinen Appartements hinter

mir schließen zu können. Die Gefahr ist draußen und ich nun In Sicherheit - für den Moment.

Zeit Bewölkt Höhe über NN

18 Uhr ☁ 9 °C 47 m



Tag

8

Relax & take a break in der Via Milazzo

10. März 2020 in Italien

Mein kleines Appartement heißt "Twenty Seven". Es heißt so, weil es in der "Via Milazzo 27" am Ticino nahe der

Ponte Coperto liegt. Bevor ich die Sehenswürdigkeiten der Altstadt besichtige, gönne ich mir ein Frühstück im

Appartement. Es sieht aus wie so oft in Italien: Kaffee (Espresso oder Caffè Americano), dazu Milch, Orangensaft,

süßes Croissants, Marmelade, Nutella, Joghurt, Zwieback. Lecker ist meist nur der Kaffee, süß der Rest. Doch

nahrhaft muss das Ganze schon sein, denn ich bin stets ganz gut ohne Hunger durch den Tag gekommen. Über

dem Eßtisch prangt der Spruch, den ich heute beherzigen will: "relax & take a break". Ich muss nun in Ruhe überlegen,

was zu tun ist. Die Lage in Italien scheint ernster zu werden. Weiter oder zurück - das ist meine Kardinalfrage

geworden.

Zeit Bewölkt Höhe über NN

9 Uhr ☁ 7 °C 55 m



Tag

8

Passeggia per Pavia

10. März 2020 in Italien

Meinen Pausentag will ich genießen, so weit es noch geht. Pause vom Wandern. In Bewegung bin ich trotzdem.

Wie geplant schaue ich mir die Altstadt von Pavia an. Einfach ist es nicht, den Gedanken an Corona beiseite zu

schieben. Dauernd begegne ich vermummten Gestalten, denen ich reflexhaft ausweiche. Wie viel ist notwendig,

wie viel dient der eigenen Angst? Die Krone schießt eine "Dame" ab, die sich weitmöglichst von mir entfernt auf

die andere Seite des Restaurants gesetzt hat, in dem ich gerade einen Salat bestellt habe. Im Schlepptau ein Mann,

vermutlich "ihr" Mann. Während sie sich einen Schal vor Mund und Nase hält, redet sie ununterbrochen auf ihn

ein, während ervöllig entspannt in eine Zeitung vertieft ist. Selbstredend, dass sie der Schal beim Reden stört und

ständig verrutscht. Sie fingert unentwegt an Mund und Nase herum und macht damit alles falsch. Während ich

diese Szene beobachte, kann ich nicht mehr entspannt essen. Diese Frau wird für mich zum Sinnbild der Corona.

Bald darauf schlendere ich wieder durch die schmalen Gassen, bewundere die alten Gebäude und Kirchen (nur

von außen, sie sind alle verschlossen) und vergesse Corona. Dann stehe ich wieder auf dem Domplatz, der

menschenleer ist und mir wird die Gefahr, die hier herrschen soll, erneut bewusst. Mein Gemüt trübt ein und das

ist schade, scheint die Sonne doch prächtig und es ist frühlingshaft warm. Eigentlich beste Voraussetzungen für

piazzas voll praller Lebenslust. Doch nix ist mit 'dolce vita ai tempi di Corona'. Um 15 Uhr reicht es mir mit dem

Stadtbummel. Ich kehre heim in mein kleines Appartement - zurück in eine scheinbare Sicherheit.

Zeit Bewölkt Höhe über NN

14 Uhr ☁ 15 °C 87 m






Tag

9

Ciao Italia

11. März 2020 in Italien

Es ist mir schon beim Aufwachen klar: Torno al Germania - zurück nach Hause!

Die Bedenken, vermischt mit aufkeimender Furcht, sind zu groß geworden, um das Wandern in Italien ungetrübt

genießen zu können. Der Entschluss ist gefasst. Also schnell gefrühstückt, Sachen gepackt und ab zum Bahnhof.

