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Beschaffung aktuell 11-12.2023

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» MANAGEMENT

» MANAGEMENT aufzuzeigen: Hier haben wir davor stark mit Zahlen, Daten und Fakten in der Lieferantenbewertung gearbeitet. Aber in so einer Situation funktioniert das nicht. Wenn ein Lieferant alles für Sie tut, aber aufgrund von Engpässen trotzdem nur 70 Prozent Liefertreue hat, können Sie ihm das nicht vorhalten. Also sind wir weggegangen von der klassischen Lieferantenbewertung und haben monatliche Feedback- Gespräche geführt und dort Faktoren wie Zusammenarbeit einfließen lassen. Beim diesjährigen Pilz-Lieferantenaward zeichnen wir die Lieferanten aus, die uns am besten in der Krise unterstützt haben. Bild: Pilz Laut Ruben Conzelmann haben Krisen auch immer etwas Gutes: „Man wächst zusammen und lernt voneinander.“ Bestehen die Taskforces weiter, auch wenn sich die Lieferketten wieder entspannen? Ja, die sind noch aktiv. Krisen haben auch immer etwas Gutes: Man wächst zusammen, lernt voneinander und baut Hemmnisse zwischen den Abteilungen ab. Jetzt geht es darum, diese Entwicklung in die „normale Zeit“ zu übertragen. Die Taskforces werden sich in den nächsten Monaten sicher verändern, aber die Art der Zusammenarbeit wollen wir beibehalten. Spielen bei der Suche nach alternativen Lieferanten die Themen Re- oder Nearshoring eine Rolle? Das ist ein äußerst komplexes Thema. Viele Komponenten, die wir beziehen, findet man in Deutschland und Europa gar nicht. Oder die Vormaterialien haben dann wieder eine sehr hohe Abhängigkeit aus Asien. Aber wir haben einen guten Mix. Wir beziehen aus Asien, direkt aus China und aus Europa. Südostasien rückt als interessanter Beschaffungsmarkt immer mehr in den Fokus. Vorrangig wird Thailand sehr spannend, wo sich viel Zuliefererindustrie ansiedelt. Aber großes Nearshoring in Europa sehe ich aktuell nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass sich aufgrund der Rahmenbedingungen – wie Energiekosten oder Personalmangel – Lieferanten hier ansiedeln werden. Hat sich auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten über die letzten Jahre verändert? Die Zusammenarbeit ist viel enger geworden. In besonders brenzligen Situationen hatten wir zweimal täglich Abstimmungsrunden. Wir haben in dieser Zeit gesehen, welche Lieferanten einen auch in schwierigen Zeiten unterstützen. Diese Erfahrung werden wir auch in die weitere Zusammenarbeit einfließen lassen. Um es an dem Beispiel Lieferantenbewertung Eine Hauptaufgabe des Einkaufs war das Eskalationsmanagement, hat Geschäftsführerin Susanne Kunschert erzählt. Können Sie das ausführen? Eskalationen entstehen dadurch, dass Bauteile nicht verfügbar sind. Das Eskalationsmanagement ist darauf ausgerichtet, diese Bauteile zu bekommen. Wir haben immer noch einen starken Verkäufermarkt, weshalb man den Zulieferern die Wichtigkeit der Produkte verdeutlichen muss. Wir haben dargelegt, in welche Industrien wir liefern und welche Auswirkungen bei einem Stillstand für die Infrastruktur entstehen. Man muss für sich werben und Konsequenzen aufzeigen, um aktiv in die Eskalation zu kommen. Ich würde dazu raten, als Einkauf unabhängig von Krisen viel Zeit in die Beziehungspflege mit Lieferanten zu investieren. Es braucht in solchen Situationen eine langjährige verlässliche Zusammenarbeit und Kontakt zum Top-Management des Lieferanten. Dadurch hatten wir viele Eskalationstermine auch auf Topmanagement-Level, was uns geholfen hat. Haben Sie bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten oder im Risikomanagement bestimmte Tools oder Technologien eingeführt? Wir werden mehr Fokus auf das Thema Daten richten: Welche Daten haben wir? In welchen Ländern wird gefertigt? Das sind zum Teil komplexe Prozesse, gerade wenn man sich die Halbleiter anschaut. Die fliegen mehrfach um die Welt. Wo befindet sich das Front-End? Wo das Back-End? Um welche Strukturbreite handelt es sich? Wie wird in diese investiert? Gibt es Back-up-Szenarien der Hersteller? Welche Third Sources gibt es? Darauf fokussieren wir uns, um unsere Strategie entsprechend auszurichten. Wir nutzen mit „SiliconExpert“ ein Tool, um diese Informationen automatisiert zu erhalten. Denn Geschwindigkeit zählt in solchen Situationen. Ebenfalls haben wir ein Business-Intelligence-Tool, womit wir diverse Auswertungen fahren. Wenn ein Bauteil ausfällt, können wir so zum Beispiel auf Knopfdruck bewerten, wie viel Umsatz dahinter hängt. Wir beschäfti- 34 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023

