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Interview mit Herbert

Interview mit Herbert Houf Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Im Interview: Herbert Houf • Foto: © KSW • Lesedauer: 4 Minuten Verlag Österreich: Das Berufsfeld „Steuern“ gilt oft als trockene Materie und wenig attraktiv. Was macht den Beruf der Steuerberaterin/des Steuerberaters aus Ihrer Sicht dennoch reizvoll? Herbert Houf: Dazu gibt es zwei wesentliche Aspekte: Einerseits umfasst der Tätigkeitsbereich der Steuerberater*innen wesentlich mehr als nur „Steuern“. Wir sind Expert*innen in allen Fragen des Rechnungswesens und der Finanzberichterstattung, Gutachter*innen, Berater*innen in rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen des täglichen Unternehmerlebens, bei der Organisations- und Prozessgestaltung bzw in betriebswirtschaftlichen Fragen generell. Auch die Vertretung in einschlägigen Verwaltungsverfahren bis hin zum VwGH ist per se schon eine spannende Aufgabe. Andererseits bekommt man in keinem anderen Beruf einen so umfassenden Einblick in Unternehmen der unterschiedlichsten Größenordnungen und Branchen. Das ist abwechslungsreich und herausfordernd. Nicht zuletzt aufgrund dieses umfassenden Berufsbildes sind Steuerberater*innen auch außerhalb unserer Branche sehr begehrte Mitarbeiter*innen. Welche Aktivitäten setzt die Kammer, um den Berufsstand attraktiver zu gestalten? Natürlich spüren wir den‚ „war for talents“ in unseren Kanzleien und bemühen uns daher vor allem bei den Studierenden, das Interesse an unseren Berufen verstärkt zu wecken. Durch das WTBG 2017 haben wir einige wichtige Schritte gesetzt, um die beiden Berufe Steuerberater und Wirtschaftsprüfer besser zu positionieren und auch die Ausbildung attraktiver zu gestalten. Unsere kammereigene Akademie hat in diesem Punkt eine zentrale Rolle. Die sprichwörtlichen „Ärmelschoner“ haben wir schon lange abgelegt. Wir sind ein hochspezialisierter, technologisch bestens aufgestellter Berufstand mit hervorragenden Karrierechancen, egal ob als freiberuflicher Unternehmer oder im Dienstverhältnis. Und wie sich gerade zeigt, ist unsere Branche durchaus krisenfest. Der Statistikreport der Kammer 2020 zeigt, dass der Frauenanteil fast ausgeglichen bei 48 % im Bereich der Steuerberatung liegt. Im Gegensatz dazu sind es nur 29 % Frauen in der Wirtschaftsprüfung. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Und wie sieht es mit der Verteilung auf Partner*innen- Ebene aus? Mehr noch als die aktuelle Verteilung ist der Trend der letzten Jahre interessant, wonach rund 60 % aller hinzukommenden Berufsangehörigen Frauen sind. Das liegt sicher daran, dass viele Arbeiten – nicht erst seit COVID-19 – orts- und zeitunabhängig erledigt werden können und die Beschäftigung nahezu beliebig skalierbar ist. Damit lassen sich nahezu alle individuellen Wünsche zur Gestaltung der persönlichen Arbeitswelt realisieren. Im Projektgeschäft – dazu gehört die Abschlussprüfung – ist das nicht so uneingeschränkt der Fall. Vermutlich haben wir daher in diesem Bereich noch nicht „gender equality“ erreicht. Aber auch dort sind wir auf einem guten Weg und auch auf der Ebene der Partner*innen ziehen vermehrt Frauen ein. Welche Maßnahmen kann die Kammer zur Unterstützung von Chancengleichheit und „work-livebalance“ setzen? In der Kammer selbst sind 60 % der Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt. Nicht weil wir eine möglichst hohe Quote erreichen wollen, sondern Personalentscheidungen nach rein sachlichen Kriterien getroffen werden. Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum Homeoffice erlauben es, die individuell gewünschte „balance“ zu finden und steigern die Attraktivität des Arbeitsplatzes, auch in unseren Kanzleien. Daher interessieren sich Frauen auch in besonderem Maße für unsere Berufe. Aber deswegen dürfen wir uns nicht zufrieden zurücklehnen. Solange wir argumentieren, dass wir ein familienfreundlicher Beruf sind und sich deswegen so viele Frauen dafür interessieren, haben wir uns von dem Vorurteil, dass Familie „Frauensache“ ist, noch nicht entfernt. Erst wenn Familie „Familiensache“ ist, haben wir echte Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Aber da wird sich unsere Gesellschaft noch ein wenig weiterentwickeln müssen, bis es soweit ist. Als Kammer können wir versuchen beizutragen, dass sich der „Mindset“ entsprechend verändert. Die Steuerberatung ist eine anspruchsvolle Dienstleistung und entsprechend hoch sind die Anforderungen an Aus- und Weiterbildung für die Berufsträger*innen und die Mitarbeiter*innen. Wie können die Steuerberater*innen selbst mit diesem Leistungsdruck Schritt halten?

