Download - von Dr. Waldemar Vogelgesang
Download - von Dr. Waldemar Vogelgesang
Download - von Dr. Waldemar Vogelgesang
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mentorinnen/Mentoren:<br />
Susanne Backes, Jean-Philippe Décieux,<br />
Midia Majouno, Tina Winter<br />
Jugend in Trier<br />
Studentische Mitwirkende:<br />
Valentin Ardelean-Kaiser, Julie Bleser, Alisa Block,<br />
Björn Bohn, Simon Esch, Ann-Kristin Fritz, Lisa Krämer,<br />
Philipp Krebs, Lisa Kremers, Alexandra Lehmann,<br />
Lawreen Masekla, Christiane Metzler, Kerstin Müller,<br />
Yanica Reichel, Florian Schaaf, Nora Servatz<br />
Prof. <strong>Dr</strong>. <strong>Waldemar</strong> <strong>Vogelgesang</strong><br />
Universität Trier<br />
FB IV - Soziologie<br />
Ergebnispräsentation der Studie<br />
„Jugend in der Region“<br />
Jugendhilfeausschuss Trier<br />
22. Februar 2012<br />
Mergener Hof
Thematische Gliederung<br />
1. Studien: Jugendsurvey 2000 und Replikationsstudie 2011<br />
2. Bildung, Ausbildung und „Übergangsmanagement“<br />
3. Freizeit: Aktivitäten, Vereine, Jugendeinrichtungen<br />
4. Zukunft, Werte, Partizipation<br />
5. Riskantes Verhalten und Problemaspekte<br />
6. Fazit: Jugendliche sind „pragmatische Lebenskünstler“<br />
2
1) Studien:<br />
Jugendsurvey 2000 und Replikationsstudie 2011<br />
3
Forschungsdesign<br />
Repräsentativbefragungen <strong>von</strong> 14- bis 25-Jährigen<br />
Zielsetzung<br />
Porträt der jugendlichen Lebenswelt / Zukunftsplanung<br />
thematische Schwerpunkte (u.a. Migration und Integration)<br />
Vergleich: Befunde des 2000er- und 2011er-Jugendsurveys<br />
Stichprobengröße<br />
n = 1.728 (2000er Survey)<br />
n = 2.730 (2011er Survey); da<strong>von</strong> Trier (1026), Bitburg-Prüm (794), Trier-Saarburg (908)<br />
Ausschöpfungsquote: 27,3%<br />
Erhebungsregionen<br />
Stadt Trier<br />
Landkreise: Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg<br />
Ergebnispräsentation (Jugendhilfeausschuss Trier, 22.2.2012)<br />
Nur Jugendliche aus der Stadt Trier (n = 1026)<br />
4
2) Bildung, Ausbildung und<br />
„Übergangsmanagement“<br />
5
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
30%<br />
28%<br />
Derzeitige Tätigkeit<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
35%<br />
48%<br />
16%<br />
8%<br />
12%<br />
10%<br />
Schüler Student Auszubildender Berufstätige Sonstige<br />
Derzeitige Tätigkeit<br />
7%<br />
6%<br />
2000<br />
2011<br />
6
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Bildungsniveau<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
61%<br />
23%<br />
16%<br />
80%<br />
15%<br />
5%<br />
Studie 2000 Studie 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
Bildungsniveau<br />
Hoch<br />
Mittel<br />
Niedrig<br />
7
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Bildungsniveau nach Geschlecht<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
56%<br />
22%<br />
22%<br />
64%<br />
25%<br />
11%<br />
77%<br />
83%<br />
17%<br />
13%<br />
6% 4%<br />
Männlich Weiblich Männlich Weiblich<br />
2000 2011<br />
Bildungsniveau<br />
Hoch<br />
Mittel<br />
Niedrig<br />
8
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Intergenerationale Bildungsmobilität<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
60% 60%<br />
30%<br />
32%<br />
10% 8%<br />
2000 2011<br />
Aufstieg<br />
Konstanz<br />
Abstieg<br />
9
Statushoher<br />
Stadtteil<br />
Alt-Heiligkreuz<br />
Eitelsbach<br />
Gartenfeld<br />
Irsch<br />
Mitte/Altstadt<br />
Neu-Heiligkreuz<br />
Neu-Kürenz/<br />
Petrisberg<br />
Tarforst<br />
Weismark<br />
Sozialstatus der Stadtteile<br />
Statusgemischter<br />
Stadtteil<br />
Alt-Kürenz<br />
Barbara<br />
Euren<br />
Feyen<br />
Filsch<br />
Kernscheid<br />
Matthias<br />
Maximin<br />
Olewig<br />
Pfalzel<br />
Quint<br />
Ruwer<br />
Süd<br />
Zewen<br />
Statusniedriger<br />
Stadtteil<br />
Biewer<br />
Ehrang<br />
