Aufrufe
vor 5 Jahren

KEM Konstruktion 06.2018

  • Text
  • Antriebstechnik
  • Einsatz
  • Entwurfstools
  • Industrie
  • Konstruktion
  • Messe
  • Sensorik
  • Sensoren
  • Smart
Trendthemen: Sensorik 4.0, Entwurfstools; Messe Sensor+Test 2018; KEM Porträt: Hartmut Pütz, President Factory Automation, Mitsubishi Electric; KEM Perspektiven: Sensorik 4.0 - Expertengespräch zu innovativen Lösungen

TRENDS PERSPEKTIVEN

TRENDS PERSPEKTIVEN Expertengespräch: Industrie 4.0 in der Sensorik Innovative Lösungen für optimale Prozesse Um Fertigungsprozess und Maschinenumfeld zu erfassen, kommen Sensoren zum Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, aus der Fülle der Daten die richtigen Informationen rund um den Prozess zur Verfügung zu stellen. Dies wird durch die Verknüpfung unterschiedlicher Sensordaten und deren Auswertung auf verschiedenen Plattformen erreicht. Damit das Potenzial optimal erschlossen werden kann, sind innova - tive Lösungen für die Sensorik 4.0 nötig. Wir haben Experten zur Sensorik für die Industrie 4.0 befragt. Jörn Kehle, Redakteur KEM Konstruktion KEM Konstruktion: Alle bedeutenden Steuerungsanbieter verfügen heute über Cloud-Lösungen. Auch die Sensorhersteller bieten nun zunehmend eigene Cloud-Lösungen, um dem Anwender Maschinendaten weltweit zur Verfügung zu stellen. Wie sehen Sie als Sensorhersteller Ihre Rolle im Industrie-4.0-Umfeld? Wo sehen Sie Ihre Chancen für neue Geschäftsmodelle? Bernhard Müller (Sick): Sensoren steuern nicht nur die Maschine und die Funktion in der Maschine, sondern erzeugen auch Daten, die außerhalb der direkten Maschinensteuerung zur Verbesserung des Produktionsprozesses dienen. Intelligente Sensoren werden auch außerhalb von Maschinen zur Verbesserung der Produktionssteuerung verwendet, z. B. zur Optimierung des Materialflusses. In der Produktionssteuerung haben Cloud-Anwendungen von Sensoranbietern eine spezielle Rolle zur Verbesserung der Produktionsprozesse. Die Cloud-Lösungen von Sensorherstellern können sich sowohl auf die Flexibilisierung der Maschine als auch auf die Verbesserung des Gesamtproduktionsprozesses beziehen. Peter Wienzek (ifm): Wir als Sensor- und zukünftiger Lösungsanbieter haben einen anderen Fokus. Wir bieten Lösungen außerhalb der SPS an, wie z.B. Condition Monitoring oder Energieüberwachung, die zu mehr Transparenz, höherer Maschinenverfügbarkeit und damit Effizienzsteigerung in der Fertigung führen und damit unseren Kunden helfen, Geld zu sparen. Mit der ifm-Cloud können wir applikationsspezifische Apps anbieten, die gezielt den Usecase abbilden. Im Laufe der Jahre haben wir viel Applikationserfahrung aus dem Sensorumfeld zur Lösung individueller Probleme gesammelt. Mittels unserer Cloud-Applikationen möchten wir dieses Wissen in einer größeren Breite unseren Kunden anbieten. Die Cloud ist natürlich für uns ein neues Geschäftsmodell und hat für den Kunden den Vorteil, dass er ohne zusätzliche Investition in IT-Hardware flexibel auf seine Maschinendaten zugreifen kann. Dr. Elmar Büchler (Balluff): Derzeit lassen sich über 50 industrielle Cloud-Lösungen weltweit identifizieren. Ich gehe aber davon aus, dass maximal etwa 10 % der Cloud-Anbieter langfristig am Markt erfolgreich