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1-2022 REISE und PREISE

GUADELOUPE Typischer

GUADELOUPE Typischer Marktstand in Basse-Terre kolonisierten die Franzosen Guadeloupe und errichteten Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen, auf denen sie Sklaven aus Afrika schuften ließen. Erst 1848 wurde die Sklaverei in Frankreichs Kolonien endgültig abgeschafft. Insgesamt sollen in den 200 Jahren französischer Herrschaft knapp 300.000 Sklaven auf die Insel verschleppt worden sein. Heute stellen die Afrokariben, deren Vorfahren oft als Sklaven auf die Insel kamen, rund 90 Prozent der Bevölkerung. Aus Zuckerrohr wird heute hauptsächlich Rum gewonnen Noch immer lebt die Insel vom Anbau von Bananen und Zuckerrohr, aus dem jährlich rund 60.000 Tonnen Zucker und 80.000 Hektoliter Alkohol für Rum produziert werden. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Tourismus, überwiegend vom französischen Festland. »Früher kamen die Touristen vor allem wegen der Strände«, erzählt Taïna Tharsis. »Heute wollen sie unsere einmalige Natur erkunden.« Möglichkeiten dafür gibt es genug. Allein der große Nationalpark im Inneren von Basse-Terre bietet 300 Kilometer Wanderwege. Taïnas Vater stammt von Guadeloupe. Sie selbst ist in Frankreich aufgewachsen und verbrachte als Kind regelmäßig hier ihre Ferien. Nach ihrem Studium arbeitete sie in Frankreich, bis sie sich 2014 entschloss, stattdessen auf Guadeloupe Touren für Naturfreunde und Kulturinteressierte anzubieten. Von Saint-Claude, dem Ausgangspunkt für die Vulkantour, führt eine schmale Straße nach Trois-Rivières, einem weitläufigen Ort, in dem sich jahrhundertealte Felszeichnungen der Arawaken bewundern lassen. Von hier ist es nicht weit zur Grande Anse, einen langen, mit Palmen gesäumten dunklen Sandstrand. Auf dem Parkplatz verkauft eine Frau frisches Kokos-Sorbet, eine beliebte Süßigkeit. Gegenüber im Restaurant »La Cabane Créole« diskutiert der Besitzer Maher Bade mit seinen Freunden. Auf dem Tisch »Trotz enormer Subventionen ist das Verhältnis zum Mutterland bis heute schwierig geblieben« Fotos: Bärbel Schwertfeger, agefotostock/ Alamy, Arterra Picture Library/ Alamy, Claudio Bruni/ Alamy, imageBROKER/ Alamy, Pascale Gueret/ Alamy, Peter Schickert/ Alamy, Photononstop/ Alamy Insgesamt drei Wasserfälle gehören zu den Chutes du Carbet im Nationalpark auf Basse-Terre UNSERE AUTORIN EMPFIEHLT Relaxen auf den Îles des Saintes Zu den kleineren Inseln des Archipels gehören Marie-Galante, La Désirade – und die Îles des Saintes, neun hüglige Inselchen, von denen nur zwei bewohnt sind: Terre-de-Haut und das noch ruhigere Terre-de-Bas. Nur eine halbe Stunde braucht die Fähre von Trois-Rivières nach Terre-de-Haut mit seinen malerischen und bunten Häusern. Erkunden lässt sich die Insel mit Golf-Wägelchen (ab € 50) oder E-Bike (ab € 25), aber auch zu Fuß. Allerdings geht es ständig bergauf und bergab. Ein Muss ist die Besichtigung des Fort Napoléon mit seinem Museum und dem atemberaubenden Blick über die Inseln. Strandliebhaber kommen am Plage Pompierre auf ihre Kosten. Viele belassen es bei einem Tagesausflug, es lohnt sich aber, hier ein, zwei Nächte zu verbringen und die Atmosphäre zu genießen. Ein nettes Hotel mit Bungalows in der Nähe des Hauptortes Le Bourg, an der Anse Mire direkt am Meer, ist »Le Kanaoa« (hotelkanaoa. com, +590-590-995136, EZ/DZ mit Meerblick ab € 95/130 ÜF, Bungalow ab € 160 ÜF). Blick auf das verschlafene Dorf Deshaies 68 REISE-PREISE.de 1-2022