Kürenz<br />
Mariahof<br />
Pallien<br />
Brennpunkt-<br />
Stadtteile<br />
Nord/Nells<br />
Ländchen<br />
West<br />
10
Intergenerationale Bildungsmobilität nach<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Sozialstatus der Stadtteile<br />
2011er Survey<br />
33% 30% 34% 36%<br />
62%<br />
5%<br />
60% 56% 56%<br />
10% 10% 8%<br />
Hoch Gemischt Niedrig Brennpunkt<br />
Sozialstatus der Stadtteile<br />
Aufstieg<br />
Konstanz<br />
Abstieg<br />
11
Ortsansässigkeit nach Sozialstatus der Stadtteile<br />
2011er Survey<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
24%<br />
76%<br />
39%<br />
61%<br />
37%<br />
63%<br />
20%<br />
80%<br />
Hoch Gemischt Niedrig Brennpunkt<br />
Sozialstatus der Stadtteile<br />
Lebst Du schon<br />
immer in Deinem<br />
Wohnort?<br />
Ja<br />
Nein<br />
12
„Bildungsaufsteiger“ nach Ortsansässigkeit<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
und Sozialstatus der Stadtteile<br />
2011er Survey<br />
32%<br />
34%<br />
34%<br />
28%<br />
32%<br />
41%<br />
37% 36%<br />
Hoch Gemischt Niedrig Brennpunkt<br />
Sozialstatus der Stadtteile<br />
Lebst du<br />
schon immer<br />
in deinem<br />
Wohnort?<br />
Ja<br />
Nein<br />
13
Wissen über Ausbildungs-/ Berufsmöglichkeiten<br />
2011er Survey<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
67%<br />
24%<br />
9%<br />
49%<br />
32%<br />
Im Allgemeinen In der Region<br />
19%<br />
Wissensstand<br />
Gut<br />
Teils-teils<br />
Schlecht<br />
14
Unterstützung bei der Ausbildungs-/Berufswahl<br />
2011er Survey<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
58%<br />
Wodurch hast Du wichtige Tipps zu Deiner Ausbildungs- und Berufswahl erhalten?<br />
48% 46% 45%<br />
42%<br />
30%<br />
26% 26%<br />
21% 19%<br />
15
Zwischenfazit: Bildung, Ausbildung und<br />
„Übergangsmanagement“ (1)<br />
1) In der heutigen Wissensgesellschaft hat sich ein ehernes Qualifikationsgesetz<br />
herausgebildet: Für die Mehrzahl der Jugendlichen (ca. 2/3) ist Jugendzeit<br />
ausschließlich Schul- und Ausbildungszeit. In Universitätsstädten wie Trier ist<br />
der Anteil der „Bildungsjugendlichen“ noch wesentlich höher (über 4/5).<br />
2) Der gesamtgesellschaftliche Trend zu immer höheren Bildungsabschlüssen lässt<br />
sich auch für Trier nachweisen, wobei der große Anteil <strong>von</strong> höher gebildeten<br />
Jugendlichen (80%) auch ein Effekt der prosperierenden Hochschulstadt Trier<br />
ist.<br />
3) Die Bildungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen haben, wenn auch auf<br />
einem hohen Niveau, weiter zugenommen. Auch bei der Einmündung in<br />
anspruchsvolle Berufslaufbahnen sind die weiblichen Jugendlichen auf der<br />
„Überholspur“. Der Grund ist, dass sie flexibler mit ihrer Geschlechtsrolle<br />
umgehen (bessere Work-Life-Balance zwischen Erziehung, Haushaltsführung<br />
und beruflicher Karriere).<br />
4) Die Bildungschancen <strong>von</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben sich<br />
verbessert, wobei jugendliche Spätaussiedler den mit Abstand „größten<br />
Bildungssprung“ gemacht haben. Auch im Ausbildungs- und Berufssystem hat<br />
sich die Benachteiligung jugendlicher Ausländer und (verstärkt) Aussiedler<br />
erheblich verringert.<br />
16
Zwischenfazit: Bildung, Ausbildung und<br />
„Übergangsmanagement“ (2)<br />
5) Die „Bildungsschere“ in Abhängigkeit vom Herkunftsmilieu hat sich etwas geschlossen<br />
und in höhere Bildungslagen verschoben („Fahrstuhleffekt“). Ablesbar ist die<br />
„Demokratisierung der Bildung“ auch an der gestiegenen „Bildungsmobilität“ in eher<br />
bildungsfernen Schichten. So haben beispielsweise in den Trierer<br />
6)<br />
Brennpunktstadtteilen Trier-West und Trier-Nord 41% der Kinder ein höheres<br />
Bildungsniveau als ihre Eltern.<br />
Die These <strong>von</strong> der zunehmenden „Unterschichtung“ <strong>von</strong> Brennpunktstadtteilen ist vor<br />
