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Integration im Wandel Auf dem Weg zur Normalität? - von Dr ...

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<strong>Integration</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong><br />

Exemplarische <strong>Integration</strong>sverläufe als Anregung für<br />

<strong>Integration</strong>sberatung und Politik<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zur</strong> <strong>Normalität</strong>?<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

Tagung: 20 Jahre Jugendmigrationsdienst Trier<br />

Caritasverband Trier<br />

24.09.2009<br />

• „Den Aussiedlern, insbesondere den jungen Menschen unter ihnen,<br />

wird häufig nachgesagt, sie würden sich nur schlecht in Deutschland<br />

integrieren. Dies lässt sich nach <strong>dem</strong> IMI (= Index zu Messung der<br />

<strong>Integration</strong>) nicht bestätigen. Die größte aller Herkunftsgruppen<br />

schneidet <strong>im</strong> <strong>Integration</strong>svergleich gut ab. Zurückzuführen ist dies<br />

vor allem darauf, dass die hier Geborenen <strong>im</strong> Vergleich zu den<br />

Zugewanderten deutlich besser integriert sind“ (S. 34).<br />

– Indikatoren: Ehen mit Einhe<strong>im</strong>ischen, Bildung, Berufstätigkeit,<br />

etc.<br />

– Fallanalysen (alle nach 1989)<br />

• Berlin-Institut: Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der <strong>Integration</strong> in<br />

Deutschland. Berlin 2009 (Datengrundlage: Mikrozensus 2005)<br />

1


Dauer der <strong>Integration</strong><br />

• „100 Jahre oder vier Generationen, so lang wird die <strong>Integration</strong> der<br />

deutschstämmigen aus Russland dauern, wenn sie überhaupt<br />

stattfindet.“<br />

» (Aussiedlerbeauftragte der Evangl. Kirche RLP, Reinhard Schott)<br />

• „Die aktuelle Situation der Russlanddeutschen sollte nicht so<br />

negativ betrachtet werden, wie dies meist <strong>im</strong> öffentlichen Diskurs<br />

geschieht. Unter Berücksichtigung der relativ langen Dauer eines<br />

<strong>Integration</strong>sprozesses könnte man sagen, dass die momentanen<br />

Probleme sich in 30 Jahren erübrigt haben.“<br />

» (Prof. <strong>Dr</strong>. Michael Schönhuth, Uni Trier)<br />

• „Ich hatte die Kinder und dachte, wenn nicht wir dann können<br />

wenigstens die Kinder ein besseres Leben haben.” (…) „Unsere<br />

Kinder und die Enkelkinder, die werden sich dann richtig einleben.“<br />

» (Olga, Spätaussiedlerin aus Russland, 51 Jahre)<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

Größenordnung der zugewanderten<br />

(Spät)Aussiedler<br />

• zwischen 1950 – 2008 4,5 Mio<br />

• zwischen 1989 – 2008 2,3 Mio<br />

• zwischen 1989 – 2008 200.000 jüdische<br />

Kontingentflüchtlinge<br />

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2


Zuwanderung <strong>von</strong> Spätaussiedlern 1970 - 2007<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005<br />

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Sonstige<br />

Rumänien<br />

Polen<br />

ehem. UDSSR<br />

Zuzug <strong>von</strong> Spätaussiedlern nach Rheinland-Pfalz<br />

Quelle: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz<br />

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3


Wohnsitznahmen <strong>von</strong> Spätaussiedlern <strong>im</strong><br />

Regierungsbezirk Trier <strong>von</strong> 1989 - 2003<br />

4.500<br />

4.000<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

2.182<br />

2.425<br />

Stadt Trier Bernkastel-<br />

Wittlich<br />

2.699<br />

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3.965<br />

2.121<br />

Bitburg-Prüm Daun Trier-Saarburg<br />

Quelle: Forschungsbericht ‚Jugendliche Aussiedler‘ (2007)<br />

Altersstruktur - Einhe<strong>im</strong>ische und (Spät)Aussiedler <strong>im</strong> Vergleich<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

