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08<br />
Doppel.k<br />
im Interview<br />
Heinz Brandt + Uwe Seeler
porträt<br />
Zwei Männer. Zwei Hamburger, die was zu sagen haben. Der eine ist Jurist und Manager <strong>de</strong>r<br />
Hamburger Hafen und Logistik AG, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ist einer <strong>de</strong>r begna<strong>de</strong>tsten Fußballer, die<br />
Deutschland je hervorgebracht hat. Beruflich verbin<strong>de</strong>t sie nur auf <strong>de</strong>n ersten Blick<br />
wenig. Denn Heinz Brandt und „uns Uwe“ Seeler haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten.<br />
Bei<strong>de</strong> haben mit <strong>de</strong>m Speditionsgewerbe zu tun. Uwe Seeler hat dort seine Ausbildung<br />
absolviert. Bei<strong>de</strong> sind im November in Nord<strong>de</strong>utschland geboren. Heinz Brandt 1954,<br />
Uwe Seeler 1936. Bei<strong>de</strong> haben ausschließlich Töchter als Nachwuchs. Heinz Brandt zwei,<br />
Uwe Seeler <strong>de</strong>ren drei. Bei<strong>de</strong> kann man regelmäßig im Stadion antreffen, wenn <strong>de</strong>r HSV<br />
dort <strong>de</strong>n Ball laufen lässt. Mit bei<strong>de</strong>n sprach Peter Neumann über Hamburg und die Welt,<br />
über die gute alte Zeit <strong>de</strong>s Fußballs, über Karrieren, Brüche und Neuanfänge.<br />
Wenn Sie Hamburg charakterisieren sollten – welche drei Eigenschaften fallen Ihnen<br />
spontan ein?<br />
Brandt: Weltoffen, lebenswert, tolerant. Seeler: Die wun<strong>de</strong>rschönste Stadt, die es überhaupt<br />
gibt. Eine unheimlich grüne Stadt. Eine Stadt mit viel Flair.<br />
Was schätzen Sie an <strong>de</strong>n Menschen in Hamburg beson<strong>de</strong>rs?<br />
Brandt: Hanseatische Zurückhaltung und hintergründigen Humor. Seeler: Sie sind tüchtig und<br />
stapeln eher tief. Selbst die großen Geschäftsleute bleiben bo<strong>de</strong>nständig.<br />
Welcher Menschenschlag hat gute Karten, sich hier zurechtzufin<strong>de</strong>n?<br />
Brandt: Für Neues offene Menschen. Seeler: Menschen, die sich anpassen können und ein<br />
bisschen Geduld haben. Denn es dauert ein wenig, bis man das Vertrauen eines Hamburgers<br />
gewinnt, aber dann hat man ihn als ehrlichen und guten Freund.<br />
Wo schlägt für Sie das Herz von Hamburg?<br />
Brandt: Im Hafen. Seeler: Mitten in <strong>de</strong>r Stadt, rund um die Alster und im Hafen. Ich mache<br />
je<strong>de</strong>s Jahr eine Fleetenfahrt und ent<strong>de</strong>cke immer etwas Neues.<br />
Wo kann man das internationale Flair <strong>de</strong>r Stadt am intensivsten spüren?<br />
Brandt: Rund um die Binnenalster. Seeler: Da, wo auch das Herz schlägt.<br />
Ganz allgemein betrachtet: Was macht Hamburg attraktiv?<br />
Brandt: Das vielfältige kulturelle Angebot und das Zusammenspiel von Dienstleistung und<br />
Industrie. Seeler: Die Schönheit <strong>de</strong>r Stadt und die Vielseitigkeit. Hamburg ist eine Metropole<br />
mit entsprechen<strong>de</strong>m Kultur- und Bildungsangebot, aber ohne die Nachteile an<strong>de</strong>rer Metro -<br />
polen – in Hamburg sind Mieten und Immobilienpreise noch erschwinglich, die Kriminalität ist<br />
im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren Großstädten gottlob gering. Und für auswärtige Gäste ist natürlich<br />
die Reeperbahn eine Attraktion.<br />
pf<br />
Und das sprichwörtliche Hamburger Wetter kann die Attraktivität nicht beeinträchtigen?<br />
