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IM BLICK 2020

Das Neuerscheinungsmagazin des Verlag Österreich - einem der führenden Verlage für juristische Fachinformation in Österreich.

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VERLAG<br />

ÖSTERREICH<br />

<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong><br />

Neuerscheinungen<br />

<strong>2020</strong>


2<br />

Inhalt<br />

Redaktionelle Highlights<br />

4 Nachhaltigkeitsrecht (NR) – die neue Zeitschrift<br />

für das Recht der nachhaltigen Entwicklung<br />

6 Klassiker und Standardwerke<br />

8 Wir feiern 100 Jahre B-VG<br />

9 Die neuen ZöR-Herausgeber Schmid/Jakab im Interview<br />

14 Gut komponierter Mix vieler Blickwinkel:<br />

Interview mit den Herausgebern des Linzer StPO-Kommentars<br />

20 Bergmann/Pinetz/Spies über ihren neuen Kommentar<br />

zum EU-Meldepflichtgesetz<br />

24 Interview mit Herbert Houf, Präsident der KSW<br />

28 Katastrophal digital? Anleitung für eine gute<br />

virtuelle Zusammenarbeit in Teams<br />

35 COVID-19-Schwerpunkt in unseren eJournals<br />

Impressum und Kontakt<br />

Verlag Österreich GmbH<br />

1010 Wien, Bäckerstraße 1<br />

Kundenservice:<br />

T: +43-1-610 77-123<br />

E: kundenservice@verlagoesterreich.at<br />

verlagoesterreich.at<br />

Books: elibrary.verlagoesterreich.at<br />

Geschäftsführung:<br />

MMag. Johannes Schultze,<br />

Dkfm. André Caro<br />

Verlagsleitung:<br />

MMag. Barbara Raimann<br />

Gesamtredaktion: Mag. Yvonne Sattler<br />

Redaktionelle Unterstützung: Dr. Roman Tronner<br />

Grafik: Harald Lorenz<br />

Druck: print+marketing Schaffer-Steinschütz GmBH<br />

Produktfotos: Klaus Ranger<br />

Portrait Barbara Raimann: Irina Gavrich<br />

Coverbild: Verlag Österreich<br />

Irrtümer und Änderungen vorbehalten.<br />

Newsletteranmeldung: verlagoesterreich.at/newsletter


3<br />

Editorial<br />

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />

„Halten Sie sich nicht mit negativen Dingen auf, sondern konzentrieren Sie sich auf die positive Energie!“, diesen Rat hat mir vor einigen<br />

Tagen (noch vor dem Anschlag in Wien) ein Autor gegeben. Die aktuelle Ausgabe von <strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> enthält besonders viel Positives.<br />

Ein Highlight löst das andere ab. In den letzten Monaten sind viele wichtige Kommentare (vom ABGB bis zur ZPO) erschienen, einige<br />

sind gerade in Produktion und werden noch im Dezember ausgeliefert. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Autorinnen<br />

und Autoren, aber auch an das Herstellungsteam des Verlag Österreich, das trotz teilweiser erschwerter technischer Bedingungen im<br />

Homeoffice diese beeindruckende Neuerscheinungsliste möglich macht.<br />

Dieses <strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong>, das sich auch im neuen Layout präsentiert, ist aber mehr als eine Information zur Front- und Backlist unseres Hauses.<br />

Wir haben für Sie Interviews geführt und Beiträge zusammengestellt. So zum Beispiel anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Bundes-<br />

Verfassungsgesetzes mit den beiden neuen Herausgebern der ZöR – Zeitschrift für öffentliches Recht, András Jakab und Sebastian<br />

Schmid. In Heft 4/<strong>2020</strong> der ZöR wird ein umfangreicher Aufsatz zu ausgewählten unions- und verfassungsrechtlichen Fragen und<br />

COVID-19 erscheinen. Eine Leseprobe finden Sie auf Seite 11. Der gesamte Beitrag steht Ihnen schon jetzt in der Verlag Österreich<br />

eLibrary zur Verfügung. Die Herausgeber des neuen Linzer Kommentars zur StPO beantworten im Interview viele aktuell diskutierte<br />

Fragen im Strafrecht. Noch mehr Antworten und einen Einblick in ihren ganz persönlichen Zugang zum Strafrecht finden Sie in<br />

der ungekürzten Fassung auf unserer Website. Lesen Sie außerdem auf Seite 20, welche Schwerpunkte das Herausgeberteam des<br />

Kommentars zum EU-Meldepflichtgesetz in seinem Werk setzt. Der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer,<br />

Herbert Houf, spricht über Berufsbilder sowie über die Auswirkungen der Digitalisierung und der COVID-19-Krise auf die Branche.<br />

Über Schwierigkeiten und Chancen des digitalen Arbeitens schreiben die Autor*innen des Buches „Positive Mediation“ in ihrem Beitrag<br />

„Katastrophal digital? Anleitung für eine gute virtuelle Zusammenarbeit in Teams“.<br />

Ich wünsche Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre.<br />

Alles Gute, Ihre<br />

MMag. Barbara Raimann<br />

Verlagsleitung


NACHHALTIGKEITS<br />

<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />

NR<br />

4<br />

Zeitschrift für das Recht der<br />

nachhaltigen Entwicklung<br />

Zeitschrift für das Recht der nachhaltigen Entwicklung<br />

NEU<br />

ab 2021<br />

Herausgegeben von:<br />

RA Dr. Berthold Lindner,<br />

Akad.Rat MMag. DDr. Markus Beham, LLM. (Columbia)<br />

RA Mag. Berthold Hofbauer


DIE „NR“ – ZEITSCHRIFT FÜR DAS RECHT<br />

DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />

• ist die erste juristische Fachzeitschrift, die sich umfassend<br />

durch alle juristischen Fachrichtungen hindurch<br />

mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzt.<br />

• lässt Wissenschaft und Gesellschaft Themenschwerpunkte<br />

für die rechtliche Diskussion setzen.<br />

• agiert als Wegbereiterin für rechtliche Lösungen<br />

durch die neue Querschnittsmaterie Nachhaltigkeitsrecht<br />

am Puls der Zeit.<br />

DIE HERAUSGEBER<br />

DDr. Markus P. Beham, LL.M. (Columbia)<br />

Universität Passau<br />

„Nachhaltigkeitsrecht reicht nicht bloß horizontal über sämtliche<br />

Rechtsgebiete, sondern muss auch vertikal im Mehrebenensystem<br />

gedacht werden. Nationales Recht, Unions- und Völkerrecht greifen in<br />

der Umsetzung nachhaltiger Politik ineinander.“<br />

RA Mag. Berthold Hofbauer<br />

Heid und Partner Rechtsanwälte<br />

EIN NEUER RECHTSBEREICH<br />

Auf internationaler Ebene prägt der Begriff der Nachhaltigkeit<br />

(„sustainability“) bereits seit über 30 Jahren<br />

die Diskussion, was 2015 in der Annahme der 17<br />

Sustainable Development Goals (SDGs) durch die<br />

Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mündete. Die<br />

strategische Grundausrichtung zu einer zielorientierten,<br />

nachhaltigen Wirtschafts- und Klimapolitik findet<br />

sich nunmehr auch im europäischen „Green Deal“<br />

wieder, der ein klimaneutrales Europa bis zum Jahr<br />

2050 zum Ziel erklärt. Das aktuelle österreichische<br />

Regierungsprogramm sieht demgegenüber eine Klimaneutralität<br />

Österreichs bereits im Jahr 2040 vor.<br />

Diese politischen Nachhaltigkeitsziele und -strategien<br />

machen deutlich, dass eine gänzliche Neuausrichtung<br />

der Wirtschaft bevorsteht: weg von einer auf fossilen<br />

Brennstoffen und Verbrauchsgütern basierenden Industrie<br />

und hin zu einer nachhaltigen, ökologisch-ausgerichteten<br />

Wirtschaft.<br />

Das Recht – als Umsetzung politischer Zielsetzungen<br />

– muss daher in Zukunft neu gedacht werden:<br />

als Nachhaltigkeitsrecht.<br />

Die NR ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen<br />

Raum, welche die komplexen Zusammenhänge<br />

dieser neuen Querschnittsmaterie umfassend abbildet.<br />

Die NR nimmt damit eine Vorreiterrolle für die<br />

Rechtssetzung und Rechtsauslegung im Hinblick auf<br />

die nachhaltige Entwicklung ein. Sie begleitet diese<br />

Entwicklung und füllt diese mit Leben – auch über die<br />

Landesgrenzen hinaus.<br />

5<br />

Nachhaltigkeit<br />

„Die normative Umsetzung des Green Deals und der Nachhaltigkeitsziele<br />

der Innenpolitik erfolgt im rechtlichen Querschnitt. Das Vergaberecht ist dabei<br />

in seiner Ausprägung als Green Public Procurement genauso umfasst, wie zB<br />

das Energie- oder Umweltrecht. Die NR bietet erstmals eine gebündelte<br />

Aufbereitung dieser Entwicklungen: Nachhaltigkeitsrecht aus einer Hand.“<br />

RA Dr. Berthold Lindner<br />

Heid und Partner Rechtsanwälte<br />

Jetzt<br />

kennenlernen<br />

2 Hefte für € 20,–<br />

„Die NR beleuchtet das zentrale Thema der Nachhaltigkeit unter allen<br />

rechtlichen Gesichtspunkten. Sie ermöglicht neue Lösungsansätze durch<br />

vernetztes Denken und hält Praktikerinnen und Praktiker durch aktuelle<br />

Informationen am Laufenden.“<br />

ISSN 2708-9649<br />

Einstiegsabo € 20,– (2 Hefte)<br />

verlagoesterreich.site/NR


xxxxxrecht<br />

EAN 9783704680662<br />

€ 398,– (eBook € 358,20)<br />

EAN 9783704681959<br />

€ 429,– (eBook € 386,10)<br />

Erscheint<br />

Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

EAN 9783704684059<br />

ca € 179,–


7<br />

Klassiker<br />

EAN 9783704683960<br />

€ 369,– (eBook € 332,10)<br />

Auf unsere Klassiker<br />

und Standardwerke können Sie sich<br />

nicht nur in turbulenten Zeiten verlassen<br />

Neue<br />

6. Lieferung<br />

Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

EAN 9783704667816<br />

€ 579,– (Abopreis: € 459,–)<br />

EAN 9783704683632<br />

€ 239,– (eBook € 215,10)