dem Hintergrund der hier festgestellten „intergenerationalen Mobilität“ und des<br />
vermehrten „Zuzugs höher Gebildeter“ kritisch zu hinterfragen. Auch wenn die<br />
„Bildungsabstände“ kleiner geworden sind, ist die Stadt Trier aber kein „homogener<br />
Bildungsraum“, sondern je nach „Sozialstatus der Stadtviertel“ lassen sich nach wie<br />
vor deutliche Bildungsunterschiede erkennen.<br />
7) Etwa 2/3 der Jugendlichen (67%) geben an, gut über Ausbildungs- und<br />
Berufsmöglichkeiten im Allgemeinen Bescheid zu wissen. Deutlich geringer mit 49%<br />
fällt dagegen die „Wissensrate“ über die regionale Ausbildungs- und Berufssituation<br />
aus, wobei hier die Mädchen und vor allem höher Gebildete Kenntnisdefizite haben.<br />
8) Eigenständige Recherchen (im Internet) und Gespräche mit Eltern und Freunden sowie<br />
persönliche Erfahrungen (im Praktikum) kommt die größte Bedeutung bei der<br />
Ausbildungs- und Berufsorientierung zu. Von den „institutionalisierten Info-Quellen“<br />
haben Schule, Hochschule und Arbeitsagentur einen etwas niedrigeren Kurswert.<br />
17
3) Freizeit: Aktivitäten, Vereine,<br />
Jugendeinrichtungen<br />
18
Fernseher<br />
CD/MP3<br />
(Web-)Radio<br />
Zeitung<br />
Computer<br />
Bücher<br />
Zeitschriften<br />
Internet<br />
Video/DVD<br />
Spielkonsolen<br />
Kino<br />
Handy/Smartphone<br />
Mediennutzung<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
2%<br />
2%<br />
0%<br />
10%<br />
10%<br />
12%<br />
8%<br />
11%<br />
18%<br />
24%<br />
30%<br />
33%<br />
36%<br />
41%<br />
45%<br />
49%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Antwortkategorie: „täglich/mehrmals pro Woche“<br />
69%<br />
72%<br />
77%<br />
81%<br />
85%<br />
85%<br />
91%<br />
93%<br />
2000<br />
2011<br />
19
Freizeitaktivitäten<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
Freunde treffen<br />
Auf Parties gehen<br />
Sport treiben<br />
Mofa/Motorrad/Auto fahren<br />
In Kneipen gehen<br />
6%<br />
3%<br />
21%<br />
17%<br />
11%<br />
32%<br />
32%<br />
28%<br />
25%<br />
30%<br />
36%<br />
48%<br />
52%<br />
51%<br />
53%<br />
63%<br />
94%<br />
88%<br />
32%<br />
Discos besuchen 21%<br />
2000<br />
Faulenzen/Nichtstun<br />
Künstl.-musische Beschäftigung<br />
Etwas mit der Familie unternehmen<br />
Sportveranstaltungen besuchen<br />
Ins Jugendhaus gehen<br />
21%<br />
39%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Antwortkategorie: „oft“<br />
2011<br />
20
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Freizeitaktivitäten im Zeitvergleich<br />
1985 bis 2011<br />
13%<br />
23%<br />
55%<br />
89%<br />
14%<br />
30%<br />
62%<br />
91%<br />
6%<br />
28%<br />
48%<br />
94%<br />
3%<br />
25%<br />
52%<br />
1985 1991 2000 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
88%<br />
Freizeitaktivitäten<br />
(Antwortkategorie „oft“)<br />
Besuch <strong>von</strong><br />
Jugendeinrichtungen<br />
künstlerisch-musische<br />
Betätigung<br />
Sport treiben<br />
Freunde treffen<br />
21
Mitgliedschaft in Freizeiteinrichtungen<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
2000 2011<br />
Sportverein 37% 43%<br />
Musikverein 7% 10%<br />
Kirchliche/ Religiöse Gruppe 4% 9%<br />
Freiwillige Hilfsorganisation 5% 9%<br />
Fanclub 4% 6%<br />
Jugendverband 3% 5%<br />
Mitgliedschaft insgesamt 46% 58%<br />
22
Besuch <strong>von</strong> Jugendeinrichtungen im Zeitvergleich<br />
1985 bis 2011<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
13% 14%<br />
40%<br />
47%<br />
22%<br />
64%<br />
6%<br />
17%<br />
77%<br />
3%<br />
11%<br />
86%<br />
1985 1991 2000 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
Besuchsintensität<br />
Oft<br />
Selten<br />
Nie<br />
23
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Zufriedenheit mit dem Freizeitangebot<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
11%<br />
64%<br />
22%<br />