7%<br />

18%<br />

33%<br />

35%<br />

7% 6%<br />

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18%<br />

26%<br />

30%<br />

20%<br />

Spätaussiedler Einhe<strong>im</strong>ische<br />

65 Jahre und älter<br />

45 bis 64 Jahre<br />

25 bis 44 Jahre<br />

6 bis 24 Jahre<br />

0 bis 5 Jahre<br />

Quelle: Eigene Erstellung nach der Aussiedlerstatistik des Bundesverwaltungsamtes (2003)<br />

4


Die ‚weite‘ Definition <strong>von</strong> Migration<br />

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Eigene Studien mit Migrationsbezug<br />

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Quelle: Mikrozensus 2005<br />

1.) Jugend <strong>im</strong> Stadt-Land-Vergleich (2000)<br />

2.) Jugendliche Aussiedler (2003-2007)<br />

3.) <strong>Integration</strong>sverläufe und Migrationsbiografien<br />

<strong>von</strong> Aussiedlern (2008-2009)<br />

5


Methodenplurale Lebensweltanalyse<br />

• Ethnographisch-qualitative Verfahren<br />

– Beobachtungen<br />

– Narrative Interviews<br />

– Exkursionen (<strong>Integration</strong>sgymnasium, Omsk)<br />

– Feldtagebuch / Videodokumentation<br />

• Quantitative Verfahren<br />

– Befragung (standardisiert)<br />

• Biografische Interviews<br />

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Publikationen (eigene)<br />

• Jugendliche Aussiedler.<br />

Zwischen Entwurzelung, Ausgrenzung und <strong>Integration</strong><br />

(2008)<br />

• Startschwierigkeiten in Deutschland:<br />

Migrationserfahrungen <strong>von</strong> Aussiedlerjugendlichen<br />

(2008)<br />

• Religiöse Segregation und soziale Distanzierung –<br />

dargestellt am Beispiel einer Baptistengemeinde<br />

zugewanderter Spätaussiedler (2006)<br />

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6


Begriffsklärung: (Spät-)Aussiedler<br />

• Rückwanderer („Vertriebene“ und „Flüchtlinge“) aus<br />

osteuropäischen Ländern und den ehemaligen GUS-Staaten<br />

• Seit 1.1.2003 gilt als „Spätaussiedler“ (BVFG, § 4, Abs. 1), wer die<br />

ehemalige Sowjetunion, Estland, Lettland und Litauen nach <strong>dem</strong><br />

31.12.2002 verlassen hat.<br />

• Mit der Anerkennung als Spätaussiedler ist auch der Erwerb der<br />

deutschen Staatsbürgerschaft verbunden (GG, Art. 116, Abs.1).<br />

Dies gilt auch für nichtdeutsche Ehepartner und deren Kinder.<br />

• 1.1.2005: neues Zuwanderungsgesetz<br />

wichtige Neuregelung: Sprachtest für alle (Ausnahme: Kinder unter<br />

14 Jahren)<br />

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<strong>Integration</strong>sbarrieren<br />

• (Aus-)Bildungsbenachteiligung<br />

• Sprachdefizite<br />

• Räumliche Segregation<br />

• Nichtbeteiligung an Ausreiseentscheidung<br />

• ‚Russische‘ Mentalität und Identität<br />

• Fehlende „soziale Nähe“ zwischen einhe<strong>im</strong>ischen und<br />

russlanddeutschen Jugendlichen<br />

Remigrationstendenzen<br />

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7


Nichtbeteiligung an<br />

Ausreiseentscheidung<br />

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Die ‚mitgenommene Generation'<br />

