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Taxi Times München - 3. Quartal 2022

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UBER-FILES Für

UBER-FILES Für politischen wie gesellschaftlichen Lobbyismus nahm Uber viel Geld in die Hand. Ubers Angriff auf Taxi Deutschland. UBERS SCHMUTZIGER LOBBYISMUS Am 10. Juli hat ein internationales Redaktionsnetzwerk die fragwürdige Vorgehensweise des Fahrtenvermittlers Uber enthüllt. Wir fassen Erkenntnisse und Reaktionen zusammen. Eigentlich war die Überraschung im Taxigewerbe gar nicht so groß, denn irgendwie hatte man es ja schon immer vermutet: Die Vehemenz, mit der sich manche Politiker, einige Medien und selbst der eine oder andere Wissenschaftler seit 2014 in Deutschland für Uber eingesetzt haben, hatte oft den Beigeschmack, dass dabei Uber im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Durch die Veröffentlichung der sogenannten Uber-Files (siehe nebenstehenden Kasten) wurde aus der Vermutung eine Gewissheit. Alleine in Deutschland hat Uber zeitweise bis zu vier Beratungsagenturen gleichzeitig beschäftigt. Dafür hat das Unternehmen pro Monat mehr als 150.000 Euro ausgegeben. Der große Koordinator war Otto Fricke von der FDP. Er war 2013 kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag (die FDP hatte damals die 5-Prozent-Hürde verpasst) bei der Münchner Lobbyagentur CNC Communications & Network Consulting (heute heißt das Unternehmen Kekst CNC) als Partner eingestiegen und hatte die Verantwortung für das Uber-Lobbying übernommen. „Seine Aufgabe habe vor allem darin bestanden, die Dienstleistungen weiterer Beratungsunternehmen zu strukturieren“, schreibt der NDR. „Er bot an, SMS an den damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zu schicken, er traf verschiedene Parlamentarische Staatssekretäre, einen Abteilungsleiter im Verkehrsministerium und sprach mit Jens Spahn.“ ZWEIFACHER SEITENWECHSEL Fricke hatte diese Tätigkeit bis 2015 durchgeführt. Er sitzt mittlerweile wieder für die FDP im Bundestag und fungiert dort als haushaltspolitischer Sprecher. Zu den Uber-Files wollte er keine näheren Angaben machen, für eine Entschuldigung – beispielsweise gegenüber dem auch aufgrund seiner Tätigkeit massiv geschwächten Taxigewerbe – fehlt dem FDP-Politiker bisher der Anstand. Eine rechtliche und moralische Bewertung seines zweifachen Wechsels zwischen Politik und Lobbyarbeit gibt der Professor Andreas Polk von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin ab: „Illegal ist das sicherlich nicht, aber wollen wir solche Abgeordnete haben? Ich denke, eigentlich eher nicht.“ Otto Fricke wird rechtlich nicht belangt werden können, ebenso wenig wie ein Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf, dessen enge Verbindungen zu Uber nun ebenfalls enthüllt wurden. Uber hatte bei seinen Bemühungen um gesellschaftliche Akzeptanz auch auf die „neutrale“ Wissenschaft gesetzt. Bei der Suche nach einem anerkannten Fürsprecher ist man – eingefädelt von Otto Fricke – schließlich bei Professor Justus Haucap gelandet. Als „Wettbewerbsökonom, meinungsstark, in Fachkreisen angesehen und als Politikberater anerkannt“, war er genau der richtige Mann. Haucap hat 2015 eine wissenschaftliche Studie unter dem Titel „Chancen der Digitalisierung auf dem Markt für urbane Mobilität“ veröffentlicht. Zwar wurde Uber in der Studie als Auftraggeber genannt, durch die Uber-Files wurde nun aber bekannt, dass der Konzern vor der Veröffentlichung noch einmal eingreifen durfte. „So entstand ein Plädoyer für eine umfassende Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) mit Abschaffung der Tarifpflicht, der Begrenzung der Taxikonzessionen und der Ortskundeprüfung“, bewertet die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) die Studie. Vertragspartner war die Dice Consult GmbH, eine Ausgründung des von Haucap geleiteten Dice Instituts für Wettbewerbsökonomik an der Uni Düsseldorf, sowie ein kommerzieller Ableger des DIW, die DIW Econ GmbH. Auch für einen uberfreund- FOTO: Pixabay 22 3. QUARTAL 2022 TAXI

UBER-FILES lichen Beitrag in der „FAZ“ floss nachweislich Geld. Ob Haucaps Firmen auch während der Diskussion um die PBefG- Novelle ab 2018 noch Gelder von Uber erhalten haben, wäre reine Spekulation – die Uber-Files gehen nur bis 2017. Der Professor hatte unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Erkenntnis – und meist eingeladen von der FDP - an diversen Diskussionen rund um die PBefG-Novelle teilgenommen. Er hatte dort mantramäßig die Aufhebung der Tarifpflicht gefordert und die Begrenzung der Taxikonzessionen für unnötig befunden. Selbst bei einer öffentlichen Expertenanhörung im Bundestag durfte er seine Meinung äußern. UBER UND DIE „BILD“-ZEITUNG Meinungsäußerungen – meist pro Uber und gegen das Taxi – konnte man in all den Jahren auch in jenen Medien vernehmen, die zum Springer-Konzern gehören (z. B. „Die Welt“ und „Bild“). Die internen Uber- Dokumente belegen, dass dies von Uber durchaus beeinflusst und gewollt war – ebenso wie der Versuch, mithilfe eines intern angefertigten Dossiers den Zentralenverbund Taxi Deutschland zu schädigen (siehe nebenstehender QR-Code). Im Bewusstsein dieser Enthüllungen wird im Rückblick deutlich, wie ungleich und schmutzig der Kampf zwischen Uber und dem Taxigewerbe geführt wurde. In einer Stellungnahme hat sich Uber dafür entschuldigt und beteuert, dass man seine Firmenphilosophie mittlerweile geändert habe. Doch genau das ist die nächste PR-Lüge des Unternehmens. „Von Anfang an hat Uber Gesetze und Gerichtsurteile systematisch und skrupellos umgangen“, sagt dazu Herwig Kollar vom Bundesverband WAS SIND DIE UBER-FILES? Taxi und Mietwagen (BVTM). „Dieses Spiel treibt Uber bis heute, in Deutschland und international: Das Unternehmen bricht Gesetze, wird verurteilt, gelobt Besserung, bricht Gesetze, wird verurteilt und so weiter. Sowohl der BVTM wie auch der TMV haben in offenen Briefen an die Ministerpräsidenten und Verkehrsminister Konsequenzen gefordert. Jetzt seien die Städte und Gemeinden gefordert, sagt Kollar: „Sie müssen die Regeln des Gesetzes vor Ort konsequent durchsetzen. Skrupellosigkeit darf sich nicht lohnen.“ jh Der britischen Zeitung „The Guardian“ wurden 124.000 vertrauliche Uber-Dokumente zugespielt. Sie dokumentieren insbesondere die Praktiken und internen Anstrengungen des US-Konzerns im Bereich des Lobbying von 2013 bis 2017. Sie wurden von mehr als 180 Journalistinnen und Journalisten ausgewertet. Geleitet wurden die Recherchen durch das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), zu dem internationale Medien wie beispielsweise „The Guardian“, „Le Monde“, „Washington Post“ und „El País“ gehören. Für Deutschland haben investigative Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR und der „Süddeutschen Zeitung“ recherchiert. Noch mehr Infos zu den Uber-Files.

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