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KEM Konstruktion Automobilkonstruktion 02.2017

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Themenschwerpunkte: Fahrerassistenz, Elektromobilität, Antrieb, Fahrwerk, Karosserie, Produktion, Testen; KEM Porträt: Prof. Dr. André Thess, Institutsdirektor DLR; KEM Perspektiven: Herstellerallianz bei ganzheitlichen Testsystemen für autonome Fahrzeuge

MAGAZIN PORTRÄT

MAGAZIN PORTRÄT PORTRÄT Bild: DLR/F. Eppler Hauptstadtflughafen oder einem schwäbischen Bahnhof, geschweige denn beim Umbau eines hochkomplexen volkswirtschaftlichen Energiesystems. Ich gehöre zur Gruppe derer, die sich sicher sind, dass wir am besten mit Marktmechanismen einen großflächigen Wandel des Energiesystems hinbekommen. Ein preiswerter Mechanismus zur CO 2 -Vermeidung wäre beispielsweise die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen wie der Entfernungspauschale. Ich selbst bin auch gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Ich war jedoch überrascht, als sich kürzlich bei einer spontanen Umfrage nach meinem Vortrag in einer schwäbischen Kleinstadt 50 Prozent der Zuhörer für ein Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen aussprachen. KEM Konstruktion: Wie sähen denn Randbedingungen für Sie aus, um unsere Rohstoffversorgung zu dekarbonisieren? Thess: Eines möchte ich vorausschicken: Der Verbrennungsmotor – ein beliebtes Feindbild jüngerer Energiedebatten – ist weder gut noch schlecht. Die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen beeinflusst das Klima nämlich nur dann, wenn die Kohlenwasserstoffe aus fossilen Energieträgern kommen. Wenn man „Ich bin der Meinung, dass in einer Marktwirtschaft der Staat nicht vorgeben soll, mit welchen Motoren die Bürger ihre Autos zu betreiben haben.“ Prof. André Thess, Direktor des Instituts für Technische Thermo - dynamik, DLR, Stuttgart Thess: Gern! Wenn sich Reiner Calmund ein Buch ‚Trainingspläne für Marathonläufer‘ zulegt, kann er genau nachschauen, wie er trainieren muss, um nach einem Jahr den Marathon in vier Stunden zurückzulegen. Das wäzung ein klimapolitisch fragwürdiges Signal an die Weltgemeinschaft. KEM Konstruktion: Subventionen sind für Sie ein rotes Tuch? Thess: Zeitlich begrenzte Subventionen können einer innovativen Technologie durchaus auf die Sprünge helfen. Doch funktioniert die Marktwirtschaft nach meiner Einschätzung grundsätzlich besser als staatliche Planwirtschaft und Dauersubventionen. Telefon- und Kursbücher sind ja nicht deswegen verschwunden, weil der Staat sie verboten oder Smartphones subventioniert hat. Sie verschwanden ganz einfach deshalb, weil diese Dienstleitungen durch das Mobiltelefon preiswerter, aktueller und exakter angeboten werden. Wenn wir marktwirtschaftliche Mechanismen aktivieren, die fossilen Energieträ- Verbrennungsmotoren mit erneuerbaren Treibstoffen betreibt, gibt es das Problem der zusätzlichen CO 2 -Emission nicht. Am Institut für Technische Thermodynamik erforschen wir, wie man Benzin aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen kann. Allerdings ist das gegenwärtig noch wesentlich teurer als herkömmlich produzierte fossile Treibstoffe. Was die Randbedingungen angeht, nützen deutsche Sonderwege nichts. Wir sollten bei der Dekarbonisierung europaweit vorgehen. Außerdem sollten wir Deutschen uns von klimaschädlichen Subventionen trennen. Die Entfernungspauschale habe ich bereits erwähnt. Der Kohleabbau in Deutschland wird heute noch subventioniert – nach meiner Einschätger entsprechend ihren tatsächlichen Kosten durch CO 2 -Zertifikate oder Steuern verteuern und gleichzeitig dafür sorgen, dass erneuerbare Energien durch Forschung und Entwicklung preiswerter werden, wird ein Kohlekraftwerk bald genauso obsolet wie das Telefonbuch. KEM Konstruktion: Bis wann können wir unser Energiesystem denn nachhaltig umstellen? Thess: Ich bin davon überzeugt, dass wir Wissenschaftler das Energiesystem des Jahres 2050 nicht im Einzelnen vorhersagen können. Was wir jedoch vorhersehen können, sind die technologischen Entwicklungen der nächsten fünf bis zehn Jahre. Der Preis für Batterien der gleichen Leistung wird sich in dieser Zeit vermutlich halbieren. Und wir können vorhersehen, dass neue leistungsstarke Energiespeicher, zum Beispiel Druckluftspeicherkraftwerke, dann nicht mehr teurer sind als ein Pumpspeicherwerk. Doch ein fundamentaler Wandel in unserem Energiesystem lässt sich aus solchen Einzelentwicklungen erst dann ableiten, wenn all die innovativen Technologien zusammenspielen KEM Konstruktion: Was ist dann von Wissenschaftlern zu halten, die Szenarien für 2050 entwickeln? Betreiben sie Kaffeesatzleserei? Thess: Energieszenarien für 2050 sind ein wichtiges Instrument der Energieforschung, welches auch wir benutzen. Man darf ihren Urhebern nicht den Vorwurf machen, unse - riös zu arbeiten. Kritisieren könnte man allenfalls, dass wir Energieforscher zuweilen nicht verständlich genug an die Bevölkerung kommuniziert haben, was ein Szenario eigentlich ist. Hier handelt es sich keineswegs um eine Vorhersage, sondern um eine Zielvorstellung und ihre Konsequenzen. Ein Szenario macht keine Aussage darüber, ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird. KEM Konstruktion: Geht das etwas verständlicher? 16 K|E|M Konstruktion Automobilkonstruktion 02 2017

