klang der kulturen-kultut des klanges - ars antiqua austria
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Tod <strong>des</strong> Hofkapellmeisters Giovanni Felice Sances vertraute er ihm im Oktober 1679 <strong>des</strong>sen Amt<br />
an, als erstem Österreicher nach einer Reihe von Italienern. Doch zu dieser Zeit wütete die Pest in<br />
Wien, und <strong>der</strong> Kaiser verlegte seine Residenz vorübergehend nach Prag. Der Hofstaat mit<br />
Schmelzer folgte ihm natürlich, doch auch die Seuche. Der Hofkapellmeister erlag ihr im März<br />
1680; er hatte also das höchste musikalische Amt nur knapp fünf Monate ausüben können.<br />
Schmelzers Schaffen umfasst deutsche, lateinische und italienische, geistliche und weltliche<br />
Vokalmusik und eine große Anzahl von Sonaten und Ballettsuiten, die vor allem zu Opern und<br />
an<strong>der</strong>en Dramen entstanden und die verschiedensten Typen charakterisierten, so z. B. Alchimisten,<br />
Nymphen, Musen, Musketiere, Jäger o<strong>der</strong> Narren. Für ein nicht erhaltenes spanisches Sprechstück,<br />
das <strong>der</strong> Botschafter Spaniens im Fasching 1671 in <strong>der</strong> Ritterstube <strong>der</strong> Wiener Hofburg veranstaltete,<br />
hat Schmelzer das Ballett <strong>der</strong> Zigeuner geschrieben. Diese waren als fahren<strong>des</strong> Volk schon seit<br />
langem in Mitteleuropa verbreitet, beson<strong>der</strong>s im Königreich Ungarn, aber auch in Spanien, was<br />
hier vielleicht eine Verbindung <strong>des</strong> Balletts zur Handlung <strong>des</strong> Dramas ergab. Eine Nachahmung <strong>der</strong><br />
Zigeunermusik hat Schmelzer in den drei Tänzen offenbar nicht angestrebt, und Ciaconna<br />
bezeichnet hier nur den Tanzcharakter, nicht ein Ostinato-Bassmodell. Das Narrenballett („Matti“)<br />
war eines <strong>der</strong> drei nach den Akten von Antonio Draghis Oper L’Avidità di Mida getanzten, die am<br />
8. Februar, dem Faschingsonntag 1671, ebenfalls in <strong>der</strong> Ritterstube aufgeführt wurde. Hier lässt<br />
sich <strong>der</strong> närrische Charakter <strong>der</strong> dargestellten Figuren an <strong>der</strong> sprunghaften Bewegung <strong>der</strong> ersten<br />
„Aria“, an <strong>der</strong> raschen Abwechslung <strong>der</strong> Tanztypen in <strong>der</strong> zweiten und in <strong>der</strong> abrupten<br />
Dreitaktigkeit <strong>der</strong> Teile <strong>der</strong> extrem kurzen dritten erkennen.<br />
Pál Esterházy wurde 1635 in Eisenstadt geboren und war seit seinem zehnten Lebensjahr verwaist<br />
– das ist aber neben dem fast gleichen Alter auch die einzige Parallele zur Biographie von Speer.<br />
Nach einem Jahr bei den Jesuiten in Graz wechselte er in <strong>der</strong>en Kollegium im slowakischen Tyrnau<br />
(heute Trnava), wo er fast zehn Jahre lang studierte. Während dieser Zeit, im Jahr 1647, führte er in<br />
Pressburg einen Wallachen- und einen Heiduckentanz vor dem Kaiserpaar auf (vgl. Speers<br />
Nationaltänze!). Er entschied sich als politisch weitblicken<strong>der</strong> Katholik in <strong>der</strong> Folgezeit für einen<br />
kaisertreuen Kurs und kämpfte erfolgreich gegen den aufständischen protestantischen Adel in<br />
Nordungarn, <strong>des</strong>sen Güter er dafür kassierte. 1681 erhielt er von Kaiser Leopold I. den Titel <strong>des</strong><br />
Palatins, d. h. <strong>des</strong> Stellvertreters <strong>des</strong> Königs von Ungarn. 1688 erhob ihn <strong>der</strong> Kaiser in den<br />
erblichen Reichsfürstenstand. Er konnte zwar politisch nicht beson<strong>der</strong>s erfolgreich agieren,<br />
erweiterte aber 1706 seine Hofmusik beträchtlich und betätigte sich auch sonst als Mäzen, auch als<br />
Dichter ungarischer und lateinischer Poesie und Prosa, und starb 1713 im Alter von 78 Jahren.<br />
Vor 1682 schrieb <strong>der</strong> Graf eine Liste <strong>der</strong> Stücke, die er auf dem Virginal spielen konnte, darunter<br />
vier polnische, je drei ungarische und slowakische und zwei wallachische Tänze, außerdem solche<br />
von Johann Heinrich Schmelzer vom Kaiserhof. 1711 ließ er eine Sammlung von 55 lateinischen<br />
Kirchengesängen drucken: Harmonia caelestis seu Moelodiae Musicae Per Decursum totius Anni<br />
adhibendae ad Vsum Musicorum Authore Paulo Sacriromani Impery Principe Estoras de Galanta<br />
Regni Hungariae Palatino. Dieses „Authore“ muss aber im Verständnis <strong>der</strong> damaligen Zeit<br />
relativiert werden. Der Fürst hat die Stücke – teils bekannte ungarische, deutsche und böhmische<br />
Kirchenlie<strong>der</strong>, teils Neukompositionen im italienischen Stil – offenbar gesammelt und wohl von<br />
Komponisten seiner Hofmusik bearbeiten lassen; schon 1699 existierte eine handschriftliche<br />
Version davon. Die durchwegs mehrstrophigen Texte sind großteils den Melodien neu unterlegt, die<br />
außerdem mit einer Orgelbegleitung versehen wurden, teilweise auch mit einer Begleitung o<strong>der</strong><br />
Vor- und Zwischenspielen für zwei bis drei Streicher.<br />
„Iesu parve“ ist eine Anbetung <strong>des</strong> Neugeborenen, mit einem rhythmischen Modell und<br />
Melodiewie<strong>der</strong>holungen sehr schlicht gehalten, ganz ähnlich wie die Lobpreisung Jesu in „Jesum<br />
ardentibus“. “O, quam dulcis es“, eine Liebeserklärung an Jesus, ist musikalisch wesentlich<br />
anspruchsvoller gestaltet, mit eigenständigen Instrumentalteilen und am Ende auch einer<br />
selbständigen Orgelstimme. Der Sopran schwingt sich sogar zu einer Koloratur auf „suaviter“ (süß)<br />
auf.