IM BLICK 2020
Das Neuerscheinungsmagazin des Verlag Österreich - einem der führenden Verlage für juristische Fachinformation in Österreich.
Das Neuerscheinungsmagazin des Verlag Österreich - einem der führenden Verlage für juristische Fachinformation in Österreich.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
VERLAG<br />
ÖSTERREICH<br />
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong><br />
Neuerscheinungen<br />
<strong>2020</strong>
2<br />
Inhalt<br />
Redaktionelle Highlights<br />
4 Nachhaltigkeitsrecht (NR) – die neue Zeitschrift<br />
für das Recht der nachhaltigen Entwicklung<br />
6 Klassiker und Standardwerke<br />
8 Wir feiern 100 Jahre B-VG<br />
9 Die neuen ZöR-Herausgeber Schmid/Jakab im Interview<br />
14 Gut komponierter Mix vieler Blickwinkel:<br />
Interview mit den Herausgebern des Linzer StPO-Kommentars<br />
20 Bergmann/Pinetz/Spies über ihren neuen Kommentar<br />
zum EU-Meldepflichtgesetz<br />
24 Interview mit Herbert Houf, Präsident der KSW<br />
28 Katastrophal digital? Anleitung für eine gute<br />
virtuelle Zusammenarbeit in Teams<br />
35 COVID-19-Schwerpunkt in unseren eJournals<br />
Impressum und Kontakt<br />
Verlag Österreich GmbH<br />
1010 Wien, Bäckerstraße 1<br />
Kundenservice:<br />
T: +43-1-610 77-123<br />
E: kundenservice@verlagoesterreich.at<br />
verlagoesterreich.at<br />
Books: elibrary.verlagoesterreich.at<br />
Geschäftsführung:<br />
MMag. Johannes Schultze,<br />
Dkfm. André Caro<br />
Verlagsleitung:<br />
MMag. Barbara Raimann<br />
Gesamtredaktion: Mag. Yvonne Sattler<br />
Redaktionelle Unterstützung: Dr. Roman Tronner<br />
Grafik: Harald Lorenz<br />
Druck: print+marketing Schaffer-Steinschütz GmBH<br />
Produktfotos: Klaus Ranger<br />
Portrait Barbara Raimann: Irina Gavrich<br />
Coverbild: Verlag Österreich<br />
Irrtümer und Änderungen vorbehalten.<br />
Newsletteranmeldung: verlagoesterreich.at/newsletter
3<br />
Editorial<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
„Halten Sie sich nicht mit negativen Dingen auf, sondern konzentrieren Sie sich auf die positive Energie!“, diesen Rat hat mir vor einigen<br />
Tagen (noch vor dem Anschlag in Wien) ein Autor gegeben. Die aktuelle Ausgabe von <strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> enthält besonders viel Positives.<br />
Ein Highlight löst das andere ab. In den letzten Monaten sind viele wichtige Kommentare (vom ABGB bis zur ZPO) erschienen, einige<br />
sind gerade in Produktion und werden noch im Dezember ausgeliefert. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Autorinnen<br />
und Autoren, aber auch an das Herstellungsteam des Verlag Österreich, das trotz teilweiser erschwerter technischer Bedingungen im<br />
Homeoffice diese beeindruckende Neuerscheinungsliste möglich macht.<br />
Dieses <strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong>, das sich auch im neuen Layout präsentiert, ist aber mehr als eine Information zur Front- und Backlist unseres Hauses.<br />
Wir haben für Sie Interviews geführt und Beiträge zusammengestellt. So zum Beispiel anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Bundes-<br />
Verfassungsgesetzes mit den beiden neuen Herausgebern der ZöR – Zeitschrift für öffentliches Recht, András Jakab und Sebastian<br />
Schmid. In Heft 4/<strong>2020</strong> der ZöR wird ein umfangreicher Aufsatz zu ausgewählten unions- und verfassungsrechtlichen Fragen und<br />
COVID-19 erscheinen. Eine Leseprobe finden Sie auf Seite 11. Der gesamte Beitrag steht Ihnen schon jetzt in der Verlag Österreich<br />
eLibrary zur Verfügung. Die Herausgeber des neuen Linzer Kommentars zur StPO beantworten im Interview viele aktuell diskutierte<br />
Fragen im Strafrecht. Noch mehr Antworten und einen Einblick in ihren ganz persönlichen Zugang zum Strafrecht finden Sie in<br />
der ungekürzten Fassung auf unserer Website. Lesen Sie außerdem auf Seite 20, welche Schwerpunkte das Herausgeberteam des<br />
Kommentars zum EU-Meldepflichtgesetz in seinem Werk setzt. Der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer,<br />
Herbert Houf, spricht über Berufsbilder sowie über die Auswirkungen der Digitalisierung und der COVID-19-Krise auf die Branche.<br />
Über Schwierigkeiten und Chancen des digitalen Arbeitens schreiben die Autor*innen des Buches „Positive Mediation“ in ihrem Beitrag<br />
„Katastrophal digital? Anleitung für eine gute virtuelle Zusammenarbeit in Teams“.<br />
Ich wünsche Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre.<br />
Alles Gute, Ihre<br />
MMag. Barbara Raimann<br />
Verlagsleitung
NACHHALTIGKEITS<br />
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
NR<br />
4<br />
Zeitschrift für das Recht der<br />
nachhaltigen Entwicklung<br />
Zeitschrift für das Recht der nachhaltigen Entwicklung<br />
NEU<br />
ab 2021<br />
Herausgegeben von:<br />
RA Dr. Berthold Lindner,<br />
Akad.Rat MMag. DDr. Markus Beham, LLM. (Columbia)<br />
RA Mag. Berthold Hofbauer
DIE „NR“ – ZEITSCHRIFT FÜR DAS RECHT<br />
DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />
• ist die erste juristische Fachzeitschrift, die sich umfassend<br />
durch alle juristischen Fachrichtungen hindurch<br />
mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzt.<br />
• lässt Wissenschaft und Gesellschaft Themenschwerpunkte<br />
für die rechtliche Diskussion setzen.<br />
• agiert als Wegbereiterin für rechtliche Lösungen<br />
durch die neue Querschnittsmaterie Nachhaltigkeitsrecht<br />
am Puls der Zeit.<br />
DIE HERAUSGEBER<br />
DDr. Markus P. Beham, LL.M. (Columbia)<br />
Universität Passau<br />
„Nachhaltigkeitsrecht reicht nicht bloß horizontal über sämtliche<br />
Rechtsgebiete, sondern muss auch vertikal im Mehrebenensystem<br />
gedacht werden. Nationales Recht, Unions- und Völkerrecht greifen in<br />
der Umsetzung nachhaltiger Politik ineinander.“<br />
RA Mag. Berthold Hofbauer<br />
Heid und Partner Rechtsanwälte<br />
EIN NEUER RECHTSBEREICH<br />
Auf internationaler Ebene prägt der Begriff der Nachhaltigkeit<br />
(„sustainability“) bereits seit über 30 Jahren<br />
die Diskussion, was 2015 in der Annahme der 17<br />
Sustainable Development Goals (SDGs) durch die<br />
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mündete. Die<br />
strategische Grundausrichtung zu einer zielorientierten,<br />
nachhaltigen Wirtschafts- und Klimapolitik findet<br />
sich nunmehr auch im europäischen „Green Deal“<br />
wieder, der ein klimaneutrales Europa bis zum Jahr<br />
2050 zum Ziel erklärt. Das aktuelle österreichische<br />
Regierungsprogramm sieht demgegenüber eine Klimaneutralität<br />
Österreichs bereits im Jahr 2040 vor.<br />
Diese politischen Nachhaltigkeitsziele und -strategien<br />
machen deutlich, dass eine gänzliche Neuausrichtung<br />
der Wirtschaft bevorsteht: weg von einer auf fossilen<br />
Brennstoffen und Verbrauchsgütern basierenden Industrie<br />
und hin zu einer nachhaltigen, ökologisch-ausgerichteten<br />
Wirtschaft.<br />
Das Recht – als Umsetzung politischer Zielsetzungen<br />
– muss daher in Zukunft neu gedacht werden:<br />
als Nachhaltigkeitsrecht.<br />
Die NR ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen<br />
Raum, welche die komplexen Zusammenhänge<br />
dieser neuen Querschnittsmaterie umfassend abbildet.<br />
Die NR nimmt damit eine Vorreiterrolle für die<br />
Rechtssetzung und Rechtsauslegung im Hinblick auf<br />
die nachhaltige Entwicklung ein. Sie begleitet diese<br />
Entwicklung und füllt diese mit Leben – auch über die<br />
Landesgrenzen hinaus.<br />
5<br />
Nachhaltigkeit<br />
„Die normative Umsetzung des Green Deals und der Nachhaltigkeitsziele<br />
der Innenpolitik erfolgt im rechtlichen Querschnitt. Das Vergaberecht ist dabei<br />
in seiner Ausprägung als Green Public Procurement genauso umfasst, wie zB<br />
das Energie- oder Umweltrecht. Die NR bietet erstmals eine gebündelte<br />
Aufbereitung dieser Entwicklungen: Nachhaltigkeitsrecht aus einer Hand.“<br />
RA Dr. Berthold Lindner<br />
Heid und Partner Rechtsanwälte<br />
Jetzt<br />
kennenlernen<br />
2 Hefte für € 20,–<br />
„Die NR beleuchtet das zentrale Thema der Nachhaltigkeit unter allen<br />
rechtlichen Gesichtspunkten. Sie ermöglicht neue Lösungsansätze durch<br />
vernetztes Denken und hält Praktikerinnen und Praktiker durch aktuelle<br />
Informationen am Laufenden.“<br />
ISSN 2708-9649<br />
Einstiegsabo € 20,– (2 Hefte)<br />
verlagoesterreich.site/NR
xxxxxrecht<br />
EAN 9783704680662<br />
€ 398,– (eBook € 358,20)<br />
EAN 9783704681959<br />
€ 429,– (eBook € 386,10)<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704684059<br />
ca € 179,–
7<br />
Klassiker<br />
EAN 9783704683960<br />
€ 369,– (eBook € 332,10)<br />
Auf unsere Klassiker<br />
und Standardwerke können Sie sich<br />
nicht nur in turbulenten Zeiten verlassen<br />
Neue<br />
6. Lieferung<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704667816<br />
€ 579,– (Abopreis: € 459,–)<br />
EAN 9783704683632<br />
€ 239,– (eBook € 215,10)
Wir feiern<br />
Jahre B-VG<br />
EAN 9783704684608<br />
€ 79,–<br />
EAN 9783704686190<br />
Festausgabe € 180,–<br />
Jahresabo 2021 € 1536,– (4 Hefte)<br />
EAN 9783704641977<br />
€ 78,–<br />
EAN 9783704662965<br />
€ 199,– (eBook € 179,10)<br />
EAN 9783704680396<br />
€ 54,–<br />
EAN 9783704685810<br />
€ 49,– (eBook € 44,10)
9<br />
Interview<br />
Im Interview: Sebastian Schmid (li), András Jakab (re) • Foto © Privat • Lesedauer: 3 Minuten<br />
„Eine Tradition lebt nur dann,<br />
wenn sie immer wieder neue<br />
Denkanstöße und Irritationen erhält“<br />
Anfang des Jahres haben András Jakab und Sebastian Schmid (beide Professoren an der Uni<br />
Salzburg) die Herausgeberschaft der ZöR – Zeitschrift für öffentliches Recht, die sie selbst als<br />
„Ozeanriesen“ bezeichnen, übernommen. Wir haben die beiden Neo-Herausgeber gefragt, wie<br />
sie ihre Rollen anlegen, welche Pläne und Ziele sie für die ZöR haben und ob Österreich nach<br />
100 Jahren Bundesverfassungsgesetz eine neue Verfassung braucht.<br />
Verlag Österreich: Vor kurzem haben<br />
Sie beide die Herausgeberschaft<br />
der Zeitschrift für öffentliches Recht<br />
übernommen. Wie sehen Sie Ihre<br />
eigene Rolle in der traditionsreichen<br />
Geschichte dieser Zeitschrift?<br />
András Jakab: Die Zeitschrift für öffentliches<br />
Recht ist seit ihrer Gründung<br />
1914 ein Forum für den österreichischen<br />
und den internationalen<br />
rechtswissenschaftlichen Diskurs. Es<br />
ehrt uns, diese Tradition weiterführen<br />
zu dürfen. Insbesondere für die hervorragende<br />
Arbeit unserer unmittelbaren<br />
Vorgänger, Stefan Griller und<br />
Benjamin Kneihs, möchten wir uns<br />
auch hier bedanken. Die ZöR war<br />
schon immer mit einer bestimmten<br />
österreichischen Denktradition<br />
verbunden, mit der ich mich auch<br />
persönlich verbunden fühle. Vor 25<br />
Jahren habe ich österreichisches<br />
Verfassungsrecht von Friedrich Koja<br />
in Salzburg gelernt, seitdem habe<br />
ich extensiv zur Reinen Rechtslehre,<br />
Normentheorie und Rechtstheorie<br />
veröffentlicht, teilweise auch in der<br />
ZöR selbst. In meiner Zeit in Deutschland<br />
wurde mir noch klarer, dass das<br />
österreichische Rechtsdenken ganz<br />
anders ist als das deutsche. Die ZöR<br />
hat unter anderem die Aufgabe, dieses<br />
Rechtsdenken zu pflegen, wie es<br />
auch in unserem Jubiläumsheft zu<br />
„100 Jahre B-VG“ in mehreren Beiträgen<br />
ganz charakteristisch hervorkommt.<br />
Eine Tradition lebt aber nur,<br />
wenn sie immer wieder neue Denkanstöße<br />
und Irritationen erhält, und<br />
wir möchten natürlich auch in dieser<br />
Hinsicht unseren Beitrag leisten.