3%<br />
15%<br />
51%<br />
2000 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
28%<br />
6%<br />
Zufriedenheit<br />
Sehr zufrieden<br />
Eher zufrieden<br />
Eher unzufrieden<br />
Sehr unzufrieden<br />
24
Verbesserungsvorschläge für das Freizeitangebot<br />
2011er Survey<br />
Sportangebote 26%<br />
Jugendtreffs, Jugendräume, Jugendclubs 25%<br />
Disco, Kino 23%<br />
Kulturelle Angebote (Festival, Museum) 18%<br />
Grillflächen, Parkanlagen 8%<br />
Spezielle Angebote für Jugendliche unter 18 Jahren 8%<br />
Prozentuierungsbasis: n=332 (Jugendliche, die mindestens einen Verbesserungsvorschlag gemacht haben).<br />
25
Zwischenfazit: Freizeit<br />
1) Die heutigen Jugendlichen repräsentieren die „erste Vollmedien-Generation“. Sie lernen <strong>von</strong> Beginn<br />
an Kultur als Medienkultur kennen. In ihrem Medien-Potpourri haben Computer und Internet als<br />
„neue Leitmedien“ Fernsehen und Radio abgelöst. Während mittlerweile fast alle Jugendliche<br />
Zugang zu den IT-Medien haben, lässt die Art der Nutzung doch deutliche Unterschiede erkennen<br />
(digitale Kluft vs. digitale Ungleichheit).<br />
2) Die nicht-medialen Freizeitmuster zeigen über einen Zeitraum <strong>von</strong> mehr als einem Viertel<br />
Jahrhundert eine recht hohe Konstanz: Geselligkeit im Freundeskreis genießt durchweg eine höhere<br />
Wertschätzung als sportliche und musische Aktivitäten oder der Besuch <strong>von</strong> Jugendeinrichtungen,<br />
wobei letztere deutlich an Zuspruch verloren haben.<br />
3) Auch wenn gesellige Aktivitäten die höchste Priorität im Freizeitverhalten haben, so hat doch eine<br />
Verlagerung der damit verbundenen Handlungsmuster stattgefunden: Während das regelmäßige<br />
Treffen mit Freunden („Peer-Gruppen“) nichts <strong>von</strong> seiner Intensität und Bedeutung für die<br />
Jugendlichen eingebüßt hat, ist dagegen die „Party-, Kneipen- und Disco-Häufigkeit“ deutlich<br />
rückläufig.<br />
4) Die wachsende Bedeutung sozialer und kommunikativer Aktivitäten im jugendlichen<br />
Freizeitverhalten zeigt sich auch in der deutlich gestiegenen Bereitschaft, gemeinsam mit der<br />
Familie in der Freizeit etwas zu unternehmen („Familienorientierung“).<br />
5) Eine interessante Veränderung im jugendlichen Freizeitverhalten zeigt sich im gleichzeitigen Anstieg<br />
physischer Aktivität („Sport treiben“) und körperlicher Entspannung („Faulenzen/Nichtstun“).<br />
6) Bei den institutionalisierten Freizeitformen haben im Vergleich zur Situation im Jahr 2000 alle<br />
Einrichtungen an Zuspruch gewonnen, wobei prozentual freiwillige Hilfsorganisationen und<br />
kirchlich-religiöse Gruppen den größten Mitgliederanstieg zu verzeichnen haben.<br />
26
4) Zukunft, Werte, Partizipation<br />
27
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
58%<br />
40%<br />
Zukunftssicht<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
2%<br />
63%<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
33%<br />
2000 2011<br />
4%<br />
Zukunftssicht<br />
Eher zuversichtlich<br />
Mal so mal so<br />
Eher düster<br />
28
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
64%<br />
Kontrollüberzeugungen<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
19%<br />
56%<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
28%<br />
17% 17%<br />
2000 2011<br />
Kontrollüberzeugung<br />
Intern<br />
Teils-teils<br />
Extern<br />
29
Zukunftssicht nach Kontrollüberzeugung<br />
2011er Survey<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
72%<br />
25%<br />
57%<br />
40%<br />
3% 3%<br />
41%<br />
50%<br />
9%<br />
Intern Teils-teils Extern<br />
Zukunftssicht<br />
Eher zuversichtlich<br />
Mal so mal so<br />
Eher düster<br />
Kontrollüberzeugung 30
Werteindex: Selbstentfaltung / Pflicht-Akzeptanz<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
47%<br />
41%<br />
12%<br />
20%<br />
55%<br />
25%<br />
