Broschüre ehemalige Heimkinder 2013
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Ehemalige<br />
<strong>Heimkinder</strong><br />
Info-<strong>Broschüre</strong> für Betroffene und Angehörige<br />
Gemälde mit freundlicher Genehmigung von E. Kowalke ©<br />
Ehemalige <strong>Heimkinder</strong> sind…<br />
…etwa 800 000 Kinder & Jugendliche, die zwischen<br />
1945-1975 in deutschen Kinderheimen leben mussten.
800.000 <strong>ehemalige</strong> Hei<br />
Lange hat man uns zu m<br />
Jetzt reden wir!<br />
Wie alles begann<br />
Im Frühjahr 2006 haben mehrere<br />
<strong>ehemalige</strong> <strong>Heimkinder</strong> Petitionen<br />
beim Deutschen Bundestag<br />
eingereicht. Erstmalig in seiner<br />
Geschichte entschied sich der<br />
Deutsche Bundestag zu einem<br />
Runden Tisch „Heimerziehung in<br />
den 50er und 60er Jahren“.<br />
Mit der Petition wird die Situation<br />
von Kindern und Jugendlichen,<br />
die in den Jahren 1945<br />
und 1975 in der Bundesrepublik<br />
Deutschland in den verschiedenen<br />
öffentlichen Erziehungsheimen<br />
untergebracht waren, kritisiert.<br />
Es wurde festgestellt, dass viele<br />
der in den Heimen untergebrachten<br />
bis 21- jährigen Fürsorgezöglinge<br />
unter missbräuchlichen<br />
Erziehungsmethoden wie entwürdigenden<br />
Bestrafungen, willkürlichem<br />
Einsperren und vollständiger<br />
Entmündigung durch<br />
die Erzieher gelitten haben.<br />
„Berichtet wurde von sexuellen<br />
Übergriffen und sexueller Gewalt<br />
unterschiedlichster Formen und<br />
unterschiedlicher Dauer bis hin<br />
zu schwerer und sich jahrelang<br />
wiederholender Vergewaltigung.<br />
Als Täter (überwiegend Männer)<br />
werden vor allem Erzieher,<br />
Heimleiter und Geistliche, aber<br />
auch heimexterne Personen wie<br />
Ärzte, Landwirte oder Personen<br />
in Privathaushalten, an die die<br />
Jugendlichen als Arbeitskräfte<br />
ausgeliehen wurden, benannt.“
mkinder –<br />
m Schweigen gebracht.<br />
Wir klagen an, weil…<br />
wir geschlagen wurden.<br />
wir missbraucht und vergewaltigt wurden.<br />
wir in dunklen Kellerzimmern eingesperrt wurden.<br />
wir seelisch zu Grunde gerichtet wurden.<br />
wir unzureichend ausgebildet wurden.<br />
wir zu Zwangsarbeit herangezogen wurden.<br />
man uns medizinische Hilfe versagte.<br />
man bis heute die Verbrechen an uns leugnet<br />
oder verharmlost!<br />
Die „Erzieher“, die unser Leben zerstört haben.<br />
Die katholische und evangelische Kirche, die<br />
diese Verbrechen mit zu verantworten haben.<br />
Die staatlichen Ämter, die unser Leid ignorierten.<br />
Die Betriebe, die unsere Arbeitskräfte ausbeuteten.<br />
Die vielen Menschen, die unsere Not sahen & schwiegen!<br />
Wir klagen an!
