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mav 04.2020

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Promotion mav Innovationsforum 2020 ▶ SPANENDE FERTIGUNG IN LUFTFAHRT UND LAGERINDUSTRIE Neue Aspekte bei der Anwendung von Schneidkeramik und PCBN Hohe Produktivität in der spanenden Fertigung von Hochleistungsbauteilen, in der Luftfahrt wie auch in der Lagerindustrie fordert neben einer optimalen Bearbeitungsgeschwindigkeit eine hohe Fertigungssicherheit und Reproduzierbarkeit der Produktionsergebnisse. Die Anpassung von Schneidstoffkonzepten und Bearbeitungsstrategien an die jeweiligen Gegebenheiten garantiert die Erfüllung dieser Anforderungen und optimiert die Fertigungskosten. Abbildung 1: Gehäuse aus Inconel 718. Der Autor Johannes Schneider, Senior Manager Produktmanagement Cutting Tools, CeramTec GmbH. Im Segment des Flugzeug- und Gasturbinenbaus zählen die HRSA-Superlegierungen (Heat Resistant Super Alloys) zu den bevorzugten Werkstoffen für Bauteile im „Heißteil“ der Turbine. Sie garantieren die Betriebssicherheit der Turbine bei extrem hohen Temperaturen, Drücken und Strahl - geschwindigkeiten. Turbinenscheiben, Räder, Wellen und Schaufeln werden aus solchen hoch nickelhaltigen Werkstoffen gefertigt. Die spezifischen Eigenschaften der HRSA-Werkstoffe – hohe Härte und Festigkeit bei extremen Einsatztemperaturen – führen zu besonders hohen mechanischen und thermischen Belastungen des Schneidstoffes während der Bearbeitung. Harte Karbide im Werkstoff wirken zusätzlich abrasiv. Eine während der Bearbeitung eintretende Kaltverfestigung der Werkstoffe kann sich in der Ausbildung eines ausgeprägten Kerbverschleißes äußern. Die Zerspanung von HRSA-Werkstoffen ist demzufolge durch ein stark beanspruchendes Einsatzverhalten gekennzeichnet. Diesem begegnet man in der Praxis durch die Auswahl geeigneter Schneidstoffe und Werkzeugsysteme. Wirtschaftliche Alternative Bild: Ceramtec Neben den SiC-whiskerverstärkten Keramiken konnten sich Si - AlON-Schneidstoffe in bestimmten Anwendungssegmenten als wirtschaftliche Alternative etablieren. Sie zeichnen sich durch eine spezifische Gefügestruktur aus: Neben den stängelförmigen β-Si - AlON-Körnern (verantwortlich für die Zähigkeit) liegt auch eine globulare α-Modifikation vor, die sich durch eine deutlich höhere Härte auszeichnet. Über das α-/β-Verhältnis kann das Eigenschaftsprofil des SiAlON-Schneidstoffs eingestellt werden. Der Herstellprozess selbst kann das Einsatzverhalten von α-/β-Si - AlON zusätzlich positiv beeinflussen, indem er eine besonders harte und verschleißfeste Oberfläche mit einem zähen Kern der Wendeschneidplatte kombiniert. Neue Entwicklungsgenerationen von SiAlON-Schneidstoffen erreichen eine weiter gesteigerte Verschleißfestigkeit beim Drehen von Inconel 718. Die Schneidstoffe zeigen ihre Einsatzvorteile insbesondere beim Schruppen und Semi-Schlichten qualitativ hochwertiger Schmiedeteile mit gleichförmigem Aufmaß oder von vorbearbeiteten Ober - flächen. Typische Bearbeitungsdaten für das Drehen von HRSA-Werkstoffen mit SiAlON-Schneidstoffen liegen im Schnittgeschwindigkeitsbereich vc = 150–300 m/min; Vorschübe f = 0,08–0,20 mm und Schnitttiefen bis ca. ap = 2,5 mm. Die im speziellen Fall einzustellenden Schnittdaten werden schließlich durch die Art des HRSA- Werkstoffes, die vorliegende Bauteilgeometrie und die gegebene Bearbeitungsaufgabe bestimmt. Sechsfache Schnittgeschwindigkeit Im Vergleich zu Hartmetall können SiAlON-Keramiken beim Drehen mit bis zur sechsfachen Schnittgeschwindigkeit eingesetzt und entsprechend gesteigerte Bearbeitungsgeschwindigkeiten realisiert werden. Dazu müssen allerdings auch die maschinentechnischen Voraussetzungen entsprechend erfüllt sein. Bei der Bearbeitung des gezeigten Gehäuses aus 94 April 2020