gen uns außerdem mit künstlicher Intelligenz im Einkauf. Wir haben KI in der Lieferantenrecherche eingesetzt und werden sie jetzt beim indirekten Material verwenden. Wir suchen weitere Ansatzpunkte und bewerten die Technologie. Inwieweit betreffen Sie Nachhaltigkeitsrichtlinien wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betrifft uns ab nächstem Jahr. Aber wir sind gut vorbereitet und haben unabhängig von der Gesetzgebung schon viel gemacht. Wir haben einen Code of Conduct mit allen Lieferanten abgeschlossen, um bestimmte ethische Kriterien zu gewährleisten, und machen Audits bei den Lieferanten. Wir schauen uns die Arbeitsbedingungen vor Ort an und führen eine Risikobewertung durch. ISO 14001 (Umweltmanagement) und 50001 (Energiemanagement) sind beispielsweise Anforderungen, die wir an den Lieferanten haben. Ein Großteil der CO 2 -Emissionen entsteht innerhalb der Lieferketten – Stichwort Scope 3. Wurden hierfür auch spezielle Maßnahmen getroffen? Wir verfolgen einen pragmatischen Ansatz. Was wir betrachten, sind zum Beispiel Anlieferungssequenzen von Lieferanten. Muss ein Lieferant täglich anliefern oder reicht einmal die Woche? Auch bei der Wahl der Transportmittel – Luft, See oder Bahn – prüfen wir, was Sinn ergibt. Nachhaltigkeit ist auch bei Verpackungen ein wichtiges Thema. Wir setzen auf Behälter- statt Einzelverpackungen. Das sind drei Ansätze, die wir konkret verfolgen. Scope 1 und 2 haben wir jetzt ermittelt und die erste Klimabilanz auf den Weg gebracht. Scope 3 müssen wir als nächstes angehen. Trotz der Herausforderungen konnte Pilz das Jahr 2022 mit einem Rekordumsatz abschließen. Was waren hierfür die Faktoren in der Beschaffung? Zum einen haben wir super Kolleginnen und Kollegen im Einkauf – hochmotivierte Mitarbeiter, die eigenständig denken und handeln – und sehr flache Hierarchien. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter einen großen Handlungsspielraum haben. Das hilft uns, schnell Entscheidungen zu treffen und sofort zu reagieren, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Wir suchen aktuell Einkäufer und Materialdisponenten und würden uns freuen, wenn der ein oder andere das liest. Bei Pilz herrscht ein sehr guter und familiärer Umgang. Wir suchen Kolleginnen und Kollegen, die dies schätzen und Lust auf einen hohen Gestaltungsspielraum haben. Es macht Spaß, hier zu arbeiten! Was auch geholfen hat, ist die langfristige Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Wir machen kein Lieferanten- Hopping, sondern haben eine Beziehung zu den Unternehmen. Wir suchen Lieferanten, mit denen wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Was konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen? Was können Sie anderen Einkäufern empfehlen? Man wächst in solchen Zeiten über sich hinaus: Wir konnten sehr viel lösen, von dem wir zunächst dachten, dass es sich nicht lösen lässt. Dafür muss man kurzfristig Alternativen zu bestehenden Prozessen finden – kreativ denken und den Mitarbeitern auch einen hohen Handlungsspielraum einräumen. Das geht auch nur mit Vertrauen. Ich habe auch gemerkt, wie wichtig abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist. Der Einkauf betreibt dauerhaft eine Art Stake holdermanagement. Er ist mit anderen Abteilungen vernetzt, vorrangig mit Entwicklung und Produktionstechnik und Produktmanagement, und dort in Entscheidungsprozesse eingebunden. Wenn das funktioniert, arbeiten Sie gut mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen und haben schnelle Ergebnisse. Und wie bereits erwähnt, sollte man auch bei Lieferanten auf Managementebene Beziehungen pflegen. In Krisensituationen fehlt die Zeit, um solche Beziehungen aufzubauen. Das Interview führte Yannick Schwab, Beschaffung aktuell Aufgrund von Material engpässen, wurde für das Sicherheits relais PNOZ ein Re- Design durchgeführt . Herausgekommen ist ein transparentes Gehäuse. Normalerweise hat das einen Grünton. Bild: Pilz Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023 35

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