Brandt: In keinster Weise. Seeler: Ich glaube nicht. Wir hatten in <strong>de</strong>n letzten zwei Jahren<br />
weniger Regen als <strong>de</strong>r Sü<strong>de</strong>n Deutschlands. Und schauen Sie jetzt mal zum Fenster raus –<br />
die Sonne scheint.<br />
Sie bekommen Besuch von jeman<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r Hamburg noch gar nicht kennt. Was zeigen Sie?<br />
Brandt: Die Landungsbrücken, das Rathaus und die Außenalster. Seeler: Die Innenstadt, die<br />
Alster, <strong>de</strong>n Hafen und die Speicherstadt.<br />
Wie lange hat Ihre längste Abwesenheit von Hamburg gedauert, und was haben Sie<br />
beson<strong>de</strong>rs vermisst?<br />
Brandt: Seit<strong>de</strong>m ich hier arbeite, war ich nie länger als drei Wochen weg und ausschließlich<br />
aus privaten Grün<strong>de</strong>n. Was ich vermisst habe? (antwortet ohne Zögern) Das Hafenflair.<br />
Seeler: Sechs Wochen während <strong>de</strong>r Fußballweltmeisterschaft in Mexiko. Vermisst habe ich<br />
dort die kühle frische Luft meiner Heimatstadt.<br />
Welche Hamburger Persönlichkeit außerhalb <strong>de</strong>r Wirtschaft macht auf Sie am meisten<br />
Eindruck?<br />
Brandt: Bei diesem Thema kommt man an Helmut Schmidt nicht vorbei. Seeler: Ja klar, Helmut<br />
Schmidt.<br />
Ist Hamburg ein guter Ort, um eine erfolgreiche berufliche Karriere zu beginnen?<br />
Brandt: Absolut. Aufgrund <strong>de</strong>r großen Vielfalt an Branchen und damit <strong>de</strong>r Vielfalt an unterschiedlichen<br />
Typen, die hier Arbeit fin<strong>de</strong>n können. Seeler: Ja. Wer intelligent und i<strong>de</strong>enreich<br />
ist, kann hier gut eine Existenz aufbauen.<br />
Womit wür<strong>de</strong>n Sie einen jungen Menschen, <strong>de</strong>r ins Berufsleben startet, überzeugen,<br />
dass er nach Hamburg ziehen soll?<br />
Brandt: Mit <strong>de</strong>r hohen Lebensqualität und <strong>de</strong>r ganzen Dynamik und Quirligkeit dieser Stadt.
Seeler: Ich fahre mit ihm einmal durch die Innenstadt und an <strong>de</strong>r Alster entlang,<br />
dann ist er schon überzeugt.<br />
Herr Seeler, Herr Brandt, Sie haben ja bei<strong>de</strong> einen Bezug zur Logistik.<br />
Herr Seeler hat eine Ausbildung in diesem Beruf absolviert, Herr Brandt<br />
ist seit vielen Jahren als Manager in <strong>de</strong>m Bereich tätig. Welche Be<strong>de</strong>utung<br />
hat diese Branche für die Hansestadt Hamburg?<br />
Brandt: Logistik hat eine ganz wesentliche Be<strong>de</strong>utung. Das ergibt sich schon<br />
aus diesem Slogan ‚Tor zur Welt’. Etwa 160.000 Menschen fin<strong>de</strong>n hier in<br />
<strong>de</strong>r Logistik ihre Arbeit. Und diese Branche wird auch in Zukunft eine große<br />
Rolle spielen. Sicher ist, dass sie nicht an Be<strong>de</strong>utung verlieren wird. Also<br />
weiterhin eine gute Einstiegsmöglichkeit für karrierebewusste Menschen.<br />
Seeler: Logistik ist unerlässlich für erfolgreiches Wirtschaften.<br />
Herr Seeler, Sie gelten ja als bo<strong>de</strong>nständiger Familienmensch. Wie<br />
wichtig war und ist für Ihren beruflichen Erfolg ein harmonisches<br />
Zusammenleben mit Ihrer Familie?<br />
Seeler: Für mich war das immer lebensnotwendig, weil ich Beruf und Leistungssport<br />
lange parallel betrieben habe.<br />
Herr Seeler: Sie waren oft unterwegs und haben auf <strong>de</strong>m Spielfeld<br />
gestan<strong>de</strong>n. Was hat Ihre Frau in <strong>de</strong>r Zeit gemacht? Hat sie Sie von <strong>de</strong>r<br />