unfreiwillige Ausreise der jungen Russlanddeutschen<br />

(Zitate)<br />

– „Ich wurde nicht gefragt, ob ich mit will nach<br />

Deutschland oder nicht. Mir ging es da wohl wie den<br />

meisten, wir wurden einfach mitgenommen!“<br />

(Sascha, 19 Jahre)<br />

– „Meine Großeltern und meine Eltern haben <strong>im</strong>mer<br />

<strong>von</strong> Zwangsumsiedlungen gesprochen. Aber was ist<br />

mir denn anderes passiert?“<br />

(Natascha, 15 Jahre)<br />

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8


„Russische Russische“ Mentalität Mentalit t und<br />

Identität Identit<br />

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Männerbild:<br />

Vater als ‚Beschützer‘ der Familie (in %)<br />

Männern sollte es erlaubt sein,<br />

Schusswaffen zu besitzen, um Familie<br />

und Eigentum zu beschützen<br />

Man sollte sich mit körperlicher Gewalt<br />

gegen jemanden durchzusetzen, der<br />

schlecht über die Familie redet<br />

Ein Mann sollte bereit sein, Frau und<br />

Kinder mit Gewalt zu verteidigen<br />

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10<br />

18<br />

40<br />

48<br />

54<br />

78<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Aussiedler<br />

Einhe<strong>im</strong>ische<br />

Quelle: eigene<br />

Erhebung 2004<br />

9


Härte-Ideale: Zentrum ‚russischer Werte‘<br />

• „Bei Schlägereien ist man z.B. die Härte der Russen nicht gewohnt.<br />

Diese schlagen mit voller Härte zu. Vielleicht, weil sie es nicht<br />

anders gewohnt sind, vielleicht weil sie damit auch einem<br />

russischem Ehrenkodex folgen und Macht und Männlichkeit<br />

<strong>dem</strong>onstrieren müssen.“<br />

» Jugendpolizist, Bitburg<br />

• „Man hat dazu (<strong>zur</strong> Gewalt; W.V.) einfach eine andere Vorstellung<br />

als in Deutschland. Wenn man jemanden zusammenschlagen kann,<br />

ist man stark und wird respektiert. Es sind andere Werte wichtig.“<br />

» Alexander, 21 Jahre, Russlanddeutscher<br />

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63<br />

Identität der jungen Aussiedler<br />

„Was würdest du sagen, fühlst du dich eher ...?“ (in %)<br />

32<br />

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5<br />

als Deutscher<br />

als Fremder<br />

als irgend etwas<br />

dazwischen<br />

Quelle: eigene<br />

Erhebung 2004<br />

10


Fehlende „soziale soziale<br />

Nähe he“ zwischen<br />

einhe<strong>im</strong>ischen und<br />

russlanddeutschen<br />

Jugendlichen<br />

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Soziale Segregation:<br />

Aussiedler <strong>im</strong> Freundeskreis / in der Clique<br />

„Ich habe nur russische Freunde. Ich glaube, wir verstehen<br />

uns untereinander einfach besser. Wir kommen alle aus<br />

Russland, sprechen die gleiche Sprache. Mit den<br />

Deutschen komme ich nicht so gut klar.“<br />

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(Swetlana, 17 Jahre)<br />

11


Wahl der Clique nach ethnischer Herkunft<br />

Einhe<strong>im</strong>ische Aussiedler<br />

Rang 1: Einhe<strong>im</strong>ische(r)<br />

Rang 2: Amerikaner(in)<br />

Rang 3: Italiener(in)<br />

Rang 4: Afrikaner(in)<br />

Rang 5: Aussiedler(in)<br />

Rang 6: Türke/in<br />

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Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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Rang 1: Aussiedler(in)<br />

Rang 2: Einhe<strong>im</strong>ische(r)<br />

Rang 3: Amerikaner(in)<br />

Rang 4: Italiener(in)<br />

Rang 5: Türke/in<br />

Rang 6: Afrikaner(in)<br />

„Könntest du dir vorstellen, folgende Leute in deiner Clique zu<br />

haben?“<br />

Quelle: eigene<br />

Erhebung 2004<br />

Remigrationstendenzen<br />

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12


Remigration: Einzelfälle oder Trend?<br />

• „Naja, ich bin jedenfalls hier, weil meine Eltern denken und hoffen, dass<br />

ich hier eine bessere Zukunft habe, weil ich eine gute Ausbildung bekomme<br />

und danach einen tollen Job. Aber das glaube ich nicht, wenn ich sehe, wie<br />

viele <strong>von</strong> uns so rumhängen und planlos in den Tag leben. Eigentlich<br />

würde ich lieber wieder nach Weißrussland <strong>zur</strong>ückkehren“ (Aljona, 17<br />