Der ist menschenleer, aber die Züge fahren noch. Eine Regionalbahn bringt mich in 40 Minuten nach Milano. Im

prächtigen Zentralbahnhof ist wenig los, offenbar haben die Appelle, zu Hause zu bleiben, gefruchtet. Wer die

Station verlassen will, muss durch eine Kontrolle. Da ich nur umsteige, bleibe ich unbehelligt. Doch als ich ein Foto

eines Wachpostens an der Kontrollstation mache, werde ich angeraunzt. Man gibt mir zu verstehen: das Foto muss

ich löschen - subito . Der Zug nach Basel steht in der Sonne bereit. Ich steige in einen fast menschenleeren Zug,

der aber nicht fährt, denn es gibt technische Probleme. Mit dreißig Minuten Verspätung geht es schließlich doch

weiter. In Chiasso halten wir. Es ist die Grenze zur Schweiz. Die Passkontrolle fällt flüchtig aus. Nun bin ich in der

Schweiz - jenseits der italienischen Grenze und raus aus der Zona Rossa. Jedenfalls vorläufig. Wer weiß denn

schon, wie groß die Krone in den folgenden Tagen und Wochen noch werden wird. Ich denke, sie wird uns in ein

paar Tagen auch in Deutschland erreichen.

Zeit Sonnig Höhe über NN

11 Uhr ☼ 14 °C 269 m




Epilog

12. März 2020 in Italien

Die Planung sah vor, vom Lago di Lugano hinunter zum Mittelmeer zu wandern, Doch es ging anders. Bereits in

Pavia fand die Tour nach sieben Tagen und einhundertsiebzig Kilometern ihr vorzeitiges Ende. Eine bedrohlich

wachsende Pandemie bemächtigte sich innerhalb von zwei Tagen meines Bewusstsein und Unbewusstseins und

ließ mich das Weiterwandern unverantwortlich werden. Angst vor dem, was vielleicht kommen würde, geboten

meine vorzeitige Rückkehr. Auch der der Schock, zu sehen, wie plötzlich sich vermummte Menschen misstrauisch

beäugend aus dem Weg gingen. Mit zu erleben, wie schnell das berühmte italienischen 'dolce Vita' starb, ließ

mich gruseln. Eine Apokalypse, die uns in Deutschland in ein paar Tagen vielleicht ebenfalls ereilen würde. Nein,

weiter wollte ich nicht. Was ich auf dieser Wandertour bis dahin aber erleben durfte, war überaus positiv. Hatte

ich mit einer eher eintönigen Verbindungsstrecke durch die Po-Ebene gerechnet, wurde ich während der

Wanderung von der Streckenführung Tag für Tag aufs Neue überrascht. War es der schmale, steile Pfad das

Bergmassiv "Campo dei Fiori" hinauf, der schneegepuderte Höhenweg mit spektakulären Blicken über die Po-

Ebene hinweg bis hin zu verschneiten Alpengipfeln. Waren es die vielen Kilometer am Ticino und die verzweigten

Kanäle entlang oder die Feldwege, die von Hof zu Hof an Feld- und Wiesenrändern vorbei mäanderten. Nicht zu

vergessen die Pensionen, die abends ein weiches Bett und und morgens ein stärkendes Frühstück für mich bereits

hielten. Geschenkt, dass die E1-Wegmarkierungen hin und wieder in die Irre führten.

In Conclusio: eine lohnenswerte Tour, die leider unter den negativen Einfluss einer kollektiven Bedrohung geriet.

Im Nachhinein betrachtet war der Schlusspunkt für die Wanderung sogar schlüssig, denn Pavia liegt am südlichen

Ende des Naturparks "Parco del Ticino". Hier endet ein Abschnitt, etwas Neues beginnt. Ich wusste nicht so recht,

wie ich von Pavia weiterkommen wollte. Eine Zugfahrt war als Nächstes geplant, erst ab Tortona sollte es zu Fuß

weiter gehen. Doch so recht glücklich war ich mit diesen Plan nicht. Nun gibt mir Corona die Gelegenheit, meine

Planung noch einmal zu überdenken. So hat alles sein Gutes.

Zeit Klare Nacht Höhe über NN

21 Uhr






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