Aufrufe
vor 4 Jahren

Industrieanzeiger 14.2019

  • Text
  • Pumpen
  • Druckluft
  • Spritzgiessen
  • Gebaeudetechnick
  • Energiewende
  • Gussindustrie
  • Transportlogistik
  • Prozesse
  • Digital
  • Digitalisierung
  • Industrie
  • Industrieanzeiger

technik & wissen ” Als

technik & wissen ” Als Zukunftsthese gilt, dass logistische Prozesse zu einem großen Anteil in den nächsten Jahren digitalisiert oder durch Digitalisierung verbessert werden.“ Quelle: Steffen Bilger MdB, Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik Kostensenkung an erster Stelle. Keine überraschende Erkenntnis, da die Margen der Spediteure in der Regel bei nur etwa 2 % liegen. Mittelständische Unternehmen haben darüber hinaus keine hohen Budgets für Industrie 4.0 zur Verfügung, erhoffen sich aber von den neuen Technologien Potenziale für ihre eigene Produktivitätssteigerung. Es muss auch nicht immer gleich die unternehmensübergreifende Digitalisierung des gesamten Workflows sein. Expertenvorschläge für den logistischen Einstieg in Industrie 4.0 fokussieren in aller Regel kleinere Projekte mit einem sofortigen Return on Investment. So können unterschiedliche Logistikunternehmen zum Beispiel auf einer gemeinsamen Datenbasis ohne Schnittstellen miteinander kooperieren und auf diese Weise ihre eigene Effizienz steigern. Laut Kraftfahrt-Bundesamt betrug der Leerfahrten-Anteil im Jahr 2017 ganze 37 % – mehr als jeder dritte Lkw ging also unbeladen auf die Strecke. Die Bündelung logistischer Dienstleistungen auf Basis einer gemeinsamen IT-Plattform könnte dies verhindern und allen Beteiligten Mehrwerte schaffen. Die Einführung von software-basierenden Assistenzsystemen optimiert darüber hinaus nicht nur Fahrpläne und Routen, sondern kann auch Sprachbarrieren abbauen und die Effizienz von Arbeitsplätzen erhöhen. Der Einsatz von Augmented Reality-Lösungen ist in der Logistikbranche dagegen erst in Testprojekten realisiert – wenn überhaupt, dann bei den Automobilherstellern im innerbetrieblichen Transport. Weitere praxisrelevante Ansätze sind Pick-by-Light-Systeme zur Kommissionierung, Datenbrillen zur Unterstützung beim Be- und Entladen oder beim Stauen von Seefrachtcontainern. Der vieldiskutierte selbstfahrende Lkw braucht indes noch seine Zeit. Zwar arbeiten inzwischen alle Nutzfahrzeughersteller an autonomen Systemen. Zum Alltag gehören sie bisher aber nur in einzelnen Regionen Amerikas – etwa in Texas und Kalifornien. Dort pendeln die Laster des Silicon-Valley-Start-ups Embark inzwischen auf einer festen Route zwischen Texas und Südkalifornien. Allerdings sind die Straßen dort überwiegend menschenleer – kein Vergleich zum dichten europäischen Verkehr. Aber auch dort sitzt immer noch ein Fahrer in der Kabine, der allerdings alles andere tut – nur nicht fahren. Der Nutzfahrzeugmarkt in den USA wird auf 700 Mrd. Dollar geschätzt. Marktführer ist Daimler. Tesla und/oder innovative Start-ups arbeiten daran, die bisherigen Big Player zu überholen. Kaum Einsparpotenziale, aufwendige Technologie: Lkw-Platooning hat sich auf deutschen Autobahnen nicht bewährt. Bild: monticellllo/Fotolia Deutscher Fokus auf hochautomatisiertes Fahren Level 4 Deutschland fährt einen anderen Weg: Auf Teilstrecken rollten zeitweise autonome Lkw-Konvois über die Autobahn. Im führenden Fahrzeug mit Fahrer, hinten mit Computer – etwa auf der A9 zwischen Nürnberg und München. Dieses Platooning hat aber nicht die erhofften Einsparpotentiale erreicht und wurde Anfang 2019 aufgegeben. Es bleibt der deutsche Fokus auf hochautomatisiertes Fahren Level 4. Dabei sind die Lkws in definierten Bereichen und zwischen definierten Knotenpunkten autonom unterwegs. Nicht immer unter dem Applaus der Fahrer: Viele Brummi-Fahrer sind nicht begeistert „Wenn das autonome Fahren kommt, sind wir überhaupt nichts mehr wert“, gab ein Betroffener beim Projektstart zu Protokoll. Widerstände kommen auch von den Juristen: Viele rechtliche Fragen sind derzeit noch nicht geklärt. Wer ist schuld und wer haftet bei Unfällen? Theoretisch haftet im Sinne der Straßenverkehrsordnung der je- 34 Industrieanzeiger 14.19