Wir feiern<br />

Jahre B-VG<br />

EAN 9783704684608<br />

€ 79,–<br />

EAN 9783704686190<br />

Festausgabe € 180,–<br />

Jahresabo 2021 € 1536,– (4 Hefte)<br />

EAN 9783704641977<br />

€ 78,–<br />

EAN 9783704662965<br />

€ 199,– (eBook € 179,10)<br />

EAN 9783704680396<br />

€ 54,–<br />

EAN 9783704685810<br />

€ 49,– (eBook € 44,10)


9<br />

Interview<br />

Im Interview: Sebastian Schmid (li), András Jakab (re) • Foto © Privat • Lesedauer: 3 Minuten<br />

„Eine Tradition lebt nur dann,<br />

wenn sie immer wieder neue<br />

Denkanstöße und Irritationen erhält“<br />

Anfang des Jahres haben András Jakab und Sebastian Schmid (beide Professoren an der Uni<br />

Salzburg) die Herausgeberschaft der ZöR – Zeitschrift für öffentliches Recht, die sie selbst als<br />

„Ozeanriesen“ bezeichnen, übernommen. Wir haben die beiden Neo-Herausgeber gefragt, wie<br />

sie ihre Rollen anlegen, welche Pläne und Ziele sie für die ZöR haben und ob Österreich nach<br />

100 Jahren Bundesverfassungsgesetz eine neue Verfassung braucht.<br />

Verlag Österreich: Vor kurzem haben<br />

Sie beide die Herausgeberschaft<br />

der Zeitschrift für öffentliches Recht<br />

übernommen. Wie sehen Sie Ihre<br />

eigene Rolle in der traditionsreichen<br />

Geschichte dieser Zeitschrift?<br />

András Jakab: Die Zeitschrift für öffentliches<br />

Recht ist seit ihrer Gründung<br />

1914 ein Forum für den österreichischen<br />

und den internationalen<br />

rechtswissenschaftlichen Diskurs. Es<br />

ehrt uns, diese Tradition weiterführen<br />

zu dürfen. Insbesondere für die hervorragende<br />

Arbeit unserer unmittelbaren<br />

Vorgänger, Stefan Griller und<br />

Benjamin Kneihs, möchten wir uns<br />

auch hier bedanken. Die ZöR war<br />

schon immer mit einer bestimmten<br />

österreichischen Denktradition<br />

verbunden, mit der ich mich auch<br />

persönlich verbunden fühle. Vor 25<br />

Jahren habe ich österreichisches<br />

Verfassungsrecht von Friedrich Koja<br />

in Salzburg gelernt, seitdem habe<br />

ich extensiv zur Reinen Rechtslehre,<br />

Normentheorie und Rechtstheorie<br />

veröffentlicht, teilweise auch in der<br />

ZöR selbst. In meiner Zeit in Deutschland<br />

wurde mir noch klarer, dass das<br />

österreichische Rechtsdenken ganz<br />

anders ist als das deutsche. Die ZöR<br />

hat unter anderem die Aufgabe, dieses<br />

Rechtsdenken zu pflegen, wie es<br />

auch in unserem Jubiläumsheft zu<br />

„100 Jahre B-VG“ in mehreren Beiträgen<br />

ganz charakteristisch hervorkommt.<br />

Eine Tradition lebt aber nur,<br />

wenn sie immer wieder neue Denkanstöße<br />

und Irritationen erhält, und<br />

wir möchten natürlich auch in dieser<br />

Hinsicht unseren Beitrag leisten.


10<br />

Interview<br />

Sebastian Schmid: Wir haben die<br />

ZöR im Vorwort zu Heft 1/<strong>2020</strong> mit<br />

einem Ozeanriesen verglichen. Über<br />

die Jahrzehnte hat sich die Zeitschrift<br />

in Inhalt und Form etabliert.<br />

Für schnelle Wendungen ist sie nicht<br />

geeignet. Das ist auch gut so. Insofern<br />

wollen wir erst einmal den Kurs<br />

halten. Die bereits vorgenommenen<br />

und noch geplanten Neuerungen<br />

zielen vor allem darauf ab, die ZöR<br />

als modernes, innovationskräftiges<br />

Medium zu präsentieren. Es geht hier<br />

um die Online-Verfügbarkeit älterer<br />

Ausgaben und gezielte Sonderhefte<br />

zu aktuellen Themen. Dies alles ist<br />

letztlich vom Gedanken getragen,<br />

dass die ZöR für die österreichische<br />

Rechtswissenschaft identitätsstiftend<br />

ist und, wenn man so will, ein<br />

gemeinsames Gut darstellt. Unsere<br />

Aufgabe ist, ihr Gedeihen eine Zeit<br />

lang zu begleiten und zu fördern.<br />

Was ist die spezifische Rolle der<br />

Zeitschrift für öffentliches Recht im<br />

internationalen und österreichischen<br />

Diskurs?<br />

Jakab: Anders als vor 100 Jahren<br />

muss man heute, wenn man am internationalen<br />

Diskurs teilnehmen<br />

möchte, Beiträge auf Englisch veröffentlichen.<br />

Dementsprechend<br />

möchten wir auch die Zweisprachigkeit<br />

(Deutsch-Englisch) beibehalten<br />

und in der Zukunft sogar noch mehr<br />

internationale Beiträge in der ZöR<br />

sehen. Um dies zu erreichen, haben<br />

wir den internationalen Beirat stark<br />

erweitert. Wir haben auch initiiert,<br />

dass die ZöR bis zu ihrer Gründung<br />

1914 vollständig digitalisiert und in<br />

der internationalen Datenbank HeinOnline<br />

zugänglich gemacht wird.<br />

Den deutschen Titel behalten wir<br />

so, wie er bisher war; um allerdings<br />

Eindeutigkeit im internationalen Verkehr<br />

zu schaffen, haben wir den englischen<br />

Titel um das Wort „Austrian“<br />

ergänzt, also „Zeitschrift für öffentliches<br />

Recht – Austrian Journal of<br />

Public Law“.<br />

Schmid: Aus Sicht der österreichischen<br />

Rechtswissenschaft hat die<br />

ZöR sicherlich eine Sonderstellung<br />

dahingehend, dass sie Raum für Diskussionen<br />

über die Grundlagen des<br />

Rechts bietet. Wir sehen das aber<br />

nicht als Theorielastigkeit, vielmehr<br />

braucht es dieses Wissen über die<br />

Grundlagen des Rechts, um die in<br />

der Praxis aufkommenden Detailfragen<br />

beantworten zu können. Wir sehen<br />

die ZöR als Medium für Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler<br />

sowie Praktikerinnen und Praktiker.<br />

Was sind die Pläne, die Sie seit<br />

Beginn Ihrer Herausgeberschaft mit<br />

der Zeitschrift für öffentliches Recht<br />

verfolgen?<br />

Schmid: Einiges davon haben wir<br />

bereits genannt, etwa die weitere<br />

Digitalisierung älterer Jahrgänge<br />

oder die Stärkung der internationalen<br />

Ausrichtung. Weiters haben<br />

wir am Review-Prozess gefeilt. Der<br />

Fokus ist nun gezielter darauf gerichtet,<br />

dass durch die Begutachtung<br />

eines Beitrags dessen Qualität<br />

gesteigert wird. Der Review-Prozess<br />

soll ein positives Verfahren mit<br />

konstruktiven Verbesserungsvorschlägen<br />

und Anregungen sein und<br />

kein Richten über andere. Die Verantwortung<br />

für die Veröffentlichung<br />

eines Beitrags liegt allein bei den<br />

Herausgebern.<br />

Jakab: Wir planen in Zukunft eine<br />

Reihe an Sonderheften. Das jüngste<br />

Beispiel ist jenes zum Thema „Aktuelle<br />

Herausforderungen für die österreichische<br />

Verfassungsstaatlichkeit“,<br />

das als Heft 3/<strong>2020</strong> erschienen<br />

ist. Im nächsten Jahr werden dann<br />

die Ergebnisse des österreichischen<br />

Völkerrechtstags erscheinen. Auch<br />

englischsprachige Sonderhefte sind<br />

in Planung, etwa zum Einfluss des<br />

B-VG in anderen Ländern oder zum<br />

Verhältnis der Rechtsdogmatik und<br />

Empirie im Bereich der richterlichen<br />

Unabhängigkeit. Ein auf einer<br />

Rundfrage basierendes Sonderheft<br />

zu den gelungensten und misslungensten<br />

Erkenntnissen des VfGH<br />

seit 1920 ist ebenfalls schon in Vorbereitung.<br />

Das erste Heft unter Ihrer Herausgeberschaft<br />

war dem Thema<br />

„100 Jahre B-VG“ gewidmet. Das<br />

war gewissermaßen der Startschuss<br />

für umfangreiche Feierlichkeiten in<br />

diesem Jubiläumsjahr. Kann man ein<br />

Resümee ziehen? Denken Sie, dass<br />

Österreich nach 100 Jahren eine<br />

neue Verfassung braucht?<br />

Schmid: Das Festheft war für uns<br />

ein überaus gelungener Start der<br />

Herausgeberschaft. Wir möchten<br />

uns an dieser Stelle nochmals sehr<br />

herzlich bei den Autorinnen und<br />

Autoren für ihre Mitwirkung bedanken!<br />

Ziel war es, das B-VG in einen<br />

Gesamtkontext zu setzen, es aus<br />

unterschiedlichen wissenschaftlichen<br />

Perspektiven zu betrachten.<br />

Es ging also bewusst darum, die<br />

Detailprobleme einmal in den Hintergrund<br />

zu stellen und stattdessen<br />

die großen Zusammenhänge aufzuzeigen.<br />

Bei der Lektüre der Beiträge<br />

zeigt sich sehr gut, worin die Stärken<br />

und Schwächen dieser Verfassungsurkunde<br />

liegen.<br />

Jakab: Ein konkretes Ergebnis ist<br />

aus meiner Sicht, dass das B-VG<br />

zwar keine perfekte, aber dennoch<br />

eine sorgfältig geplante und erfolgreiche<br />

Verfassung ist. Das Scheitern<br />

des B-VG zwischen den zwei Weltkriegen<br />

ändert nichts an diesem<br />

Befund, sondern war wohl, vereinfacht<br />

ausgedrückt, das Ergebnis<br />

einer mission impossible. Gerade<br />

der Österreich-Konvent bzw sein<br />

Scheitern im Hinblick auf seine ursprünglichen<br />

Ziele hat gezeigt, dass<br />

Österreich keine neue Verfassung<br />

braucht. Die Diskussion über eine<br />

neue Verfassung selbst finde ich<br />

schädlich, da sie die Autorität der<br />

Verfassung untergräbt.