10<br />
Interview<br />
Sebastian Schmid: Wir haben die<br />
ZöR im Vorwort zu Heft 1/<strong>2020</strong> mit<br />
einem Ozeanriesen verglichen. Über<br />
die Jahrzehnte hat sich die Zeitschrift<br />
in Inhalt und Form etabliert.<br />
Für schnelle Wendungen ist sie nicht<br />
geeignet. Das ist auch gut so. Insofern<br />
wollen wir erst einmal den Kurs<br />
halten. Die bereits vorgenommenen<br />
und noch geplanten Neuerungen<br />
zielen vor allem darauf ab, die ZöR<br />
als modernes, innovationskräftiges<br />
Medium zu präsentieren. Es geht hier<br />
um die Online-Verfügbarkeit älterer<br />
Ausgaben und gezielte Sonderhefte<br />
zu aktuellen Themen. Dies alles ist<br />
letztlich vom Gedanken getragen,<br />
dass die ZöR für die österreichische<br />
Rechtswissenschaft identitätsstiftend<br />
ist und, wenn man so will, ein<br />
gemeinsames Gut darstellt. Unsere<br />
Aufgabe ist, ihr Gedeihen eine Zeit<br />
lang zu begleiten und zu fördern.<br />
Was ist die spezifische Rolle der<br />
Zeitschrift für öffentliches Recht im<br />
internationalen und österreichischen<br />
Diskurs?<br />
Jakab: Anders als vor 100 Jahren<br />
muss man heute, wenn man am internationalen<br />
Diskurs teilnehmen<br />
möchte, Beiträge auf Englisch veröffentlichen.<br />
Dementsprechend<br />
möchten wir auch die Zweisprachigkeit<br />
(Deutsch-Englisch) beibehalten<br />
und in der Zukunft sogar noch mehr<br />
internationale Beiträge in der ZöR<br />
sehen. Um dies zu erreichen, haben<br />
wir den internationalen Beirat stark<br />
erweitert. Wir haben auch initiiert,<br />
dass die ZöR bis zu ihrer Gründung<br />
1914 vollständig digitalisiert und in<br />
der internationalen Datenbank HeinOnline<br />
zugänglich gemacht wird.<br />
Den deutschen Titel behalten wir<br />
so, wie er bisher war; um allerdings<br />
Eindeutigkeit im internationalen Verkehr<br />
zu schaffen, haben wir den englischen<br />
Titel um das Wort „Austrian“<br />
ergänzt, also „Zeitschrift für öffentliches<br />
Recht – Austrian Journal of<br />
Public Law“.<br />
Schmid: Aus Sicht der österreichischen<br />
Rechtswissenschaft hat die<br />
ZöR sicherlich eine Sonderstellung<br />
dahingehend, dass sie Raum für Diskussionen<br />
über die Grundlagen des<br />
Rechts bietet. Wir sehen das aber<br />
nicht als Theorielastigkeit, vielmehr<br />
braucht es dieses Wissen über die<br />
Grundlagen des Rechts, um die in<br />
der Praxis aufkommenden Detailfragen<br />
beantworten zu können. Wir sehen<br />
die ZöR als Medium für Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler<br />
sowie Praktikerinnen und Praktiker.<br />
Was sind die Pläne, die Sie seit<br />
Beginn Ihrer Herausgeberschaft mit<br />
der Zeitschrift für öffentliches Recht<br />
verfolgen?<br />
Schmid: Einiges davon haben wir<br />
bereits genannt, etwa die weitere<br />
Digitalisierung älterer Jahrgänge<br />
oder die Stärkung der internationalen<br />
Ausrichtung. Weiters haben<br />
wir am Review-Prozess gefeilt. Der<br />
Fokus ist nun gezielter darauf gerichtet,<br />
dass durch die Begutachtung<br />
eines Beitrags dessen Qualität<br />
gesteigert wird. Der Review-Prozess<br />
soll ein positives Verfahren mit<br />
konstruktiven Verbesserungsvorschlägen<br />
und Anregungen sein und<br />
kein Richten über andere. Die Verantwortung<br />
für die Veröffentlichung<br />
eines Beitrags liegt allein bei den<br />
Herausgebern.<br />
Jakab: Wir planen in Zukunft eine<br />
Reihe an Sonderheften. Das jüngste<br />
Beispiel ist jenes zum Thema „Aktuelle<br />
Herausforderungen für die österreichische<br />
Verfassungsstaatlichkeit“,<br />
das als Heft 3/<strong>2020</strong> erschienen<br />
ist. Im nächsten Jahr werden dann<br />
die Ergebnisse des österreichischen<br />
Völkerrechtstags erscheinen. Auch<br />
englischsprachige Sonderhefte sind<br />
in Planung, etwa zum Einfluss des<br />
B-VG in anderen Ländern oder zum<br />
Verhältnis der Rechtsdogmatik und<br />
Empirie im Bereich der richterlichen<br />
Unabhängigkeit. Ein auf einer<br />
Rundfrage basierendes Sonderheft<br />
zu den gelungensten und misslungensten<br />
Erkenntnissen des VfGH<br />
seit 1920 ist ebenfalls schon in Vorbereitung.<br />
Das erste Heft unter Ihrer Herausgeberschaft<br />
war dem Thema<br />
„100 Jahre B-VG“ gewidmet. Das<br />
war gewissermaßen der Startschuss<br />
für umfangreiche Feierlichkeiten in<br />
diesem Jubiläumsjahr. Kann man ein<br />
Resümee ziehen? Denken Sie, dass<br />
Österreich nach 100 Jahren eine<br />
neue Verfassung braucht?<br />
Schmid: Das Festheft war für uns<br />
ein überaus gelungener Start der<br />
Herausgeberschaft. Wir möchten<br />
uns an dieser Stelle nochmals sehr<br />
herzlich bei den Autorinnen und<br />
Autoren für ihre Mitwirkung bedanken!<br />
Ziel war es, das B-VG in einen<br />
Gesamtkontext zu setzen, es aus<br />
unterschiedlichen wissenschaftlichen<br />
Perspektiven zu betrachten.<br />
Es ging also bewusst darum, die<br />
Detailprobleme einmal in den Hintergrund<br />
zu stellen und stattdessen<br />
die großen Zusammenhänge aufzuzeigen.<br />
Bei der Lektüre der Beiträge<br />
zeigt sich sehr gut, worin die Stärken<br />
und Schwächen dieser Verfassungsurkunde<br />
liegen.<br />
Jakab: Ein konkretes Ergebnis ist<br />
aus meiner Sicht, dass das B-VG<br />
zwar keine perfekte, aber dennoch<br />
eine sorgfältig geplante und erfolgreiche<br />
Verfassung ist. Das Scheitern<br />
des B-VG zwischen den zwei Weltkriegen<br />
ändert nichts an diesem<br />
Befund, sondern war wohl, vereinfacht<br />
ausgedrückt, das Ergebnis<br />
einer mission impossible. Gerade<br />
der Österreich-Konvent bzw sein<br />
Scheitern im Hinblick auf seine ursprünglichen<br />
Ziele hat gezeigt, dass<br />
Österreich keine neue Verfassung<br />
braucht. Die Diskussion über eine<br />
neue Verfassung selbst finde ich<br />
schädlich, da sie die Autorität der<br />
Verfassung untergräbt.