weilige Nutzfahrzeughersteller – also Daimler oder Tesla. Jedoch muss das Unfallopfer im Fall der Fälle dem Hersteller eine Schuld nachweisen: etwa einen Programmier- oder Systemfehler. Das dürfte im Einzelfall schwierig werden. Dazu kommen erhebliche ethische Probleme. Darf ein autonomes Fahrzeug beispielsweise auf die Gegenfahrbahn ausweichen, um eine Kollision zu verhindern – auch wenn dabei Unbeteiligte gefährdet werden? Stand heute: nein. Aber solange die juristischen und ethischen Vorgaben unklar sind, dürften sich deshalb in Europa autonom fahrenden Lkws erst einmal nur in abgesperrten oder in Testgebieten durchsetzen – bei der Abfallsammlung, in Bergwerken oder in der Landwirtschaft. Was vor Ort gedruckt wird, muss nicht auf die Straße. Bild: nordroden/Fotolia Vor Ort produzieren statt zu einem Ort bringen Eine weitere Entwicklung wird die Transportlogistik nachhaltig beeinflussen: additive Fertigungsverfahren. 3D-Druck ist Treiber einer neuen Dezentralisierung der Logistikströme; angefangen bei Ersatzteilen und Kleinserien. Mit zunehmend besseren Materialeigenschaften, vor allem aber auch mit innovativen Geometrien, wird sich die additive Großserienfertigung vor Ort durchsetzen und damit Straßentransporte ersetzen. Was als Bedrohung klingt, kann zur Chance für Transportlogistiker werden. Voraussetzung ist die Bereitschaft, über die physische Verteilung von Gütern hinaus weitere Dienstleistungen anzubieten: etwa auf Basis von Buchungs- und Informationsplattformen oder auch in der Rolle eines Supply-Chain-Spezialisten, der die gesamte Steuerung komplexer Logistikprozesse verantwortet. Das allerdings erfordert eine stärkere Datenorientierung und einen klaren IT-Fokus. Mit anderen Worten: die Einführung von Industrie 4.0-Konzepten. • Michael Grupp Freier Journalist in Stuttgart *Finanzierungspartner sind Geschäftsbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Direktbanken. Weiterdenker denken nicht nur an die Zukunft. Sie machen sie. Die KfW fördert zukunftsweisende Vorhaben und innovative Unternehmen. Mit den ERP-Digitalisierungs- und Innovationskrediten unterstützt die KfW Unternehmer, die weiterdenken. Stärken Sie heute Ihre Wettbewerbsfähigkeit von morgen und nutzen Sie die Möglichkeiten der Digitalisierung oder investieren Sie in die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten, Produktionsverfahren und Dienstleistungen. Weitere Informationen bei Ihrem Finanzierungspartner* oder unter kfw.de/innovation Industrieanzeiger 14.19 35

Industrieanzeiger