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Interview Jan Bredack

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wirtschaft<br />

interview: daniel schneider<br />

fotos: hendrik hassel<br />

jan bredack<br />

interview<br />

»big player folgt<br />

trendsetter.«<br />

die vegane bewegung sieht sich derzeit mit einer neuen, sehr kontroversen debatte<br />

konfrontiert. ein selbst geschaffenes problem: der eigene erfolg. vegane alternativprodukte<br />

sind bei den deutschen so beliebt (der vebu vermeldet eine verdreifachung des<br />

umsatzes innerhalb von vier jahren), dass jetzt selbst große firmen wie wiesenhof und<br />

rügenwalder in das marktsegment einsteigen. obwohl man sich das noch vor ein paar<br />

jahren nicht hätte vorstellen können, ist es doch keine wirklich überraschung, denn diesen<br />

gängigen prozess der trendübernahme findet man immer wieder branchenunabhängig<br />

auf dem freien markt. kleine unternehmen fungieren im wettbewerb als trendsetter,<br />

die »big player« ziehen später nach und übernehmen die idee. eben das geschieht aktuell<br />

mit veganen fleischalternativen. was aber bedeutet das jetzt für uns als kunden, für<br />

die vegane bewegung und vor allem für die tiere? sind das die ersten anzeichen einer<br />

zukünftigen veganen gesellschaft?<br />

wir haben einen experten im bereich einzelhandel, den erfolgreichen unternehmer und<br />