11<br />
Ausgewählte unions- und verfassungsrechtliche Fragen der österreichischen<br />
Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19-Virus<br />
Reinhard Klaushofer · Benjamin Kneihs · Rainer Palmstorfer* · Hannes Winner**<br />
Leseprobe<br />
Von Mitte März bis Ende April <strong>2020</strong> galten in Österreich zur Eindämmung der Covid-<br />
19-Pandemie weit reichende Beschränkungen. Der vorliegende Aufsatz untersucht die<br />
empirische Datenlage, die diesen Maßnahmen zu Grunde liegt, und prüft die Maßnahmen<br />
auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unions- und Verfassungsrecht. Dabei spielen zahlreiche<br />
Grundrechte, aber auch das rechtsstaatliche Determinierungsgebot eine Rolle. Manche der<br />
von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen waren von Anfang an unions- und verfassungs-<br />
bzw gesetzwidrig, andere wurden es mit abnehmender Bedrohung oder durch<br />
Ungleichheiten bei der Lockerung. Insbesondere überschritten einige der Beschränkungen<br />
den vom Gesetz vorgegebenen Rahmen, das insbesondere Betretungsverbote nur gestattet,<br />
soweit dies zur Eindämmung der Pandemie erforderlich ist. Die damit schon im Gesetz<br />
angelegte Verhältnismäßigkeit haben einige der Beschränkungen von Anfang an, andere<br />
erst dadurch verfehlt, dass sie bei Abnahme der Gefahr nicht (rechtzeitig) zurückgenommen<br />
wurden. Der Beitrag wurde verfasst, bevor der VfGH im Juli <strong>2020</strong> erste inhaltliche<br />
Erkenntnisse zu den auch hier interessierenden Fragen vorgelegt hat. Er versteht sich nicht<br />
primär als Besprechung oder Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen, wenngleich<br />
sie (nachträglich) in die vorliegenden Betrachtungen einbezogen wurden.<br />
To combat the Covid-19 pandemic, Austria applied far-reaching restrictions from mid-<br />
March to the end of April <strong>2020</strong>. This paper analyzes the empirical data underlying the adopted<br />
restrictions and assesses the compatibility of central measures with European Union<br />
law and Austrian constitutional law. As regards European Union law, the paper focuses on<br />
an analysis of border controls and entry restrictions for persons against the background<br />
of the Schengen Borders Code and the Free Movement Directive. As regards Austrian<br />
constitutional law, it is, in the fi rst place, a series of fundamental rights as well as the requirement<br />
of legal clarity (rule of law) that are relevant for the assessment of the examined<br />
restrictions. Some of these measures violated EU-law and Austrian constitutional law from<br />
the outset, while others only did so later on because of decreasing threat or unequal treatments<br />
in the process of the relaxation of the respective measures. In particular, some of the<br />
restrictions exceeded the legal framework, which, in particular, only allows for restraining<br />
orders insofar as this is necessary for the containment of the pandemic. While some measures<br />
missed the proportionality requirement enshrined in the law from the start, others<br />
failed to do so, because they were not taken back timely although the danger was decreasing.<br />
The paper was drafted before July <strong>2020</strong>, when the Austrian Constitutional Court<br />
delivered its fi rst substantial rulings on the legal issues analyzed herein. The paper is not<br />
to be understood as a comment or treatise on these rulings in the fi rst place, although the<br />
latter have been included in the present study.<br />
Lesen Sie den gesamten Artikel<br />
in der Verlag Österreich eLibrary
12<br />
Verfassungsrecht<br />
Erscheint<br />
November<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704685827<br />
€ 69,–<br />
EAN 9783704684783<br />
€ 259,– (eBook € 233,10)<br />
Neue<br />
25. Lieferung<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704620002<br />
€ 1298,– (Abopreis: € 898,–)
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
13<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
Vergaberecht/Europarecht<br />
EAN 9783704683939<br />
€ 899,–<br />
Juristische Expertise<br />
mit Klasse im Verfassungsrecht,<br />
Vergabe- und Europarecht<br />
EAN 9783704686046<br />
€ 199,– (eBook € 179,10)<br />
EAN 9783704620002<br />
€ 99,– (eBook € 99,–)
14<br />
Interview<br />
Im Interview mit Roman Tronner: Alois Birklbauer, René Haumer, Norbert Wess • Lesedauer: 7 Minuten<br />
Gut komponierter Mix vieler Blickwinkel<br />
Ein Werk für die tägliche Gerichtspraxis, kompakt und gleichzeitig fundiert: Die Herausgeber<br />
Alois Birklbauer, René Haumer und Norbert Wess über den neuen Linzer StPO-Kommentar,<br />
Verfahrensökonomie, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Verfahren, die Skills, die<br />
der Strafrechtsalltag fordert, und die Gefahren für Grundrechte und Anwaltsgeheimnis.<br />
Verlag Österreich: Was gab den<br />
Anstoß zum neuen StPO-Kommentar?<br />
Alois Birklbauer: Das Projekt begann<br />
2016. Es gab eine gewisse Unzufriedenheit<br />
mit dem, was auf dem<br />
Markt ist: einerseits einbändige Kommentare,<br />
die letztlich sehr kompakt<br />
sind und viele zentrale Fragen nicht<br />
beinhalten; andererseits der große<br />
Wiener Kommentar, der für den Alltagsgebrauch<br />
zu umfassend ist, oder<br />
auch der noch nicht fertige mehrbändige<br />
Kommentar aus Graz.<br />
Norbert Wess: Es war unser Ziel, einen<br />
„Leukauf/Steininger der StPO“<br />
auf den Markt bringen. Ein Werk für<br />
die tagtägliche Praxis des Gerichts,<br />
egal ob für Richter*innen, Staatsanwält*innen<br />
oder Verteidiger*innen,<br />
welches man am Tisch liegen hat und<br />
in welchem man fundiert nachschlagen<br />
kann. Gleichzeitig aber trotzdem<br />
so kompakt, dass es in der Alltags-<br />
Praxis funktioniert.<br />
Was zeichnet den Linzer Kommentar<br />
aus? Worin liegt sein Neuerungswert?<br />
Birklbauer: Das Ziel war, einen umfassenden<br />
Einbänder zu publizieren,<br />
der viel tiefer geht als bisherige Einbänder,<br />
sich aber hinsichtlich seines<br />
Umfangs gegenüber Mehrbändern in<br />
Grenzen hält. Er war getragen vom<br />
Bestreben, möglichst viele Blickwinkel<br />
in die Kommentierung reinzubringen:<br />
die Seite der Verteidigung,<br />
des Richters, der Staatsanwaltschaft<br />
und der Wissenschaft, also ein bunter,<br />
gut komponierter Mix.<br />
René Haumer: In einer Verhandlungssituation<br />
muss ich schnellen<br />
Zugriff haben auf die Judikatur<br />
exakt für diese Situation. Und genau<br />
für diese Situation ist dieser<br />
Kommentar gedacht. Das ist sein<br />
Mehrwert.<br />
Wess: Bewusst wert gelegt haben<br />
wir auch auf die wissenschaftliche<br />
Perspektive. Zum Beispiel haben<br />
wir als Mehrwert sämtliche Paragraphen<br />
zur Nichtigkeitsbeschwerde<br />
ausschließlich von Universitätsprofessor*innen<br />
bearbeiten lassen, also<br />
bewusst nicht von Verteidiger*innen,<br />
Richter*innen oder Staatsanwält*innen.<br />
Insgesamt wollten wir einen<br />
fundierten Einbänder für die StPO<br />
schaffen.<br />
Beleuchten Sie bestimmte Aspekte<br />
ganz besonders?<br />
Birklbauer: Natürlich gibt das Gesetz<br />
die Richtung vor. Eine gewisse<br />
Bedeutung haben wir dem Rechtsmittelverfahren<br />
gegeben, denn daran<br />
hängt sich die ganze StPO auf. Der<br />
Umfang der Kapitel hängt vom Stil<br />
der Autor*innen – insgesamt mehr<br />
als 50 – ab: knapper bei Richter*innen,<br />
umfangreicher bei Wissenschafter*innen.<br />
Das Limit für die Redaktion<br />
waren die angepeilten maximal 3500<br />
Seiten. Wo es vertretbar war, haben<br />
wir auch umfangreichere Beiträge<br />
belassen, um die Buntheit der österreichischen<br />
Wissenschaft und Praxis<br />
zu spiegeln.<br />
Wie kam es zur gemeinsamen<br />
Herausgeberschaft?<br />
Birklbauer: Mir war klar, den Kommentar<br />
bekomme ich wegen des<br />
Arbeitsaufwands und der Sichtweise
– ich komme aus der Wissenschaft<br />
und somit der Theorie – alleine nicht<br />
hin. Es braucht ein Team aus der Praxis.<br />
Ich habe daher von Seiten der<br />
Richterschaft mit Rainer Nimmervoll<br />
und bald auch mit René Haumer,<br />
ein wenig später mit Norbert Wess,<br />
beide Strafverteidiger, gesprochen.<br />
Nimmervoll stand Pate für viele Autor*innen<br />
aus der Justiz und Staatsanwaltschaft,<br />
die er auch betreute.<br />
Rainer Nimmervoll hat hohes Tempo<br />
vorgegeben, leider hat er uns infolge<br />
seiner schweren Erkrankung zu früh<br />
verlassen und eine große Lücke gerissen.<br />
„Es findet, pointiert gesagt, eine<br />
Entmenschlichung des Prozesses<br />
durch die Videotechnologie statt.“<br />
Sie sprechen in der Kommentar-Einleitung<br />
aktuelle Entwicklungen an, u.a.<br />
die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie<br />
auf die Justiz. Welche Folgen<br />
sehen Sie?<br />
Birklbauer: So notwendig es auch<br />
war, Videokonferenzen und -Verhandlungen<br />
einzuführen, umso problematischer<br />
erachte ich die Gefahr,<br />
dass diese zum Dauerzustand werden.<br />
Ungeregelt ist zum Beispiel,<br />
wo sich der Verteidiger bei einer<br />
Entscheidung per Videokonferenz<br />
über die Verlängerung der Untersuchungshaft<br />
befindet. Er ist hoffentlich<br />
nicht nur per Video zugeschaltet.<br />
Es findet, pointiert gesagt, eine Entmenschlichung<br />
des Prozesses durch<br />
die Videotechnologie statt, von der<br />
ich hoffe, dass sie bald wieder rückgängig<br />
gemacht wird.<br />
Alois Birklbauer<br />
Haumer: Ich schließe mich an. Wir<br />
