Aufrufe
vor 1 Jahr

KEM Konstruktion 03.2023

  • Text
  • Schaltschrankverdrahtung
  • Energieverteilung
  • Linearmotormodul
  • Automatisierung
  • Digitalisierung
  • Engineering
  • Kem
  • Beispielsweise
  • Industrie
  • Digital
  • Unternehmen
  • Konstruktion

KONGRESS » Interview

KONGRESS » Interview Automatisierungstreff Digitale Produktionssysteme: Evolution oder Umbruch – die Sicht des MES D.A.CH Verband „70 % der MES-Anbieter besitzen bereits moderne Systeme“ Bislang galten MES-Lösungen (Manufacturing Execution Systems) mit einiger Berech tigung als die ‚Schaltzentralen‘ einer Industrie-4.0-Fertigung. Denen fehle es aber an Flexibilität, sagt German Edge Cloud (GEC), die Verbindung mit Cloud-nativen IIoT- Lösungen sei gefragt (siehe Interview ab S. 24) – letztlich böte das mehr Agilität und Regelungsfunktionalität im Sinne eines Manufacturing Operations Management (MOM) in nahezu Echtzeit statt reiner ‚Execution‘. Ein neuer Name erneuere aber nicht die Funktionen IM ÜBERBLICK Angelo Bindi, erster Vorstand des MES D.A.CH Verband e.V., Ilsfeld; zuvor am Aufbau des MES bei Continental beteiligt. KEM Konstruktion: Digitalisierung verspricht das Nutzen einer bislang weitgehend ungenutzten Datenmenge im Unternehmen mit dem Ziel, die Produktion zu optimieren – nicht zuletzt auch die Ressourceneffizienz zu erhöhen. Können die heute verfügbaren MES-Lösungen diesem Anspruch gerecht werden? Angelo Bindi (MES D.A.CH Verband): Die Aufgabe, die Produktion zu optimieren und nachhaltiger zu wirtschaften, erfüllen MES schon seit Jahrzehnten. Es ist die ureigene Aufgabe solcher Systeme, weshalb sie beispielsweise folgende Funktionen übernehmen: • Feinplanung • Zuordnung & Status von Ressourcen • Transportlogistik von Produktionseinheiten • Tracking & Tracing der Produkte • Dokumentation & Zertifikate • Performance-Analysen • Vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) • Personaleinsatzplanung • Qualitätsmanagement inkusive Maschinen- und Prozessfähigkeits - analysen eines MES und 70 % der MES- Anbieter besäßen bereits vergleichbar moderne Systeme, entgegnet Angelo Bindi für den MES D.A.CH Verband e.V. Fragen: Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion Angelo Bindi, erster Vorstand des MES D.A.CH Verband e.V. »Heute sind schon viele MES-Lösungen auf dem Markt, die zum Beispiel die Virtualisierung oder ‚Dockerrisierung‘ für ihre Produkte umgesetzt haben.« Bild: Angelo Bindi Alle beschriebenen Funktionen und noch viele mehr sowie die dafür benötigten Daten werden heute von MES-Lösungen akquiriert, gespeichert und für verschiedene Benutzergruppen aufbereitet. MES sind schon seit langer Zeit in den verschiedenen Industrien vorhanden und dort unabkömmlich – etwa in der pharmazeutischen Industrie sowie Automotive oder der Fertigung von Konsumgütern und Elektrokomponenten. Um die Frage kurz zu beantworten – ja, MES werden diesem Anspruch schon seit Jahrzehnten gerecht. KEM Konstruktion: An welcher Stelle gibt es Handlungsbedarf, um MES fit für die Zukunft zu machen? Bindi: In den letzten Jahren kamen viele sehr sinnvolle und innovative Technologien auf den Markt, die nicht in allen Bereichen beziehungsweise von allen Anbietern von MES eingesetzt werden. Stellvertretend und nicht vollständig seien hier folgende Technologien genannt: • Objektorientierte Datenbanken • Streaming-Plattformen • Zeitreihen-Datenbanken • Publisher/Subscriber- Methoden • Virtualisierung • Docker-Technologien • Künstliche Intelligenz (KI/AI) • Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) • Representational State Transfer (REST) – als Architekturansatz mit Blick auf die M2M-Kommunikation, insbesondere über Webservices 30 KEM Konstruktion » 03 | 2023