sein werden. D.h., eine eigene Cloud anzubieten, sollte gründlich überlegt sein. Gestützt wird dies auch durch Umfragen unter weltweit führenden Produzenten unterschiedlicher Branchen. So lehnt ein Teil der Unternehmen derzeit noch Cloud-Lösungen u.a. wegen Sicherheitsbedenken komplett ab. Ein anderer Teil steht ihnen zwar prinzipiell offen gegenüber, ist jedoch nicht bereit in seinen Produktionsstätten gleichzeitig unterschiedlichste Lösungen zu installieren. Daher macht es für Gerätehersteller erst einmal Sinn, die Marktentwicklung genau zu beobachten und für die führenden Cloud-Lösungen entsprechende Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Dazu ist es notwendig, einerseits entsprechende OT-Kommunikationsschnittstellen wie IO-Link mit IT Schnittstellen MQTT, OPC UA etc. zur Anbindung an Cloud-Systeme zur Verfügung zu stellen. Andererseits sind die für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle wie Condition Monitoring und Asset Management benötigten Daten bereitzuhalten. Dazu bedarf es intelligenter Sensoren und Aktoren mit leistungsfähigen Schnittstellen und entsprechend semantisch strukturierten Datenmodellen. Ist diese Basis erst einmal realisiert, lassen sich mittels führender Cloud-Lösungen äußerst interessante Services und Geschäftsmodelle realisieren. Ingo Baumgart (Leuze): Die Chancen der stärkeren Vernetzung aller Maschinenkomponenten liegen in den neuen Anwendungen und dem Nutzen, der daraus für den Anwender erzielt werden kann. Die Sensoren sind die Augen und Ohren moderner Automatisierungsanlagen. Ihre Daten geben Hinweise auf den Zustand der Maschinen und liefern damit indirekt Kennzahlen über die Produktivität einer Anlage. Trotzdem liegen viele unserer Sensordaten heute noch brach – sie werden von aktuellen Lösungen bislang nicht verwendet. Daher ist unser Ziel primär, die Informationen, die ein Sensor heute schon zur Verfügung stellt, dem Anwender zugänglich und damit nutzbar zu machen, sodass mit einem tiefergehenden Blick in die Maschine auch das Wissen um deren Betriebszustand stetig erhöht werden kann. Reparaturzeiten können so gezielt geplant und spontane Anlagenausfälle vermieden werden. Thorsten Wanner (SensoPart): Das Thema Cloud ist sicherlich eines der zentralen Themen im Bereich Industrie 4.0. Hier wird es aber ähnlich wie bei ‚Highlander‘ nach dem Motto gehen: ‚es kann nur einen geben‘…oder zumindest nicht allzu viele. Die Benutzer wollen sich nicht auf viele verschiedene Cloud-Lösungen parallel einlassen, sondern bevorzugen eine zentrale/einheitliche Lösung, wo sie alle ihre Automatisierungskomponenten, auch die Sensorik, einbinden können. Hierfür muss die Sensorik dann die richtigen Schnittstellen bieten. Ich denke für die Sensorik wird es zudem immer wichtiger werden, selbst Entscheidungen lokal zu treffen und nur die wichtigsten Daten in die Cloud zu liefern, da es sonst selbst für die ‚Big Data‘ zu große Datenmengen werden, die beim Übertragen, beim Speicherbedarf und auch bei den Analyse-Algorithmen Schwierigkeiten machen und hohe Kosten verursachen. KEM Konstruktion: Bei den Sensorherstellern beobachten wir zunehmend Softwareaktivitäten. Was sind Ihre Ziele bezüglich der 30 K|E|M Konstruktion 06 2018