Jahre, Aussiedlerin).<br />

• „Und er hat drei Jahre das Geld gesammelt und gespart, damit er<br />

<strong>zur</strong>ückkommen kann. Er meinte, es gefällt ihm in Deutschland nicht. Es ist<br />

so einsam für ihn. Er hat sich nicht wirklich wohl gefühlt. Und hier sind<br />

seine Eltern und darum ist er <strong>zur</strong>ückgekommen“ (Russlanddeutsche<br />

Sozialarbeiterin in Asowo, Sibirien).<br />

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Remigration: Berichte und Studien<br />

• Merlind Theile: „Im Osten sch<strong>im</strong>mert die Hoffnung.“<br />

• In: Spiegel 1/2008<br />

• Hanna Haupt / Manfred Wockenfuß: „Soziale <strong>Integration</strong><br />

– soziale Lage – subjektive Befindlichkeiten <strong>von</strong><br />

Spätaussiedlern in Marzahn-Hellersdorf.“ Berlin 2007<br />

• Hrsg. v. Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-<br />

Brandenburg 2007<br />

• Michael Schönhuth: „Remigration <strong>von</strong> Spätaussiedlern.“<br />

• In: Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.<br />

33/2008, S. 61-83.<br />

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13


Biografische Analysen<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

Forschungsmethode:<br />

Biographisch-vergleichende Fallanalyse<br />

Ziel: positive und prekäre <strong>Integration</strong>sverläufe („Längsschnittperspektive“)<br />

Zugang zum Feld: ‚field guides‘<br />

Auswahl der Personen: Prinzip der biographischen Differenz<br />

(etwa <strong>im</strong> Hinblick auf den Einreisezeitpunkt, die <strong>Auf</strong>enthaltsdauer,<br />

Geschlecht und Alter, Berufstätigkeit, Deutschstämmigkeit oder eine<br />

andere nationale Zugehörigkeit)<br />

Anzahl der Fälle: n = 16<br />

Einstiegsfrage: „Ich möchte Sie bitten, mir zu erzählen, wie sich die<br />

Geschichte Ihres Lebens zugetragen hat. Am besten beginnen Sie mit<br />

Ihrer He<strong>im</strong>at, in der Sie groß geworden sind. Erzählen Sie mir auch<br />

bitte, wie Ihr Leben weiter verlaufen ist, insbesondere Ihre Übersiedlung<br />

nach Deutschland und welche Erfahrungen Sie bisher hier gemacht<br />

haben. Sie können sich dabei ruhig Zeit nehmen, auch für Einzelheiten,<br />

denn für mich ist alles interessant, was Ihnen wichtig ist.<br />

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Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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14


Thematische Vertiefung (Leitfaden)<br />

• Vor der Ausreise<br />

Familie<br />

Beruf<br />

Leben in<br />

russlanddeutscher<br />

Gemeinde<br />

Religion<br />

Freizeit, Feiertage,<br />

Feste<br />

Gründe für<br />

Übersiedlung<br />

• Übersiedlung:<br />

Prozess der Übersiedlung<br />

erster Eindruck <strong>von</strong><br />

Deutschland<br />

Sprachfertigkeiten<br />

<strong>Integration</strong>shilfen<br />

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Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

• Leben in Deutschland:<br />

berufliche Situation<br />

Familienleben<br />

Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

Biografische Daten<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter : 51 Jahre (1957 geboren)<br />

Familienstand: verheiratet<br />

Kinder: 2 Söhne, eine Tochter<br />

Herkunftsland: Russland (Ural)<br />

präsentiert <strong>von</strong> Eva Stock<br />

Einreisezeitpunkt: 1996 => Alter bei der Einreise: 40 Jahre<br />

Familiengröße: Zweigenerationen Familie<br />

Beide Eltern sind deutschstämmig => Wolgadeutsche<br />

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Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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Freizeit, Feiertage, Feste<br />