11<br />

Ausgewählte unions- und verfassungsrechtliche Fragen der österreichischen<br />

Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19-Virus<br />

Reinhard Klaushofer · Benjamin Kneihs · Rainer Palmstorfer* · Hannes Winner**<br />

Leseprobe<br />

Von Mitte März bis Ende April <strong>2020</strong> galten in Österreich zur Eindämmung der Covid-<br />

19-Pandemie weit reichende Beschränkungen. Der vorliegende Aufsatz untersucht die<br />

empirische Datenlage, die diesen Maßnahmen zu Grunde liegt, und prüft die Maßnahmen<br />

auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unions- und Verfassungsrecht. Dabei spielen zahlreiche<br />

Grundrechte, aber auch das rechtsstaatliche Determinierungsgebot eine Rolle. Manche der<br />

von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen waren von Anfang an unions- und verfassungs-<br />

bzw gesetzwidrig, andere wurden es mit abnehmender Bedrohung oder durch<br />

Ungleichheiten bei der Lockerung. Insbesondere überschritten einige der Beschränkungen<br />

den vom Gesetz vorgegebenen Rahmen, das insbesondere Betretungsverbote nur gestattet,<br />

soweit dies zur Eindämmung der Pandemie erforderlich ist. Die damit schon im Gesetz<br />

angelegte Verhältnismäßigkeit haben einige der Beschränkungen von Anfang an, andere<br />

erst dadurch verfehlt, dass sie bei Abnahme der Gefahr nicht (rechtzeitig) zurückgenommen<br />

wurden. Der Beitrag wurde verfasst, bevor der VfGH im Juli <strong>2020</strong> erste inhaltliche<br />

Erkenntnisse zu den auch hier interessierenden Fragen vorgelegt hat. Er versteht sich nicht<br />

primär als Besprechung oder Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen, wenngleich<br />

sie (nachträglich) in die vorliegenden Betrachtungen einbezogen wurden.<br />

To combat the Covid-19 pandemic, Austria applied far-reaching restrictions from mid-<br />

March to the end of April <strong>2020</strong>. This paper analyzes the empirical data underlying the adopted<br />

restrictions and assesses the compatibility of central measures with European Union<br />

law and Austrian constitutional law. As regards European Union law, the paper focuses on<br />

an analysis of border controls and entry restrictions for persons against the background<br />

of the Schengen Borders Code and the Free Movement Directive. As regards Austrian<br />

constitutional law, it is, in the fi rst place, a series of fundamental rights as well as the requirement<br />

of legal clarity (rule of law) that are relevant for the assessment of the examined<br />

restrictions. Some of these measures violated EU-law and Austrian constitutional law from<br />

the outset, while others only did so later on because of decreasing threat or unequal treatments<br />

in the process of the relaxation of the respective measures. In particular, some of the<br />

restrictions exceeded the legal framework, which, in particular, only allows for restraining<br />

orders insofar as this is necessary for the containment of the pandemic. While some measures<br />

missed the proportionality requirement enshrined in the law from the start, others<br />

failed to do so, because they were not taken back timely although the danger was decreasing.<br />

The paper was drafted before July <strong>2020</strong>, when the Austrian Constitutional Court<br />

delivered its fi rst substantial rulings on the legal issues analyzed herein. The paper is not<br />

to be understood as a comment or treatise on these rulings in the fi rst place, although the<br />

latter have been included in the present study.<br />

Lesen Sie den gesamten Artikel<br />

in der Verlag Österreich eLibrary


12<br />

Verfassungsrecht<br />

Erscheint<br />

November<br />

<strong>2020</strong><br />

EAN 9783704685827<br />

€ 69,–<br />

EAN 9783704684783<br />

€ 259,– (eBook € 233,10)<br />

Neue<br />

25. Lieferung<br />

Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

EAN 9783704620002<br />

€ 1298,– (Abopreis: € 898,–)


<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />

13<br />

Erscheint<br />

Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

Vergaberecht/Europarecht<br />

EAN 9783704683939<br />

€ 899,–<br />

Juristische Expertise<br />

mit Klasse im Verfassungsrecht,<br />

Vergabe- und Europarecht<br />

EAN 9783704686046<br />

€ 199,– (eBook € 179,10)<br />

EAN 9783704620002<br />

€ 99,– (eBook € 99,–)


14<br />

Interview<br />

Im Interview mit Roman Tronner: Alois Birklbauer, René Haumer, Norbert Wess • Lesedauer: 7 Minuten<br />

Gut komponierter Mix vieler Blickwinkel<br />

Ein Werk für die tägliche Gerichtspraxis, kompakt und gleichzeitig fundiert: Die Herausgeber<br />

Alois Birklbauer, René Haumer und Norbert Wess über den neuen Linzer StPO-Kommentar,<br />

Verfahrensökonomie, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Verfahren, die Skills, die<br />

der Strafrechtsalltag fordert, und die Gefahren für Grundrechte und Anwaltsgeheimnis.<br />