2000 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
Wertetyp<br />
eher Selbstentfaltung<br />
Mischtyp<br />
eher Pflicht/Akzeptanz<br />
31
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Wertedimension: Prosozialität<br />
63%<br />
30%<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
72%<br />
25%<br />
7% 3%<br />
2000 2011<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
Prosozialität<br />
Hoch<br />
Mittel<br />
Niedrig<br />
32
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Ehrenamtliches Engagement<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
20%<br />
80%<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
32%<br />
2000 2011<br />
68%<br />
Engagement<br />
Ja<br />
Nein<br />
33
Keine Zeit (wegen Schule/Ausbildung/Beruf)<br />
„Ehrenamtshindernisse“<br />
2000 und 2011 im Vergleich<br />
Mich hat noch niemand gefragt<br />
Kein Angebot, welches mich interessiert<br />
Noch keine Gedanken darüber gemacht<br />
Was hält dich <strong>von</strong> ehrenamtlichem Engagement ab?<br />
Keine Lust mich zu engagieren<br />
Wird nicht ernst genommen<br />
Keine Anerkennung<br />
Traue ich mir nicht zu<br />
Mache keine Arbeit umsonst<br />
17%<br />
17%<br />
14%<br />
10%<br />
21%<br />
30%<br />
32%<br />
29%<br />
24%<br />
36%<br />
50%<br />
54%<br />
51%<br />
45%<br />
61%<br />
65%<br />
82%<br />
87%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Prozentuierungsbasis: nicht ehrenamtlich Engagierte (2000: n=388; 2011: n=695)<br />
2000<br />
2011<br />
34
Zwischenfazit: Zukunft, Werte, Partizipation<br />
1) Die Zukunftssicht der Jugendlichen ist ungebrochen optimistisch (2000: 58%; 2011:<br />
63%). Während sich nach Geschlecht und Alter keine Unterschiede nachweisen lassen,<br />
sind höher gebildete Jugendliche deutlich optimistischer eingestellt.<br />
2) Die Jugendlichen sehen sich durch die Wandlungsdynamik in der heutigen Zeit zwar<br />
herausgefordert, aber nicht überfordert. Die überwiegende Mehrheit ist da<strong>von</strong><br />
überzeugt, das vor ihnen liegende Leben zu meistern. Ein pragmatisches Nutzen-<br />
Denken (etwa in Form <strong>von</strong> Bildungsinvestitionen) und eine veränderte Werthaltung<br />
bilden dabei das Fundament einer auf Anpassung und Integration ausgerichteten<br />
„Zukunftsmentalität“.<br />
3) Für die Mehrheit der Jugendlichen ist eine Handlungsorientierung charakteristisch, die<br />
sich durch ein hohes Maß an Ehrgeiz und Beharrlichkeit im Verfolgen eigener Ziele<br />
auszeichnet. Im Unterschied zu früheren Generationen spielen kritische,<br />
4)<br />
oppositionelle oder gar widerständige Haltungen nur eine marginale Rolle.<br />
In der „Wertewelt“ der Jugendlichen kommen auch heute postmaterielle und<br />
materielle Überzeugungen vor („Werte-Synthese“), aber ihre Wertigkeit hat sich<br />
verschoben: Während im 2000er-Survey die Betonung auf Selbstverwirklichungswerten<br />
(Unabhängigkeit, Selbständigkeit, Hedonismus) lag, erfahren in der 2011er-<br />
Studie Pflicht- und Akzeptanzwerte (Verantwortung, Leistung, Sicherheit) eine größere<br />
Zustimmung.<br />
5) Selbstverantwortung (für das eigene Leben) und Fremdverantwortung (Prosozialität,<br />
Partizipation) stehen in einem Ergänzungsverhältnis zueinander. Die Jugendlichen sind<br />
also mehrheitlich keineswegs auf einem „antisozialen Ego-Trip“, wie immer wieder<br />
unterstellt wird. Im Gegenteil: Hilfsbereitschaft, Gemeinschaftsorientierung und<br />
soziale Verantwortung sind feste Größen in ihrem Werteverständnis.<br />
35
5) Riskantes Verhalten und<br />
Problemaspekte<br />
36
Risiko-Prävalenz und Risiko-Indikatoren<br />
2011er Survey<br />
• Risiko-Prävalenz:<br />
– Zigarettenkonsum<br />
• „regelmäßig“: 14%<br />
• „ab und zu“: 12 %<br />
• „nie“: 74%<br />
– Alkoholkonsum<br />
• „häufig“: 22%<br />
• „ab und zu“: 59%<br />
• „nie“: 26%<br />
– Gewalterfahrung (in den letzten 12 Monaten)<br />