Leben in<br />

russlanddeutscher<br />

Gemeinde<br />

Kontakt zu<br />

Einhe<strong>im</strong>ischen<br />

politische Aktivitäten<br />

Vergleich vor/nach der<br />

Übersiedlung<br />

He<strong>im</strong>at- und<br />

Zuhausebegriff<br />

15


Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

Wolgadeutsche<br />

„Sie wurden nach Kasachstan verbannt. Dann kam der Vater meiner<br />

Mama […] und auch der Vater meines Vaters in den Ural in die sog.<br />

Trudarmija oder Arbeitsarmee, die es während des Krieges für<br />

Russlanddeutsche gab, und dadurch kamen auch meine Eltern später<br />

zu denen in den Ural […]. Bis 1956 waren meine Eltern dort unter<br />

Kommandantur. Als ich <strong>zur</strong> Welt kam, bestand die Kommandantur<br />

nicht mehr.“<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

Motive für die Einreise in die BRD<br />

• Nachzugsmigration<br />

• Hoffnung auf ein besseres Leben<br />

• „Ich hatte die Kinder und dachte, wenn nicht wir, dann können wenigstens<br />

die Kinder ein besseres Leben haben.“<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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16


Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

Berufliche Dequalifizierung<br />

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Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

Berufliche Dequalifizierung<br />

• Lässt sich nicht entmutigen<br />

• Lebenssituation in Deutschland:<br />

„Schlechter ist die nicht. In Russland war es so, dass mein Mann und ich<br />

beide gearbeitet haben, aber wir konnten uns nicht viel leisten. Wir haben<br />

auch den Lohn nicht regelmäßig bekommen, <strong>im</strong>mer erst nach zwei oder drei<br />

Monaten. Da musste man <strong>im</strong>mer gucken, wie man durchkommt. Schlechter<br />

ist es nicht geworden. […] Wir sind zufrieden mit <strong>dem</strong>, was wir haben.“<br />

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17


Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

He<strong>im</strong>atverständnis<br />

„Ich würde sagen, da wo man geboren ist, da ist auch die He<strong>im</strong>at, d.h.<br />

Russland ist die He<strong>im</strong>at. Deutschland sehe ich als die historische<br />

He<strong>im</strong>at, das ist die He<strong>im</strong>at meiner Vorfahren, und Deutschland ist<br />

mein Zuhause, weil ich mich da wohlfühle.“<br />

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Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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Tamara – <strong>Integration</strong> eine Frage der Zeit?<br />

<strong>Integration</strong> braucht Zeit<br />

„So ganz leicht war es nicht. Die vierzig Jahre in Russland sind ja nicht<br />

einfach so vergangen. Man hatte ja Kontakte und Freunde da und hat alles<br />

<strong>zur</strong>ückgelassen. Natürlich hat man das vermisst und man braucht auch<br />

Zeit, sich an das neue Leben zu gewöhnen.“<br />

Übergangslager:<br />

„Wir brauchten diese Zeit, wir waren froh, dass es die Betreuungsperson gab,<br />

die uns geholfen hat, und wir haben die Zeit auch genutzt. Wir haben nicht<br />

einfach da gesessen und nichts gemacht.“<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

18


Sergej – Bildung als <strong>Integration</strong>sbeschleuniger<br />

Biografische Daten<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

Universität Trier - FB IV - Soziologie<br />

präsentiert <strong>von</strong> Mihaela Milanova<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 33<br />