haben jemand verteidigt, der sehr<br />
stark in der Öffentlichkeit gestanden<br />
ist. Er saß in Untersuchungshaft wegen<br />
des Verdachts des Missbrauchs<br />
von Minderjährigen. Mit den COVID-<br />
Gesetzen wäre es möglich gewesen,<br />
dass bei einem Strafrahmen von bis<br />
zu 15 Jahren er den Verhandlungssaal<br />
nicht betreten darf, sondern aus<br />
der Justizanstalt über eine Videokonferenz<br />
seine Verhandlung mitbeobachtet,<br />
ohne direkte Kommunikation<br />
mit seinem Verteidiger, der ja bei<br />
sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens<br />
im Verhandlungssaal sitzen muss.<br />
Eine persönliche Kommunikation in<br />
einem so komplexen Verfahren kann<br />
aber nicht substituiert werden, die Videokonferenz<br />
stößt da sehr rasch an<br />
ihre faktischen Grenzen, unabhängig<br />
davon sehe ich diese Situationen als<br />
verfassungsrechtlich bedenklich.<br />
Diese jetzige Phase wird, so glaube ich,<br />
eine Triebfeder sein für den elektronischen<br />
Akt auch im Strafverfahren. Das<br />
sehe ich grundsätzlich positiv, aber ich<br />
hoffe, dass es dann nicht zu einem Duell<br />
der technischen Skills wird.<br />
Wess: Der elektronische Akt wäre<br />
wirklich ein Quantensprung und würde<br />
aus Sicht der Verteidigung, ebenso<br />
aber aus der von Richter*innnen<br />
und Staatsanwält*innen viel verbessern.<br />
Er würde auch die Handlungsabläufe<br />
bei den Strafverfolgungsbehörden<br />
massiv erleichtern.<br />
Zur COVID-19-Krise: Es braucht die<br />
Sensibilisierung dafür, nach dieser<br />
Ausnahmesituation vieles wieder zurückzudrängen.<br />
Die Grundsätze der<br />
Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit,<br />
die Notwendigkeit des persönlichen<br />
Eindruckes vom Betroffenen<br />
durch das Gericht sowie das persönliche<br />
Gespräch können nicht oft genug<br />
betont werden.<br />
Geplante Änderungen zu Überwachung<br />
internetbasierter Kommunikation<br />
hat der VfGH aufgehoben. Welche<br />
weitere Entwicklung erwarten Sie<br />
dazu?<br />
Birklbauer: In gewisser Weise erlebe<br />
ich einen sehr sorglosen Umgang<br />
mit dem Bereich der Grundrechte. Es<br />
werden sicher bei den Ermittlungen<br />
von staatlicher Seite die technischen<br />
Möglichkeiten verstärkter ausgenützt<br />
werden. Ob der Verfassungsgerichtshof<br />
seine kritische Linie beibehalten<br />
wird, sehe ich eher pessimistisch.<br />
„Die Kommunikation zwischen<br />
Anwalt und Mandant ist nicht<br />
hinreichend geschützt. Ich sehe<br />
die Gefahr einer Aushöhlung des<br />
Anwaltsgeheimnisses.“<br />
Haumer: Mir ist es ein Anliegen, in<br />
diesem Zusammenhang die derzeitigen<br />
Tendenzen anzusprechen, die<br />
zur Aushöhlung des Anwaltsgeheimnisses<br />
führen. Da sehe ich ein massives<br />
Problem. § 157 Abs 2 StPO sieht<br />
vor, dass unabhängig davon, wo sich<br />
ein Kommunikationsbestandteil zwischen<br />
Verteidiger und Beschuldigten<br />
befindet, dieser bei sonstiger Nichtigkeit<br />
nicht verwertet werden darf.<br />
Das Problem ist nur, es darf gemäß<br />
§ 112 StPO gesichtet werden, sofern<br />
er sich außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei<br />
befindet. Die Kommunikation<br />
zwischen Anwalt und seinem<br />
Mandanten ist nach der derzeitigen<br />
Rechtslage daher nicht mehr hinreichend<br />
geschützt.<br />
Wess: Allein die Tatsache, dass in<br />
die Kommunikation eingesehen und<br />
diese dann allenfalls wieder zurückgegeben<br />
wird, ist ein Riesenproblem,<br />
weil damit die Vertraulichkeit de facto<br />
nicht mehr vorliegt.<br />
René Haumer<br />
Gibt es insgesamt eine Tendenz des<br />
Strafrechts hin zu mehr Prävention,<br />
Stichwort Terrorismusbekämpfung?<br />
Birklbauer: Wir haben das in gewisser<br />
Weise durch die vermehrte Schaffung<br />
von Vorbereitungs-Delikten,<br />
zum Beispiel Reisen für terroristische<br />
15<br />
Interview
16<br />
Interview<br />
Zwecke. Da gab es in Österreich ja<br />
sogar ein Goldplating in dem Sinne,<br />
dass die europarechtlichen Vorgaben<br />
weit überzogen wurden. Die<br />
Tendenz zur Prävention in der StPO<br />
ist momentan nicht besonders stark.<br />
(Anm der Redaktion: Das Interview<br />
wurde vor dem Terror-Anschlag in<br />
Wien geführt.)<br />
Sehen Sie Überlegungen, wonach<br />
Delikte gegen Leib und Leben gegenüber<br />
Eigentumsdelikten weiterhin<br />
verschärft werden sollen?<br />
Birklbauer: Ich würde mal sagen, hier<br />
passiert eine rein populistisch-politische<br />
Entwicklung. Eine Prognose ist<br />
schwierig. Wir haben eine Angleichung<br />
zwischen den Leib und Leben-<br />
sowie den Vermögens-Delikten<br />
mit 1. Jänner 2016 gehabt, die man<br />
in der Urteilspraxis inzwischen sieht.<br />
Die Strafhöhe bei den Leib- und Lebendelikten<br />
steigt, jene bei den Vermögensdelikten<br />
sinkt, nicht zuletzt<br />
durch die veränderten Wertgrenzen.<br />
Aus meiner Sicht ist es nicht notwendig,<br />
stärker anzugleichen.<br />
Haumer: Die letzten Tendenzen zu<br />
Strafverschärfungen waren von der<br />
Politik getrieben. Die eingesetzte<br />
Expertenkommission hat eigentlich<br />
wenig Bedarf an Verschärfungen bei<br />
Gewaltdelikten gesehen. Im Bereich<br />
der Vermögensdelikte kam es schon<br />
vor einigen Jahren zu einer Anhebung<br />
der strafverschärfenden Wertgrenzen.<br />
Diese Reduktion der Strafdrohungen<br />
schlägt sich aber nicht in<br />
den tatsächlich verhängten Strafen<br />
nieder. Demgegenüber ist der Ermessensspielraum<br />
der Gerichte bei<br />
den Gewaltdelikten insbesondere<br />
durch die Einführung von Mindeststrafen<br />
stark nach unten hin limitiert<br />
worden.<br />
Wess: Ich finde bei den Vermögensdelikten<br />
das Strafmaß und die Strafmöglichkeiten<br />
generell am oberen<br />
Ende der Skala angesiedelt. Es ist<br />
ein Zeichen der Zeit, dass vieles sehr<br />
politisch getrieben ist. Das sollte gerade<br />
im Strafrecht eigentlich nicht<br />
passieren. Die Strafrahmen haben<br />
über viele Jahrzehnte gereicht, um<br />
dann sachgerecht eine Lösung zu<br />
finden.<br />
Verfahren im Wirtschafts-Strafrecht<br />
werden immer komplexer und<br />
dauern viel zu lange. Was sagen Sie<br />
zu diesem Vorwurf?<br />
Birklbauer: Da schwingt die Frage<br />
mit: Wie weit soll es auch in der österreichischen<br />
Strafprozessordnung<br />
Spielraum geben für verfahrensbeendende<br />
Absprachen, also den berühmten<br />
Deal im Strafverfahren. Das<br />
Thema ist immer auch mit Verfahrensgerechtigkeit<br />
verbunden. Warum<br />
soll es diese Möglichkeit im Wirtschaftsstrafverfahren<br />
geben und in<br />
anderen Strafverfahren nicht.<br />
Wess: Die Diskussion der verfahrensbeendenden<br />
Absprachen begleitet<br />
mich seit rund 20 Jahren. Gerade<br />
bei Wirtschaftsstrafverfahren ist immer<br />
die Balance zu suchen zwischen<br />
Dauer und erforderlicher Zeit zur<br />
Wahrheitssuche.<br />
Haumer: Es gab ja gesetzgeberische<br />
Bestrebungen, eine Höchstdauer des<br />
Ermittlungsverfahrens einzuführen.<br />
Die jetzt gewählte Lösung ist ganz<br />
zahnlos. Es gibt ja die Möglichkeit,<br />
die Fortführung von Ermittlungsverfahren,<br />
die die gesetzliche Höchstdauer<br />
überschreiten, von einer gerichtlichen<br />
Genehmigung abhängig<br />
zu machen. Ich kenne nicht ein einziges<br />
Verfahren, in dem diese Genehmigung<br />
nicht erteilt worden wäre.<br />
Wess: Ich bin mir ehrlich gesagt<br />
nicht sicher, ob Verfahren immer<br />
komplizierter werden und länger<br />
dauern. Ich glaube, sie dauern nur<br />
nicht kürzer. Genauso wie der Sachverhalt<br />
von Verfahren vielleicht<br />
komplexer, weil internationaler wird,<br />
sind aber auch die Möglichkeiten<br />
für die Behörden jetzt einfachere<br />
als vor 20 Jahren. Da hält sich die<br />
Balance.<br />
Birklbauer: Ich verweise auf die Justiz,<br />
die stolz darauf ist, im europäischen<br />
Vergleich eine sehr kurze Verfahrensdauer<br />
zu haben.<br />
Wäre es im Sinne einer Verfahrensökonomie<br />
nicht vernünftiger,<br />
Vermögensansprüche zumindest im<br />
Fall der Verurteilung des Beschuldigten<br />
ausschließlich durch die/den<br />
zuständige/n Richter*in des Strafverfahrens<br />
zu klären?<br />
Wess: Das passiert in Wirtschaftsstrafverfahren<br />
oft genug. Wobei: Es<br />
ist auch nicht Aufgabe des Strafprozesses,<br />
relativ komplexe zivilrechtliche<br />
Fragestellungen zu lösen. Die<br />
Strafrichter haben dafür auch nicht<br />
unbedingt die spezielle Expertise.<br />
Haumer: Die Zivilgerichte setzen im<br />
Falle einer Verurteilung genau an<br />
dem Punkt ein, wo das Strafgericht<br />
aufgehört hat, nämlich bei der Ermittlung<br />
der Höhe der Ansprüche.<br />
Insofern tritt nicht wirklich eine Verzögerung<br />
ein. Der einzige Nachteil<br />
für die Privatbeteiligten ist, dass sie<br />
plötzlich ein Risiko hinsichtlich der<br />
Höhe der Prozesskosten haben und<br />
ich muss für Gerichtsgebühren in<br />
Vorleistung treten. Im Strafverfahren<br />
geht es primär darum, einen staatlichen<br />
Strafausspruch durchzusetzen<br />
und nicht vorwiegend darum, Verletzten-Interessen<br />
zu befriedigen.<br />
Birklbauer: Theoretisch verankert<br />
die StPO Schadenersatzansprüche<br />
im Bereich der Privatbeteiligung<br />
sehr weitgehend. Ein Privatbeteiligter<br />
kann sogar einen Freispruch bekämpfen.<br />
Das ist ohnehin schon eine<br />
gewisse Störung der Verfahrensbalance.<br />
Ich sehe daher keinen Bedarf,<br />
hier an der derzeitigen Regelung irgendetwas<br />
zu ändern.