• „Ja“: 20%<br />
• „Nein“: 80%<br />
37
Risiko-Prävalenz und Risiko-Indikatoren<br />
2011er Survey<br />
• Risiko-Indikatoren:<br />
– düstere Zukunftssicht: 4%<br />
– externe Kontrollüberzeugung: 9%<br />
– Befürwortung <strong>von</strong> Gewalt in politischen<br />
Auseinandersetzungen: 7 %<br />
– Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen: 6%<br />
– Arbeitslosigkeit: 1%<br />
• Prekariats-Risiko:<br />
– Nicht vorhanden: 72%<br />
– Gering: 23%<br />
– Hoch: 5%<br />
38
Zwischenfazit: Riskantes Verhalten und Problemaspekte (1)<br />
1) Nur etwa ein Viertel der Jugendlichen greift heute noch zur Zigarette – eine Quote, die im Vergleich zu<br />
früheren Jugendstudien deutlich gesunken ist. Während die „Raucherquote“ unter den Jungen und<br />
Mädchen heute in etwas gleich groß ist, variiert das Rauchverhalten unverändert deutlich nach Alter,<br />
Bildungsniveau und Schichtmilieu der Jugendlichen.<br />
2) Im Unterschied zum Rauchen ist beim Konsum <strong>von</strong> Alkohol unter den Jugendlichen keine Veränderung<br />
gegenüber früheren Studien festzustellen: die „Konsumentenrate“ liegt relativ konstant bei etwa drei<br />
Viertel (74%). Bezüglich Geschlecht und Alter zeigt sich ein klassisches Muster: Es sind männliche<br />
Jugendliche im Volljährigkeitsalter (über 80%), die mehr oder weniger regelmäßig Alkohol trinken.<br />
3) Ob die Feststellung in der 16. Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2010 zutrifft, wonach Rauchen und<br />
Alkoholkonsum als „Bewältigungsstrategie“ und „Problemlöser“ des Alltags für immer weniger<br />
Jugendliche in Betracht kommen, bedarf einer genaueren Überprüfung.<br />
4) Alkohol- und Gewaltexzesse, wie sie am Fastnachtsdonnerstag auf einigen Trierer Plätzen stattgefunden<br />
haben, stellen extreme Ausnahmen im jugendlichen Trinkverhalten dar. Anlass, Gruppendynamik und<br />
fehlende Kontrollen haben einen gefährlichen Ausnahmezustand (gesundheitsgefährdende<br />
Kontrollverluste, bedrohliche Herabsetzung <strong>von</strong> Hemmschwellen) entstehen lassen, dessen<br />
Eskalationsdynamik – gerade im Hinblick geeignete Präventions- und Interventionsstrategien – einer<br />
sorgfältigen Aufarbeitung bedarf.<br />
5) Ein Fünftel der Trierer Jugendlichen gibt an, in den vergangenen zwölf Monaten in gewaltsame<br />
Auseinandersetzungen mit anderen Jugendlichen verwickelt gewesen zu sein. Es handelt sich dabei<br />
zumeist um jüngere männliche Jugendliche aus eher bildungsfernen Sozialmilieus, die <strong>von</strong> heftigen<br />
Streitereien im privaten oder öffentlichen Raum berichtet haben.<br />
39
Zwischenfazit: Riskantes Verhalten und Problemaspekte (2)<br />
6) Es gehört zu den „bitteren Wahrheiten“ der Jugendforschung, dass eine Minderheit <strong>von</strong> Jugendlichen den<br />
Anforderungen der offenen und individualisierten Welt mit ihren unberechenbaren Chancenstrukturen<br />
nicht gerecht wird. Die aktuelle Shell Jugendstudie spricht in diesem Zusammenhang <strong>von</strong> einer „Vier-<br />
Fünftel-Gesellschaft“, d.h. etwa 20 Prozent der jungen Menschen gehören derzeit in Deutschland zu den<br />
Modernisierungsverlierern.<br />
7) Bei dieser Gruppe <strong>von</strong> Jugendlichen, die überwiegend aus jungen Männern besteht, bündeln sich alle<br />
Probleme, die beim Kompetenzprofil der jungen Generation auftreten können: geringe schulische und<br />
informationstechnische Kenntnisse, fehlendes wirtschaftliches und politisches Interesse,<br />
Unzulänglichkeiten im sozialen und persönlichen Bereich, worunter vor allem eine geringe Lern- und<br />
Leistungsbereitschaft, niedrige Ausdauer, wenig Durchhaltevermögen und Belastbarkeit, unzureichende<br />
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, geringe Verantwortungsbereitschaft und Selbständigkeit und ein<br />
unzureichendes Maß an Kreativität, Flexibilität und Selbstkritik fallen.<br />