gründer der veganen supermarktkette veganz, jan bredack, befragt.<br />

jan, wir stecken in einem dilemma. auf<br />

der einen seite führen die alternativprodukte<br />

von fleischunternehmen wie<br />

rügenwalder zu einer größeren erreichbarkeit<br />

von veganen produkten bei der<br />

bevölkerung, was der veganen ernährung<br />

einen aufschwung gebracht hat.<br />

auf der anderen seite kritisieren viele<br />

diese produkte, weil die fleischunternehmen<br />

keinerlei interesse an einem<br />

ausstieg aus der tierausbeutung haben,<br />

sondern nur eine marktnische bedienen<br />

und image wie umsatz schönen.<br />

wir müssen das ganze von zwei oder drei<br />

seiten beleuchten. grundsätzlich finde<br />

ich es erstmal gut, denn meine vision ist<br />

es, vegane lebensmittel möglichst vielen<br />

menschen zugänglich zu machen. und<br />

das möglichst ohne hindernisse und in<br />

der nahversorgung. das gelingt den kleinen<br />

unternehmen, und da zähle ich das<br />

veganz dazu, eher weniger, weil wir nicht<br />

die gleichen vertriebskanäle haben, wie<br />

die größeren, schon im markt etablierten<br />

unternehmen. das, also die integrierung<br />

veganer produkte in den regalen<br />

der großen handelsketten, sorgt dafür,<br />

dass wir einfach vegane lebensmittel<br />

überall verfügbar bekommen. das ist ein<br />

pluspunkt.<br />

ich sehe es aber dennoch kritisch.<br />

wenn firmen die entwicklung und vermarktung<br />

ihrer pflanzlichen produkte<br />

parallel zur produktion von tierleidprodukten<br />

aufbauen, auf dem einen band<br />

schlachten und auf dem anderen band<br />

pflanzliche produkte herstellen, dann ist<br />

das für mich unauthentisch in der kommunikation.<br />

und das löst ja die kontroverse<br />

diskussion an der basis aus, von<br />

menschen, die ethisch motiviert sind und<br />

genau diesen zwiespalt sehen. rügenwalder<br />

allerdings denkt um. sie fangen jetzt<br />

an, ein eigenes werk für pflanzliche alternativprodukte<br />

zu bauen, es wird ein separater<br />

zweig im unternehmen geschaffen,<br />

der sich mit der entwicklung<br />

und produktion pflanzlicher produkte<br />

auseinandersetzt. das hat für mich dann<br />

einen ganz anderen charakter und kann<br />

am ende des tages dazu führen, dass<br />

wenn die nachfrage weiter wächst, der<br />

andere zweig, der mit den tierischen<br />

produkten, abstirbt. es ist also ein komplett<br />

neuer geschäftszweig mit komplett<br />

neuen investitionen. das ist ein unterschied<br />

in der glaubwürdigkeit.<br />

als konsument ist das alles schwer<br />

nachzuvollziehen, aber ich, als jemanden<br />

der hinter den kulissen steht und sieht<br />

was dort passiert, kann das begrüßen.<br />

aber um die ganze sache abzurunden,<br />

ich würde diese produkte nie ins sortiment<br />

nehmen. ich bin ein freund von kleinen<br />

manufakturen und ethisch<br />

motivierten kleinunternehmen.<br />

lord of tofu ist vor kurzem aus dem vegetarierbund<br />

(vebu) wegen der kooperation<br />

der ngo mit rügenwalder<br />

ausgestiegen. »seitdem der vebu auch<br />

große konventionelle fleischkonzerne<br />

unterstützt, werden wir als produzenten<br />

von veganen bioland-lebensmitteln<br />

aus den lebensmittelgeschäften wieder<br />

ausgelistet«, beklagt das pionierunternehmen.<br />

das würde ich so nicht unterschreiben.<br />

lord of tofu war breitflächig gar nicht in<br />

den konventionellen supermarktregalen<br />

zu finden. rügenwalder spielt in einer liga,<br />

wo lord of tofu gar nicht angesiedelt ist.<br />

die sind mehr in kleinen kaufmannsläden<br />

oder reformhäusern zu finden, nicht<br />

aber in der nationalen listung von beispielsweise<br />

edeka, rewe oder kaufland.<br />

deswegen sehe ich nicht, dass diese<br />

produkte da verdrängt werden, denn die<br />

gab es ja breitflächig nie dort.<br />

wenn wir jetzt ein bild malen würden<br />

von der zukunft, sagen wir in 10 jahren,<br />

wie würde dann der markt aussehen?<br />

würden alternativprodukte der<br />

fleischkonzerne den markt dominieren<br />

oder gibt es auch noch platz für kleine<br />

pionierunternehmen und ethisch motivierten<br />

manufakturen?<br />

das thema führt zwangsläufig zu der<br />

frage, ob auch wir von veganz morgen<br />

noch eine daseinsberechtigung haben,<br />

denn, obwohl wir ja auch im lebensmitteleinzelhandel<br />

sind, vertreten wir ja auch<br />

ganz andere werte als zum beispiel rügenwalder,<br />

was sich bei uns auch auf den<br />

preis niederschlägt. aber ich bin davon<br />

überzeugt, es findet neben der ernährung<br />

auch ein umdenken im bewusstsein<br />

in vielen anderen bereichen statt, die an<br />

der ernährung dranhängen. allein die<br />

themen anbau und monsanto, menschenrechte,<br />

arbeitsbedingungen und so weiter.<br />

wir versuchen, die verbraucher zu<br />

motivieren, einen euro mehr zu bezahlen<br />

und damit nicht nur kein tierleid zu unterstützen,<br />

sondern auch dafür zu sorgen,<br />

dass menschenrechte eingehalten<br />

werden, keine gentechnik zum einsatz<br />

kommt und so weiter. unser credo ist,<br />

dass in der wertschöpfungskette niemand<br />

verlieren darf. dafür steht der<br />

name veganz.<br />

fazit<br />

fest steht, es ist gut, dass wir, die vegane<br />

bewegung, uns mit diesem thema kritisch<br />

auseinandersetzen. fest steht<br />

aber auch, dass diese produkte nun einmal<br />

da sind. der freie markt funktioniert<br />

auf diese weise und wir müssen vorerst<br />

akzeptieren, dass hersteller wie rügenwalder,<br />

wiesenhof und co. sich dem<br />

trend der veganen alternativprodukte<br />

bemächtigen, um profit daraus zu<br />

schlagen. was wir entscheiden können<br />

ist, wie wir selbst damit umgehen, darauf<br />

reagieren und ob wir diese produkte<br />

kaufen. reicht uns als kaufkriterium ein<br />

vegan-logo auf der packung oder wagen<br />

wir den blick über den tellerrand und<br />

zahlen den einen oder anderen euro<br />

mehr für regionalität, qualität und fairness<br />

auch bei veganen produkten? dein<br />

kassenbon ist ein stimmzettel. jedes mal.<br />

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