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LERNEN MIT ZUKUNFT SEPTEMBER 2021

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information & bildung Bildung in der Krise: Ein normales Schuljahr? DIE VERUNSICHERUNG IST IMMER NOCH GROSS DI Roswitha Wurm Dipl. Lerndidaktikerin Lese- und Rechtschreibtrainerin, Kinderbuchautorin Interaktive Lesungen an Schulen buchbar unter: www.lesenmitkindern.at Wann wird es endlich wieder so, wie es früher war? - Mit großen Augen blickt mich Sophie an. Das Mädchen sehnt wie so viele eine Schule und eine Lernumgebung herbei, wie sie vor der Pandemie Alltag war. Im aktuell wieder neu startenden Schuljahr sind besonders die Zweitklässler gefordert. Man stelle sich vor: Sie haben in ihrer Schullaufbahn noch kein normales Schuljahr erlebt! Als sie gerade eingeschult waren, mussten sie bereits auf Online-Unterricht umstellen – eine riesengroße Herausforderung nicht nur für die ABC-Schützen selbst, sondern auch für deren Eltern. KINDER INDIVIDUELL BEOBACHTEN Die Pandemie und die damit verbundene Krise gehen an den Kinderseelen nicht spurlos vorüber. Mache Kinder ziehen sich mit ihren Ängsten und Problemen zurück, andere reagieren aggressiv und auffällig. In beiden Fällen sind Unterstützung und Gespräche mit erwachsenen Bezugspersonen gefragt. Wichtig ist, dass Kinder individuell betreut werden und ihre persönlichen Ängste und Schwierigkeiten, die durch die pandemiebedingten Schulschließungen entstanden sind, aufgearbeitet und besprochen werden können. Probleme entstehen bei einigen auch dadurch, weil durch das Distance Learning Defizite, Teilleistungsdifferenzierungen und Lernschwierigkeiten leichter übersehen wurden. Eltern sind zunehmend verunsichert und suchen Rat bei Spezialisten, weil ihr Kind die Freude am Lernen völlig verloren hat und sich weigert die schulischen Arbeitsaufträge zu erledigen. Dennoch sollten Eltern es vermeiden, die Aufgaben ihrer Kinder zu übernehmen. Viele haben die Homeschoolingzeit dazu genutzt ihren Kindern durch zu gut gemeinte Hilfestellungen zu guten Noten zu verhelfen. Sobald allerdings wieder der normale Schulalltag mit Prüfungssituationen vor Ort eintritt, kommt das schlimme Erwachen. Legasthene oder dyskalkule Kinder bzw. SchülerInnen mit anderen Lernschwierigkeiten sind nicht plötzlich „geheilt“, nur weil ihre Defizite durch das Homeschooling kaschiert werden konnten. Wer allerdings auch während der Pandemie an seinen Schwächen gearbeitet hat, wird auch gut in das kommende Schuljahr, was auch immer es bringen wird, starten. Foto: © 7089643 | pixabay.com 6 | SEPTEMBER 2021

EIN VERLORENES JAHR? Auch wenn das vergangene Jahr SchülerInnen vor viele Herausforderungen stellte, war es doch kein verlorenes Schuljahr. Unsere Kinder haben in jedem Fall einige wichtige Skills dazugewonnen: Selbständigkeit und Eigenverantwortung beim Lernen. Anpassung an schwierige Lebenssituationen, also Resilienz. Letzteres haben Kinder in früheren Generationen bei weltweiten Krisen immer wieder erfahren dürfen. Erklären wir den Kindern die Pandemie bedingten Umstände also nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance. Die Sehnsucht nach Normalität ist bei Kindern, Pädagogen und Eltern gleichermaßen groß. Dennoch wäre es verfrüht, Sophie und all den anderen Kindern ein „Schuljahr wie früher“ zu versprechen. Unsere Aufgabe als PädagogInnen und Eltern kann es daher nur sein, die Ängste und Sorgen unserer Kinder ernst zu nehmen und einmal mehr Mut und Hoffnung zu vermitteln. Gemeinsam schaffen wir auch das Schuljahr 2021/22. Hoffentlich das letzte, in dem wir mit Einschränkungen im schulischen Unterricht leben müssen.