Bild: Sick Dezentrale Intelligenz in den Sensoren (Edge Computing) ist die Basis für die flexible Steuerung der Produktionsprozesse in der Smart Factory Softwareentwicklung? Welche Tools möchten Sie anbieten? Welche Rolle spielen die Kosten für die zusätzliche Anbindung? Müller (Sick): In einer immer komplexer werdenden Welt werden die Aufgaben der Sensoren innerhalb der Produktionsprozesse vielfältiger. In der zukünftigen Struktur von Edge und Cloud sind intelligente Sensoren wie auch intelligente Antriebssteuerungen gleichberechtigte Teile in der Automatisierungspyramide. Die intelligente Verarbeitung von Rohdaten in Informationen für die übergeordneten Systeme bedarf einer applikationsspezifischen Software im intelligenten Sensor. Dazu bieten wir das Engineering Tool AppSpace an, das diese Aufgabe übernimmt. Wienzek (ifm): Die heutige Software der Steuerungsanbieter hat primär drei Aufgaben: Programmierung der Logikfunktionen, Konfiguration der Hardware und Prozessvisualisierung. Der Aspekt der Datensammlung und Analyse war bisher eher spärlich oder gar nicht vorhanden. Wir als Sensorhersteller mit besonderem Fokus auf Smarte Sensoren haben das Bedürfnis, die zusätzlichen Diagnose- Informationen unserer Geräte auszuwerten. Hierfür ist die SPS sicher nicht der optimale Ort, daher entwickeln wir durchgängige Softwareprodukte zur schnellen Inbetriebnahme, Diagnose und Wartung, die unabhängig offline arbeiten. In einem zweiten Schritt werden diese Produkte mit demselben Look-and-feel in der Cloud abgebildet. Die ersten beiden Tools bilden die Sensorparametrierung und die Maschinendatenauswertung ab. Hierbei ist IO-Link die Schnittstelle der Wahl, da sie bei ifm für die meisten Sensoren preisgleich angeboten wird und somit keine zusätzlichen Kosten entstehen. Weitere Software-Tools bilden Applikationslösungen für z. B. Lüfter, Pumpen oder Pressen ab. Büchler (Balluff): Balluff legt seit längerem schon einen stärkeren Fokus auf Software, um noch besser ganzheitliche Automatisierungslösungen aus einer Hand zu liefern. Deshalb hat unser Unternehmen 2017 auch das Stuttgarter Softwareunternehmen iss innovative software services in die Gruppe integriert. Dieses Know-how hilft uns, die großen Wachstumschancen der Digitalisierung noch besser und schneller zu nutzen und unser Portfolio sowohl im Bereich der Hardware als auch der Software zu erweitern. So können wir unseren Kunden neben den passenden Tools für die Sensoren auch die Software für die Verarbeitung und Analyse von Messwerten anbieten. Mit ihr lassen sich dann zusätzlich zu den eigentlichen Prozessdaten weitere Mehrwertdaten z.B. für das Asset Management, Condition Monitoring und vieles mehr generieren wie z.B. bei dem neuesten optischen Sensor BOS21 ADCAP von Balluff. Dies kann auf vielerlei Weise erfolgen. Einerseits lassen sich unsere Produkte ohne zusätzliche Tools sehr einfach direkt in verschiedenste Software-Tools von SPS- und Tool- Herstellern integrieren, wodurch eine separate Applikation für die Parametrierung, Diagnose etc. überflüssig wird. Andererseits bieten wir für diese Aufgaben aber auch eigene, maßgeschneiderte Tools und Webserver an. Unsere Kunden können somit zwischen verschiedenen Lösungen wählen, was sie sehr schätzen. Baumgart (Leuze): Unser Ziel ist schon immer, unsere Sensoren möglichst einfach, aber mit voller Funktionalität in die Automatisierungslösungen unserer Kunden integrieren zu können. Subsummiert unter dem Schlagwort ‚smarter product usability‘ entwickeln wir vor allem unsere Gerätesoftware mit größtem Fokus auf hohe Verfügbarkeit und einfache Bedienung. Beide Themen entwickeln sich aktuell aus dem Gerät heraus hin zu vernetzten Applikationen. Sei es ein Condition Monitoring, das anlagenübergreifend die Sensoren beob- K|E|M Konstruktion 06 2018 31

KEM Konstruktion