„Wichtig ist die soziale<br />
Kompetenz, gerade im Strafrecht.<br />
Denn es geht um Menschen und<br />
um Schicksale.“<br />
Norbert Wess<br />
Neben dem fachlichen Know-how:<br />
Welche weiteren Skills sollten Strafrichter*innen,<br />
Staatsanwält*innen und<br />
Strafverteidiger*innen mitbringen?<br />
Haumer: Bezogen auf Strafverteidiger*innen:<br />
Im Rahmen von Seriosität<br />
und Professionalität einfach unerbittlich<br />
für die Interessen des eigenen<br />
Mandanten einzuschreiten und<br />
insofern auch eine Konfliktbereitschaft<br />
zu zeigen, ohne den Konflikt<br />
um des Konflikts willen auszuführen.<br />
Dieses aktive Verteidigen ist mittlerweile<br />
zu einer Grundvoraussetzung<br />
geworden.<br />
Wess: Wichtig ist auch soziale Kompetenz,<br />
gerade im Strafrecht. Wir<br />
agieren in der Strafverteidigung heute<br />
viel kritischer. Dementsprechend<br />
wichtig ist es, das respektvoll zu<br />
machen, ohne irgendwelche Untergriffe.<br />
Abgesehen davon, dass man<br />
dergestalt auch die Position seines<br />
Mandanten noch viel glaubwürdiger<br />
vertreten kann. Man muss auch<br />
trotzdem immer merken, da geht‘s<br />
um Menschen und um Schicksale. Je<br />
mehr man darauf Rücksicht nimmt<br />
und entsprechend agiert, desto besser<br />
kann man dann auch seine Position<br />
transportieren.<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
17<br />
Interview<br />
Lesen Sie die Langfassung des Interviews auf verlagoesterreich.at/site.interviews<br />
EAN 9783704683687<br />
€ 399,–<br />
Die Herausgeber<br />
© Obereigner<br />
Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer leitet die Abteilung Praxis der Strafrechtswissenschaften und Medizinstrafrecht<br />
am Institut für Strafrechtswissenschaften der Johannes-Kepler-Universität Linz. Er habilitierte<br />
sich 2009 für das Fach Strafrecht und Kriminologie. Birklbauer, der ohne Abschluss auch<br />
katholische Theologie studierte, ist Mitglied in mehreren Kommissionen und Gremien, darunter Mitglied der<br />
Arbeitsgruppe „Vollzugsforschung“ beim Bundesministerium für Justiz, Mitglied im Kuratorium von NEUSTART<br />
(Wien), Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt und Mitglied der Opferschutzkommission des<br />
Landes Oberösterreich. Er ist Mitherausgeber des Journals für Medizin- und Gesundheitsrecht (JMG) und des<br />
Journals für Strafrecht (JSt).<br />
© Haslinger/Nagele<br />
Mag. René Haumer, LL.M. ist seit 2007 Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Haslinger/Nagele<br />
Rechtsanwälte. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts-, Korruptions- und Finanzstrafrecht, Unternehmensstrafrecht,<br />
Internal Investigations & Compliance sowie Verwaltungsstrafrecht.<br />
© Czermak<br />
Dr. Norbert Wess, LL.M. MBL ist seit 2004 selbständiger Rechtsanwalt und seit 2006 Partner der<br />
Kanzlei wkk law Rechtsanwälte. Seine Fachgebiete umfassen Wirtschafts- und Korruptionsstrafrecht,<br />
Unternehmensstrafrecht und Verbandsverantwortlichkeiten, Compliance und Internal Investigations,<br />
strafrechtliche Opfer- und Geschädigtenvertretungen, Vermögens- und Finanzstrafrecht,<br />
Allgemeines Strafrecht, Verwaltungsstrafrecht, Internationales Strafrecht, Auslieferungsrecht sowie Sportund<br />
Veranstaltungsrecht.
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
18<br />
Strafrecht<br />
EAN 9783704686206<br />
€ 25,–<br />
EAN 9783704672551<br />
€ 22,–<br />
Leidenschaftlich kritische<br />
Analysen von Richard Soyer<br />
und Alexia Stuefer
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
Freuen Sie sich auf vier neue Bände<br />
zum Großkommentar zum ABGB<br />
19<br />
„Klang“<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704686145<br />
€ 199,– (Abopreis: 169,15)<br />
EAN 9783704673817<br />
€ 185,– (Abopreis: € 157,25)<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704686527<br />
ca € 245,– (Abopreis: ca € 208,25 )<br />
EAN 9783704686510<br />
ca € 216,– (Abopreis: ca € 183,60 )
Im Interview: Sebastian Bergmann, Erik Pinetz, Karoline Spies • Lesedauer: 3 Minuten<br />
Was mit dem EU-Meldepflichtgesetz auf<br />
Beratung und Unternehmen zukommt<br />
Verlag Österreich: Das EU-Meldepflichtgesetz<br />
ist am 1. Juli dieses<br />
Jahres in Österreich in Kraft getreten.<br />
Was macht dieses Gesetz so wichtig<br />
und wer wird davon betroffen sein?<br />
Erik Pinetz: Mit dem EU-Meldepflichtgesetz<br />
(EU-MPfG) wurde auf<br />
Basis unionsrechtlicher Vorgaben in<br />
Österreich eine Meldepflicht für bestimmte<br />
grenzüberschreitende Steuergestaltungen<br />
eingeführt. Diese<br />
Meldepflicht ist insofern besonders,<br />
als vor allem die an der Gestaltung<br />
beteiligten Intermediäre (also die<br />
beteiligten Berater verschiedenster<br />
Beratungszweige) Ansprechpersonen<br />
der Meldepflicht sind.<br />
Karoline Spies: Allgemein hat das EU-<br />
Meldepflicht das Ziel, die Transparenz<br />
im Steuerrecht erheblich auszuweiten<br />
und damit die grenzüberschreitende<br />
Steuervermeidung zu bekämpfen. Die<br />
Meldepflicht soll dem Gesetzgeber<br />
vor allem helfen, potentielle Steuerschlupflöcher<br />
frühzeitig zu identifizieren<br />
und durch Reformen schließen zu<br />
können. Daneben hat die Meldepflicht<br />
aber sicherlich auch präventiven Charakter<br />
und wird Unternehmen schon<br />
von Beginn an davon abhalten, bestimmte<br />
Gestaltungen (zB Nutzung<br />
von Safe-Harbor Regeln, Ansiedelung<br />
in Staaten mit besonders niedrigen<br />
Steuersätzen oder mit präferentiellen<br />
Steuerregimen) überhaupt zu implementieren.<br />
Es geht bei Verstößen gegen<br />
die Meldevorschriften also nicht<br />
nur um finanzstrafrechtliche Problemfelder,<br />
sondern auch um die Reputation<br />
der betroffenen Unternehmen und<br />
Personen.<br />
Wer und was muss gemeldet<br />
werden?<br />
Pinetz: Wie bereits angerissen, betrifft<br />
die Meldepflicht insbesondere<br />
Intermediäre. Dazu zählen etwa Steuerberater,<br />
Rechtsanwälte oder Notare,<br />
aber auch Banken und sonstige<br />
involvierte Berater, die an der grenzüberschreitenden<br />
Gestaltung unmittelbar<br />
oder unterstützend mitwirken.<br />
Die Bandbreite ist durchaus groß.<br />
Sebastian Bergmann: Gemeldet werden<br />
müssen ganz bestimmte Steuergestaltungen.<br />
Das bedeutet nicht,<br />
dass sämtliche potentiell zu Steuervorteilen<br />
führende Gestaltungen meldepflichtig<br />
sind, sondern nur jene,<br />
die vom EU-MPfG explizit erfasst<br />
werden. Es kann also durchaus vorkommen,<br />
dass bestimmte aggressive<br />
Steuergestaltungen nicht zu melden<br />
sind.<br />
Spies: Um meldepflichtig zu sein,<br />
muss die Gestaltung bestimmte im<br />
EU-MPfG gelistete Kennzeichen<br />
(auch „Hallmarks“ genannt) erfüllen.<br />
Viele der in diesen Kennzeichen verwendeten<br />
Rechtsbegriffe sind dem<br />
österreichischen Steuerrecht bisher<br />
fremd (zB „Umwandlung von Einkünften“).<br />
Einige Kennzeichen sind<br />
zudem mangels konkreterer Beispiele<br />
nur schwer eingrenzbar und könnten<br />
daher auch eine Vielzahl alltäglicher<br />
Situationen erfassen. Auch wenn der<br />
österreichische Gesetzgeber versucht<br />
hat, „Über-Meldungen“ durch<br />
die zusätzliche Melde-Voraussetzung<br />
des bestehenden „Risikos der Steuervermeidung“<br />
zu minimieren, bleibt<br />
Rechtsunsicherheit bestehen.<br />
Können Sie ein paar Beispiele für<br />
grenzüberschreitende Gestaltungen<br />
bringen?<br />
Pinetz: Die Bereiche sind durchaus<br />
vielfältig und unterschiedlich. Im Konzernbereich<br />
betrifft es etwa grenz-
überschreitende Gestaltungen in<br />
Wie sieht es mit der Haftung aus?<br />
in Österreich, waren auch die Aus-<br />
Zusammenhang mit Verrechnungs-<br />
Welche Sanktionen drohen bei nicht<br />
führungen im deutschen und interna-<br />
preisen bei der Übertragung immaterieller<br />
Wirtschaftsgüter. Im Finanzbe-<br />
korrekter Meldung?<br />
tionalen Schrifttum von wesentlicher<br />
Bedeutung. Durch die Berücksichti-<br />
21<br />
reich können auch Strukturierungen<br />
im Bereich von Eigen- und Fremdkapital<br />
wie auch bestimmte Cash-Pooling-<br />
Agreements erfasst sein. Es gibt aber<br />
Bergmann: Eine fehlerhafte Einschätzung<br />
über die Meldepflicht kann mit<br />
empfindlichen Strafen belegt werden.<br />
Jede verabsäumte, unvollständi-<br />
gung dieser Quellen konnte bereits in<br />
kurzer Zeit nach der Gesetzwerdung<br />
eine durchaus beachtliche Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema erreicht<br />
Interview<br />
auch sehr generelle Bereiche wie etwa<br />
ge oder nicht fristgerechte Meldung<br />
werden.<br />
bestimmte Verschwiegenheitsklauseln<br />
ebenso wie die Meldung unrichtiger<br />
bzw Erfolgshonorarvereinbarungen.<br />
Informationen kann als Finanzordnungswidrigkeit<br />
mit bis zu € 50.000<br />
Spies: Ob eine Gestaltung (zB ein bestimmter<br />
Forderungsverzicht oder<br />
(bei Vorsatz) oder mit bis zu € 25.000<br />
(bei grober Fahrlässigkeit) sanktio-<br />
Die Herausgeber*innen<br />
eine Verrechnungspreisgestaltung)<br />
meldepflichtig ist, kann aber nie abstrakt<br />
beurteilt werden, sondern bedarf<br />
