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2015-1 REISE und PREISE

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FLUGROUTEN Der Abschuss

FLUGROUTEN Der Abschuss von MH 17 über der Ostukraine im vergangenen Juli hat Flug gästen in aller Welt einen Schock versetzt. Seitdem interessieren sich plötzlich auch Urlauber dafür, wie ihre Flug - route verläuft. REISE & PREISE hat nach geforscht. Geht’s etwa alternativ über Syrien und Irak? VON HANS-WERNER RODRIAN AUF UMWEGEN NACH ASIEN Ein ungutes Gefühl war schon immer dabei: Da saß man im Flieger und blickte auf dem Bildschirm vor sich auf wenig anheimelnde Ortsnamen: Donezk, Bagdad, Tripolis, Kabul. Aber wenigstens schwebte man ja 10.000 Meter über den Dingen und fühlte sich sicher. Mit dem Abschuss von MH17, als 298 unbeteiligte Menschen den Bürgerkrieg 10.000 Meter unter sich mit dem Leben bezahlten, hat sich das geändert. Pauschalurlauber fragen im Reisebüro nach der Strecke ihres Flugs in die Türkei, Fernreisende sorgen sich nicht nur um die Ukraine, sondern auch um das Kriegsgebiet der Terroristen des »Islamischen Staates«. Beide Gebiete sind ziemlich wichtig für den Flugverkehr: Die Ukraine liegt auf direktem Weg zwischen Mitteleuropa und Südostasien. Syrien und Irak bilden einen Riegel vor dem Arabischen Golf. So wird der direkte Weg von Europa nach Dubai, Oman, Abu Dhabi versperrt, zu den Home Bases der großen arabischen Fluggesellschaften. REISE & PREISE hat bei den Airlines nachgefragt: Wie haltet ihr’s denn jetzt mit euren Flugrouten? Weiter über die Ukraine? Die gute Nachricht: Alle internationalen Fluggesellschaften meiden nach der Katastrophe von MH17 die Lufträume über der Ostukraine und Syrien. Korean Air, Asiana, Qantasund Air Berlin leiteten ihre Maschinen bereits nach der Annexion der Krim durch Russland weiträumig um, Lufthansaund Emiratesreagierten erst nach dem Unglück: Eine Sperrung des Luftraums der Region gab es bis dahin nicht. Die Ukraine ist noch relativ leicht zu umgehen: Richtung Moskau und weiter nach Japan geht’s jetzt meist über Polen und Weißrussland, nach Indien und Thailand über Rumänien und die Türkei. Dort treffen die umgeleiteten Flieger allerdings auf die Maschinen, die Syrien umfliegen und reihen sich gemeinsam ein in einen schier endlosen Gänsemarsch um das irakische Eck bei Mossul. Dort wird es inzwischen eng. Ein Flugkapitän von Austrian Airlines erklärte im österreichischen Fernsehen: »Das riesige Syrien wirkt wie eine große Barriere. So bleibt als Einflugstor von Europa für Südasien als Hauptroute der Südosten Anatoliens über den Van-See und dann über iranisches Gebiet Richtung Dubai.« Alternativ versuchen es einige Airlines südlich über Israel, Jordanien und Saudi-Arabien. Bürgerkriegsgebiete werden von allen Airlines nicht überflogen – schließlich hat man eine Verantwortung gegenüber Passagieren und Mitarbeitern. Doch was ist ein Bürgerkriegsgebiet? Aktuell fliegen z.B. alle großen Airlines über Pakistan und Indien. Auch Thailand befindet sich streng genommen im Bürgerkrieg. Glaubt man den professionellen internationalen Sicherheitsdiensten, dann gibt es aktuell mehr als 40 Krisenregionen. Wer entscheidet eigentlich, wo es lang geht? Wer entscheidet, ob ein Luftraum gesperrt wird? Dazu haben die nationalen Luftfahrtbehörden den Luftraum in Flight Information Regions (FIRs) eingeteilt. In Europa geschieht das sehr feinziseliert, Deutschland wird z.B. von den drei 46 REISE & PREISE 1-2015