Verlag Österreich: Was gab den<br />

Anstoß zum neuen StPO-Kommentar?<br />

Alois Birklbauer: Das Projekt begann<br />

2016. Es gab eine gewisse Unzufriedenheit<br />

mit dem, was auf dem<br />

Markt ist: einerseits einbändige Kommentare,<br />

die letztlich sehr kompakt<br />

sind und viele zentrale Fragen nicht<br />

beinhalten; andererseits der große<br />

Wiener Kommentar, der für den Alltagsgebrauch<br />

zu umfassend ist, oder<br />

auch der noch nicht fertige mehrbändige<br />

Kommentar aus Graz.<br />

Norbert Wess: Es war unser Ziel, einen<br />

„Leukauf/Steininger der StPO“<br />

auf den Markt bringen. Ein Werk für<br />

die tagtägliche Praxis des Gerichts,<br />

egal ob für Richter*innen, Staatsanwält*innen<br />

oder Verteidiger*innen,<br />

welches man am Tisch liegen hat und<br />

in welchem man fundiert nachschlagen<br />

kann. Gleichzeitig aber trotzdem<br />

so kompakt, dass es in der Alltags-<br />

Praxis funktioniert.<br />

Was zeichnet den Linzer Kommentar<br />

aus? Worin liegt sein Neuerungswert?<br />

Birklbauer: Das Ziel war, einen umfassenden<br />

Einbänder zu publizieren,<br />

der viel tiefer geht als bisherige Einbänder,<br />

sich aber hinsichtlich seines<br />

Umfangs gegenüber Mehrbändern in<br />

Grenzen hält. Er war getragen vom<br />

Bestreben, möglichst viele Blickwinkel<br />

in die Kommentierung reinzubringen:<br />

die Seite der Verteidigung,<br />

des Richters, der Staatsanwaltschaft<br />

und der Wissenschaft, also ein bunter,<br />

gut komponierter Mix.<br />

René Haumer: In einer Verhandlungssituation<br />

muss ich schnellen<br />

Zugriff haben auf die Judikatur<br />

exakt für diese Situation. Und genau<br />

für diese Situation ist dieser<br />

Kommentar gedacht. Das ist sein<br />

Mehrwert.<br />

Wess: Bewusst wert gelegt haben<br />

wir auch auf die wissenschaftliche<br />

Perspektive. Zum Beispiel haben<br />

wir als Mehrwert sämtliche Paragraphen<br />

zur Nichtigkeitsbeschwerde<br />

ausschließlich von Universitätsprofessor*innen<br />

bearbeiten lassen, also<br />

bewusst nicht von Verteidiger*innen,<br />

Richter*innen oder Staatsanwält*innen.<br />

Insgesamt wollten wir einen<br />

fundierten Einbänder für die StPO<br />

schaffen.<br />

Beleuchten Sie bestimmte Aspekte<br />

ganz besonders?<br />

Birklbauer: Natürlich gibt das Gesetz<br />

die Richtung vor. Eine gewisse<br />

Bedeutung haben wir dem Rechtsmittelverfahren<br />

gegeben, denn daran<br />

hängt sich die ganze StPO auf. Der<br />

Umfang der Kapitel hängt vom Stil<br />

der Autor*innen – insgesamt mehr<br />

als 50 – ab: knapper bei Richter*innen,<br />

umfangreicher bei Wissenschafter*innen.<br />

Das Limit für die Redaktion<br />

waren die angepeilten maximal 3500<br />

Seiten. Wo es vertretbar war, haben<br />

wir auch umfangreichere Beiträge<br />

belassen, um die Buntheit der österreichischen<br />

Wissenschaft und Praxis<br />

zu spiegeln.<br />

Wie kam es zur gemeinsamen<br />

Herausgeberschaft?<br />

Birklbauer: Mir war klar, den Kommentar<br />

bekomme ich wegen des<br />

Arbeitsaufwands und der Sichtweise


– ich komme aus der Wissenschaft<br />

und somit der Theorie – alleine nicht<br />

hin. Es braucht ein Team aus der Praxis.<br />

Ich habe daher von Seiten der<br />

Richterschaft mit Rainer Nimmervoll<br />

und bald auch mit René Haumer,<br />

ein wenig später mit Norbert Wess,<br />

beide Strafverteidiger, gesprochen.<br />

Nimmervoll stand Pate für viele Autor*innen<br />

aus der Justiz und Staatsanwaltschaft,<br />

die er auch betreute.<br />

Rainer Nimmervoll hat hohes Tempo<br />

vorgegeben, leider hat er uns infolge<br />

seiner schweren Erkrankung zu früh<br />

verlassen und eine große Lücke gerissen.<br />

„Es findet, pointiert gesagt, eine<br />

Entmenschlichung des Prozesses<br />

durch die Videotechnologie statt.“<br />

Sie sprechen in der Kommentar-Einleitung<br />

aktuelle Entwicklungen an, u.a.<br />

die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie<br />

auf die Justiz. Welche Folgen<br />

sehen Sie?<br />

Birklbauer: So notwendig es auch<br />

war, Videokonferenzen und -Verhandlungen<br />

einzuführen, umso problematischer<br />

erachte ich die Gefahr,<br />

dass diese zum Dauerzustand werden.<br />

Ungeregelt ist zum Beispiel,<br />

wo sich der Verteidiger bei einer<br />

Entscheidung per Videokonferenz<br />

über die Verlängerung der Untersuchungshaft<br />

befindet. Er ist hoffentlich<br />

nicht nur per Video zugeschaltet.<br />

Es findet, pointiert gesagt, eine Entmenschlichung<br />

des Prozesses durch<br />

die Videotechnologie statt, von der<br />

ich hoffe, dass sie bald wieder rückgängig<br />

gemacht wird.<br />

Alois Birklbauer<br />

Haumer: Ich schließe mich an. Wir<br />

haben jemand verteidigt, der sehr<br />

stark in der Öffentlichkeit gestanden<br />

ist. Er saß in Untersuchungshaft wegen<br />

des Verdachts des Missbrauchs<br />

von Minderjährigen. Mit den COVID-<br />

Gesetzen wäre es möglich gewesen,<br />

dass bei einem Strafrahmen von bis<br />

zu 15 Jahren er den Verhandlungssaal<br />

nicht betreten darf, sondern aus<br />

der Justizanstalt über eine Videokonferenz<br />

seine Verhandlung mitbeobachtet,<br />

ohne direkte Kommunikation<br />

mit seinem Verteidiger, der ja bei<br />

sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens<br />

im Verhandlungssaal sitzen muss.<br />

Eine persönliche Kommunikation in<br />

einem so komplexen Verfahren kann<br />

aber nicht substituiert werden, die Videokonferenz<br />

stößt da sehr rasch an<br />

ihre faktischen Grenzen, unabhängig<br />

davon sehe ich diese Situationen als<br />

verfassungsrechtlich bedenklich.<br />

Diese jetzige Phase wird, so glaube ich,<br />

eine Triebfeder sein für den elektronischen<br />

Akt auch im Strafverfahren. Das<br />

sehe ich grundsätzlich positiv, aber ich<br />

hoffe, dass es dann nicht zu einem Duell<br />

der technischen Skills wird.<br />

Wess: Der elektronische Akt wäre<br />

wirklich ein Quantensprung und würde<br />

aus Sicht der Verteidigung, ebenso<br />

aber aus der von Richter*innnen<br />

und Staatsanwält*innen viel verbessern.<br />

Er würde auch die Handlungsabläufe<br />

bei den Strafverfolgungsbehörden<br />

massiv erleichtern.<br />

Zur COVID-19-Krise: Es braucht die<br />

Sensibilisierung dafür, nach dieser<br />

Ausnahmesituation vieles wieder zurückzudrängen.<br />

Die Grundsätze der<br />

Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit,<br />

die Notwendigkeit des persönlichen<br />

Eindruckes vom Betroffenen<br />

durch das Gericht sowie das persönliche<br />

Gespräch können nicht oft genug<br />

betont werden.<br />

Geplante Änderungen zu Überwachung<br />

internetbasierter Kommunikation<br />

hat der VfGH aufgehoben. Welche<br />

weitere Entwicklung erwarten Sie<br />

dazu?<br />

Birklbauer: In gewisser Weise erlebe<br />

ich einen sehr sorglosen Umgang<br />

mit dem Bereich der Grundrechte. Es<br />

werden sicher bei den Ermittlungen<br />

von staatlicher Seite die technischen<br />

Möglichkeiten verstärkter ausgenützt<br />

werden. Ob der Verfassungsgerichtshof<br />

seine kritische Linie beibehalten<br />

wird, sehe ich eher pessimistisch.<br />

„Die Kommunikation zwischen<br />

Anwalt und Mandant ist nicht<br />

hinreichend geschützt. Ich sehe<br />

die Gefahr einer Aushöhlung des<br />

Anwaltsgeheimnisses.“<br />

Haumer: Mir ist es ein Anliegen, in<br />

diesem Zusammenhang die derzeitigen<br />

Tendenzen anzusprechen, die<br />

zur Aushöhlung des Anwaltsgeheimnisses<br />

führen. Da sehe ich ein massives<br />

Problem. § 157 Abs 2 StPO sieht<br />

vor, dass unabhängig davon, wo sich<br />

ein Kommunikationsbestandteil zwischen<br />

Verteidiger und Beschuldigten<br />

befindet, dieser bei sonstiger Nichtigkeit<br />

nicht verwertet werden darf.<br />

Das Problem ist nur, es darf gemäß<br />

§ 112 StPO gesichtet werden, sofern<br />

er sich außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei<br />

befindet. Die Kommunikation<br />

zwischen Anwalt und seinem<br />

Mandanten ist nach der derzeitigen<br />

Rechtslage daher nicht mehr hinreichend<br />

geschützt.<br />

Wess: Allein die Tatsache, dass in<br />

die Kommunikation eingesehen und<br />

diese dann allenfalls wieder zurückgegeben<br />

wird, ist ein Riesenproblem,<br />

weil damit die Vertraulichkeit de facto<br />

nicht mehr vorliegt.<br />

René Haumer<br />

Gibt es insgesamt eine Tendenz des<br />

Strafrechts hin zu mehr Prävention,<br />

Stichwort Terrorismusbekämpfung?<br />

Birklbauer: Wir haben das in gewisser<br />

Weise durch die vermehrte Schaffung<br />

von Vorbereitungs-Delikten,<br />

zum Beispiel Reisen für terroristische<br />

15<br />

Interview


16<br />

Interview<br />

Zwecke. Da gab es in Österreich ja<br />

sogar ein Goldplating in dem Sinne,<br />

dass die europarechtlichen Vorgaben<br />

weit überzogen wurden. Die<br />

Tendenz zur Prävention in der StPO<br />

ist momentan nicht besonders stark.<br />

(Anm der Redaktion: Das Interview<br />

wurde vor dem Terror-Anschlag in<br />

Wien geführt.)<br />

Sehen Sie Überlegungen, wonach<br />

Delikte gegen Leib und Leben gegenüber<br />

Eigentumsdelikten weiterhin<br />

verschärft werden sollen?<br />

Birklbauer: Ich würde mal sagen, hier<br />

passiert eine rein populistisch-politische<br />

Entwicklung. Eine Prognose ist<br />

schwierig. Wir haben eine Angleichung<br />

zwischen den Leib und Leben-<br />

sowie den Vermögens-Delikten<br />

mit 1. Jänner 2016 gehabt, die man<br />

in der Urteilspraxis inzwischen sieht.<br />

Die Strafhöhe bei den Leib- und Lebendelikten<br />

steigt, jene bei den Vermögensdelikten<br />

sinkt, nicht zuletzt<br />

durch die veränderten Wertgrenzen.<br />

Aus meiner Sicht ist es nicht notwendig,<br />

stärker anzugleichen.<br />

Haumer: Die letzten Tendenzen zu<br />

Strafverschärfungen waren von der<br />

Politik getrieben. Die eingesetzte<br />

Expertenkommission hat eigentlich<br />

wenig Bedarf an Verschärfungen bei<br />

Gewaltdelikten gesehen. Im Bereich<br />

der Vermögensdelikte kam es schon<br />

vor einigen Jahren zu einer Anhebung<br />

der strafverschärfenden Wertgrenzen.<br />

Diese Reduktion der Strafdrohungen<br />

schlägt sich aber nicht in<br />

den tatsächlich verhängten Strafen<br />

nieder. Demgegenüber ist der Ermessensspielraum<br />

der Gerichte bei<br />

den Gewaltdelikten insbesondere<br />

durch die Einführung von Mindeststrafen<br />

stark nach unten hin limitiert<br />

worden.<br />

Wess: Ich finde bei den Vermögensdelikten<br />

das Strafmaß und die Strafmöglichkeiten<br />

generell am oberen<br />

Ende der Skala angesiedelt. Es ist<br />

ein Zeichen der Zeit, dass vieles sehr<br />

politisch getrieben ist. Das sollte gerade<br />

im Strafrecht eigentlich nicht<br />

passieren. Die Strafrahmen haben<br />

über viele Jahrzehnte gereicht, um<br />

dann sachgerecht eine Lösung zu<br />

finden.<br />

Verfahren im Wirtschafts-Strafrecht<br />

werden immer komplexer und<br />

dauern viel zu lange. Was sagen Sie<br />

zu diesem Vorwurf?<br />

Birklbauer: Da schwingt die Frage<br />

mit: Wie weit soll es auch in der österreichischen<br />

Strafprozessordnung<br />

Spielraum geben für verfahrensbeendende<br />

Absprachen, also den berühmten<br />

Deal im Strafverfahren. Das<br />

Thema ist immer auch mit Verfahrensgerechtigkeit<br />

verbunden. Warum<br />

soll es diese Möglichkeit im Wirtschaftsstrafverfahren<br />

geben und in<br />

anderen Strafverfahren nicht.<br />

Wess: Die Diskussion der verfahrensbeendenden<br />

Absprachen begleitet<br />

mich seit rund 20 Jahren. Gerade<br />

bei Wirtschaftsstrafverfahren ist immer<br />

die Balance zu suchen zwischen<br />

Dauer und erforderlicher Zeit zur<br />

Wahrheitssuche.<br />

Haumer: Es gab ja gesetzgeberische<br />

Bestrebungen, eine Höchstdauer des<br />

Ermittlungsverfahrens einzuführen.<br />

Die jetzt gewählte Lösung ist ganz<br />

zahnlos. Es gibt ja die Möglichkeit,<br />

die Fortführung von Ermittlungsverfahren,<br />

die die gesetzliche Höchstdauer<br />

überschreiten, von einer gerichtlichen<br />

Genehmigung abhängig<br />

zu machen. Ich kenne nicht ein einziges<br />

Verfahren, in dem diese Genehmigung<br />

nicht erteilt worden wäre.<br />

Wess: Ich bin mir ehrlich gesagt<br />

nicht sicher, ob Verfahren immer<br />

komplizierter werden und länger<br />

dauern. Ich glaube, sie dauern nur<br />

nicht kürzer. Genauso wie der Sachverhalt<br />

von Verfahren vielleicht<br />

komplexer, weil internationaler wird,<br />

sind aber auch die Möglichkeiten<br />

für die Behörden jetzt einfachere<br />

als vor 20 Jahren. Da hält sich die<br />

Balance.<br />

Birklbauer: Ich verweise auf die Justiz,<br />

die stolz darauf ist, im europäischen<br />

Vergleich eine sehr kurze Verfahrensdauer<br />

zu haben.<br />

Wäre es im Sinne einer Verfahrensökonomie<br />

nicht vernünftiger,<br />

Vermögensansprüche zumindest im<br />

Fall der Verurteilung des Beschuldigten<br />

ausschließlich durch die/den<br />

zuständige/n Richter*in des Strafverfahrens<br />

zu klären?<br />

Wess: Das passiert in Wirtschaftsstrafverfahren<br />

oft genug. Wobei: Es<br />

ist auch nicht Aufgabe des Strafprozesses,<br />

relativ komplexe zivilrechtliche<br />

Fragestellungen zu lösen. Die<br />

Strafrichter haben dafür auch nicht<br />

unbedingt die spezielle Expertise.<br />

Haumer: Die Zivilgerichte setzen im<br />

Falle einer Verurteilung genau an<br />

dem Punkt ein, wo das Strafgericht<br />

aufgehört hat, nämlich bei der Ermittlung<br />

der Höhe der Ansprüche.<br />

Insofern tritt nicht wirklich eine Verzögerung<br />

ein. Der einzige Nachteil<br />

für die Privatbeteiligten ist, dass sie<br />

plötzlich ein Risiko hinsichtlich der<br />

Höhe der Prozesskosten haben und<br />

ich muss für Gerichtsgebühren in<br />

Vorleistung treten. Im Strafverfahren<br />

geht es primär darum, einen staatlichen<br />

Strafausspruch durchzusetzen<br />

und nicht vorwiegend darum, Verletzten-Interessen<br />

zu befriedigen.<br />

Birklbauer: Theoretisch verankert<br />

die StPO Schadenersatzansprüche<br />

im Bereich der Privatbeteiligung<br />

sehr weitgehend. Ein Privatbeteiligter<br />

kann sogar einen Freispruch bekämpfen.<br />

Das ist ohnehin schon eine<br />

gewisse Störung der Verfahrensbalance.<br />

Ich sehe daher keinen Bedarf,<br />

hier an der derzeitigen Regelung irgendetwas<br />

zu ändern.