einer Untersuchung des jeweiligen<br />
Einzelfalls im Lichte des Kontextes<br />
niert werden.<br />
Spies: Zu beachten ist weiters, dass<br />
bei einer territorialen Anknüpfung<br />
eines Intermediärs oder des Steuer-<br />
© Privat<br />
Assoz. Univ.-Prof. Dr.<br />
Sebastian Bergmann,<br />
LL.M. MBA<br />
JKU Linz<br />
der Gesamtsituation und des jeweili-<br />
pflichtigen zu einem anderen EU-Mit-<br />
gen Kennzeichens. Bei einigen Kennzeichen<br />
– den sogenannten „bedingt<br />
meldepflichtigen Kennzeichen“ – kann<br />
nämlich eine Meldepflicht dann verneint<br />
werden, wenn steuerliche Vortei-<br />
gliedstaat auch dort Meldepflichten<br />
für grenzüberschreitende Gestaltungen<br />
bestehen können und die Strafen<br />
für eine Nicht-Meldung oder unvollständige<br />
Meldung in anderen Mitglied-<br />
© Helmreich<br />
Dr. Erik Pinetz,<br />
LL.M. MSc.<br />
WU Wien<br />
le keinen Hauptgrund der Gestaltung<br />
staaten teilweise empfindlich höher<br />
bilden; bei anderen Kennzeichen ist<br />
ausgestaltet sind. Bei der Einbindung<br />
dieser Nachweis jedoch nicht möglich.<br />
Welche Fristen sind zu beachten?<br />
mehrerer Steuerpflichtiger und/oder<br />
mehrerer Intermediäre aus unterschiedlichen<br />
Mitgliedstaaten ist daher<br />
eine zeitgerechte Koordinierung aller<br />
© Huger<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Karoline Spies<br />
WU Wien<br />
Bergmann: Große Beachtung im Hin-<br />
involvierten Parteien über eine allen-<br />
blick auf die Fristen fand zunächst<br />
falls bestehende Meldepflicht der Ge-<br />
natürlich der Umstand, dass auch be-<br />
staltung zu empfehlen.<br />
stimmte Altfälle, also bereits in der Vergangenheit<br />
verwirklichte Gestaltungen<br />
Abgesehen von der Aktualität, was<br />
gemeldet werden mussten. Dies stellte<br />
zeichnet Ihren Kommentar darüber<br />
für viele betroffene Intermediäre eine<br />
hinaus aus? Worauf haben Sie beim<br />
große Herausforderung dar.<br />
Kommentar besonders wert gelegt?<br />
Spies: Intermediäre und auch Steuerpflichtige<br />
sollten ein internes Kontrollsystem<br />
implementieren, wonach<br />
jede steuerliche Planung – egal, ob sie<br />
inhouse entworfen oder von einem<br />
Steuerberater zur Verfügung gestellt<br />
wurde – zeitnah zur Fertigstellung auf<br />
ihre Meldepflicht geprüft wird. Eine<br />
Meldung an die Finanzbehörden hat<br />
nämlich bei Neufällen innerhalb der<br />
herausfordernd kurzen Frist von 30<br />
Tagen ab Bereitstellung oder Umsetzungsbereitschaft<br />
zu erfolgen.<br />
Pinetz: Zentral war es insbesondere,<br />
die unionsrechtlichen Grundlagen für<br />
die Praxis aufzuarbeiten. Schließlich<br />
hat sich der österreichische Gesetzgeber<br />
allgemein für eine sehr richtliniennahe<br />
Umsetzung entschieden.<br />
Insofern sind die unionsrechtlichen<br />
Vorgaben von essentieller Bedeutung<br />
für die praktische Anwendung der nationalen<br />
Regelungen im EU-MPfG.<br />
Bergmann: Nicht zuletzt, angesichts<br />
der noch eingeschränkten Literatur<br />
EAN 9783704685230<br />
Erscheint<br />
November<br />
<strong>2020</strong><br />
€ 179,–
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
22<br />
Unternehmens- und Wirtschaftsrecht<br />
EAN 9783704683779<br />
€ 49,–<br />
EAN 9783704685254<br />
€ 52,– (eBook € 46,80)<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704685841<br />
ca € 189,–
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
Neues Team,<br />
bewährt gut:<br />
23<br />
Gewerberecht<br />
topaktuell<br />
kommentiert<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
Gewerberecht/Markenrecht<br />
EAN 9783704685346<br />
Subskriptionspreis bis 30.12.20 € 429,–<br />
Erscheint<br />
November<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704685322<br />
€ 129,– (eBook € 116,10)<br />
EAN 9783704681287<br />
€ 169,–
Interview mit Herbert Houf<br />
Präsident der Kammer der<br />
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />
Im Interview: Herbert Houf • Foto: © KSW • Lesedauer: 4 Minuten<br />
Verlag Österreich: Das Berufsfeld<br />
„Steuern“ gilt oft als trockene Materie<br />
und wenig attraktiv. Was macht den Beruf<br />
der Steuerberaterin/des Steuerberaters<br />
aus Ihrer Sicht dennoch reizvoll?<br />
Herbert Houf: Dazu gibt es zwei wesentliche<br />
Aspekte: Einerseits umfasst<br />
der Tätigkeitsbereich der Steuerberater*innen<br />
wesentlich mehr als nur<br />
„Steuern“. Wir sind Expert*innen in<br />
allen Fragen des Rechnungswesens<br />
und der Finanzberichterstattung, Gutachter*innen,<br />
Berater*innen in rechtlichen<br />
und wirtschaftlichen Fragen des<br />
täglichen Unternehmerlebens, bei der<br />
Organisations- und Prozessgestaltung<br />
bzw in betriebswirtschaftlichen<br />
Fragen generell. Auch die Vertretung<br />
in einschlägigen Verwaltungsverfahren<br />
bis hin zum VwGH ist per se<br />
schon eine spannende Aufgabe. Andererseits<br />
bekommt man in keinem<br />
anderen Beruf einen so umfassenden<br />
Einblick in Unternehmen der unterschiedlichsten<br />
Größenordnungen und<br />
Branchen. Das ist abwechslungsreich<br />
und herausfordernd. Nicht zuletzt<br />
aufgrund dieses umfassenden Berufsbildes<br />
sind Steuerberater*innen auch<br />
außerhalb unserer Branche sehr begehrte<br />
Mitarbeiter*innen.<br />
Welche Aktivitäten setzt die Kammer,<br />
um den Berufsstand attraktiver<br />
zu gestalten?<br />
Natürlich spüren wir den‚ „war for talents“<br />
in unseren Kanzleien und bemühen<br />
uns daher vor allem bei den Studierenden,<br />
das Interesse an unseren<br />
Berufen verstärkt zu wecken. Durch<br />
das WTBG 2017 haben wir einige<br />
wichtige Schritte gesetzt, um die beiden<br />
Berufe Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />
besser zu positionieren<br />
und auch die Ausbildung attraktiver<br />
zu gestalten. Unsere kammereigene<br />
Akademie hat in diesem Punkt eine<br />
zentrale Rolle. Die sprichwörtlichen<br />
„Ärmelschoner“ haben wir schon lange<br />
abgelegt. Wir sind ein hochspezialisierter,<br />
technologisch bestens aufgestellter<br />
Berufstand mit hervorragenden<br />
Karrierechancen, egal ob als freiberuflicher<br />
Unternehmer oder im Dienstverhältnis.<br />
Und wie sich gerade zeigt, ist<br />
unsere Branche durchaus krisenfest.<br />
Der Statistikreport der Kammer<br />
<strong>2020</strong> zeigt, dass der Frauenanteil fast<br />
ausgeglichen bei 48 % im Bereich der<br />
Steuerberatung liegt. Im Gegensatz<br />
dazu sind es nur 29 % Frauen in der<br />
Wirtschaftsprüfung. Woran liegt das<br />
Ihrer Meinung nach? Und wie sieht es<br />
mit der Verteilung auf Partner*innen-<br />
Ebene aus?<br />
Mehr noch als die aktuelle Verteilung<br />
ist der Trend der letzten Jahre interessant,<br />
wonach rund 60 % aller hinzukommenden<br />
Berufsangehörigen<br />
Frauen sind. Das liegt sicher daran,<br />
dass viele Arbeiten – nicht erst seit<br />
COVID-19 – orts- und zeitunabhängig<br />
erledigt werden können und die Beschäftigung<br />
nahezu beliebig skalierbar<br />
ist. Damit lassen sich nahezu alle<br />
individuellen Wünsche zur Gestaltung<br />
der persönlichen Arbeitswelt realisieren.<br />
Im Projektgeschäft – dazu gehört<br />
die Abschlussprüfung – ist das nicht<br />
so uneingeschränkt der Fall. Vermutlich<br />
haben wir daher in diesem Bereich<br />
noch nicht „gender equality“<br />
erreicht. Aber auch dort sind wir auf<br />
einem guten Weg und auch auf der<br />
Ebene der Partner*innen ziehen vermehrt<br />
Frauen ein.<br />
Welche Maßnahmen kann die<br />
Kammer zur Unterstützung von<br />
Chancengleichheit und „work-livebalance“<br />
setzen?<br />
In der Kammer selbst sind 60 % der<br />
Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt.<br />
Nicht weil wir eine möglichst<br />
hohe Quote erreichen wollen, sondern<br />
Personalentscheidungen nach<br />
rein sachlichen Kriterien getroffen<br />
werden. Flexible Arbeitszeiten und<br />
die Möglichkeit zum Homeoffice erlauben<br />
es, die individuell gewünschte<br />
„balance“ zu finden und steigern<br />
die Attraktivität des Arbeitsplatzes,<br />
auch in unseren Kanzleien. Daher interessieren<br />
sich Frauen auch in besonderem<br />
Maße für unsere Berufe.<br />
Aber deswegen dürfen wir uns nicht<br />
zufrieden zurücklehnen. Solange<br />
wir argumentieren, dass wir ein familienfreundlicher<br />
Beruf sind und<br />
sich deswegen so viele Frauen dafür<br />
interessieren, haben wir uns von<br />
dem Vorurteil, dass Familie „Frauensache“<br />
ist, noch nicht entfernt.<br />
Erst wenn Familie „Familiensache“<br />
ist, haben wir echte Chancengleichheit<br />
zwischen den Geschlechtern.<br />
Aber da wird sich unsere Gesellschaft<br />
noch ein wenig weiterentwickeln<br />
müssen, bis es soweit ist. Als<br />
Kammer können wir versuchen beizutragen,<br />
dass sich der „Mindset“<br />
entsprechend verändert.<br />
Die Steuerberatung ist eine anspruchsvolle<br />
Dienstleistung und entsprechend<br />
hoch sind die Anforderungen<br />
an Aus- und Weiterbildung<br />
für die Berufsträger*innen und die<br />
Mitarbeiter*innen. Wie können die<br />
Steuerberater*innen selbst mit diesem<br />
Leistungsdruck Schritt halten?
