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mav 01.2022

04 Qualitätssicherung

04 Qualitätssicherung Bild 3: Konzept eines neuen sensorischen Festwalzwerkzeugs. Bild: IFW rekonstruierte Kraft für geringe Zustellungen unterhalb, bei größeren Zustellungen hingegen oberhalb der gemessenen Kraft. Somit weist die Abweichung zwischen der gemessenen und der rekonstruierten Festwalznormalkraft keine Proportionalität zur Zustellung (a) auf. Aufgrund der fehlenden Proportionalität ist eine Kompensation der auftretenden Abweichungen und damit auch die Rekonstruktion der Festwalznormalkraft nicht möglich. Neben der unzureichenden Genauigkeit besteht ein weiterer Nachteil der Kraftrekonstruktion darin, dass zu jedem Zeitpunkt die exakte Richtung der Festwalznormalkraft bekannt sein muss. Insgesamt ist das digitale Werkzeug daher für die Erfassung der mehrachsig wirkenden Walznormalkraft nur bedingt geeignet. Der reale Kraftwert kann nicht bestimmt werden, eine gleichbleibende Prozessführung kann jedoch mit dem bestehenden Konzept bereits heute erreicht werden. Zweiachsige Kraftmessung mittels direkt integrierter DMS Um die Genauigkeit bei der mehrachsigen Kraftmessung zu verbessern, ist die Entwicklung eines neuartigen sensorischen Werkzeugs notwendig. Dieses Werkzeug wird durch eine intelligente Platzierung von Dehnungsmessstreifen (DMS) und Beschleunigungssensoren zur mehrachsigen Kraft- und Schwingungsmessung befähigt. Die Platzierung von DMS an Maschinenkomponenten zur Ermittlung von Prozesskräften konnte in unterschiedlichen Arbeiten gezeigt werden [BOUJ19, DENK20]. So wurden bereits Spannsysteme oder Spindelschlitten mit DMS ausgestattet. Diese Maschinenkomponenten wurden in der Regel für eine hohe Steifigkeit optimiert, so dass die auftretenden Dehnungen gering sind. Da DMS Dehnungen erfassen, wird die Struktur häufig zur Steigerung der Sensitivität durch Kerben geschwächt, wodurch eine Dehnungsüberhöhung im Kerbgrund erreicht wird. Die Anforderung ist dabei, die Schwächung der Bauteile möglichst gering zu halten. Festwalzwerkzeuge weisen hingegen einen gewünscht hohen Federweg von ca. 2 mm auf. Eine hohe Steifigkeit ist somit verhältnismäßig unbedeutend. Stattdessen sind hohe lokale und kraftrichtungsabhängige Dehnungen von höherer Wichtigkeit, um eine gute Messbarkeit der Festwalznormalkraft zu erreichen. Ähnlich verhält es sich bei der Entwicklung von Wägezellen. Dort steht ebenfalls die bestmögliche Messbarkeit der Kräfte im Vordergrund, so dass Wägezellen als Vorbild für den Halter des Festwalzwerkzeuges dienen können. Wägezellen erreichen ihre hohe Kraftsensitivität, indem sie aus Biegebalken, die gezielt geschwächt werden, aufgebaut sind. Das Konzept der geschwächten Biegebalken wird auch für den Halter des neuen Festwalzwerkzeugs genutzt. Dafür wird ein Hohlraum („DMS-Box“) im Werkzeughalter geschaffen, dessen Wände als Biegebalken fungieren (Bild 3). Um eine Kraftbestimmung in zwei Achsen zu ermöglichen, werden die DMS auf zwei Wänden der „DMS-Box“ platziert, die jeweils bei einer Kraftrichtung eine hohe Biegung erfahren. Die Platzierung der DMS innerhalb der „DMS-Box“ bietet außerdem Schutz vor mechanischen Beschädigungen oder Kühlschmierstoff und ermöglicht eine direkte Integration der Elektronik. Durch die Verstärkung und Digitalisierung der Messwerte im Werkzeug können die analogen Signalwege kurz gehalten werden, sodass Störungen reduziert werden. Die Übertragung der digitalen Daten erfolgt dann benutzerfreundlich über Bluetooth. Zusätzlich wird ein Beschleunigungssensor im Werkzeug integriert, um 68 Februar 2022