„Wichtig ist die soziale<br />

Kompetenz, gerade im Strafrecht.<br />

Denn es geht um Menschen und<br />

um Schicksale.“<br />

Norbert Wess<br />

Neben dem fachlichen Know-how:<br />

Welche weiteren Skills sollten Strafrichter*innen,<br />

Staatsanwält*innen und<br />

Strafverteidiger*innen mitbringen?<br />

Haumer: Bezogen auf Strafverteidiger*innen:<br />

Im Rahmen von Seriosität<br />

und Professionalität einfach unerbittlich<br />

für die Interessen des eigenen<br />

Mandanten einzuschreiten und<br />

insofern auch eine Konfliktbereitschaft<br />

zu zeigen, ohne den Konflikt<br />

um des Konflikts willen auszuführen.<br />

Dieses aktive Verteidigen ist mittlerweile<br />

zu einer Grundvoraussetzung<br />

geworden.<br />

Wess: Wichtig ist auch soziale Kompetenz,<br />

gerade im Strafrecht. Wir<br />

agieren in der Strafverteidigung heute<br />

viel kritischer. Dementsprechend<br />

wichtig ist es, das respektvoll zu<br />

machen, ohne irgendwelche Untergriffe.<br />

Abgesehen davon, dass man<br />

dergestalt auch die Position seines<br />

Mandanten noch viel glaubwürdiger<br />

vertreten kann. Man muss auch<br />

trotzdem immer merken, da geht‘s<br />

um Menschen und um Schicksale. Je<br />

mehr man darauf Rücksicht nimmt<br />

und entsprechend agiert, desto besser<br />

kann man dann auch seine Position<br />

transportieren.<br />

Erscheint<br />

Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

17<br />

Interview<br />

Lesen Sie die Langfassung des Interviews auf verlagoesterreich.at/site.interviews<br />

EAN 9783704683687<br />

€ 399,–<br />

Die Herausgeber<br />

© Obereigner<br />

Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer leitet die Abteilung Praxis der Strafrechtswissenschaften und Medizinstrafrecht<br />

am Institut für Strafrechtswissenschaften der Johannes-Kepler-Universität Linz. Er habilitierte<br />

sich 2009 für das Fach Strafrecht und Kriminologie. Birklbauer, der ohne Abschluss auch<br />

katholische Theologie studierte, ist Mitglied in mehreren Kommissionen und Gremien, darunter Mitglied der<br />

Arbeitsgruppe „Vollzugsforschung“ beim Bundesministerium für Justiz, Mitglied im Kuratorium von NEUSTART<br />

(Wien), Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt und Mitglied der Opferschutzkommission des<br />

Landes Oberösterreich. Er ist Mitherausgeber des Journals für Medizin- und Gesundheitsrecht (JMG) und des<br />

Journals für Strafrecht (JSt).<br />

© Haslinger/Nagele<br />

Mag. René Haumer, LL.M. ist seit 2007 Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Haslinger/Nagele<br />

Rechtsanwälte. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts-, Korruptions- und Finanzstrafrecht, Unternehmensstrafrecht,<br />

Internal Investigations & Compliance sowie Verwaltungsstrafrecht.<br />

© Czermak<br />

Dr. Norbert Wess, LL.M. MBL ist seit 2004 selbständiger Rechtsanwalt und seit 2006 Partner der<br />

Kanzlei wkk law Rechtsanwälte. Seine Fachgebiete umfassen Wirtschafts- und Korruptionsstrafrecht,<br />

Unternehmensstrafrecht und Verbandsverantwortlichkeiten, Compliance und Internal Investigations,<br />

strafrechtliche Opfer- und Geschädigtenvertretungen, Vermögens- und Finanzstrafrecht,<br />

Allgemeines Strafrecht, Verwaltungsstrafrecht, Internationales Strafrecht, Auslieferungsrecht sowie Sportund<br />

Veranstaltungsrecht.


<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />

18<br />

Strafrecht<br />

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Dezember<br />

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Im Interview: Sebastian Bergmann, Erik Pinetz, Karoline Spies • Lesedauer: 3 Minuten<br />

Was mit dem EU-Meldepflichtgesetz auf<br />

Beratung und Unternehmen zukommt<br />

Verlag Österreich: Das EU-Meldepflichtgesetz<br />

ist am 1. Juli dieses<br />

Jahres in Österreich in Kraft getreten.<br />

Was macht dieses Gesetz so wichtig<br />

und wer wird davon betroffen sein?<br />

Erik Pinetz: Mit dem EU-Meldepflichtgesetz<br />

(EU-MPfG) wurde auf<br />

Basis unionsrechtlicher Vorgaben in<br />

Österreich eine Meldepflicht für bestimmte<br />

grenzüberschreitende Steuergestaltungen<br />

eingeführt. Diese<br />

Meldepflicht ist insofern besonders,<br />

als vor allem die an der Gestaltung<br />

beteiligten Intermediäre (also die<br />

beteiligten Berater verschiedenster<br />

Beratungszweige) Ansprechpersonen<br />

der Meldepflicht sind.<br />

Karoline Spies: Allgemein hat das EU-<br />

Meldepflicht das Ziel, die Transparenz<br />

im Steuerrecht erheblich auszuweiten<br />

und damit die grenzüberschreitende<br />

Steuervermeidung zu bekämpfen. Die<br />

Meldepflicht soll dem Gesetzgeber<br />

vor allem helfen, potentielle Steuerschlupflöcher<br />

frühzeitig zu identifizieren<br />

und durch Reformen schließen zu<br />

können. Daneben hat die Meldepflicht<br />

aber sicherlich auch präventiven Charakter<br />

und wird Unternehmen schon<br />

von Beginn an davon abhalten, bestimmte<br />

Gestaltungen (zB Nutzung<br />

von Safe-Harbor Regeln, Ansiedelung<br />

in Staaten mit besonders niedrigen<br />

Steuersätzen oder mit präferentiellen<br />

Steuerregimen) überhaupt zu implementieren.<br />

Es geht bei Verstößen gegen<br />

die Meldevorschriften also nicht<br />

nur um finanzstrafrechtliche Problemfelder,<br />

sondern auch um die Reputation<br />

der betroffenen Unternehmen und<br />

Personen.<br />

Wer und was muss gemeldet<br />

werden?<br />

Pinetz: Wie bereits angerissen, betrifft<br />

die Meldepflicht insbesondere<br />

Intermediäre. Dazu zählen etwa Steuerberater,<br />

Rechtsanwälte oder Notare,<br />

aber auch Banken und sonstige<br />

involvierte Berater, die an der grenzüberschreitenden<br />

Gestaltung unmittelbar<br />

oder unterstützend mitwirken.<br />

Die Bandbreite ist durchaus groß.<br />

Sebastian Bergmann: Gemeldet werden<br />

müssen ganz bestimmte Steuergestaltungen.<br />

Das bedeutet nicht,<br />

dass sämtliche potentiell zu Steuervorteilen<br />

führende Gestaltungen meldepflichtig<br />

sind, sondern nur jene,<br />

die vom EU-MPfG explizit erfasst<br />

werden. Es kann also durchaus vorkommen,<br />

dass bestimmte aggressive<br />

Steuergestaltungen nicht zu melden<br />

sind.<br />

Spies: Um meldepflichtig zu sein,<br />

muss die Gestaltung bestimmte im<br />

EU-MPfG gelistete Kennzeichen<br />

(auch „Hallmarks“ genannt) erfüllen.<br />

Viele der in diesen Kennzeichen verwendeten<br />

Rechtsbegriffe sind dem<br />

österreichischen Steuerrecht bisher<br />

fremd (zB „Umwandlung von Einkünften“).<br />

Einige Kennzeichen sind<br />

zudem mangels konkreterer Beispiele<br />

nur schwer eingrenzbar und könnten<br />

daher auch eine Vielzahl alltäglicher<br />

Situationen erfassen. Auch wenn der<br />

österreichische Gesetzgeber versucht<br />

hat, „Über-Meldungen“ durch<br />

die zusätzliche Melde-Voraussetzung<br />

des bestehenden „Risikos der Steuervermeidung“<br />

zu minimieren, bleibt<br />

Rechtsunsicherheit bestehen.<br />

Können Sie ein paar Beispiele für<br />

grenzüberschreitende Gestaltungen<br />

bringen?<br />

Pinetz: Die Bereiche sind durchaus<br />

vielfältig und unterschiedlich. Im Konzernbereich<br />

betrifft es etwa grenz-


überschreitende Gestaltungen in<br />

Wie sieht es mit der Haftung aus?<br />

in Österreich, waren auch die Aus-<br />

Zusammenhang mit Verrechnungs-<br />

Welche Sanktionen drohen bei nicht<br />

führungen im deutschen und interna-<br />

preisen bei der Übertragung immaterieller<br />

Wirtschaftsgüter. Im Finanzbe-<br />

korrekter Meldung?<br />

tionalen Schrifttum von wesentlicher<br />

Bedeutung. Durch die Berücksichti-<br />

21<br />

reich können auch Strukturierungen<br />

im Bereich von Eigen- und Fremdkapital<br />

wie auch bestimmte Cash-Pooling-<br />

Agreements erfasst sein. Es gibt aber<br />

Bergmann: Eine fehlerhafte Einschätzung<br />

über die Meldepflicht kann mit<br />

empfindlichen Strafen belegt werden.<br />

Jede verabsäumte, unvollständi-<br />

gung dieser Quellen konnte bereits in<br />

kurzer Zeit nach der Gesetzwerdung<br />

eine durchaus beachtliche Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema erreicht<br />