Als Freier Beruf sind wir es gewohnt, gungen auf ihre ureigensten unter- sondern auch meine persönliche Er- auch unter großer Belastung gewis- nehmerischen Aufgaben und das fahrung zeigen, dass weit über 90 % senhaft und eigenverantwortlich zu arbeiten. Auch das berühmte „lebens- wirtschaftliche Überleben zu richten. Spannend wird es, wie wir hier wieder aller Abgabepflichtigen in Österreich ihre Steuern pünktlich und korrekt 25 lange Lernen“ ist seit jeher Teil unserer Berufsbilder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Das ist einerseits anstrengend, andererseits die Grund- schrittweise zum „Normalbetrieb“ zurückkehren können. Wenn die Zahlungserleichterungen bezahlen. Die Steuerberater*innen leisten dazu zweifellos einen wesentlichen Beitrag. Durch die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft ist Interview lage für das ausgezeichnete Image für Unternehmen im Zuge der COVID- aber natürlich auch der (internatio- unseres Berufsstands und die große 19-Krise seitens der Finanzverwaltung nale) Abgabenbetrug deutlich ange- Wertschätzung für unsere Expertise. wegfallen, ist eine Schockwirkung für stiegen. Andererseits hat die Weiter- Die Doppelrolle – Fachexperte einer- zahlreiche Betriebe zu erwarten. Wäre entwicklung des zwischenstaatlichen seits und Unternehmer andererseits – eine Verlängerung seitens der Politik Informationsaustausches und mehr war schon immer eine große Heraus- geboten? Welche Vorsorgemaßnah- Transparenz bei internationalen Steu- forderung. men können die Berater*innen für ihre ergestaltungen gewisse „Schlupflö- Klienten treffen? cher“ geschlossen. Insgesamt ist es Digitalisierung ist inzwischen in wohl die schwierigste Aufgabe für jede vielen Branchen mehr als nur ein Die bislang gewährten Abgaben- Steuerverwaltung, mit gezielten und Schlagwort und erlebt nicht zuletzt stundungen waren ein wesentlicher wirksamen Maßnahmen Steuerbetrug durch COVID-19 einen massiven Auf- Beitrag, um die Liquidität der Unter- zu bekämpfen, ohne die überwiegen- schwung. Wie sieht die Zukunft der di- nehmen aufrecht zu erhalten. Natür- de Zahl an Steuerehrlichen unange- gitalen Steuerberatung Ihrer Meinung lich wusste man von Anfang an, dass messen zu belasten oder zu verfolgen. nach aus? „aufgeschoben nicht aufgehoben“ ist. Da werden wir einen aufmerksamen Nachdem wir gerade beobachten, Blick darauf haben, ob auch in diesem Mit dieser Frage beschäftigen wir uns dass die Auswirkungen der COVID- Bereich die „balance“ passt. schon seit längerem und haben in unse- 19-Krise uns nun doch etwas länger rer Kammer gerade einen Strategiepro- beschäftigen werden als erhofft, wird zess gestartet, in dem die Zukunft und Weiterentwicklung der Berufsbilder man daher auch über weitere Stundungen nachdenken müssen. Aus un- Jetzt kennenlernen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer systematisch erarbeitet werden sollen. Die Auswirkungen des technologischen Fortschritts sind hier gleichermaßen zu serer Sicht sollte dabei jedoch zunehmend eine individuellere Handhabung Platz greifen, dh nicht mehr Stundung für alle, sondern für diejenigen, die es Vielfalt, Diskurs, Orientierung und Lösungen im Steuerstrafrecht und Steuerverfahren adressieren, wie gesellschaftliche Ver- wirklich brauchen, um überleben zu änderungen. Zweifellos werden man- können – und auch eine realistische che Tätigkeiten in den nächsten Jah- Chance haben, zu überleben. ren wegfallen, dafür werden sich neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. In Zum Thema Abgabenhinterziehung: jedem Fall werden wir in fünf bis zehn Jedes Jahr werden im langjährigen Jahren anders arbeiten als heute. Durchschnitt mehr als 7.000 Selbstanzeigen erstattet, im zeitlichen Umfeld Wie haben Sie und Ihre Kolleginnen der Steuerabkommen mit der Schweiz und Kollegen in der Kammer den Um- und Liechtenstein war die Zahl für ei- gang der Abgabenverwaltung mit den nige Jahre sogar mehr als doppelt so Herausforderungen der COVID-19-Kri- hoch, im vergangenen Jahr 2019 ha- se wahrgenommen? Gibt es aus Ihrer ben rund 24.500 Prüfungsmaßnahmen Sicht Verbesserungspotential? der Finanzverwaltung ein steuerliches Mehrergebnis von rund € 1,1 Milliarden Die klaren Vorgaben an die Finanz- eingebracht. (Quelle: BMF) Wie steuer- verwaltung, insbesondere im Bereich ehrlich sind denn die Österreicherinnen der Abgabeneinhebung, haben den Unternehmen den nötigen Spielraum und Österreicher? ISSN 2663-841X Einstiegsabo € 20,– (2 Hefte) gegeben, den Fokus ihrer Anstren- Nicht nur die einschlägige Statistik