Bild: Murrstock/stock.adobe.com MES erfüllen schon seit Jahrzehnten die Aufgabe, die Produktion zu optimieren und nachhaltiger zu gestalten. Die Digitalisierung schafft hier neue Möglichkeiten, die es in die Systeme zu integrieren gilt. • MQTT als offenes Netzwerkprotokoll für die M2M-Kommunikation Die Integration in bestehende Produkte ist meistens für kleine und mittelständische MES-Anbieter schwer leistbar, da der Aufwand kosten- und ressourcenmäßig für diese zu hoch ist. Dies ist einer der Gründe, weshalb der MES D.A.CH Verband dies in Netzwerken organisiert, damit Gemeinschaftsentwicklungen stattfinden und somit die Kosten für jeden Einzelnen gesenkt werden können. Es ist jedoch nicht so, dass hier alle einen ‚Nachholbedarf‘ hätten. Es gibt heute schon eine Vielzahl von Anbietern, die Cloud-basierte Systeme mit den oben genannte Technologien anbieten – genannt seien beispielsweise GFOS, MPDV, LogiQ, Industrie Informatik oder Blum Informatik. Geschätzt würde ich sagen, dass zirka 70 % der heute auf dem Markt befindlichen Anbieter moderne Systeme haben und die anderen 30 % sich auf den Weg gemacht haben, dies in den nächsten 2 bis 3 Jahren umzusetzen. Composable Applications als Zielrichtung? KEM Konstruktion: Mit Beginn der Corona-Pandemie sprach die Gartner Group von der Notwendigkeit eines ‚Composable Business‘, also einem Unternehmen, das ‚aus austauschbaren Bausteinen besteht‘. Übertragen auf IT- Anwendungen ist die Rede von ‚Composable Applications‘ – etwa bei Scheer PAS –, und auch die Docker-Technologie will Informationen aus verschiedensten Quellen zusammenführen. Zeigt das die (gemeinsame?) Entwicklungsrichtung für MES- und MOM-Lösungen auf? Bindi: Definitiv ja! Wie in der Antwort zuvor schon erwähnt, sind heute schon viele MES-Lösungen auf dem Markt, die zum Beispiel die Virtualisierung oder ‚Dockerrisierung‘ für Ihre Produkte umgesetzt haben. Nur durch neue Namen wie MOM, DPS oder Composable Applications werden Produkte oder Funktionen nicht erneuert. Es ist aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv, dem neuen Wein in alten Schläuchen immer wieder neue Namen zu geben, da dies die Industrie und die Benutzer verunsichert. Insbesondere Beratern, die nie eine Fertigung, Produktion oder Montage gesehen beziehungsweise eine aufgebaut, betrieben und optimiert haben, muss es doch immens schwerfallen, hier vernünftige Kommunikations- und Konnektivitätskonzepte inklusive Systemarchitekturen zu erstellen. Da hilft auch ein neuer Name nicht! Automatisierungspyramide ist nicht mehr zeitgemäß Festzuhalten bleibt, dass die Automatisierungspyramide nicht mehr zeitgemäß ist – und sie sich de facto aufgelöst hat, weil sie zu monolithisch, zu starr und zu unflexibel ist. Dies gilt aber nicht für ihre in der ersten Antwort genannten Funktionen, die modular, flexibel und erweiterbar mit einem passenden Kommunikationsund Konnektivitätskonzept in eine moderne, ebenfalls flexible, modulare und erweiterbare Systemarchitektur eingebaut sein müssen. Einige MES-Anbieter haben dies schon umgesetzt, andere sind auf einem guten Weg. KEM Konstruktion: Die Mehrzahl der heute verfügbaren MES – sie sprachen von 70 % – hat dies also schon umgesetzt? Bindi: So ist es – und mit der geschätzten 70/30-Quote sieht es hier gar nicht so schlecht aus! KEM Konstruktion: Wie beurteilen Sie denn im Vergleich dazu den Ansatz von GEC, die mit dem Oncite Digital Production System (siehe Interview ab S. 24) einen Schritt über MES-Lösungen hinausgehen wollen? KEM Konstruktion » 03 | 2023 31

KEM Konstruktion