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<strong>Joseph</strong>, <strong>der</strong> Allroun<strong>der</strong><br />
„Südlich von Montélimar sind die Franzosen faul, richtige Faulenzer, die<br />
nichts können, ausser Geld zählen und Sonne und Meer verkaufen.“<br />
Wenn er „nichts“ sagt, dann meint er mehr als nichts - „zéro, zéro“.<br />
<strong>Joseph</strong>, Gärtner-Elektriker-Mauerer-Schreiner-Monteur auf einem Campingplatz<br />
in <strong>der</strong> Camargue, formt mit Daumen und Zeigefingern zwei<br />
Nullen. „Diese Faulpelze wollen sich in drei Monaten ein gutes Leben<br />
für ein ganzes Jahr verdienen. Sie fahren deutsche Autos, weil ihnen<br />
die einheimischen Erzeugnisse nicht gut genug sind und scheuen jede<br />
Arbeit wie <strong>der</strong> Teufel das Weihwasser.<br />
Deswegen stellen sie die Landsleute von nördlich von Montélimar ein.<br />
Ohne diese Frauen und Männer – ja, oft ganze Familien samt Grossmüttern<br />
– würde <strong>der</strong> Tourismus hier unten zusammenbrechen. Und<br />
ohne den Tourismus wären die Südfranzosen aufgeschmissen, weil sie<br />
nichts können, we<strong>der</strong> backen noch kochen, und auch sonst kein Handwerk.<br />
Nimm ihnen die Gastarbeiter und Nordfranzosen weg und sie<br />
werden verhungern o<strong>der</strong> schneller noch verdursten. Aber so lange die<br />
Nachfrage nach Sonne und Meer besteht, müssen sie halt selber niemals<br />
einen Finger rühren.“<br />
„Aber die Pferde- und Stierzucht, die können sie doch?“ wende ich ein.<br />
„Nein, auch davon verstehen sie nichts.“ Ein Touristenmärchen sei das,<br />
meint <strong>Joseph</strong>.<br />
<strong>Joseph</strong> weiss, was Arbeit ist. Als eines von zehn Kin<strong>der</strong>n einer lothringischen<br />
Familie stieg er mit sechzehn Jahren erstmals in die Grube,<br />
kam dann als Holzfäller und Bauarbeiter Richtung Süden. Nun arbeitet<br />
er seit sieben Jahren auf dem Campingplatz für 1500 Euro im Monat. In<br />
<strong>der</strong> Hochsaison hat er 12-15 Stunden täglich zu tun, aber im Winter ist<br />
es ein Halbtagsjob. Er habe keine Frau, sei ein freier Vogel, aber sicher<br />
nicht vom an<strong>der</strong>en Ufer – Gott bewahre! Der Bordellbesuch sei budgetiert,<br />
immer 200 Euro, das klappe einwandfrei, und niemanden müsse<br />
er anrufen o<strong>der</strong> gar anlügen. La vie est belle!<br />
Nun macht er das noch zwei Jahre bis zur Pension, dann kauft er sich<br />
einen Camper. Sein restliches Leben will er an warmen Orten verbringen,<br />
nie mehr zurück in die Grube, nur immer <strong>der</strong> Sonne nach.<br />
Notiert in den Sommerferien von Christine Messerli<br />
aSPekte 7/13 11