Als Freier Beruf sind wir es gewohnt,<br />
gungen auf ihre ureigensten unter-<br />
sondern auch meine persönliche Er-<br />
auch unter großer Belastung gewis-<br />
nehmerischen Aufgaben und das<br />
fahrung zeigen, dass weit über 90 %<br />
senhaft und eigenverantwortlich zu<br />
arbeiten. Auch das berühmte „lebens-<br />
wirtschaftliche Überleben zu richten.<br />
Spannend wird es, wie wir hier wieder<br />
aller Abgabepflichtigen in Österreich<br />
ihre Steuern pünktlich und korrekt<br />
25<br />
lange Lernen“ ist seit jeher Teil unserer<br />
Berufsbilder Steuerberater und<br />
Wirtschaftsprüfer. Das ist einerseits<br />
anstrengend, andererseits die Grund-<br />
schrittweise zum „Normalbetrieb“ zurückkehren<br />
können.<br />
Wenn die Zahlungserleichterungen<br />
bezahlen. Die Steuerberater*innen<br />
leisten dazu zweifellos einen wesentlichen<br />
Beitrag. Durch die zunehmende<br />
Globalisierung der Wirtschaft ist<br />
Interview<br />
lage für das ausgezeichnete Image<br />
für Unternehmen im Zuge der COVID-<br />
aber natürlich auch der (internatio-<br />
unseres Berufsstands und die große<br />
19-Krise seitens der Finanzverwaltung<br />
nale) Abgabenbetrug deutlich ange-<br />
Wertschätzung für unsere Expertise.<br />
wegfallen, ist eine Schockwirkung für<br />
stiegen. Andererseits hat die Weiter-<br />
Die Doppelrolle – Fachexperte einer-<br />
zahlreiche Betriebe zu erwarten. Wäre<br />
entwicklung des zwischenstaatlichen<br />
seits und Unternehmer andererseits –<br />
eine Verlängerung seitens der Politik<br />
Informationsaustausches und mehr<br />
war schon immer eine große Heraus-<br />
geboten? Welche Vorsorgemaßnah-<br />
Transparenz bei internationalen Steu-<br />
forderung.<br />
men können die Berater*innen für ihre<br />
ergestaltungen gewisse „Schlupflö-<br />
Klienten treffen?<br />
cher“ geschlossen. Insgesamt ist es<br />
Digitalisierung ist inzwischen in<br />
wohl die schwierigste Aufgabe für jede<br />
vielen Branchen mehr als nur ein<br />
Die bislang gewährten Abgaben-<br />
Steuerverwaltung, mit gezielten und<br />
Schlagwort und erlebt nicht zuletzt<br />
stundungen waren ein wesentlicher<br />
wirksamen Maßnahmen Steuerbetrug<br />
durch COVID-19 einen massiven Auf-<br />
Beitrag, um die Liquidität der Unter-<br />
zu bekämpfen, ohne die überwiegen-<br />
schwung. Wie sieht die Zukunft der di-<br />
nehmen aufrecht zu erhalten. Natür-<br />
de Zahl an Steuerehrlichen unange-<br />
gitalen Steuerberatung Ihrer Meinung<br />
lich wusste man von Anfang an, dass<br />
messen zu belasten oder zu verfolgen.<br />
nach aus?<br />
„aufgeschoben nicht aufgehoben“ ist.<br />
Da werden wir einen aufmerksamen<br />
Nachdem wir gerade beobachten,<br />
Blick darauf haben, ob auch in diesem<br />
Mit dieser Frage beschäftigen wir uns<br />
dass die Auswirkungen der COVID-<br />
Bereich die „balance“ passt.<br />
schon seit längerem und haben in unse-<br />
19-Krise uns nun doch etwas länger<br />
rer Kammer gerade einen Strategiepro-<br />
beschäftigen werden als erhofft, wird<br />
zess gestartet, in dem die Zukunft und<br />
Weiterentwicklung der Berufsbilder<br />
man daher auch über weitere Stundungen<br />
nachdenken müssen. Aus un-<br />
Jetzt kennenlernen<br />
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />
systematisch erarbeitet werden sollen.<br />
Die Auswirkungen des technologischen<br />
Fortschritts sind hier gleichermaßen zu<br />
serer Sicht sollte dabei jedoch zunehmend<br />
eine individuellere Handhabung<br />
Platz greifen, dh nicht mehr Stundung<br />
für alle, sondern für diejenigen, die es<br />
Vielfalt, Diskurs, Orientierung<br />
und Lösungen im Steuerstrafrecht<br />
und Steuerverfahren<br />
adressieren, wie gesellschaftliche Ver-<br />
wirklich brauchen, um überleben zu<br />
änderungen. Zweifellos werden man-<br />
können – und auch eine realistische<br />
che Tätigkeiten in den nächsten Jah-<br />
Chance haben, zu überleben.<br />
ren wegfallen, dafür werden sich neue<br />
Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. In<br />
Zum Thema Abgabenhinterziehung:<br />
jedem Fall werden wir in fünf bis zehn<br />
Jedes Jahr werden im langjährigen<br />
Jahren anders arbeiten als heute.<br />
Durchschnitt mehr als 7.000 Selbstanzeigen<br />
erstattet, im zeitlichen Umfeld<br />
Wie haben Sie und Ihre Kolleginnen<br />
der Steuerabkommen mit der Schweiz<br />
und Kollegen in der Kammer den Um-<br />
und Liechtenstein war die Zahl für ei-<br />
gang der Abgabenverwaltung mit den<br />
nige Jahre sogar mehr als doppelt so<br />
Herausforderungen der COVID-19-Kri-<br />
hoch, im vergangenen Jahr 2019 ha-<br />
se wahrgenommen? Gibt es aus Ihrer<br />
ben rund 24.500 Prüfungsmaßnahmen<br />
Sicht Verbesserungspotential?<br />
der Finanzverwaltung ein steuerliches<br />
Mehrergebnis von rund € 1,1 Milliarden<br />
Die klaren Vorgaben an die Finanz-<br />
eingebracht. (Quelle: BMF) Wie steuer-<br />
verwaltung, insbesondere im Bereich<br />
ehrlich sind denn die Österreicherinnen<br />
der Abgabeneinhebung, haben den<br />
Unternehmen den nötigen Spielraum<br />
und Österreicher?<br />
ISSN 2663-841X<br />
Einstiegsabo € 20,– (2 Hefte)<br />
gegeben, den Fokus ihrer Anstren-<br />
Nicht nur die einschlägige Statistik
EAN 9783704683304<br />
€ 38,–<br />
Die richtige Wahl im Arbeitsrecht:<br />
für Wissenschaft, Lehre und Praxis<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704685872<br />
€ 27,–<br />
EAN 9783704684707<br />
€ 88,– (eBook € 79,20)
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
27<br />
Arbeitsrecht<br />
EAN 9783704683700<br />
€ 149,– (eBook € 134,10)<br />
EAN 9783704681393<br />
€ 129,– (eBook € 116,10)<br />
EAN 9783704685797<br />
€ 99,– (eBook € 89,10)
Katastrophal digital?<br />
28<br />
Anleitung für eine<br />
gute virtuelle<br />
Zusammenarbeit<br />
in Teams<br />
Text: Dr. Susanna Kleindienst-Passweg, Dr. Astrid Reinprecht, Gerd Oberlechner, DSA M.A. • Lesedauer: 5 Minuten<br />
Wir arbeiten immer mehr virtuell. Im Lockdown haben wir gelernt, die Vorteile etwa von<br />
digi talen Tools für Videotelefonie, oder von online Visualisierungsprogrammen, zu erkennen<br />
und zu nutzen. Oft aber kommen wir auch an Grenzen – was sind Stolpersteine des<br />
virtuellen Arbeitens und wie können wir Konflikte vermeiden, die daraus entstehen?<br />
Virtuelle Zusammenarbeit erlaubt es uns,<br />
in schwierigen Kontexten (zB während<br />
eines Lockdowns) oder auch bei großer<br />
räumlicher Distanz miteinander zusammenzuarbeiten.<br />
Sei es in Teammeetings,<br />
oder in Workshops oder bei großen Konferenzen<br />
– räumliche Distanzen sind schnell<br />
und einfach zu überwinden. Knappe zeitliche<br />
Ressourcen lassen sich gut nutzen,<br />
etwa weil Anfahrts- oder Reisezeiten entfallen.<br />
Ergebnisse virtueller Zusammenarbeit,<br />
insbesondere auch Entscheidungen<br />
oder Vereinbarungen von Mediationen,<br />
können in Echtzeit dokumentiert und gemeinsam<br />
redigiert werden, etwa indem<br />
online protokolliert wird, was jede/r Teilnehmer*in<br />
einsehen kann. In Zeiten, in denen<br />
Personen häufig krank sind, reduziert<br />
virtuelles Arbeiten die Ansteckungsgefahr<br />
und ermöglicht es, miteinander in Kontakt<br />
zu bleiben (zB auch in Quarantäne).<br />
Abgesehen von diesen administrativ-organisatorischen<br />
Vorteilen, kann virtuelle<br />
Zusammenarbeit auch emotionale und<br />
gruppendynamische Erleichterungen<br />
bringen. Für Personen, die gerne lösungsorientiert<br />
arbeiten und die digitalen Tools<br />
aus dem beruflichen Alltag kennen, hilft<br />
virtuelles Arbeiten in einen Lösungsmodus<br />
zu kommen und zu fokussieren, weil<br />
„Zwischenkommunikation“ wie zB Small<br />
Talk ausfällt und man dadurch schneller<br />
zum Punkt kommt. Das Einhalten einfacher<br />
Gesprächsregeln, wie zB „Ausreden<br />
lassen“, gelingt leichter, weil das Medium<br />
selbst gewisse technische Eingriffe ermöglicht<br />
(zB Mikro ausschalten, wenn<br />
man nicht am Wort ist usw). In Teams oder<br />
Gruppen, wo (eskalierte) Konflikte vorherrschen,<br />
die physisches Zusammensein<br />
unmöglich machen, können virtuelle Tools<br />
das Arbeiten erleichtern, weil jede/r seinen/ihren<br />
Schutzraum hat. Das setzt zwar<br />
achtsame und straffe Moderation voraus,<br />
ist aber einfacher, als die Teilnehmer*innen<br />
physisch zu trennen.<br />
Leider gelingt virtuelle Zusammenarbeit<br />
aber nicht „einfach so“. Im Gegenteil,<br />
können leicht Fehler gemacht werden,<br />
wie das folgende Fallbeispiel zeigt:<br />
Durch den abrupten Lockdown aufgrund<br />
COVID-19 war in einer Beratungseinrichtung<br />
ab Mitte März <strong>2020</strong> direkter Klient*innenkontakt<br />
nicht mehr gestattet. Der<br />
Arbeitsmodus, der auf persönlichen Kontakt<br />
und face-to-face Zusammenarbeit<br />
beruhte, musste daher möglichst schnell<br />
umgestellt werden. Der organisatorische<br />
Aufwand dieser Veränderung war enorm.<br />
Es galt, diese und andere Veränderungen<br />
in wöchentlichen Teamsitzungen zu besprechen.<br />
Da Treffen vor Ort aber nicht<br />
mehr möglich waren, daher wurden diese<br />
„virtualisiert“. Dabei wurde Wesentliches<br />
übersehen: Zum Beispiel wurde nicht darauf<br />
geachtet, ob alle Mitarbeiter*innen<br />
technisch zu virtuellen Sitzungen in der<br />
Lage waren. Das Einrichten der Laptops<br />
seitens des Arbeitgebers wurde technisch<br />
nicht begleitet. Auch das Thema der Vertraulichkeit,<br />
besonders in Bezug der Vermischung<br />
beruflicher und privater Daten<br />
auf (der zum Teil privaten) Laptops oder<br />
datenschutzrechtliche Bedenken wurden<br />
vorab nicht angesprochen.<br />
Während der ersten Sitzungen, die rasch<br />
und ungeplant durchgeführt wurden, passierten<br />
wesentliche Fehler. So wurde nicht<br />
daran gedacht, die Sitzungen zu moderieren.<br />
Zudem gab es keine Protokollführung<br />
oder Visualisierung. In dem Tool, das<br />
verwendet wurde, wurde kein virtueller<br />
Warteraum eingerichtet, wodurch das<br />
Zuschalten der Teilnehmer*innen möglich<br />
gewesen wäre. Dies führte dazu, dass<br />
über einen Kollegen online gelästert wurde,<br />
ohne dass sich die Mitarbeiter*innen<br />
bewusst waren, dass diese Person anwesend<br />
war bzw zugehört hatte. Kurzum: Die<br />
online Treffen waren nicht nur anarchisch<br />
und wenig produktiv, sondern schaukelten<br />
sich zu einem veritablen Konflikt hoch.<br />
In diesem Beispiel ist beinahe alles schiefgelaufen,<br />
was schieflaufen hätte können.<br />
Was hätten die Führungspersonen anders<br />
machen können? Was sind Stolperfallen<br />
vor und während virtueller Sessions und<br />
was lässt sich als Verantwortliche/r tun?
