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additive 03.2021

01 Fokus Additive

01 Fokus Additive Medizintechnik 3D-Druck in der Medizin Individuelle Medizinprodukte Dank der fortschrittlichen und biokompatiblen Materialien im 3D-Druck profitieren immer mehr medizinische Fachbereiche von der Technologie. Nicht nur das Züchten spezieller Gewebearten oder das Drucken patientenspezifischer Anatomiemodelle ist mittlerweile möglich. Auch Prothesen lassen sich in 3D drucken. Autor: Stefan Holländer, Managing Director EMEA bei Formlabs ■■■■■■ Der 3D-Druck ist zu einer etablierten Größe in der Medizin und darüber hinaus geworden. Insbesondere für die Zukunft der Präzisionsmedizin und die Entwicklung von Medizinprodukten ist er ein wichtiges Werkzeug. Die Weiterentwicklung im 3D-Druck hat die Technologie zugänglicher, vor allem aber vielseitiger gemacht: Von Komponenten für Beatmungssysteme bis hin zu Prothesen und chirurgischen Instrumenten – Mediziner und Techniker für medizinische Produkte nutzen den 3D-Druck, um schnell, sicher und kostengünstig über neue Hilfsmittel zu verfügen. Entsprechende 3D-Drucker sind speziell für den medizinischen Einsatz konzipiert: Patientenspezifische Teile können innerhalb eines Tages am „Point of Care“ gedruckt werden. Biokompatible Materialien ermöglichen eine schnelle und effektive Forschung und Entwicklung von kleinen Stückzahlen vor Ort – von chirurgischen Planungsmodellen und chirurgischen Schablonen bis hin zu Strahlentherapie- und Schlafapnoe-Geräten. Auch während der Corona-Pandemie zeigte der 3D-Druck Dank der fortschrittlichen und biokompatiblen Materialien im 3D-Druck profitieren immer mehr medizinische Fachbereiche. Bild: Formlabs 12 additive September 2021

seine Vorteile: Als im März 2020 in den USA der nationale Notstand erklärt wurde, kam es zeitgleich zu einem Zusammenbruch globaler Lieferketten. Mithilfe des 3D-Drucks konnten Unternehmen ihre Produktion umgehend anpassen und dringend benötigte medizinische Teile produzieren. So wurde die Herstellung von über 40 Millionen Covid-19-Teststäbchen ermöglicht. Zudem wurden Komponenten für persönliche Schutzausrüstung (PSA) und Beatmungsgeräte 3D-gedruckt. Neue Lösungen für komplizierte Behandlungen Dank biokompatibler Materialien unterstützt der 3D-Druck Mediziner bereits dabei, neue Lösungen für komplizierte Operationen zu entwickeln. Obwohl der menschliche Körper Erstaunliches leistet, kann er die meisten Gewebearten und Organe bei Verletzungen und Schäden nicht in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen. In Deutschland sind kardiovaskuläre Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck im Alter die häufigsten Erkrankungen. In diesem Zusammenhang werden blockierte und beschädigte Gefäße bisher autolog transplantiert: Ein Gefäß wird an einer anderen Stelle des eigenen Körpers entnommen und ersetzt das beschädigte Gefäß. Das ist eine sehr schwierige und langwierige Operation. Forscher an der University of Sheffield arbeiten an einer Methode, mit der Gefäße 3D-gedruckt werden. Dabei stehen die Wissenschaftler vor besonderen Herausforderungen: Menschliche Gefäße laufen nicht gerade durch den Körper – sie biegen, verzweigen und verjüngen sich. Außerdem sind sie flexibel, um sich an den unterschiedlichen Blutdruck anpassen zu können. Das Team nutzt das Verfahren des Tissue Engineering: Es konstruiert ein Gerüst, an dem menschliche Zellen später in einer In-vitro-Umgebung entlang wachsen. Der 3D-Druck spielt hier eine zentrale Rolle: Durch den Desktop-Stereolithografie-Druck können verschiedene geometrische Formen für die Gerüste der Blutgefäße herstellt werden. Zuvor konnten die Wissenschaftler nur gerade Rohre herstellen. Mit Unterstützung des 3D-Drucks können nun auch komplizierte geometrische Formen gefertigt werden. Flexibilität ermöglicht individuelle Medizinprodukte Auch in der Prothetik findet der 3D-Druck bereits Anwendung: Eine Amputation kann traumatisch sein und das Leben eines Menschen komplett verändern. Betroffene sind mit Schmerzen konfrontiert und müssen sich mit einer veränderten Mobilität neu arrangieren. Eine Prothese stellt in solchen Situationen mehr als ein simples Ersatzteil für den menschlichen Körper dar. Sie bildet die Basis für eine Rückkehr zu Normalität und Unabhängigkeit sowie die Wiedererlangung von Fähigkeiten. Moderne 3D-Druck-Methoden ermöglichen die Realisierung passgenauer Prothesen neben Kostenersparnisse gegenüber traditionellen Herstellungsmethoden. Denn neben zeitaufwendigen und komplexen Fertigungsprozessen ist die herkömmliche Prothesenherstellung vor allem mit hohen Kosten verbunden: Beträge für ein konventionell gefertigtes angepasstes Hilfsmittel liegen im vier- bis fünfstelligen Bereich. Im Bereich der Sportprothetik bietet die 3D-Druck- Technologie das Potenzial, die Leistungsfähigkeit und Qualität künstlicher Gliedmaßen voranzutreiben. Vor allem Leichtigkeit, Form und Federung der Hilfsmittel sind für Sportler relevant. Mithilfe der schnell gedruckten und kostengünstigen Prothesen können Tests und zweckspezifische Änderungen vorgenommen werden. Auch im Hinblick auf die Optik der Prothesen gewährt der 3D-Druck neue Möglichkeiten: Details wie Hauttöne oder Sommersprossen können authentisch nachgebildet werden und auch Gesichtsprothesen können täuschend echt angefertigt werden. Darüber hinaus ist eine individualisierte Design- und Farbauswahl durch den Nutzer möglich, was zur psychischen Akzeptanz eines solchen Hilfsmittels beitragen kann. So kann eine Prothese je nach Patientenwunsch kaschiert oder betont werden. Verkürzter Herstellungsprozess Ein weiterer Faktor, bei dem der 3D-Druck inzwischen eine große Rolle spielt, ist die Planung komplizierter medizinischer Eingriffe. Eine Operation kann diverse Male durchgespielt werden, doch plötzliche Komplikationen lassen sich nicht gänzlich simulieren. Der 3D-Druck ist somit beispielsweise bei Wirbelsäulen - eingriffen zu einem Bestandteil der Operationsplanung geworden. Stefan Holländer ist Managing Director EMEA bei Formlabs. Bild: Formlabs additive September 2021 13