8) Zur Messung der „Benachteiligtenquote“ wurden bei den Trierer Jugendlichen fünf Risiko-Indikatoren<br />
(pessimistische Zukunftssicht, externe Kontrollüberzeugungen, Befürwortung <strong>von</strong> Gewalt in politischen<br />
Auseinandersetzungen, Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen, Arbeitslosigkeit) zu einem<br />
„Prekariats-Index“ zusammengefasst. Danach haben 23% der in der Stadt lebenden Jugendlichen ein<br />
geringes und 5% ein hohes Risiko, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden.<br />
9) Angesichts des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Verknappung <strong>von</strong> Arbeitskräften<br />
ist dafür Sorge zu tragen, dass auch für benachteiligte Jugendliche eine berufliche Zukunft (auf dem ersten<br />
Arbeitsmarkt) besteht. Sowohl beim Übergang <strong>von</strong> der Schule in die Berufsausbildung als auch bei der<br />
Einmündung in die Arbeitswelt sind für diese benachteiligte und abgedrängte Gruppe umfassende<br />
Qualifizierungs-, Beratungs- und Coachingangebote einzuleiten.<br />
40
6) Fazit: Jugendliche als<br />
„pragmatische Lebenskünstler“?<br />
41
Fazit: Jugendliche als „pragmatische Lebenskünstler“ (1)<br />
1) Trotz anhaltender Wirtschafts- und Finanzkrise haben Jugendliche eine positive Sicht auf die Zukunft. Dies gilt<br />
besonders für besser Gebildete und Jugendliche mit einer hohen „internen Kontrollüberzeugung“<br />
(Eigenverantwortung).<br />
2) Jugendliche erkennen heute mehr denn je die Schlüsselrolle <strong>von</strong> Bildung und lebenslangem Lernen für ihren<br />
persönlichen Werdegang. Der Qualifikationserwerb erfolgt dabei zum einen in den klassischen<br />
Bildungseinrichtungen (ablesbar am Anstieg des formalen Bildungsniveaus, beruflichen<br />
Mehrfachausbildungen). Daneben gewinnen informelle Lernfelder und -strategien (Jugendszenen als<br />
„geheime Bildungsprogramme“, Internet als Wissensbörse, die „Scholarisierung der Freizeit“) zunehmend an<br />
Bedeutung.<br />
3) Für Jugendliche ist der durch die gestiegene Lernbereitschaft angestrebte Erfolg in der Leistungs- und<br />
Konsumgesellschaft <strong>von</strong> zentraler Bedeutung. Diese Lebensausrichtung geht mit einer hohen<br />
Lebenszufriedenheit und einer hohen Zuversicht in die Zukunft einher. Das positive Denken nimmt in Zeiten<br />
des anhaltenden Negativtrends der Wirtschaft eine „motivierende Funktion“ ein.<br />
4) Die „jugendlichen Zukunftsinvestitionen“ in Schule, Ausbildung und Beruf bedeuten aber nicht, dass sie sich<br />
einem bedingungslosen Karrieredenken hingeben. Trotz Karriere darf der „Spaß“ im Leben nicht fehlen.<br />
Ebenso wollen Jugendliche ihr Leben genießen. So suchen die Jugendlichen selbst nach einem Ausgleich <strong>von</strong><br />
ihrem durch Leistung dominierten Alltag (jugendspezifische „Work-Life-Balance“).<br />
5) Im Wertekanon der Jugendlichen spielt Selbstverantwortung eine entscheidende Rolle. Ob bei der<br />
Freizeitgestaltung oder in Glaubensfragen, beim ehrenamtlichen Engagement oder in<br />
Umweltangelegenheiten, bei der Beschaffung <strong>von</strong> Praktikums- oder Ausbildungsplätzen, sie nehmen sich<br />
selbst in die Pflicht und werden vermehrt „zur selbstverantwortlichen Planungsinstanz“ des eigenen Lebens.<br />
42
Fazit: Jugendliche als „pragmatische Lebenskünstler“ (2)<br />
6) Der „eigenverantwortliche Lebenspragmatismus“ bleibt aber immer sozial eingebunden und auf Mit- und<br />
Umwelt ausgerichtet. Ablesbar ist die gestiegene Fremdverantwortung etwa an der großen Hilfsbereitschaft<br />
(Prosozialität), an der wachsenden, ökologisch ausgerichteten Umweltverantwortung, den<br />
lebensweltorientierten Partizipationsformen und nicht zuletzt an dem „bilanzierenden Abwägen“, im<br />
Wohnort zu bleiben oder ihn zu verlassen.<br />
7) Jugendliche sind auch Migranten gegenüber wieder toleranter als früher eingestellt. In Zeiten der<br />