Interview<br />

auch sehr generelle Bereiche wie etwa<br />

ge oder nicht fristgerechte Meldung<br />

werden.<br />

bestimmte Verschwiegenheitsklauseln<br />

ebenso wie die Meldung unrichtiger<br />

bzw Erfolgshonorarvereinbarungen.<br />

Informationen kann als Finanzordnungswidrigkeit<br />

mit bis zu € 50.000<br />

Spies: Ob eine Gestaltung (zB ein bestimmter<br />

Forderungsverzicht oder<br />

(bei Vorsatz) oder mit bis zu € 25.000<br />

(bei grober Fahrlässigkeit) sanktio-<br />

Die Herausgeber*innen<br />

eine Verrechnungspreisgestaltung)<br />

meldepflichtig ist, kann aber nie abstrakt<br />

beurteilt werden, sondern bedarf<br />

einer Untersuchung des jeweiligen<br />

Einzelfalls im Lichte des Kontextes<br />

niert werden.<br />

Spies: Zu beachten ist weiters, dass<br />

bei einer territorialen Anknüpfung<br />

eines Intermediärs oder des Steuer-<br />

© Privat<br />

Assoz. Univ.-Prof. Dr.<br />

Sebastian Bergmann,<br />

LL.M. MBA<br />

JKU Linz<br />

der Gesamtsituation und des jeweili-<br />

pflichtigen zu einem anderen EU-Mit-<br />

gen Kennzeichens. Bei einigen Kennzeichen<br />

– den sogenannten „bedingt<br />

meldepflichtigen Kennzeichen“ – kann<br />

nämlich eine Meldepflicht dann verneint<br />

werden, wenn steuerliche Vortei-<br />

gliedstaat auch dort Meldepflichten<br />

für grenzüberschreitende Gestaltungen<br />

bestehen können und die Strafen<br />

für eine Nicht-Meldung oder unvollständige<br />

Meldung in anderen Mitglied-<br />

© Helmreich<br />

Dr. Erik Pinetz,<br />

LL.M. MSc.<br />

WU Wien<br />

le keinen Hauptgrund der Gestaltung<br />

staaten teilweise empfindlich höher<br />

bilden; bei anderen Kennzeichen ist<br />

ausgestaltet sind. Bei der Einbindung<br />

dieser Nachweis jedoch nicht möglich.<br />

Welche Fristen sind zu beachten?<br />

mehrerer Steuerpflichtiger und/oder<br />

mehrerer Intermediäre aus unterschiedlichen<br />

Mitgliedstaaten ist daher<br />

eine zeitgerechte Koordinierung aller<br />

© Huger<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Karoline Spies<br />

WU Wien<br />

Bergmann: Große Beachtung im Hin-<br />

involvierten Parteien über eine allen-<br />

blick auf die Fristen fand zunächst<br />

falls bestehende Meldepflicht der Ge-<br />

natürlich der Umstand, dass auch be-<br />

staltung zu empfehlen.<br />

stimmte Altfälle, also bereits in der Vergangenheit<br />

verwirklichte Gestaltungen<br />

Abgesehen von der Aktualität, was<br />

gemeldet werden mussten. Dies stellte<br />

zeichnet Ihren Kommentar darüber<br />

für viele betroffene Intermediäre eine<br />

hinaus aus? Worauf haben Sie beim<br />

große Herausforderung dar.<br />

Kommentar besonders wert gelegt?<br />

Spies: Intermediäre und auch Steuerpflichtige<br />

sollten ein internes Kontrollsystem<br />

implementieren, wonach<br />

jede steuerliche Planung – egal, ob sie<br />

inhouse entworfen oder von einem<br />

Steuerberater zur Verfügung gestellt<br />

wurde – zeitnah zur Fertigstellung auf<br />

ihre Meldepflicht geprüft wird. Eine<br />

Meldung an die Finanzbehörden hat<br />

nämlich bei Neufällen innerhalb der<br />

herausfordernd kurzen Frist von 30<br />

Tagen ab Bereitstellung oder Umsetzungsbereitschaft<br />

zu erfolgen.<br />

Pinetz: Zentral war es insbesondere,<br />

die unionsrechtlichen Grundlagen für<br />

die Praxis aufzuarbeiten. Schließlich<br />

hat sich der österreichische Gesetzgeber<br />

allgemein für eine sehr richtliniennahe<br />

Umsetzung entschieden.<br />

Insofern sind die unionsrechtlichen<br />

Vorgaben von essentieller Bedeutung<br />

für die praktische Anwendung der nationalen<br />

Regelungen im EU-MPfG.<br />

Bergmann: Nicht zuletzt, angesichts<br />

der noch eingeschränkten Literatur<br />

EAN 9783704685230<br />

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November<br />

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Unternehmens- und Wirtschaftsrecht<br />

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Dezember<br />

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23<br />

Gewerberecht<br />

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EAN 9783704681287<br />

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Interview mit Herbert Houf<br />

Präsident der Kammer der<br />

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />

Im Interview: Herbert Houf • Foto: © KSW • Lesedauer: 4 Minuten<br />

Verlag Österreich: Das Berufsfeld<br />

„Steuern“ gilt oft als trockene Materie<br />

und wenig attraktiv. Was macht den Beruf<br />

der Steuerberaterin/des Steuerberaters<br />

aus Ihrer Sicht dennoch reizvoll?<br />

Herbert Houf: Dazu gibt es zwei wesentliche<br />

Aspekte: Einerseits umfasst<br />

der Tätigkeitsbereich der Steuerberater*innen<br />

wesentlich mehr als nur<br />

„Steuern“. Wir sind Expert*innen in<br />

allen Fragen des Rechnungswesens<br />

und der Finanzberichterstattung, Gutachter*innen,<br />

Berater*innen in rechtlichen<br />

und wirtschaftlichen Fragen des<br />

täglichen Unternehmerlebens, bei der<br />

Organisations- und Prozessgestaltung<br />

bzw in betriebswirtschaftlichen<br />

Fragen generell. Auch die Vertretung<br />

in einschlägigen Verwaltungsverfahren<br />

bis hin zum VwGH ist per se<br />

schon eine spannende Aufgabe. Andererseits<br />

bekommt man in keinem<br />

anderen Beruf einen so umfassenden<br />

Einblick in Unternehmen der unterschiedlichsten<br />

Größenordnungen und<br />

Branchen. Das ist abwechslungsreich<br />

und herausfordernd. Nicht zuletzt<br />

aufgrund dieses umfassenden Berufsbildes<br />

sind Steuerberater*innen auch<br />

außerhalb unserer Branche sehr begehrte<br />

Mitarbeiter*innen.<br />

Welche Aktivitäten setzt die Kammer,<br />

um den Berufsstand attraktiver<br />

zu gestalten?<br />

Natürlich spüren wir den‚ „war for talents“<br />

in unseren Kanzleien und bemühen<br />

uns daher vor allem bei den Studierenden,<br />

das Interesse an unseren<br />

Berufen verstärkt zu wecken. Durch<br />

das WTBG 2017 haben wir einige<br />

wichtige Schritte gesetzt, um die beiden<br />

Berufe Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />

besser zu positionieren<br />

und auch die Ausbildung attraktiver<br />

zu gestalten. Unsere kammereigene<br />

Akademie hat in diesem Punkt eine<br />

zentrale Rolle. Die sprichwörtlichen<br />

„Ärmelschoner“ haben wir schon lange<br />

abgelegt. Wir sind ein hochspezialisierter,<br />

technologisch bestens aufgestellter<br />

Berufstand mit hervorragenden<br />

Karrierechancen, egal ob als freiberuflicher<br />

Unternehmer oder im Dienstverhältnis.<br />

Und wie sich gerade zeigt, ist<br />

unsere Branche durchaus krisenfest.<br />

Der Statistikreport der Kammer<br />

<strong>2020</strong> zeigt, dass der Frauenanteil fast<br />

ausgeglichen bei 48 % im Bereich der<br />

Steuerberatung liegt. Im Gegensatz<br />

dazu sind es nur 29 % Frauen in der<br />

Wirtschaftsprüfung. Woran liegt das<br />

Ihrer Meinung nach? Und wie sieht es<br />

mit der Verteilung auf Partner*innen-<br />

Ebene aus?<br />

Mehr noch als die aktuelle Verteilung<br />

ist der Trend der letzten Jahre interessant,<br />

wonach rund 60 % aller hinzukommenden<br />

Berufsangehörigen<br />

Frauen sind. Das liegt sicher daran,<br />

dass viele Arbeiten – nicht erst seit<br />

COVID-19 – orts- und zeitunabhängig<br />

erledigt werden können und die Beschäftigung<br />

nahezu beliebig skalierbar<br />

ist. Damit lassen sich nahezu alle<br />

individuellen Wünsche zur Gestaltung<br />

der persönlichen Arbeitswelt realisieren.<br />

Im Projektgeschäft – dazu gehört<br />

die Abschlussprüfung – ist das nicht<br />

so uneingeschränkt der Fall. Vermutlich<br />

haben wir daher in diesem Bereich<br />

noch nicht „gender equality“<br />

erreicht. Aber auch dort sind wir auf<br />

einem guten Weg und auch auf der<br />

Ebene der Partner*innen ziehen vermehrt<br />

Frauen ein.<br />

Welche Maßnahmen kann die<br />

Kammer zur Unterstützung von<br />

Chancengleichheit und „work-livebalance“<br />

setzen?<br />

In der Kammer selbst sind 60 % der<br />

Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt.<br />

Nicht weil wir eine möglichst<br />

hohe Quote erreichen wollen, sondern<br />

Personalentscheidungen nach<br />

rein sachlichen Kriterien getroffen<br />

werden. Flexible Arbeitszeiten und<br />

die Möglichkeit zum Homeoffice erlauben<br />

es, die individuell gewünschte<br />

„balance“ zu finden und steigern<br />

die Attraktivität des Arbeitsplatzes,<br />

auch in unseren Kanzleien. Daher interessieren<br />

sich Frauen auch in besonderem<br />

Maße für unsere Berufe.<br />

Aber deswegen dürfen wir uns nicht<br />

zufrieden zurücklehnen. Solange<br />

wir argumentieren, dass wir ein familienfreundlicher<br />

Beruf sind und<br />

sich deswegen so viele Frauen dafür<br />

interessieren, haben wir uns von<br />

dem Vorurteil, dass Familie „Frauensache“<br />

ist, noch nicht entfernt.<br />

Erst wenn Familie „Familiensache“<br />

ist, haben wir echte Chancengleichheit<br />

zwischen den Geschlechtern.<br />

Aber da wird sich unsere Gesellschaft<br />

noch ein wenig weiterentwickeln<br />

müssen, bis es soweit ist. Als<br />

Kammer können wir versuchen beizutragen,<br />

dass sich der „Mindset“<br />

entsprechend verändert.<br />

Die Steuerberatung ist eine anspruchsvolle<br />

Dienstleistung und entsprechend<br />

hoch sind die Anforderungen<br />

an Aus- und Weiterbildung<br />

für die Berufsträger*innen und die<br />

Mitarbeiter*innen. Wie können die<br />

Steuerberater*innen selbst mit diesem<br />

Leistungsdruck Schritt halten?