Einreisezeitpunkt: 1992<br />

Alter bei Einreise: 17<br />

Herkunftsland: Kirgisistan<br />

Familiengröße: 2 Generation Übersiedlung<br />

(Nachzugsmigration)<br />

Deutschstämmigkeit: binationale Ehe<br />

Familienstand: verheiratet mit Russin, 1 Kind<br />

Beruf: selbständig, hat eigene Anwaltskanzlei<br />

Eltern: Vater – Russe, Mutter – Wolgadeutsche<br />

Geschwister: Bruder und Schwester<br />

Ausbildung: Jura Studium<br />

Sergej – Bildung als <strong>Integration</strong>sbeschleuniger<br />

Lebenssituation in Kirgisistan<br />

Gute Lebensbedingungen der Familie<br />

Studium an einer Hochschule für Maschinenbau,<br />

unbeendet aufgrund der Übersiedlung<br />

Aussiedlung nach Deutschland, weil die Eltern dies<br />

beschlossen hatten und Sergej nicht ohne sie in<br />

Kirgisistan bleiben wollte.<br />

Die Familie spielt eine große Rolle, starke Bindung unter<br />

den Familienmitgliedern.<br />

Traditionell konservativer, patriarchalischer, autoritärer<br />

Erziehungsstil<br />

PD <strong>Dr</strong>. phil. habil. Wal<strong>dem</strong>ar Vogelgesang<br />

Eva Stock, Mihaela Milanova, Carina Waltring-Sterken, Marc Elfert<br />

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Sergej – Bildung als <strong>Integration</strong>sbeschleuniger<br />

Ausreise und Einreise<br />

Gründe: die Eltern sahen auf lange Sicht keine Zukunft mehr in<br />

Kirgisistan für sich und für die Kinder, aufgrund der schlechten<br />

wirtschaftlichen und politischen Situation dort.<br />

Schießereien, Putschversuche und Sperrstunden erschwerten<br />

das Leben in Kirgisistan zu dieser Zeit : „Abends war es dann viel<br />

zu gefährlich, nach 22 Uhr durfte ich nicht mehr raus.“<br />

Viele Verwandte väterlicherseits seien ebenfalls ausgewandert,<br />

jedoch meist nach Russland oder in die Ukraine: „(…) die, die es<br />

konnten, sind alle weggegangen.“<br />

Landung in Deutschland Grenzdurchgangslager (2 Wochen)<br />

Zuteilung nach Bayern (4 Wochen) Umzug nach<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Unterstützung durch die Tante, die schon in Deutschland lebte<br />

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Sergej – Bildung als <strong>Integration</strong>sbeschleuniger<br />

<strong>Integration</strong><br />

Schule: Gesamtschule, Abiturschnitt 1,9<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> zu seinem Ziel Studium bekam er persönliche<br />

Unterstützung durch einen Mitarbeiter<br />

Bundeswehr – 10 Monaten<br />

Studium: Rechtswissenschaften<br />

Starke Eigenwille sich in Deutschland zu integrieren – Sergej ist sehr<br />

ehrgeizig und zielstrebig<br />

Großeltern und Eltern hatten gute Jobs, was Sergej bei seiner Wahl zu<br />

studieren enorm beeinflusste.<br />

Sergej strebt mindestens den gleichen Lebensstandard in Deutschland<br />

an wie jenen, den er <strong>von</strong> zu Hause gewöhnt ist: „Da war mir klar,<br />

irgendwann möchte ich auch einen grünen Rasen vor meinem Haus<br />

haben.“<br />

<strong>Auf</strong>bau eines berufsbasierten russlanddeutschen Netzwerks<br />

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Aljona – „Ich muss mich jetzt ausbilden“<br />

Biografische Daten<br />

präsentiert <strong>von</strong> Marc Elfert<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter: 22<br />

Einreisezeitpunkt: 2002<br />

Alter bei Einreise: 15 ½<br />

Herkunftsland: Ukraine<br />

Familie:<br />

- 1 Bruder (ca. 15 J.)<br />

- Vater deutschstämmiger Kasache, Mutter Ukrainerin<br />

=> binationale Ehe<br />

- klassische Nachzugsmigration<br />

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Aljona – „Ich muss mich jetzt ausbilden“<br />

<strong>Integration</strong>swille und Hilfe durch Bildungsträger<br />

6-monatiger Deutschkurs bei Bildungsträger, Sprachzertifikat<br />

dank eigener Initiative & mit Hilfe <strong>von</strong> Mitarbeitern:<br />

Job als Aushilfe<br />

=> Jahrespraktikum (BVJ)<br />

=> Ausbildung zu Fleischverkäuferin<br />

„Ich muss mich jetzt ausbilden.“<br />

vermeidet es, fremde Hilfe anzunehmen (nur Mitarbeiter als<br />

gelegentliche Ansprechpartner)<br />

„Aber dahin will ich nicht, denn das sind meine Probleme. Ich gehe nicht<br />

hin. Es ist peinlich für mich. Ich schaffe das selber.“<br />

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Aljona – „Ich muss mich jetzt ausbilden“<br />

