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KEM Konstruktion Systems Engineering 01.2017

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Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Eplan- und Cideon-Chef Maximilian Brandl, Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und Eplan-Serviceleiter Bernd Schewior erläutern Details zum Syngineer; KEM Perspektiven: Das Internet of Production für agile Unternehmen

MENSCHEN & UNTERNEHMEN

MENSCHEN & UNTERNEHMEN KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG Im Interview: Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaft Acatech „Radikale Veränderungen erfordern fundamentale neue Kompetenzen“ Deutschlands moderner industrieller Kern garantiert Arbeitsplätze, meint Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaft Acatech. Damit das so bleibt, seien Kooperationen von großer Bedeutung, insbesondere auch beim Thema Industrie 4.0. Wichtig dabei: Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollten vertreten sein. Interview: Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor für Sonderprojekte in der Konradin Mediengruppe Bild: Acatech/D. Ausserhofer KEM Konstruktion: Prof. Kagermann, was verändert sich durch den Wandel, den wir in Deutschland unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ diskutieren? Kagermann: Bei den Firmen entsteht der Bedarf nach Kompetenzen und Kooperationen, die sie bisher nicht hatten. Beispielsweise wird Künstliche Intelligenz (KI) plötzlich überall nachgefragt. Geht es lediglich um inkrementelle Innovationen – also um Innovationen, basierend auf bestehenden Produkten –, brauchen die Firmen die Wissenschaft oft nicht. Gibt es aber radikale Veränderungen, benötigen sie fundamentale neue Kompetenzen, die häufig nur in wissenschaftlichen Instituten vorhanden sind. Durch solche Kooperationen Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie für Technik - wissenschaft Acatech „Schon heute lohnt sich die Ver - lagerung von Arbeit an Billiglohnstandorte immer weniger. Industrie 4.0 führt – wenn wir sie konsequent angehen – dazu, dass noch mehr Produktion zurückgeholt wird.“ 16 K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Systems Engineering 01 2017

KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG MENSCHEN & UNTERNEHMEN gewinnen Unternehmen auch neue Mitarbeiter mit der entsprechenden Expertise. KEM Konstruktion: Welche Rolle spielen dabei Zusammenschlüsse wie die Plattform Industrie 4.0? Kagermann: Wichtig ist, dass Konsortien gebildet werden, in denen nicht nur die Großindustrie, sondern auch der Mittelstand vertreten sind. Eine Kooperation allein zwischen wissenschaftlicher Exzellenz und Topfirmen, aber ohne mittelständische Unternehmen, würde eine tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft außer Acht lassen. Auch wird es immer stärker auf leistungsfähige Geschäftsmodell-Ökosysteme ankommen, in denen kleinere und größere Unternehmen kooperieren. Daneben ist es wichtig, gemeinsam mit Verbänden Bewusstsein für den Wandel in der Wirtschaft zu schaffen. Und dann braucht man natürlich die Politik. Auf diese Weise haben wir bereits 2013 das Thema Industrie 4.0 bekannt gemacht. Auf der Hannover Messe haben wir die grundlegende Studie zum Thema an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Zugleich nahmen die Verbände das Thema auf und gründeten die Plattform Industrie 4.0, die heute auch politisch auf höchster Ebene begleitet wird. Der Transfer in den Mittelstand beschäftigt uns bis heute. Deshalb haben wir in diesem Jahr einen Online-Kurs „Hands-on Industrie 4.0“ angeboten. Er gibt leicht zugänglich einen Überblick über das Konzept, seine Anwendungen und Herausforderungen. KEM Konstruktion: Mit welchem Erfolg? Kagermann: Wir hatten fast 8000 Kursteilnehmer. Zwei Drittel davon kamen aus Unternehmen. Die Kursmodule sind kostenfrei, auf Deutsch und von überall über das Internet verfügbar. Der Zuspruch hat uns ermutigt, deshalb starten wir bald einen zweiten Kurs – über maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. KEM Konstruktion: Welche Rolle spielten Kooperationen in Ihrem Berufsleben? Kagermann: Ich habe durch Kooperieren nur dazugelernt. Wer als Theoretischer Physiker wie ich zur SAP kommt und nicht kooperiert, Zur Person INFO Henning Kagermann ist seit Juni 2009 einer der beiden Präsidenten der Deutschen Akademie für Technikwissenschaft Acatech und leitet seit 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität. 1975 promovierte Kagermann (*1947) in Physik und habilitierte sich fünf Jahre später für Theoretische Physik an der TU Braunschweig, wo er anschließend zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde. Von 1982 bis 2009 arbeitete er bei der SAP AG, ab 1991 als Vorstand. Kagermann gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der „Deutschland AG“. Er leitet auch den Innovationsdialog zwischen Bunderegierung, Wirtschaft und Wissenschaft. hat keine Chance. Ich habe anfangs betriebswirtschaftliche Software mitentwickelt. Und wo lernt man, wo der Schuh drückt? Nur beim Kunden. Also: Nach Möglichkeit nichts allein im Kämmerlein entwickeln, sondern immer im Team und am Markt! Von der Philosophie, das eigene Know-how nach außen abzuschotten, halte ich wenig. Wer gut ist und zuversichtlich, dass er schneller als die Konkurrenten unterwegs ist, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass ihm andere die Butter vom Brot nehmen. KEM Konstruktion: Sie hatten die Wichtigkeit der Kooperationen von kleinen und mittelständischen Unternehmen mit der Wissenschaft genannt. Wie beurteilen Sie denn den Stand dieser Kooperationen? Kagermann: Die Zusammenarbeit ist bereits besser als in früheren Jahren. Dafür ausschlaggebend sind zwei Sachverhalte: Zum einen hat die Bundesregierung mit Instrumenten wie dem Forschungs- Campus neue Anknüpfungspunkte für längerfristige und partnerschaftliche Zusammenarbeit geschaffen. Durch den Forschungs- Campus, der vor rund zwei Jahren initiiert wurde, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF das Engagement der Wirtschaft bei Wissenschaftseinrichtungen bis zu 15 Jahre lang. Rund 100 Unternehmen haben sich für die neun ausgeschriebenen Forschungs-Campi beworben. Die Auserwählten werden wohl ein Vielfaches von dem investieren, was sie von staatlicher Seite an Förderung erhalten. Das zeigt: Firmen sind inzwischen bereit, sich auf langfristige Forschungsprojekte festzulegen. Andererseits zeigt unser aktueller Innovationsindikator, dass die Teilhabe von kleinen und mittelständischen Unternehmen am Innovationssystem ein vordringliches Thema bleibt. KEM Konstruktion: Warum braucht es eine so lange Förder - periode? Kagermann: Ich will das am Beispiel des Leichtbaus veranschaulichen. Den weiterzuentwickeln, ist schon lange das Ziel vieler Unternehmen. Doch wenn man verschiedene Materialien gleichzeitig und in einem Schritt bearbeiten möchte, weil das Ressourcen und Kosten spart, müssen die wissenschaftlichen Grundlagen erst einmal geschaffen und dann an die wirtschaftliche Anwendung herangeführt werden. Ein anderes Beispiel ist der Themenbereich „Big Data“: Dort gibt es eine enge Kooperation zwischen Top-Mathematikern der Wissenschaft und Firmen, die an Netzoptimierungen arbeiten, die für vielerlei Infrastrukturen relevant sind – etwa das Bahnnetz oder Gasnetze. Die Firmen erhalten zwar viele Daten über ihre Netze, aber sie kennen noch nicht die besten mathematischen Methoden, sie auszuwerten und auf dieser Basis die Netze zu optimieren. Um von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung zu kommen, muss man Kooperationen dauerhaft anlegen. KEM Konstruktion: Kommen wir zurück auf das Thema KI – wird sich die derzeit gute Beschäftigungssituation in Deutschland durch die massive Integration von KI verschlechtern? Kagermann: Ich glaube nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Wenn wir die neuen Methoden und die sich daraus ergebenden Chancen nutzen, verbessern wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Systems Engineering 01 2017 17

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