Als Freier Beruf sind wir es gewohnt,<br />

gungen auf ihre ureigensten unter-<br />

sondern auch meine persönliche Er-<br />

auch unter großer Belastung gewis-<br />

nehmerischen Aufgaben und das<br />

fahrung zeigen, dass weit über 90 %<br />

senhaft und eigenverantwortlich zu<br />

arbeiten. Auch das berühmte „lebens-<br />

wirtschaftliche Überleben zu richten.<br />

Spannend wird es, wie wir hier wieder<br />

aller Abgabepflichtigen in Österreich<br />

ihre Steuern pünktlich und korrekt<br />

25<br />

lange Lernen“ ist seit jeher Teil unserer<br />

Berufsbilder Steuerberater und<br />

Wirtschaftsprüfer. Das ist einerseits<br />

anstrengend, andererseits die Grund-<br />

schrittweise zum „Normalbetrieb“ zurückkehren<br />

können.<br />

Wenn die Zahlungserleichterungen<br />

bezahlen. Die Steuerberater*innen<br />

leisten dazu zweifellos einen wesentlichen<br />

Beitrag. Durch die zunehmende<br />

Globalisierung der Wirtschaft ist<br />

Interview<br />

lage für das ausgezeichnete Image<br />

für Unternehmen im Zuge der COVID-<br />

aber natürlich auch der (internatio-<br />

unseres Berufsstands und die große<br />

19-Krise seitens der Finanzverwaltung<br />

nale) Abgabenbetrug deutlich ange-<br />

Wertschätzung für unsere Expertise.<br />

wegfallen, ist eine Schockwirkung für<br />

stiegen. Andererseits hat die Weiter-<br />

Die Doppelrolle – Fachexperte einer-<br />

zahlreiche Betriebe zu erwarten. Wäre<br />

entwicklung des zwischenstaatlichen<br />

seits und Unternehmer andererseits –<br />

eine Verlängerung seitens der Politik<br />

Informationsaustausches und mehr<br />

war schon immer eine große Heraus-<br />

geboten? Welche Vorsorgemaßnah-<br />

Transparenz bei internationalen Steu-<br />

forderung.<br />

men können die Berater*innen für ihre<br />

ergestaltungen gewisse „Schlupflö-<br />

Klienten treffen?<br />

cher“ geschlossen. Insgesamt ist es<br />

Digitalisierung ist inzwischen in<br />

wohl die schwierigste Aufgabe für jede<br />

vielen Branchen mehr als nur ein<br />

Die bislang gewährten Abgaben-<br />

Steuerverwaltung, mit gezielten und<br />

Schlagwort und erlebt nicht zuletzt<br />

stundungen waren ein wesentlicher<br />

wirksamen Maßnahmen Steuerbetrug<br />

durch COVID-19 einen massiven Auf-<br />

Beitrag, um die Liquidität der Unter-<br />

zu bekämpfen, ohne die überwiegen-<br />

schwung. Wie sieht die Zukunft der di-<br />

nehmen aufrecht zu erhalten. Natür-<br />

de Zahl an Steuerehrlichen unange-<br />

gitalen Steuerberatung Ihrer Meinung<br />

lich wusste man von Anfang an, dass<br />

messen zu belasten oder zu verfolgen.<br />

nach aus?<br />

„aufgeschoben nicht aufgehoben“ ist.<br />

Da werden wir einen aufmerksamen<br />

Nachdem wir gerade beobachten,<br />

Blick darauf haben, ob auch in diesem<br />

Mit dieser Frage beschäftigen wir uns<br />

dass die Auswirkungen der COVID-<br />

Bereich die „balance“ passt.<br />

schon seit längerem und haben in unse-<br />

19-Krise uns nun doch etwas länger<br />

rer Kammer gerade einen Strategiepro-<br />

beschäftigen werden als erhofft, wird<br />

zess gestartet, in dem die Zukunft und<br />

Weiterentwicklung der Berufsbilder<br />

man daher auch über weitere Stundungen<br />

nachdenken müssen. Aus un-<br />

Jetzt kennenlernen<br />

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />

systematisch erarbeitet werden sollen.<br />

Die Auswirkungen des technologischen<br />

Fortschritts sind hier gleichermaßen zu<br />

serer Sicht sollte dabei jedoch zunehmend<br />

eine individuellere Handhabung<br />

Platz greifen, dh nicht mehr Stundung<br />

für alle, sondern für diejenigen, die es<br />

Vielfalt, Diskurs, Orientierung<br />

und Lösungen im Steuerstrafrecht<br />

und Steuerverfahren<br />

adressieren, wie gesellschaftliche Ver-<br />

wirklich brauchen, um überleben zu<br />

änderungen. Zweifellos werden man-<br />

können – und auch eine realistische<br />

che Tätigkeiten in den nächsten Jah-<br />

Chance haben, zu überleben.<br />

ren wegfallen, dafür werden sich neue<br />

Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. In<br />

Zum Thema Abgabenhinterziehung:<br />

jedem Fall werden wir in fünf bis zehn<br />

Jedes Jahr werden im langjährigen<br />

Jahren anders arbeiten als heute.<br />

Durchschnitt mehr als 7.000 Selbstanzeigen<br />

erstattet, im zeitlichen Umfeld<br />

Wie haben Sie und Ihre Kolleginnen<br />

der Steuerabkommen mit der Schweiz<br />

und Kollegen in der Kammer den Um-<br />

und Liechtenstein war die Zahl für ei-<br />

gang der Abgabenverwaltung mit den<br />

nige Jahre sogar mehr als doppelt so<br />

Herausforderungen der COVID-19-Kri-<br />

hoch, im vergangenen Jahr 2019 ha-<br />

se wahrgenommen? Gibt es aus Ihrer<br />

ben rund 24.500 Prüfungsmaßnahmen<br />

Sicht Verbesserungspotential?<br />

der Finanzverwaltung ein steuerliches<br />

Mehrergebnis von rund € 1,1 Milliarden<br />

Die klaren Vorgaben an die Finanz-<br />

eingebracht. (Quelle: BMF) Wie steuer-<br />

verwaltung, insbesondere im Bereich<br />

ehrlich sind denn die Österreicherinnen<br />

der Abgabeneinhebung, haben den<br />

Unternehmen den nötigen Spielraum<br />

und Österreicher?<br />

ISSN 2663-841X<br />

Einstiegsabo € 20,– (2 Hefte)<br />

gegeben, den Fokus ihrer Anstren-<br />

Nicht nur die einschlägige Statistik


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Dezember<br />

<strong>2020</strong><br />

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27<br />

Arbeitsrecht<br />

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Katastrophal digital?<br />

28<br />

Anleitung für eine<br />

gute virtuelle<br />

Zusammenarbeit<br />

in Teams<br />

Text: Dr. Susanna Kleindienst-Passweg, Dr. Astrid Reinprecht, Gerd Oberlechner, DSA M.A. • Lesedauer: 5 Minuten<br />

Wir arbeiten immer mehr virtuell. Im Lockdown haben wir gelernt, die Vorteile etwa von<br />

digi talen Tools für Videotelefonie, oder von online Visualisierungsprogrammen, zu erkennen<br />

und zu nutzen. Oft aber kommen wir auch an Grenzen – was sind Stolpersteine des<br />

virtuellen Arbeitens und wie können wir Konflikte vermeiden, die daraus entstehen?<br />