Doppelte Umbruchsituation<br />

Fremdes Land<br />

„Es war eine fremde Sprache, fremde Leute, ein fremdes Land. Es war<br />

alles anders. Mir war langweilig zu Hause. Ich ging nicht gerne in die<br />

Schule. Diese Sprachhürde... Ich habe Mama angerufen und gesagt,<br />

dass ich nach Hause will und dass ich keinen Bock habe, hier zu<br />

bleiben. Es war schwer, echt.“<br />

muss Rolle der Mutter übernehmen<br />

Sie hat gesagt „Dein Papa hat keine Frau...“. [...] Dann kam die Frau mit<br />

Wodka und hat gefragt, ob er Wodka trinken möchte. Papa hat total<br />

entsetzt geschaut: „Wir sind keine Alkoholiker!“<br />

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Aljona – „Ich muss mich jetzt ausbilden“<br />

Familiale Spannungssituation<br />

Aljona:<br />

- ihr Zuhause ist jetzt hier<br />

- will in große Stadt ziehen<br />

Eltern:<br />

- Remigrationsüberlegungen<br />

- Vater spricht gebrochenes Deutsch, Mutter kein Deutsch<br />

- Vater erst seit 1 ½ Jahren Job, Mutter nur zu Hause<br />

„Sie will dahin <strong>zur</strong>ück, und sie ruft <strong>im</strong>mer und so.“<br />

Bruder:<br />

- spricht fließend deutsch<br />

- nur deutsche Freunde<br />

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Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

Biografische Daten<br />

Geschlecht: männlich<br />

Geb.-Datum: 1989 geboren<br />

Einreise: 2003 (13 J.)<br />

Herkunftsland: Kasachstan<br />

Familie: 2 Generationen<br />

Deutschstämmigkeit: Mutter (Russin); Vater (deutschstämmig)<br />

3 jüngere Geschwister<br />

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präsentiert <strong>von</strong> Carina Waltring-Sterken<br />

Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

Lebenssituation in Kasachstan<br />

Sehr früh gewalttätig (<strong>im</strong> Alter <strong>von</strong> ca. 9-10 Jahren)<br />

Mitglied einer Straßenclique<br />

⇒Familienersatz<br />

„Macho-Gehabe“ in Gewaltform, gegen sich selbst und andere<br />

Brutale Straßenwelt stand für: Macht, Anerkennung, Unbesiegbarkeit,<br />

aber vor allem für Respekt<br />

Trainierte um Kämpfe zu gewinnen und um auf der Straße zu überleben<br />

=> Mentalitätsdifferenzen (russische Ehre)<br />

Hohe Einkommenschancen <strong>im</strong> kr<strong>im</strong>inellen Milieu<br />

=> mehr als der eigene Vater<br />

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Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

Lebenssituation in Kasachstan<br />

Gescheiterte Versuche der Mutter, Vitali <strong>von</strong> der Straße abzubringen<br />

Er wurde <strong>im</strong>mer respektloser: "Ein Mensch? Was ist das, ein Mensch?.<br />

Für mich waren Menschen nur Tiere.“<br />

Glaube an Zukunft verloren<br />

=> völlige Perspektivlosigkeit<br />

Schlechter Realschüler; einzigen Interessen: Literatur/Gedichte<br />

=> Rückzug aus der brutalen Straßenwelt<br />

Größter Traum: Leben in Deutschland<br />

=> Ruhe, Frieden!<br />

Ausreise als Rettung für Vitali: „Wenn ich da weiter mitgemacht hätte,<br />

wäre das der Tod für mich!“<br />

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Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