Promotion mav Innovationsforum 2020 Abildung 2: Konstruktiver Aufbau einer Hochdruck - kühlung. Inconel 718 (Abb. 1) wird eine RCGX090700 T01020-Schneidplatte der SiAlON-Sorte LST320 eingesetzt. Das Werkstück weist dabei große Bearbeitungslängen auf, die im glatten Schnitt am Innen- und Außendurchmesser zu bearbeiten und zur höheren Bearbeitungssicherheit in kürzere Segmente aufgeteilt sind. Die Schnittdaten liegen keramiktypisch bei vc = 250 m/min, der Vorschub bei f = 0,20 mm. Die Schnitttiefe beträgt circa ap = 1,5 mm. Die Bearbeitung von Turbinenbauteilen aus hoch nickelhaltigen Werkstoffen erfordert in der Regel die Zufuhr von Kühlschmiermittel. Abbildung 2 zeigt den konstruktiven Aufbau einer gerichteten Hochdruckkühlung, die gleichzeitig durch das Spannmittel und eine konstruktiv speziell gestaltete Unterlegplatte erfolgt. Die Realisierung dieser Einbauteile erfolgt durch eine additive Fertigung. Ausschließlich darüber können die komplexen Kühlkanalformen eingebracht werden. Das System ist ausgelegt für eine Zufuhr des Kühlmediums bis zu 260 bar. In der Praxis sind Eingangsdrücke in einer Größenordnung von 60–80 bar üblich. Ein weiterer Vorteil des Systems liegt in der Zielausrichtung des Kühlmittelstrahles direkt von oben und unten auf die Kontaktstelle. Neben der Wirkung des Kühlmittels zur Reduzierung der thermischen Belastung des Werkzeuges und des Schneidstoffes bietet sich die Möglichkeit, durch einen gerichteten Hochdruckstrahl einen kürzeren und damit besser beherrschbaren Spanbruch zu erzeugen. Verkürzte Prozesskette Bild: Ceramtec ser und anschließende Planflächen lassen sich beim Hartdrehen mit demselben Werkzeug und in der identischen Aufspannung auf der Drehmaschine komplett bearbeiten. Damit kann die gesamte Prozesskette verkürzt werden. Die Drehmaschinen müssen allerdings adäquate Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören z. B. eine hohe Positioniergenauigkeit, Steifigkeit, Dämpfung sowie eine hohe thermische Stabilität und Dauergenauigkeit der Maschine. Typische Hartdrehbauteile stellen Tellerräder, Antriebswellen, Kegelräder sowie Getrieberäder dar. Üblicherweise werden Einsatz- oder Vergütungsstähle mit Härten im Bereich 58 bis 62 HRC bearbeitet. Die Schnittgeschwindigkeiten werden in Abhängigkeit der Härte gewählt. Sie liegen im Bereich vc = 150–250 m/min. Das Hartdrehen wird als Endbearbeitungsverfahren gewählt, weshalb die Schnitttiefen im Finishbereich ap bis 0,5 mm liegen. Zusammen mit dem Eckenradius und dem Einstellwinkel bestimmen die Vor- Das Drehen von gehärteten Werkstücken hat sich in der Antriebstechnik in weiten Anwendungsgebieten durchsetzen können. In Abhängigkeit von der geforderten Oberflächengüte, Maß- und Lagetoleranzen des Werkstückes, der geometrischen Gestalt und der tatsächlich vorliegenden Bauteilhärte kann das Hartdrehen ein alternatives Schleifen ersetzen. Die grundsätzlichen Vorteile einer Anwendung des Hartfeindrehens liegen in einer höheren Flexibilität des Verfahrens: Wellendurchmesschübe die erreichbare Oberflächengüte wesentlich. Typische erzielbare Rauheitswerte liegen bei Ra = 0,5–0,8 μm. Als Schneidstoffe werden PCBN (niedrig CBNhaltig) oder Mischkeramiken eingesetzt. Definierte Auswahlstrategien berücksichtigen die wesentlichen Merkmale des Einsatzfalles und führen zu einer priorisierten Auswahlempfehlung. Hartdrehen in der Lagerindustrie In der Wälzlagerindustrie wird das Hartdrehen vorrangig eingesetzt, um das Schruppaufmaß vor einem finalen Schleifen der Laufbahnen zu verringern. Auf Sektionen, die keiner Wälzbelastung unterliegen, kann das Hartdrehen auch als finales Endbearbeitungsverfahren gewählt werden. Für Lager großer Abmessungen kann das Hartdrehen eine sehr interessante wirtschaftliche Perspektive aufzeigen. Hierzu zählt insbesondere auch die Anwendung neuer Bearbeitungsstrategien wie sie z. B. die Technologien „ziehender Schnitt“ bzw. „Brahmen“ darstellen. Der „ziehende Schnitt“ ist gekennzeichnet durch einen sehr kleinen Einstellwinkel, der einen speziellen Spanungsquerschnitt erzeugt und einen relativ großen Vorschub pro Umdrehung ermöglicht. Bei der Kombination „Brahmen und ziehender Schnitt“ wird mit derselben Werkzeugauslegung schräg eingestochen bis auf Endmaß und anschließend längs über die Bearbeitungslänge verfahren. Die beiden Technologien erfordern die gesamte Schneidkantenlänge und sind mit eckenbestückten Wendeschneidplatten nicht darstellbar. Für den Anwender eröffnen sie eine deutliche Verbesserung der Produktivität und erhöhen gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Bearbeitung, da auch längere Standzeiten bei höherer Prozesssicherheit erzielt werden können. ■ CeramTec GmbH www.ceramtec.de April 2020 95

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