Kontrollzentren in Bremen, Langen und München koordiniert, dazu kommt übergreifend noch Eurocontrol in Brüssel. In Afrika gibt es dagegen nur im Westen und Süden echte Kontrollzentren, dazwischen liegen große Bereiche weißer Flächen. Und über den Meeren kümmern sich noch eine Weile die letzten Kontrollcenter, dann sind die Flugkapitäne auf sich gestellt. Offiziell verantwortlich bleibt stets die jeweilige nationale Luftfahrtbehörde. Auf Anfrage von REISE & PREISE antwortete z. B. Turkish Airlines: »Es gehört zur Verantwortung der Luftfahrtbehörde jedes Landes, die Risiken auf den von ihr verantworteten Luftraum zu bewerten und ggfs. Warnungen – sogenannte NOTAMs (Notices to Airmen, Nachrichten für die Luftfahrt) – auszustellen. Zonen, wo keine Sicherheits- NOTAMs ausgestellt sind, dürfen für die Fluggesellschaften als sicher gelten.« Allerdings hat selbst die ukrainische Behörde nur einen Teil ihres Luftraums gesperrt und das auch erst nach der Katastrophe. Die syrische Behörde hat offiziell bis heute nichts gesperrt. Kein Wunder: Damit müsste die Regierung ja auch zugeben, dass sie nicht mehr Herr der Lage ist. Und sie müsste auf lukrative Überfluggebühren verzichten. Syrien trotzdem nicht mehr zu überfliegen, entschieden die Airlines selbst. Sich allein auf die nationalen Luftfahrtbehörden zu verlassen, wäre ohnehin nicht möglich, denn die gibt es gar nicht überall. Über der Krim erklären sich aktuell drei Behörden zuständig: die russische, die ukrainische und Eurocontrol. Anderswo fehlen jegliche Luftfahrtbehörden – etwa in Zentralafrika. Auf der Landstrecke nach Südafrika z. B. fliegen die Flugkapitäne zwischen Algerien und Sambia nach denselben Regeln wie über dem offenen Meer. Überfluggebühren müssen aber natürlich trotzdem gezahlt werden... Mit einem Abschuss hat niemand gerechnet Auch für die Airlines tat sich das neue Gefahrenfeld offenbar erst mit der Katastrophe von MH17 auf: Ein Manager, der nicht genannt werden will, sagt: »Dass eine große Passagiermaschine aus 10.000 Meter Höhe durch Bürgerkriegs-Kämpfer vom Himmel geholt werden könnte, das hätte doch vor dem Ereignis niemand geglaubt.« Tony Tyler Generaldirektor der IATA (Internationale Luftverkehrs-Vereinigung) forderte nach der MH17-Katastrophe den Luftfahrtbehörden- Verband ICAO auf, »sicherzustellen, dass die Regierungen den Fluggesellschaften bessere Informationen zur Risikobewertungen bieten«. Tyler weiter: »Uns wurde gesagt, dass Ukraine- Überflüge in mehr als 32.000 Fuß keine Gefahr darstellten. Wir wissen jetzt, wie falsch diese Einschätzung war.« Wie ungelöst die Situation ist, zeigt das Beispiel Israel: Sogar während ihnen im Gazakrieg Kassam-Raketen um die Ohren flogen, erklärten die israelischen Behörden ihren Ben-Gurion- Flughafen in Tel Aviv als »uneingeschränkt sicher«. Die US-Luftfahrtbehörde untersagte den Airlines ihres Landes trotzdem, den Airport anzufliegen, Eurocontrol dagegen konnte sich nur zu einer »Empfehlung« durchringen. Präzise, konsistente und eindeutige Informationen sehen anders aus, moniert nicht nur IATA-Boss Tony Tyler. So müssen letztlich die Fluggesellschaften selbst entscheiden. Das bestätigt ein IATA-Sprecher: »Solange der Luftraum nicht gesperrt ist, liegt die Verantwortung, ob Flüge umgeleitet werden, allein bei der jeweiligen Airline.« Jede Fluggesellschaft hat dazu ihr eigenes Risikomanagement. Ein Sprecher von Cathay Pacific formuliert das so: »Es gibt einen fortlaufenden Prozess der Bewertung in Echtzeit, der sowohl interne als auch externe Parteien beinhaltet.« Und Turkish Airlines ergänzt: »Außerdem haben wir die Risikobewertung unserer Versicherungen zu berücksichtigen. Ein Flug, den unsere Versicherungsunternehmen nicht zulassen, findet nicht statt.« RATGEBER Auf diversen Webseiten kann man die aktuellen Positionen von Passagierflugzeugen in Echtzeit verfolgen (www.flightradar24.com, www.flight radars.eu/de_flugbewegungen.html). Dabei lässt sich gut beobachten, auf welchen Hauptrouten in Richtung Asien die Airlines aktuelle Krisengebiete wie Syrien, Irak, die Ostukraine und Afghanistan »umschiffen«. Das Gros der Flüge führt über Rumänien, das Schwarze Meer, die Türkei, den Iran und den Golf von Arabien in Richtung des Indischen Subkontinents. Weitere Routen in Richting Asien verlaufen über Bulgarien, die Türkei und Iran, von Istanbul in Richtung Ägypten sowie entlang der Adria übers Mittelmeer ebenfalls nach Ägypten und von dort weiter über Saudi Arabien gen Osten. Keine Airline legt sich auf die Route fest So weit, so gut. Doch wie kann man als Traveller erfahren, wie die eigene Route sein wird? Die Wahrheit ist: Man kann es nicht. Als Grund führen die Airlines zunächst mögliche Wetterkapriolen wie Monsun, Saharastaub oder Gewitterfronten an, die täglich neue Entscheidungen verlangen. Dahinter stecken aber –- gerade seit der Katastrophe von MH17 – zwei andere Aspekte: Sicherheit und Kosten. Niemand will mehr etwas veröffentlichen, was ihn zur Zielscheibe machen könnte. Und – möglichst noch kostenlosen – Umbuchungswünschen entgehen die Fluggesellschaften auch noch, wenn niemand weiß, wie er fliegen wird. Dabei sind die wahrscheinlichen Flugstrecken kein Geheimnis. Wer mag, der kann sie ständig in Echtzeit auf Webseiten wie flightra dar24.com verfolgen. ONLINE FLUGBEWEGUNGEN VERFOLGEN So umfliegen die Airlines Krisengebiete So funktioniert das Monitoring der Flugbewegungen Die Webdienste werten die Positionssignale aus, die fast jedes moderne Verkehrsflugzeug sekündlich aussendet. Die Signale sind eigentlich für die Flugsicherungen zur Überwachung des Luftraums und für die Besatzungen anderer Flugzeuge gedacht, werden aber auch von Privatleuten mitgeschnitten. Rund 500 dieser privaten Messdienste liefern ihre Daten an Flightradar24. Das Netz ist allerdings nur in Europa, Nordamerika, Nahost und Australien flächendeckend. Über Nordamerika werden viele Flugpositionen aus Sicherheitsgründen zudem mit fünfminütiger Verzögerung veröffentlicht. Die Airlines umfliegen die Krisenherde mittlerweile weitläufig. Auf den Zentralrouten kommt es deshalb zu einem hohen Verkehrsaufkommen Fotos: Montage R&P, iStockphoto/Andreas Tittelbach/Archiv, freepik.com, Karte: R&P REISE & PREISE 1-2015 47

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