Tribüne aus angefeuert?<br />
Seeler: Meine Frau war selbst sportbegeistert und immer dabei.<br />
Wie ist das eigentlich, wenn Sie die Gepflogenheiten im Fußball zu<br />
Ihrer Zeit mit heute vergleichen?<br />
Seeler: Die sind nicht zu vergleichen. Meine Zeit war wun<strong>de</strong>rschön. Im Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Globalisierung ist Fußball heute ein Geschäft gewor<strong>de</strong>n.<br />
porträt<br />
Herr Brandt, wie sieht das bei Ihnen aus? Sie haben einen recht stressigen<br />
Job – können Sie sich Ihrer Familie ausreichend widmen? Gelingt<br />
Ihnen überhaupt <strong>de</strong>r Trennungsstrich zwischen Beruf und Privatem?<br />
Brandt: Ja, das gelingt mir gut und ich achte auch sehr darauf, um wirklich<br />
abschalten zu können. Damit ich nicht Dinge, die mich im Beruf beschäftigen,<br />
mit ins Privatleben schleppe und eventuell sogar an <strong>de</strong>r Familie abarbeite.<br />
Also, wenn ich mein Haus betrete, bleibt <strong>de</strong>r Beruf meistens draußen.<br />
An<strong>de</strong>rnfalls hätte ich nicht die Chance aufzutanken. Diese Fähigkeit muss<br />
man natürlich trainieren. Umgekehrt habe ich auch am Arbeitsplatz meinen<br />
Privatbereich weggeschaltet.<br />
Herr Brandt, Sie haben viele Berufe ausgeübt, bevor Sie zur Logistik<br />
kamen. Als Koch und Minentaucher haben Sie Ihr erstes Geld verdient.<br />
Wie bewerten Sie heute Lebensläufe mit Brüchen von jungen Absolventen,<br />
die sich bei Ihnen bewerben?<br />
Brandt: Die fin<strong>de</strong> ich nicht nur wegen meiner eigenen Vergangenheit positiv.<br />
Ich glaube, dass unterschiedliche Lebenserfahrungen aus unterschiedlichen<br />
Zusammenhängen nutzen, um sich auch in Führungspositionen auf verschie<strong>de</strong>ne<br />
Menschen einstellen und <strong>de</strong>ren Sichtweisen besser verstehen zu können.<br />
Treiben Sie auch Sport?<br />
Brandt: Ich gehe ins Fitness-Studio, ich jogge und ich spiele Tennis.<br />
Was wür<strong>de</strong>n Sie sportpolitisch in Hamburg durchsetzen, wenn Sie<br />
könnten?<br />
Brandt: Dafür sorgen, dass Hamburg wie<strong>de</strong>r in die Erste Liga <strong>de</strong>s Tennis<br />
Seit 1. Januar 2009 ist Heinz Brandt im Vorstand<br />
<strong>de</strong>r Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Sein<br />
Weg dorthin führt über viele Stationen: Nach <strong>de</strong>r<br />
Hauptschule absolvierte er eine Ausbildung zum<br />
Koch. Kurze Zeit danach ging er für vier Jahre zur<br />
Bun<strong>de</strong>smarine und qualifizierte sich dort zum Mi -<br />
nentaucher. Im Anschluss daran erlangte er das Abitur<br />
auf <strong>de</strong>m 2. Bildungsweg und studierte Jura in<br />
Köln, Münster und Hamburg. Heute liegen die Personal-<br />
und Sozialpolitik <strong>de</strong>r HHLA sowie die Ressorts<br />
Recht/Versicherungen und Einkauf/<br />
Materialwirtschaft in seiner Verantwortung.<br />
Im April 2009 hat er zu<strong>de</strong>m die Funktion <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsdirektors übernommen.<br />
Uwe Seeler gehörte in <strong>de</strong>n 1950er bis 70er Jahren zu<br />
<strong>de</strong>n besten Fußballstürmern <strong>de</strong>r Welt. Er nahm an <strong>de</strong>n<br />
Weltmeisterschaften 1958, 1962, 1966 und 1970 teil,<br />
trug 72 Mal das Trikot <strong>de</strong>s DFB und erzielte als Nationalspieler<br />
43 Tore. Mit <strong>de</strong>m HSV wur<strong>de</strong> er 1960 Deutscher<br />