Ausreise und Einreise<br />

Gründe: Bessere Zukunft für Kinder & weg <strong>von</strong> der Gewalt<br />

Neuanfang: alles verkauft für die Flugtickets nach Deutschland<br />

In Kasachstan: „der Deutsche“; in Deutschland: „der Russe“<br />

=> Stigmatisierung<br />

Ankunft in Frankfurt am Main Flughafen<br />

Übergangswohnhe<strong>im</strong> Friedland => Kerpen => Schalkenmehren<br />

Schulabbrecher (Hauptschule)<br />

=> BVJ => Ausbildung zum Koch (2. Lehrjahr)<br />

Hat sich angestrengt und weiß jetzt, dass lernen wichtig ist<br />

=> nutzt Chancen!<br />

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Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

<strong>Integration</strong><br />

Anfängliche Sprachbarrieren beseitigt<br />

Will sich als Deutscher fühlen<br />

=> <strong>Integration</strong>shilfe durch deutsche Freunde<br />

Zukunftspläne: - deutsch-russische Küche<br />

- evtl. ein eigenes Restaurant<br />

- Beziehung <strong>zur</strong> Freundin festigen<br />

Zuhause-Begriff: „Ich bin ein deutscher Russe“<br />

=> Doppelidentität / Zwischenwelt<br />

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Vitali – Ausreise als Absprungchance<br />

Resümee<br />

Ausreise als Brückenfunktion: in D ist er nicht mehr gewalttätig<br />

=> es musste ein anderes Umfeld geschaffen werden<br />

Individuelle Hilfe durch Migrationsdienst<br />

Hilfe war nötig, um Willen umzusetzen<br />

Hilfe durch Migrationsdienst auch für Geschwister nötig?<br />

=> Fraglich, da sie in D aufgewachsen sind<br />

=> Oder haben die jüngeren Geschwister das „Ghetto“ aus<br />

Kasachstan mitgenommen?<br />

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• Fazit<br />

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<strong>Integration</strong>shindernisse<br />

• Sprachdefizit<br />

• niedriges (Aus)Bildungsniveau<br />

• fehlende Lernmotivation<br />

• Rollenunsicherheit /<br />

Mentalitätsunterschiede<br />

• Rückzug in ‚Russencliquen‘<br />

• segregierte Wohnformen<br />

• Nischenökonomie<br />

• geschlossene religiöse<br />

Gemeinschaften<br />

• Devianzspirale und (Selbst-)<br />

Marginalisierung<br />

• Remigrationstendenzen<br />

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<strong>Integration</strong>spolitik und -maßnahmen<br />

•Leitidee: Integrative Nachhaltigkeit<br />

(Vernetzung, partizipative Sozialraumgestaltung, Ressourcenorientierung)<br />

•Hilfen:<br />

• Sprachkurse / auch Förderung der Erstsprache<br />

• schulische und berufliche Qualifizierung<br />

• Förderung <strong>von</strong> interkulturellem Lernen und Begegnung<br />

• Vernetzung / Kooperation der vor Ort beteiligten Institutionen,<br />

Organisationen und Verbände<br />

• Selbsthilfegruppen, Migrationspaten, <strong>Integration</strong>slotsen<br />

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Ziel der <strong>Integration</strong><br />

• <strong>Integration</strong> bedeutet „die gleichberechtigte Teilhabe<br />

<strong>von</strong> Individuen an den ökonomischen, ökologischen,<br />

sozialen und kulturellen Ressourcen der Gesellschaft<br />

und die Teilnahme am gesellschaftlichen,<br />

kulturellen und sozialen Leben.“<br />

– Filsinger, D. (2006): Entwicklungen und Anforderungen an die kommunale <strong>Integration</strong>spolitik<br />

– für die <strong>Integration</strong> <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. In: Jugend,<br />

Beruf und Gesellschaft. Zeitschrift für Jugendsozialarbeit. 4, S. 214-223 (S. 215).<br />

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Vielen Dank<br />

für Ihre <strong>Auf</strong>merksamkeit!<br />

ppt-Folien: www.wal<strong>dem</strong>ar-vogelgesang.de<br />

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