Schwingungen zu erkennen, die zum Beispiel auf einen Verschleiß der Walzrolle hindeuten. Das gezeigte Konzept wurde in einer FEM-Simula - tion auf seine Eignung hin überprüft. Dafür wurden in der Simulation verschiedene Kräfte auf das virtuelle Werkzeug aufgebracht, die Dehnungen an den Positionen der DMS wurden ausgewertet. Es konnte nachgewiesen werden, dass die DMS-Signale eine starke Abhängigkeit von der Belastungsrichtung aufweisen, sodass eine exakte Bestimmung der Kraftrichtung möglich ist. Außerdem wurde eine hohe mechanische Sensitivität von ca. 250 μm/m·kN ermittelt. Im nächsten Schritt wird das Konzept des Werkzeughalters in der Praxis auf seine sensorischen Eigenschaften hin untersucht und die Signalelektronik wird entworfen. Mit dem Werkzeug kann dann die Prozessüberwachung und -regelung für das mechanische Festwalzen realisiert werden. Danksagung Das Kooperationsprojekt „Prozessüberwachtes und geregeltes mechanisches Festwalzen“ (ZF4810001LP9 + ZF4070523LP9) wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) gefördert und von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) betreut. Die MCU GmbH und das IFW bedanken sich für die finanzielle Unterstützung in diesem Projekt. ■ Institut für Fertigungstechnik und Werkzeug - maschinen (IFW), Leibniz Universität Hannover www.ifw.uni-hannover.de Literaturangaben [MAIS19] Maiß, O.: Lebensdauererhöhung von Wälzlagern durch mechanische Bearbeitung. Leibniz Universität Hannover, Dr.-Ing. Dissertation, Hannover, 2019. [GÜNE06] Güney, S.: Spitzen abgebaut. Glatt- und Festwalzen sind Alternativen zu abtragenden Verfahren der Metallbearbeitung. https://www.maschinenmarkt.vogel.de/spitzen-abge baut-a-18933/, abgerufen am 08.09.2021, 2006. [BOUJ19] Boujnah, H.: Kraftsensitiver Spindelschlitten zur Online- Detektion und Kompensation der Werkzeugabdrängung in der Fräsbearbeitung. Leibniz Universität Hannover, Dr.-Ing. Dissertation, Hannover, 2019. [DENK20] Denkena, B.; Bergmann, B.; Kiesner, J.: Spannköpfe überwachen sich selbst, Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 115/1-2, S. 74-76 Form, Durchmesser und Oberfläche in einem System messen Flexible Messgeräte für Messraum und Fertigung ■■■■■■ In der Oberflächen-, Kontur- und Formmessung arbeitet Zeiss mit dem japanischen Messgerätehersteller Accretech zusammen. Die neuen Formmessgeräte der Baureihe Rondcom Nex X, die Form, Durchmesser und Oberfläche gleichzeitig hochgenau messen können, hat Accretech so gestaltet, dass sie für vielfältige Messaufgaben geeignet und nachrüstbar sind. Neue Features wie ein Potentiometer und der Auto Force Detector machen das Messen deutlich effizienter. Die Gerätereihe im innovativen Design ist konsequent modular in einem Baukastensystem aufgebaut. Der Kunde kann aus einer Vielzahl an Varianten das System für seine individuelle Anforderung konfigurieren. Auch kann er die Formtester zunächst als manuelle Version erwerben, später dann aber zur CNC-Version umrüsten lassen, wenn ein höherer Automationsgrad gewünscht ist. Das gibt Investitionssicherheit und bietet eine hohe Flexibilität im Hinblick auf künftige Messaufgaben. Für eine Arbeitserleichterung und eine höhere Effizienz bei der Messung von Formtoleranzen sorgt der neu entwickelte Tastkopf Auto Force Detector (AFD). Damit werden die Messrichtung und die jeweils notwendige Messkraft automatisch eingestellt, sodass der Bediener weniger eingreifen muss. Große Vorteile hinsichtlich Effizienz und Sicherheit beim Messen bietet auch ein Potentiometer zur Kontrolle der Fahrgeschwindigkeit der Formtester. Potentiometer sind bislang vor allem von Koordinatenmessgeräten bekannt. Innerhalb der Baureihe sind Formmessgeräte für den Messraum und für die Fertigungsumgebung verfügbar. ■ Zeiss Industrial Quality Solutions www.zeiss.de Die Rondcom-Nex- Geräte messen Form, Durchmesser und Oberfläche in einem System. Bild: Zeiss Februar 2022 69

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