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Rotary Magazin 03/2012

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Rotary Magazin 03/2012

THEME DU MOIS 20 «Das

THEME DU MOIS 20 «Das Streben nach Bruttosozialglück zählt mehr als das Bruttosozialprodukt» Jigme Singye Wangchuck (König von Bhutan, 1972–2006) Wer im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft deutlich beschränkte materielle und immaterielle Güter sowie Lebenschancen hat, lebt in sogenannter relativer Armut, so der international anerkannte Begriff. niger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen müssen. Absolute Armut ist in OECD-Staaten und somit auch in der Schweiz nicht oder kaum anzutreffen, weitverbreitet ist sie jedoch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Gute Noten für Rotary «Rotarier engagieren sich im Auftrag der Rotary Foundation seit Langem für Frieden, Gesundheits- und Bildungsprojekte sowie die Bekämpfung der Armut in der ganzen Welt», erläutert Luis Vicente Giay, RI Vorsitzender des Future-Vision 1) -Ausschusses. So engagieren sich Mitglieder, Clubs und Distrikte in unzähligen lokalen, regionalen und internationalen Projekten für die Bekämpfung von Armut und Benachteiligung. Und das mit grossem Erfolg, wie zum Beispiel das Gemeinschaftsprojekt von Rotary und Inner Wheel in der Schweiz ROKJ zeigt, welches wirtschaftlich und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in der Region unterstützt und damit deren soziale Integration fördert (s. «rotary», Oktober 2011). Es gäbe unzählige weitere Projekte zu erwähnen, was ein Blick in die regionalen und internationalen rotarischen Medien bestätigt. Allen gemein ist, dass sich rotarische Projektarbeit meist durch direkte Wege, persönliche Kontakte oder Verbundenheit einzelner oder mehrerer Mitglieder sowie bei internationalen Projekten durch ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN MARS 2012