Globalisierung scheint Migration zum „Normalfall“ geworden zu sein. Eine multikulturelle Gesellschaft<br />
erscheint vielen Jugendlichen attraktiver als früher. Die Einstellung und Toleranz gegenüber Migranten hängt<br />
wesentlich <strong>von</strong> bestehenden Kontaktmöglichkeiten und dem Bildungsniveau ab.<br />
8) Jugendliche besitzen heute ein stärkeres Bewusstsein für das Einhalten <strong>von</strong> Pflichten und Regeln (Pflicht-<br />
/Kontrollwerte). Dies bedeutet nicht, dass sie angepasster sind als früher oder sich fremdbestimmen lassen<br />
möchten. Die meisten Jugendlichen haben nach wie vor den Wunsch, ein unabhängiges und<br />
eigenverantwortliches Leben zu führen. Aber die Selbstbestimmung sehen sie am ehesten in einer stabilen<br />
und sicheren Gesellschaft realisierbar. Für deren geordnetes Funktionieren wird ein demokratisches<br />
Regierungssystem und ein hohes Vertrauen in die gesellschaftlichen Sicherheitsinstitutionen der Polizei,<br />
Justiz und der Bundeswehr als unverzichtbar angesehen („Verbürgerlichung der Jugend“).<br />
9) Nachhaltig kommt die neue Symbiose zwischen „individueller Selbstverwirklichung“ und „sozialer<br />
Verantwortung“ auch in der hohen Familienorientierung der Jugendlichen zum Ausdruck. Sie wünschen sich<br />
vermehrt eine eigene Familie (Kinderwunsch) und wenden sich verstärkt der eigenen Herkunftsfamilie zu. Ob<br />
die Erklärung für die Bedeutungsaufwertung der Familie primär darin zu sehen ist, dass sie in Zeiten des<br />
gestiegenen Leistungsdrucks zu einer Art „sicherer sozialer Heimathafen“ (Shell-Jugendstudie 2010) wird,<br />
darf bezweifelt werden. Dass die Familienorientierung als „lokaler Bindungsfaktor“ für die Landjugendlichen<br />
eine wichtige Rolle spielt, steht dagegen außer Frage.<br />
43
Fazit: Jugendliche als „pragmatische Lebenskünstler“ (3)<br />
10) Die Lebensplanung Jugendlicher lässt sich insgesamt als optimistisch, selbstverantwortlich und pragmatisch<br />
umschreiben. Ihnen ist bewusst, dass es in der „Multioptionsgesellschaft“ keine Gewissheit mehr gibt, ob sie<br />
einen Beruf finden und eine Familie gründen können, also einmal die klassischen Insignien des<br />
Erwachsenenseins einnehmen werden. Aber sie sind zuversichtlich und trauen sich dies zu. Leistungsstreben,<br />
Lernbereitschaft, Gemeinschafts- und Familienorientierung bilden – in Verbindung mit einer hohen<br />
Anpassungsbereitschaft und Flexibilität – das „motivationale Fundament“ eines Sozialcharakters, für den die<br />
Devise gilt: Die objektive Lage ist zwar schwierig, aber ich kann mich durch eigene Anstrengungen ihrem<br />
Abwärtssog entziehen („pragmatische Lebenskünstler“).<br />
11) Die positiv geprägte Lebenszuversicht und die sozial ausgerichtete Lebenseinstellung sind letztlich aber<br />
ressourcenabhängig. In bildungsfernen Schichten und sozial schwächeren Milieus werden sie nicht in dem<br />
Maße <strong>von</strong> Jugendlichen geteilt. Für sie sind die gegenwärtige Ausgangslage und Lebenssituation zu<br />
ungünstig, um einen dermaßen ausgeprägten Zukunftsoptimismus zu teilen. In dieser Gruppe <strong>von</strong> jungen<br />
Menschen finden sich vermehrt resignative, destruktive und aggressive Einstellungen und Verhaltensweisen<br />
vor.<br />
12) Damit sich die Schere zwischen der Mehrheits- und der Minderheitsfraktion unter den Jugendlichen nicht<br />
weiter öffnet, also nicht die soziale Herkunft darüber entscheidet, wer dazugehört oder wer abgehängt wird,<br />
spielt das Übergangsmanagement – und die damit verbundenen Förderangebote – an der ersten und zweiten<br />
Schwelle eine zentrale Rolle. Dort wo das „Übergangssystem“, wie oft kritisiert wird, zu einer reinen<br />
Verwahrstation wird, erfüllt es die Integrations- und Teilhabefunktion nicht. Im Gegenteil, es belässt und<br />
verfestigt die benachteiligten Jugendlichen in ihrer „Abwärtsspirale“.<br />
44