Virtuelle Zusammenarbeit erlaubt es uns,<br />

in schwierigen Kontexten (zB während<br />

eines Lockdowns) oder auch bei großer<br />

räumlicher Distanz miteinander zusammenzuarbeiten.<br />

Sei es in Teammeetings,<br />

oder in Workshops oder bei großen Konferenzen<br />

– räumliche Distanzen sind schnell<br />

und einfach zu überwinden. Knappe zeitliche<br />

Ressourcen lassen sich gut nutzen,<br />

etwa weil Anfahrts- oder Reisezeiten entfallen.<br />

Ergebnisse virtueller Zusammenarbeit,<br />

insbesondere auch Entscheidungen<br />

oder Vereinbarungen von Mediationen,<br />

können in Echtzeit dokumentiert und gemeinsam<br />

redigiert werden, etwa indem<br />

online protokolliert wird, was jede/r Teilnehmer*in<br />

einsehen kann. In Zeiten, in denen<br />

Personen häufig krank sind, reduziert<br />

virtuelles Arbeiten die Ansteckungsgefahr<br />

und ermöglicht es, miteinander in Kontakt<br />

zu bleiben (zB auch in Quarantäne).<br />

Abgesehen von diesen administrativ-organisatorischen<br />

Vorteilen, kann virtuelle<br />

Zusammenarbeit auch emotionale und<br />

gruppendynamische Erleichterungen<br />

bringen. Für Personen, die gerne lösungsorientiert<br />

arbeiten und die digitalen Tools<br />

aus dem beruflichen Alltag kennen, hilft<br />

virtuelles Arbeiten in einen Lösungsmodus<br />

zu kommen und zu fokussieren, weil<br />

„Zwischenkommunikation“ wie zB Small<br />

Talk ausfällt und man dadurch schneller<br />

zum Punkt kommt. Das Einhalten einfacher<br />

Gesprächsregeln, wie zB „Ausreden<br />

lassen“, gelingt leichter, weil das Medium<br />

selbst gewisse technische Eingriffe ermöglicht<br />

(zB Mikro ausschalten, wenn<br />

man nicht am Wort ist usw). In Teams oder<br />

Gruppen, wo (eskalierte) Konflikte vorherrschen,<br />

die physisches Zusammensein<br />

unmöglich machen, können virtuelle Tools<br />

das Arbeiten erleichtern, weil jede/r seinen/ihren<br />

Schutzraum hat. Das setzt zwar<br />

achtsame und straffe Moderation voraus,<br />

ist aber einfacher, als die Teilnehmer*innen<br />

physisch zu trennen.<br />

Leider gelingt virtuelle Zusammenarbeit<br />

aber nicht „einfach so“. Im Gegenteil,<br />

können leicht Fehler gemacht werden,<br />

wie das folgende Fallbeispiel zeigt:<br />

Durch den abrupten Lockdown aufgrund<br />

COVID-19 war in einer Beratungseinrichtung<br />

ab Mitte März <strong>2020</strong> direkter Klient*innenkontakt<br />

nicht mehr gestattet. Der<br />

Arbeitsmodus, der auf persönlichen Kontakt<br />

und face-to-face Zusammenarbeit<br />

beruhte, musste daher möglichst schnell<br />

umgestellt werden. Der organisatorische<br />

Aufwand dieser Veränderung war enorm.<br />

Es galt, diese und andere Veränderungen<br />

in wöchentlichen Teamsitzungen zu besprechen.<br />

Da Treffen vor Ort aber nicht<br />

mehr möglich waren, daher wurden diese<br />

„virtualisiert“. Dabei wurde Wesentliches<br />

übersehen: Zum Beispiel wurde nicht darauf<br />

geachtet, ob alle Mitarbeiter*innen<br />

technisch zu virtuellen Sitzungen in der<br />

Lage waren. Das Einrichten der Laptops<br />

seitens des Arbeitgebers wurde technisch<br />

nicht begleitet. Auch das Thema der Vertraulichkeit,<br />

besonders in Bezug der Vermischung<br />

beruflicher und privater Daten<br />

auf (der zum Teil privaten) Laptops oder<br />

datenschutzrechtliche Bedenken wurden<br />

vorab nicht angesprochen.<br />

Während der ersten Sitzungen, die rasch<br />

und ungeplant durchgeführt wurden, passierten<br />

wesentliche Fehler. So wurde nicht<br />

daran gedacht, die Sitzungen zu moderieren.<br />

Zudem gab es keine Protokollführung<br />

oder Visualisierung. In dem Tool, das<br />

verwendet wurde, wurde kein virtueller<br />

Warteraum eingerichtet, wodurch das<br />

Zuschalten der Teilnehmer*innen möglich<br />

gewesen wäre. Dies führte dazu, dass<br />

über einen Kollegen online gelästert wurde,<br />

ohne dass sich die Mitarbeiter*innen<br />

bewusst waren, dass diese Person anwesend<br />

war bzw zugehört hatte. Kurzum: Die<br />

online Treffen waren nicht nur anarchisch<br />

und wenig produktiv, sondern schaukelten<br />

sich zu einem veritablen Konflikt hoch.<br />

In diesem Beispiel ist beinahe alles schiefgelaufen,<br />

was schieflaufen hätte können.<br />

Was hätten die Führungspersonen anders<br />

machen können? Was sind Stolperfallen<br />

vor und während virtueller Sessions und<br />

was lässt sich als Verantwortliche/r tun?


Zur Vorbereitung virtueller Zusammenarbeit<br />

empfehlen wir auf folgende Dinge<br />

zu achten:<br />

• Technik: Technik per se kann ein Stolperstein<br />

sein. Daher ist eine gute Vorbereitung<br />

der Technik (funktionieren die W-Lan-Verbindung,<br />

Hardware, Software, Headsets<br />

usw?) für alle Teilnehmer*innen ein Muss.<br />

Eine Viertelstunde vor oder zu Beginn der<br />

eigentlichen inhaltlichen Arbeit sollte zudem<br />

eine gemeinsame „technische Probe“<br />

erfolgen, um zB Tonqualität, Kameraeinstellungen<br />

usw zu prüfen und um klarzustellen,<br />

was zu tun ist, falls die Technik versagt<br />

(etwa durch die Information, den<br />

Verantwortlichen bzw den/die Moderator*in<br />

anzurufen usw).<br />

• Wissen über Technik: Da oft nicht alle<br />

Teilnehmer*innen Vorerfahrungen mit gewissen<br />

Tools haben, sollten die Verantwortliche/n<br />

das Vorwissen aller ansprechen bzw<br />

überprüfen und allenfalls gemeinsam ausprobieren<br />

und erlernen.<br />

• Zeitfaktor: Wann und wie oft werden<br />

Termine virtuell eingerichtet? Hier muss<br />

man die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen<br />

berücksichtigen, da die Grenzen zwischen<br />

privat und beruflich leicht verschwimmen.<br />

So sollte zB geklärt werden, ob es Betreuungspflichten<br />

gibt, wann eine ungestörte<br />

Arbeitsatmosphäre möglich ist usw. Auch<br />

müssen virtuelle Sitzungen zeitlich klar<br />

strukturiert und mit ausreichend Pausen<br />

versehen sein, denn erfahrungsgemäß ermüdet<br />

konzentriertes Arbeiten online mehr<br />

als „vor Ort“.<br />

• Überforderung der Moderation: Die<br />

Moderation virtueller Zusammenarbeit<br />

kann eine Herausforderung sein, vor allem<br />

dann, wenn eine Person sowohl für die Gesprächssteuerung<br />

als auch für das „technische<br />

Trouble-Shooting“ zuständig ist. Daher<br />

empfiehlt sich die Trennung der beiden<br />

Rollen (in zB einen Prozessmoderator und<br />

eine Technikmoderatorin), vor allem bei<br />

größeren Teams.<br />

• Vertraulichkeit: Die Vertraulichkeit virtueller<br />

Zusammenarbeit ist wesentlich.<br />

Nur wenn ein vertrauensvoller Raum auch<br />

online geschaffen wird, wird qualitätsvolle<br />

Arbeit möglich sein. Dafür ist einerseits<br />

der Datenschutz anzusprechen; andererseits<br />

gilt es seitens der Moderator*in das<br />

digitale Tool, das verwendet wird, auf die<br />

eigenen Bedürfnisse einzurichten, damit<br />

die Kontrolle bei den Moderator*innen verbleibt.<br />

Zuletzt empfehlen wir die Einführung<br />

gemeinsamer „Kommunikationsregeln“, zu<br />

denen eventuell auch das Verbot von nicht<br />

abgesprochenen Fotos oder Aufnahmen<br />

der Sessions durch Teilnehmer*innen gehören<br />

kann.<br />

• Sichtbarkeit: Oft wird vergessen, auf ein<br />

gutes Licht zu achten – keinesfalls sollte<br />

das Licht von hinten kommen, da sonst das<br />

eigene Gesicht im Schatten liegt. Bedacht<br />

werden sollte außerdem, welcher Raum im<br />

Bildausschnitt sichtbar wird (sofern nicht<br />

ein virtueller Hintergrund eingerichtet wird,<br />

was bei manchen Tools möglich ist). Hier<br />

sollte darauf geachtet werden, welche Bilder<br />

sichtbar sind und ob intime Details im<br />

Blick sind, die lieber nicht gezeigt werden<br />

wollen. Zuletzt ist auf passende Kleidung<br />

und Erscheinung zu achten.<br />

Neben den Hinweisen für die Vorbereitung<br />

und Rahmung von virtueller Zusammenarbeit,<br />

gilt es während der konkreten Sessions<br />

gewisse Empfehlungen zu beherzigen:<br />

• Ohne Moderation geht’s nicht! Ein häufiges<br />

Missverständnis betrifft die Vorstellung,<br />

dass virtuelle Zusammenarbeit keine<br />

Struktur braucht. Wie bei persönlichen Sitzungen<br />

oder Workshops in echten Räumen<br />

gilt auch hier: Vermeiden Sie Gesprächschaos!<br />

Es braucht eine klare Gesprächssteuerung<br />

und Verantwortung bei einem/r<br />

Moderator*in!<br />

• Online macht müde! Virtuelle Zusammenarbeit<br />

produziert einen hohen Bedarf<br />

an Aufmerksamkeit und Fokus. Das führt<br />

leicht zu Ermüdung und innerlichem „Abschalten“<br />

bei den Teilnehmer*innen. Anders<br />

als bei konkretem Zusammensein im<br />

selben Raum, kann das Aufmerksamkeitslevel<br />

der Teilnehmer*innen nicht (oder kaum)<br />

durch ihre Körpersprache abgecheckt werden.<br />

Daher braucht es immer wieder direktes<br />

Ansprechen der Teilnehmer*innen und<br />

die Vereinbarung gemeinsamer Regeln (zB<br />

keine E-Mails checken während der Session<br />

usw). Außerdem sollte man Pausen<br />

oft und bewusst einplanen. Möglich sind<br />

auch Auflockerungsübungen, die jede/r für<br />

sich machen kann bzw Phasen, in denen<br />

man in der Gesamtgruppe oder in kleinen<br />

Untergruppen gemeinsam virtuell etwas<br />

Lustiges zeichnen, Musik hören oder einen<br />

kurzen Film schauen kann usw.<br />

• Weniger Körpersprache heißt mehr<br />

Reden! Ein Teil der Körpersprache fehlt,<br />

dadurch fallen gewisse Interpretationsebenen<br />

weg. Deshalb braucht es genaues<br />

Nachfragen und konkretes Ansprechen von<br />

vermuteten oder tatsächlichen Interessen,<br />

Bedürfnissen, Gefühlszuständen usw der<br />

Teilnehmer*innen. Online Arbeiten braucht<br />

eine besonders klare Kommunikation. Da<br />

nonverbale und paraverbale Kommunikation<br />

als zusätzliche Ebene der Interpretation<br />

ausfallen, müssen wir noch deutlicher sagen,<br />

was wir meinen, um nichts misszuverstehen.<br />

Nur dadurch kann wechselseitiges<br />

Verständnis erleichtert werden.<br />

• Das Buffet ersetzen! Bei physischen Treffen,<br />

Workshops oder Konferenzen ist oft<br />

das Buffet der Zeitpunkt, zu dem informelle<br />

Informationen getauscht werden. Diese<br />

diffuse Kommunikation zwischen „Tür und<br />

Angel“, oder am Kaffeeautomaten, fällt<br />

bei virtueller Zusammenarbeit weg. Leider<br />

fehlt diese dann aber für den Vertrauensund<br />

Beziehungsaufbau. Es gilt daher zum<br />

Ausgleich ganz gezielt Momente zu schaffen,<br />

in dem solche ein Austausch möglich<br />

wird. Das können virtuelle Räume für Pausen<br />

sein oder auch informelles Verarbeiten<br />

in kleineren „Murmelgruppen“.<br />

Virtuelle Zusammenarbeit ist herausfordernd<br />

und erfordert gewissenhafte Planung<br />

und Übung. Sind wir damit schon<br />

am „Ende der Fahnenstange“ der Möglichkeiten?<br />

Nein, denn die nächste Herausforderung<br />

liegt in „hybriden“ Meetings, also<br />

solchen, bei denen ein Teil physisch anwesend,<br />

ein Teil virtuell zugeschaltet ist. Dieses<br />

Setting stellt an die Mediator*innen das<br />

Maximum an Schwierigkeit. Bis dahin heißt<br />

es also: Gutes Ausprobieren und Lernen!<br />

EAN 9783704685629<br />

€ 26,–<br />

29<br />

Mediation


30<br />

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