21 eine umfassende Begleitung und Überwachung auszeichnet. Nicht umsonst stufen auf NGO und Sozialwerke spezialisierte Ratingagenturen wie z.B. CharityWatch die Rotary Foundation mit einem «A+» ein. Schlechtes Zeugnis für die Entwicklungspolitik? Für Aufruhr im Bereich der Entwicklungspolitik sorgen derzeit zwei junge Forscher. Die Französin Esther Duflo und der Inder Abhijit Vinayak Banerjee. Die beiden Professoren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben in ihrem Buch «Poor Economics» die Ergebnisse ihrer 15-jährigen Feldforschung in den ärmsten Regionen der Welt veröffentlicht. Statt laufend neue Entwicklungs- und Hilfsmodelle zu entwickeln, die üblicherweise auf kaum vergleichbaren Erhebungen basieren und somit reine Spekulationen im grossen Massstab auf dem Rücken der Armen seien, haben Duflo und Banerjee die Welt bereist und Dörfer und Städte mit den dortigen Entwicklungsprojekten aufgesucht, um eigene lieber hungern… die Menschen scheinbar nicht mehr Nahrungsmittel wollen, obwohl mehr Nahrung und vor allem bessere Nahrungsmittel sie und ihre Kinder fast mit Sicherheit erfolgreicher im Leben machen würden», schreiben die Autoren. Sie decken in ihrem Buch eine ganze Reihe eigenartige Widersprüche auf, die manche Entwicklungshelfer dazu führten, an der Vernunft des Menschen zu zweifeln. Duflo und Banerjee haben auf ihren Reisen so denn auch immer wieder feststellen müssen, dass manche Menschen nicht wirklich Hunger leiden, obwohl sie statistisch gesehen zu den 1 Milliarde Hunger Leidenden gemäss UNO zählen müssten. Viele Menschen bräuchten gar nicht mehr so viele Kalorien, wie die offiziellen Ernährungstabellen vorgeben, weil weniger harte Handarbeit verrichtet wird oder dank Antibiotika die Durchfallerkrankungen abgenommen haben. So lange man über der Schwelle des Verhungerns lebe, lohne es sich für einen rational und ökonomisch denkenden Menschen kaum, zusätzliche Experimente durchzuführen. Ihre Leitfragen: Wie ticken die Armen? Unter welchen Zwängen stehen sie, in welchen Anreizstrukturen stecken sie, warum handeln sie so und nicht anders? «Es hilft, in jedem Einzelfall über das konkrete Problem nachzudenken, das spezifische Antworten haben kann, statt gleich über die Entwicklungshilfe Kalorien aufzunehmen, so die Ergebnisse der Forscher. Im Buch wird dazu ein armer Dorfbewohner in Marokko erwähnt, der zugibt, lieber seinen Fernseher abzubezahlen statt Essen zu kaufen: Ihm wäre sonst viel zu langweilig, denn in seinem Dorf gebe es weder Arbeit noch Neuigkeiten, da hungere er lieber. als Ganzes zu reden», schreiben die Autoren. Eine andere klassische Frage, mit der sich so manche Entwicklungshilfeprojekte Ein paar Beispiele verdeutlichen, was sie darunter verstehen. In Indien haben sie etwa das Verhalten der beschäftigen: Wie verhilft man armen Kindern zu mehr Schulbildung? Typisches Rezept: Baue ein Ärmsten exakt beobachtet und festgestellt, Schulhaus. Pragmatikerin Duflo dass in einem typischen ar- men und Hunger leidenden Haushalt mit weniger als 99 Cent je Tag theoretisch rund ein Drittel mehr für Nahrungsmittel ausgegeben werden könnte. Es wird aber lieber in Tabak, Alkohol oder Feste investiert. Auch bei steigendem Einkommen sei keine höhere Kalorienaufnahme zu verzeichnen. «Das Rätsel ist, dass stellt aber fest, dass nicht die Infrastruktur das Problem sei – man könne auch im Freien oder in Privathäusern unterrichten –, sondern vielmehr das Fernbleiben der Schüler oder gar der Lehrer vom Unterricht. In einem Experiment in Indien erhielten Lehrkräfte der einen Vergleichsgruppe eine Digitalkamera mit integriertem Zeitstempel, mit Bundesamt für Statistik Armut in der Schweiz Armut bedeutet Unterversorgung in wichtigen Lebensbereichen wie Wohnen, Ernährung, Gesundheit, Bildung, Arbeit, soziale Kontakte. Als arm gelten jene Menschen, die bei Berücksichtigung aller verfügbaren materiellen wie immateriellen Ressourcen eine bestimmte Armutsgrenze unterschreiten. Für gewöhnlich wird dabei von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) oder der Bezugsberechtigung für EL ausgegangen. Armutsgrenze Bedürftigkeit besteht, wenn ein Haushalt die notwendigen Mittel für die Lebenshaltung nicht selbst aufbringen kann. Die Armutsgrenze ist von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) abgeleitet. Anhand dieser Referenzgrösse lässt sich für die statistische Bestimmung der Armutsgrenze ein absoluter Schwellenwert ableiten, unter dem jemand aus statistischer Sicht als arm gilt. Die Armutsgrenze (Grundbedarf + Wohnkosten + Krankenkassenprämien + 100 Franken pro Haushaltsmitglied ab 16 Jahren) für einen Einpersonenhaushalt liegt seit 2005 bei CHF 2200.–, bei 3800.– für Alleinerziehende mit zwei Kindern und bei Fr. 4600.– für Paare mit zwei Kindern (es handelt sich um theoretische Werte: Effektiv wurden die spezifischen Werte für jeden Kanton ermittelt). Liegt das Haushaltseinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern unter der Armutsgrenze, so gilt der Haushalt als arm. Die Zahl der Working Poors in der Schweiz wird auf rund 150 000 geschätzt. ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN MARS 2012

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