Zur Vorbereitung virtueller Zusammenarbeit<br />
empfehlen wir auf folgende Dinge<br />
zu achten:<br />
• Technik: Technik per se kann ein Stolperstein<br />
sein. Daher ist eine gute Vorbereitung<br />
der Technik (funktionieren die W-Lan-Verbindung,<br />
Hardware, Software, Headsets<br />
usw?) für alle Teilnehmer*innen ein Muss.<br />
Eine Viertelstunde vor oder zu Beginn der<br />
eigentlichen inhaltlichen Arbeit sollte zudem<br />
eine gemeinsame „technische Probe“<br />
erfolgen, um zB Tonqualität, Kameraeinstellungen<br />
usw zu prüfen und um klarzustellen,<br />
was zu tun ist, falls die Technik versagt<br />
(etwa durch die Information, den<br />
Verantwortlichen bzw den/die Moderator*in<br />
anzurufen usw).<br />
• Wissen über Technik: Da oft nicht alle<br />
Teilnehmer*innen Vorerfahrungen mit gewissen<br />
Tools haben, sollten die Verantwortliche/n<br />
das Vorwissen aller ansprechen bzw<br />
überprüfen und allenfalls gemeinsam ausprobieren<br />
und erlernen.<br />
• Zeitfaktor: Wann und wie oft werden<br />
Termine virtuell eingerichtet? Hier muss<br />
man die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen<br />
berücksichtigen, da die Grenzen zwischen<br />
privat und beruflich leicht verschwimmen.<br />
So sollte zB geklärt werden, ob es Betreuungspflichten<br />
gibt, wann eine ungestörte<br />
Arbeitsatmosphäre möglich ist usw. Auch<br />
müssen virtuelle Sitzungen zeitlich klar<br />
strukturiert und mit ausreichend Pausen<br />
versehen sein, denn erfahrungsgemäß ermüdet<br />
konzentriertes Arbeiten online mehr<br />
als „vor Ort“.<br />
• Überforderung der Moderation: Die<br />
Moderation virtueller Zusammenarbeit<br />
kann eine Herausforderung sein, vor allem<br />
dann, wenn eine Person sowohl für die Gesprächssteuerung<br />
als auch für das „technische<br />
Trouble-Shooting“ zuständig ist. Daher<br />
empfiehlt sich die Trennung der beiden<br />
Rollen (in zB einen Prozessmoderator und<br />
eine Technikmoderatorin), vor allem bei<br />
größeren Teams.<br />
• Vertraulichkeit: Die Vertraulichkeit virtueller<br />
Zusammenarbeit ist wesentlich.<br />
Nur wenn ein vertrauensvoller Raum auch<br />
online geschaffen wird, wird qualitätsvolle<br />
Arbeit möglich sein. Dafür ist einerseits<br />
der Datenschutz anzusprechen; andererseits<br />
gilt es seitens der Moderator*in das<br />
digitale Tool, das verwendet wird, auf die<br />
eigenen Bedürfnisse einzurichten, damit<br />
die Kontrolle bei den Moderator*innen verbleibt.<br />
Zuletzt empfehlen wir die Einführung<br />
gemeinsamer „Kommunikationsregeln“, zu<br />
denen eventuell auch das Verbot von nicht<br />
abgesprochenen Fotos oder Aufnahmen<br />
der Sessions durch Teilnehmer*innen gehören<br />
kann.<br />
• Sichtbarkeit: Oft wird vergessen, auf ein<br />
gutes Licht zu achten – keinesfalls sollte<br />
das Licht von hinten kommen, da sonst das<br />
eigene Gesicht im Schatten liegt. Bedacht<br />
werden sollte außerdem, welcher Raum im<br />
Bildausschnitt sichtbar wird (sofern nicht<br />
ein virtueller Hintergrund eingerichtet wird,<br />
was bei manchen Tools möglich ist). Hier<br />
sollte darauf geachtet werden, welche Bilder<br />
sichtbar sind und ob intime Details im<br />
Blick sind, die lieber nicht gezeigt werden<br />
wollen. Zuletzt ist auf passende Kleidung<br />
und Erscheinung zu achten.<br />
Neben den Hinweisen für die Vorbereitung<br />
und Rahmung von virtueller Zusammenarbeit,<br />
gilt es während der konkreten Sessions<br />
gewisse Empfehlungen zu beherzigen:<br />
• Ohne Moderation geht’s nicht! Ein häufiges<br />
Missverständnis betrifft die Vorstellung,<br />
dass virtuelle Zusammenarbeit keine<br />
Struktur braucht. Wie bei persönlichen Sitzungen<br />
oder Workshops in echten Räumen<br />
gilt auch hier: Vermeiden Sie Gesprächschaos!<br />
Es braucht eine klare Gesprächssteuerung<br />
und Verantwortung bei einem/r<br />
Moderator*in!<br />
• Online macht müde! Virtuelle Zusammenarbeit<br />
produziert einen hohen Bedarf<br />
an Aufmerksamkeit und Fokus. Das führt<br />
leicht zu Ermüdung und innerlichem „Abschalten“<br />
bei den Teilnehmer*innen. Anders<br />
als bei konkretem Zusammensein im<br />
selben Raum, kann das Aufmerksamkeitslevel<br />
der Teilnehmer*innen nicht (oder kaum)<br />
durch ihre Körpersprache abgecheckt werden.<br />
Daher braucht es immer wieder direktes<br />
Ansprechen der Teilnehmer*innen und<br />
die Vereinbarung gemeinsamer Regeln (zB<br />
keine E-Mails checken während der Session<br />
usw). Außerdem sollte man Pausen<br />
oft und bewusst einplanen. Möglich sind<br />
auch Auflockerungsübungen, die jede/r für<br />
sich machen kann bzw Phasen, in denen<br />
man in der Gesamtgruppe oder in kleinen<br />
Untergruppen gemeinsam virtuell etwas<br />
Lustiges zeichnen, Musik hören oder einen<br />
kurzen Film schauen kann usw.<br />
• Weniger Körpersprache heißt mehr<br />
Reden! Ein Teil der Körpersprache fehlt,<br />
dadurch fallen gewisse Interpretationsebenen<br />
weg. Deshalb braucht es genaues<br />
Nachfragen und konkretes Ansprechen von<br />
vermuteten oder tatsächlichen Interessen,<br />
Bedürfnissen, Gefühlszuständen usw der<br />
Teilnehmer*innen. Online Arbeiten braucht<br />
eine besonders klare Kommunikation. Da<br />
nonverbale und paraverbale Kommunikation<br />
als zusätzliche Ebene der Interpretation<br />
ausfallen, müssen wir noch deutlicher sagen,<br />
was wir meinen, um nichts misszuverstehen.<br />
Nur dadurch kann wechselseitiges<br />
Verständnis erleichtert werden.<br />
• Das Buffet ersetzen! Bei physischen Treffen,<br />
Workshops oder Konferenzen ist oft<br />
das Buffet der Zeitpunkt, zu dem informelle<br />
Informationen getauscht werden. Diese<br />
diffuse Kommunikation zwischen „Tür und<br />
Angel“, oder am Kaffeeautomaten, fällt<br />
bei virtueller Zusammenarbeit weg. Leider<br />
fehlt diese dann aber für den Vertrauensund<br />
Beziehungsaufbau. Es gilt daher zum<br />
Ausgleich ganz gezielt Momente zu schaffen,<br />
in dem solche ein Austausch möglich<br />
wird. Das können virtuelle Räume für Pausen<br />
sein oder auch informelles Verarbeiten<br />
in kleineren „Murmelgruppen“.<br />
Virtuelle Zusammenarbeit ist herausfordernd<br />
und erfordert gewissenhafte Planung<br />
und Übung. Sind wir damit schon<br />
am „Ende der Fahnenstange“ der Möglichkeiten?<br />
Nein, denn die nächste Herausforderung<br />
liegt in „hybriden“ Meetings, also<br />
solchen, bei denen ein Teil physisch anwesend,<br />
ein Teil virtuell zugeschaltet ist. Dieses<br />
Setting stellt an die Mediator*innen das<br />
Maximum an Schwierigkeit. Bis dahin heißt<br />
es also: Gutes Ausprobieren und Lernen!<br />
EAN 9783704685629<br />
€ 26,–<br />
29<br />
Mediation
30<br />
Neu im Versicherungsrecht<br />
EAN 9783704684776<br />
ca € 239,–<br />
EAN 9783704685315<br />
€ 69,– (eBook € 62,10)<br />
EAN 9783704685162<br />
€ 53,– (eBook € 47,70)<br />
EAN 9783704684691<br />
€ 37,– (eBook € 33,30)
31<br />
Neu im Zivil- und Zivilprozessrecht<br />
EAN 9783704683977<br />
€ 98,– (eBook € 88,20)<br />
EAN 9783704676078<br />
€ 59,– (eBook € 53,10)<br />
EAN 9783704683908<br />
€ 98,– (eBook € 64,80)<br />
EAN 9783704683427<br />
€ 169,– (eBook € 152,10)
32<br />
Neu im Öffentlichen Recht<br />
EAN 9783704685605<br />
€ 45,– (eBook € 40,50)<br />
EAN 9783704685339<br />
€ 55,– (eBook € 49,50)<br />
Erscheint<br />
Dezember<br />
<strong>2020</strong><br />
EAN 9783704685285<br />
€ 58,– (eBook € 52,20)<br />
EAN 9783704685858<br />
ca € 75,–
<strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> HERBST/WINTER <strong>2020</strong><br />
EAN 9783704684660<br />
€ 109,– (eBook € 98,10)<br />
33<br />
Neu in der FSR-Reihe<br />
EAN 9783704684806<br />
€ 174,– (eBook € 156,60)<br />
EAN 9783704684578<br />
€ 150,– (eBook € 135,–)
34<br />
Neue Wissenschaftstitel<br />
EAN 9783704683717<br />
€ 69,– (eBook € 62,10)<br />
EAN 9783704684295<br />
€ 69,– (eBook € 62,10)<br />
EAN 9783704682994<br />
€ 80,– (eBook € 72,–)<br />
EAN 9783704684196<br />
€ 109,– (eBook € 98,10)<br />
EAN 9783704683748<br />
€ 69,– (eBook € 62,10)<br />
EAN 9783704683618<br />
€ 72,– (eBook € 64,80)<br />
EAN 9783704685278<br />
€ 68,– (eBook € 61,20)<br />
EAN 9783704685612<br />
€ 39,– (eBook € 35,10)<br />
EAN 9783704685148<br />
€ 109,– (eBook € 98,10)<br />
EAN 9783704685537<br />
€ 49,– (eBook € 44,10)
COVID-19-Schwerpunkt in unseren eJournals<br />
elibrary.verlagoesterreich.at<br />
35<br />
COVID-19-Schwerpunkt<br />
ISSN 1613-7639 (Online)<br />
eJournal € 60,–<br />
ISSN 2309-5121 (Online)<br />
eJournal € 40,–<br />
ISSN 2309-754X (Online)<br />
eJournal € 40,–<br />
ISSN 2309-7450 (Online)<br />
eJournal € 40,–
VERLAG<br />
ÖSTERREICH<br />
WO<br />
RECHT<br />
LEBT.