Meister; 1963 DFB-Pokalsieger sowie Torschützenkönig<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sliga (30 Tore in 30 Spielen). Er ist nicht nur<br />
wegen seiner sportlichen Leistungen, son<strong>de</strong>rn auch<br />
wegen seines fairen Verhaltens und ehrenamtlichen<br />
Engagements sehr beliebt. Beispiele hierfür sind die<br />
Uwe Seeler Stiftung www.uwe-seeler-stiftung.<strong>de</strong><br />
und die Uwe Seeler Traditionself<br />
www.uwe-seeler.<strong>de</strong>.<br />
Was empfin<strong>de</strong>n Sie, wenn Sie zum Beispiel von Ablösesummen und<br />
Gehältern im dreistelligen Millionenbereich hören?<br />
Seeler: Da sind die Relationen verloren gegangen. Wenn man gierig wird,<br />
läuft man gegen die Wand. Das haben wir gera<strong>de</strong> beim Finanzcrash gesehen.<br />
Und was sagen Sie zum Thema Nachwuchs? Sind schon die Nachwuchskicker<br />
nur auf Geld aus o<strong>de</strong>r haben die noch echten Sportsgeist?<br />
Seeler: Die haben schon noch echten Sportsgeist. Ich sage <strong>de</strong>n jungen Leuten<br />
immer, dass sie erst eine gute Schulbildung und Ausbildung anstreben sollen.<br />
Mit welchem Gehalt haben Sie damals beim HSV angefangen?<br />
Seeler: Erst bekam ich 320 DM Aufwandsentschädigung und dann mit<br />
Beginn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sliga – und mit Genehmigung <strong>de</strong>s DFB – 1250 DM brutto.<br />
Herr Brandt: Fin<strong>de</strong>t man Sie auch ab und zu im Stadion <strong>de</strong>s HSV?<br />
Brandt: Ja, ab und zu.<br />
Und wo? Stehplatz o<strong>de</strong>r VIP-Lounge?<br />
Brandt: We<strong>de</strong>r noch, ich nehme ein ganz normales Sitzplatzticket. Und ich<br />
bevorzuge auch die Bratwurst und nicht das Büffet.<br />
10<br />
aufsteigt, also die Top Ten <strong>de</strong>r ATP-Turniere. Der Rothenbaum muss wie<strong>de</strong>r<br />
aufgewertet wer<strong>de</strong>n.<br />
Welchen Hamburger Sportler bewun<strong>de</strong>rn Sie und warum?<br />
Brandt: Es ist mir fast peinlich, aber ein an<strong>de</strong>rer als Uwe Seeler fällt mir<br />
dazu nicht ein. Weil er immer geradlinig für <strong>de</strong>n Fußball und seinen Verein<br />
unterwegs war.<br />
Herr Brandt, Herr Seeler, die neue Hafencity ist ja sicher ein Gewinn für<br />
die Stadt. Nur stehen zahlreiche Büros leer. Das Bezirksamt Mitte will<br />
jetzt die Lücken füllen – und hohe Mieten zahlen. Was halten Sie von<br />
<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e?<br />
Brandt: Ein weiteres Beispiel: Staat ersetzt Markt. Ich halte die I<strong>de</strong>e nicht<br />
für gut. Seeler: Die Hafencity fin<strong>de</strong> ich toll. Aber die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Verwaltung<br />
nicht. Da sollte man besser planen.<br />
Wenn Sie beruflich in Hamburg noch mal ganz von vorn anfangen<br />
müssten – was wür<strong>de</strong>n Sie machen?<br />
Brandt: Ich wür<strong>de</strong> in die Meeresforschung gehen, das ist ein Jugendtraum.<br />
Seeler: Als ich jung war, wollte ich Schiffsmakler wer<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r habe ich<br />
keine Lehrstelle gefun<strong>de</strong>n. Das wür<strong>de</strong> ich dann noch einmal versuchen.<br />
Vervollständigen Sie zum Abschluss bitte diesen Satz für uns:<br />
Hamburg ohne Hafen und Elbe ist …<br />
Brandt: … wie Fisch ohne Wasser. Seeler: … nur die Hälfte wert.<br />
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