steht eine fast leere Flasche weißer Rum, Zucker und ein Teller mit Limetten-Spalten – die Zutaten für Ti Punch. Er habe den besten Planteur erfunden, erzählt er stolz und lädt mich zum Rum ein. In Paris habe sein Cocktail aus Früchten, Gewürzen und Rum sogar eine Medaille gewonnen. »Selbst in den Carrefour-Supermärkten findest du meinen Planteur«, schwärmt Maher. Nun möchte er ihn auch nach Deutschland exportieren. Ob ich ihm dabei nicht helfen könne. Fischerdörfer mit bunten Häusern und urigen Strandrestaurants Die Straße schlängelt sich in unzähligen Kurven über die Südspitze mit dem auf einem Felsvorsprung thronenden, windumtosten Leuchtturm bis nach Basse-Terre, der verschlafenen Verwaltungshauptstadt Guadeloupes mit Präfektur, Bischofssitz und Insel-Parlament. Noch bis in die 1950er Jahre litten die Bewohner der abgelegenen Süd- Weltweit für ihren Rum bekannt: die »Distillerie Bielle« auf der Insel Marie-Galante Ein Einheimischer schneidet Zuckerrohr für die Rum-Produktion westküste unter Armut und einer schlechten Gesundheitsversorgung. Als Bürgermeister von Bouillante kümmerte sich Raymond Guilliod fast 40 Jahre um die Verbesserung der Situation und den Erhalt der kreolischen Kultur. Nach seinem Rückzug aus der Politik erwarb er 1970 die ehemalige Kaffeeplantage Habitation l‘Oiseau in Vieux-Habitants. Heute führt seine Tochter Maryse Preira-Guilliod Besucher durch das fünf Hektar große Anwesen mit seinen uralten Mangobäumen. Die alte Kaffeemühle – La Bonifierie – ist noch erhalten. Das 1916 erbaute Holzhaus im kreolischen Kolonialstil ist heute ein kleines Gästehaus mit Originalmöbeln. Postkartenidylle bietet auch das Fischerdorf Deshaies mit seinen bunten Holzhäusern und lauschigen Strandrestaurants. Die meisten Besucher kommen wegen der nördlich gelegenen Strände der Goldküste. Der größte ist der über einen Kilometer lange, goldgelbe Plage Grande Anse. Weniger überlaufen, aber nicht minder traumhaft ist der Plage de la Perle. Traumstrand der kleinen Insel Îlet du Gosier PERFEKT GEPLANT MIT Ob Hotel, Flug, Mietwagen oder Pauschalreise. Wir weisen Ihnen den Weg zum günstigsten Anbieter. www.reise-preise.de/guadeloupe Die beliebtesten Strände liegen im Süden von Grande-Terre Nach der üppig-tropischen Natur wirkt Grande-Terre fast schon karg. Doch an der Südküste liegen die schönsten und beliebtesten Strände und Le Gosier, das Touristenzentrum Guadeloupes mit der vorgelagerten Îlet du Gosier. Karibische Bilderbuchmotive bietet Sainte-Anne mit seinem farbenfrohen Markt und dem flachen, von einem Korallenriff geschützten weißen Sandstrand am türkisblauen Meer. Gen Osten reiht sich ein Strand an den anderen bis nach Saint-François. Am östlichsten Punkt Guadeloupes, den vom rauen Atlantik umtosten Klippen von Pointe des Châteaux, wähnt man sich dann eher in der Bretagne als in der Karibik. Das gilt auch für die Nordspitze von Grande-Terre, wo sich vom Pointe de la Grande Vigie ein spektakulärer Blick über die 80 Meter hohe Steilküste eröffnet. Die Hauptstadt Pointe-à-Pitre ist erst einmal eine Enttäuschung. Auf der Fahrt ins Zentrum passiert man heruntergekommene und halb verfallene Betonbauten. Der PlaÇe de la Victoire, im Reiseführer als »die gute Stube der Stadt« bezeichnet, wirkt verwahrlost. Das alte Theater ist mit einem Blechzaun abgesperrt, die meisten Läden sind verrammelt, zwischen den Pflastersteinen wuchert das Gras. Ein Schmuckstück ist dagegen der Marché Saint-Antoine, auf dem vor allem selbst gemixte Rum-Cocktails, Gewürze, Früchte und allerlei Kitsch für die Kreuzfahrttouristen verkauft werden. Am Ufer gibt es einen kleinen Fischmarkt. Dahinter erhebt sich der futuristische Bau des MémorialACTe, des weltweit größten Museums zur Geschichte der Sklaverei. Seit dem World Kreoyl Art Festival 2019 hat sich Pointe-à-Pitre zudem zum Zentrum für Street Art gemausert. Im Viertel östlich des PlaÇe de la Victoire sorgte eine Initiative der Bewohner dafür, dass heute teils haushohe bunte Malereien zahlreiche Wände schmücken. In den Baulücken entstanden kleine Gärten und Treffpunkte mit Tischen aus alten Holzpaletten und Verkehrsschildern – und hier findet man auch einige der besten kreolischen Restaurants. Unverfälschte kreolische Musik gibt es jeden Samstagmittag in der Nähe des Marché Saint-Antoine bei einem Gwo-Ka-Konzert. Dicht gedrängt lassen sich die Zuschauer vom berauschenden Rhythmus mitreißen. Ab und zu stellt ein Passant oder eine Passantin die Einkaufstaschen ab und legt – angefeuert vom Publikum – eine Tanzeinlage hin. Lange Zeit war die öffentliche Aufführung der von Trommeln und einem Sprechgesang afrikanisch geprägten Musik aus der Sklavenzeit verboten. Erst ab 1970er Jahren wurde Gwo Ka zum musikalischen Soundtrack der Seele Guadeloupes und ist es noch heute. 1-2022 REISE-PREISE.de 69

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