PORTRÄT MAGAZIN PORTRÄT P Zum Institut INFO Das Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart forscht mit über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Gebiet effizienter und ressourcenschonender Energiespeicher und Energiewandlungstechnologien der nächsten Generation. Weitere Forschungsstätten sind in Köln-Porz, Ulm und Hamburg beheimatet. Das Spektrum der Arbeiten reicht von theoretischen Studien über grundlagenorientierte Laborarbeiten bis zum Betrieb von Pilotan - lagen. Experimentelle und theoretische Untersuchungen werden von systemanalytischen Studien begleitet. Sie analysieren das zugehörige technologische, ökologische und wirtschaftliche Potenzial und stellen sie mit Hilfe von Szenarien in einen größeren, energiewirtschaftlich orientierten Gesamtzusammenhang. Zusätzlich zu den Kernaktivitäten im DLR-Geschäftsfeld Energie bearbeitet das Institut ausgewählte Themen aus den Geschäftsfeldern ‚Luftfahrt‘ und ‚Verkehr‘ und bringt dadurch seine Kompetenzen schwerpunktsübergreifend in die Arbeitsgebiete des DLR ein. Es besteht eine enge Vernetzung mit der Universität Stuttgart – insbesondere mit dem Hochschulinstitut für Energiespeicherung – und dem Helmholtz Institut Ulm (HIU) an der Universität Ulm. www.dlr.de/tt re das Szenario. Ob er das dann trotz seines Körpergewichts und seiner Liebe zu gutem Essen auch schafft, steht auf einem anderen Blatt. Unsere Gesellschaft ist süchtig nach fossilen Energieträgern. Es lässt sich berechnen, was wir tun müssten, um davon loszukommen. Doch ob wir die Sucht wirklich loswerden und zu welchem Preis, können wir heute nur in Ansätzen sagen. KEM Konstruktion: Bereits Anfang 2016 hatten wir Sie schon einmal zum Stand der Energiewende befragt und Sie antworteten: ‚National ist gut, doch das reicht nicht. Wir müssen Maßnahmen rund um den Globus ergreifen.‘ Inzwischen haben die Briten beschlossen, die EU zu verlassen und in den USA regiert Donald Trump. Kann das noch funktionieren? Thess: Der Prozess, der mit der Klimakonferenz von Paris 2015 begonnen wurde, bleibt prinzipiell richtig. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn einzelne Nationen aus diesem Konzept aussteigen, sollten wir uns nicht entmutigen lassen. Langfristig wird sich die Überzeugung durchsetzen, dass man weltweit Klimaschutz betreiben muss. KEM Konstruktion: Bleibt uns denn noch die Zeit für eine längerfristige Umsetzung? Thess: Ich glaube nicht, dass man auf diese beliebte Suggestivfrage eine sinnvolle Antwort geben kann. Ich gehe anders heran und sage: Erstens müssen wir Klimaschutz betreiben und Maßnahmen aktivieren, die technologisch auch möglich sind. Zweitens muss sich jeder Staat darüber klar werden, wie viel Prozent vom Bruttosozialprodukt er dafür investieren will. Klar ist für mich aber auch: Wirksamer Klimaschutz wird teuer. co www.dlr.de/tt Details und ein Video zur Herstellung CO 2 -neutraler Brennstoffe mit erneuerbaren Energien, insbesondere Sonnenenergie: http://hier.pro/vgTzB

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