Die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar<br />
Im Rückblick ist es aus politischer,<br />
vor allem aber aus menschlicher<br />
Sicht kaum vermittelbar,<br />
warum es erst in den letzten<br />
Jahren zu einer breiten gesellschaftlichen<br />
Aufarbeitung der<br />
Heimerziehung der Nachkriegszeit<br />
kommt – und das auch nur<br />
auf nachhaltigen Druck von<br />
<strong>ehemalige</strong>n <strong>Heimkinder</strong>n.<br />
Lange Zeit schien es hinnehmbar,<br />
die Geschichte der Heimerziehung<br />
und ihrer Opfer als<br />
Vergangenheit ruhen zu lassen.<br />
Was Recht und Unrecht ist, unterliegt<br />
immer auch gesamtgesellschaftlichem<br />
Wandel. diese<br />
Erkenntnis darf aber nicht dazu<br />
verleiten, geschehenes Unrecht zu<br />
relativieren oder zu legitimieren.<br />
Auch diese <strong>Broschüre</strong> soll daher<br />
in erster Linie den <strong>ehemalige</strong>n<br />
<strong>Heimkinder</strong>n das lange verwehrte<br />
Gehör verschaffen. Es ist mir ein<br />
persönliches Anliegen, den betroffenen<br />
<strong>ehemalige</strong>n <strong>Heimkinder</strong>n<br />
an dieser Stelle meine Anerkennung<br />
auszudrücken für den<br />
Mut, ihre persönliche Geschichte<br />
öffentlich zu machen.<br />
Die Erfahrung vieler <strong>Heimkinder</strong>,<br />
in dem ihnen widerfahrenen<br />
Unrecht und Leid nicht gesehen,<br />
nicht gehört und nicht unterstützt<br />
worden zu sein, hat jedem einzelnen<br />
über viele Jahre auch einen<br />
Teil der persönlichen Selbstachtung<br />
und Würde genommen.<br />
Für viele <strong>Heimkinder</strong> war<br />
die Erziehung in öffentlicher<br />
Verantwortung nicht die<br />
Eröffnung neuer Lebenschancen,<br />
sondern die Verlängerung von<br />
Vernachlässigung und Gewalt.<br />
—<br />
Sind so kleine Hände<br />
mit zehn Fingern dran<br />
darf man nie drauf schlagen<br />
sie zerbrechen dann<br />
—
Wir fordern von<br />
Kirche & Staat<br />
Leistet<br />
1Wiedergutmachung<br />
wie zuvor in Irland,<br />
Kanada und USA!<br />
2Verzichtet auf Verjährungsansprüche!<br />
3Öffnet die Archive<br />
zur Akteneinsicht!<br />
4Gewährleistet<br />
unabhängige<br />
Forschung!<br />
5Stoppt die Aktenvernichtung!<br />
Leider haben <strong>ehemalige</strong> <strong>Heimkinder</strong> bis<br />
heute in der Öffentlichkeit wenig Lobby.<br />
Diese <strong>Broschüre</strong> soll Betroffene ermutigen,<br />
ihre Rechte in Anspruch zu nehmen.<br />
Forderung<br />
<strong>ehemalige</strong>r <strong>Heimkinder</strong><br />
Das Unrecht, das Geschädigten<br />
der <strong>ehemalige</strong>n Heimerziehung<br />
angetan wurde,<br />
wird von hoher Stelle in<br />
Staat und Kirche öffentlich<br />
als Unrecht anerkannt.<br />
Die in der damaligen Heimerziehung<br />
geschehenen<br />
Grundrechtsverletzungen<br />
werden ausdrücklich als<br />
Menschenrechtsverletzungen<br />
anerkannt.<br />
Für erlittene schwerwiegende<br />
Schädigungen körperlicher,<br />
seelischer und/oder<br />
geistiger Art werden Ausgleichszahlungen<br />
(Schmerzensgeld)<br />
gefordert.
Die Folgen der<br />
Heimerziehung<br />
Viele der <strong>ehemalige</strong>n <strong>Heimkinder</strong> erleben, dass ihre Erfahrungen<br />
aus der Zeit im Heim bis heute nicht nur in ihren Erinnerungen,<br />
sondern auch in körperlichen, physischen und materiellen Beeinträchtigungen<br />
nachwirken.<br />
Das Gefühl der Ohnmacht, das bis heute immer wieder erlebt wird,<br />
hat seinen Ursprung oft in der Zeit im Heim.<br />
Viele <strong>ehemalige</strong> <strong>Heimkinder</strong> leben bis heute auf Grund fehlender<br />
Bildung in Armut.<br />
Die betroffenen <strong>ehemalige</strong>n <strong>Heimkinder</strong> tragen an dem ihnen<br />
angetanen Unrecht und Leid selbst keine Schuld.<br />
Vielmehr waren es die gesellschaftlichen Bedingungen, problematische<br />
Menschenbilder bei den Handelnden und ein schlechtes und an<br />
vielen Stellen demokratisch unreifes System, die das ihnen Angetane<br />
bewirkt haben.
Gemälde mit freundlicher Genehmigung von E. Kowalke ©
DANKE!<br />
an alle finanziellen und<br />
moralischen Unterstützer<br />
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Ludwigsplatz 29 · 83022 Rosenheim<br />
Alte Apotheke<br />
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Herrn Kaplan Stefan Berkmüller,<br />
der mir viel Mut & Kraft gegeben hat,<br />
der viel Geduld hatte aber auch an seine<br />
Grenzen gestoßen ist.<br />
Herrn Pfarrer Zach,<br />
für guten Rat und finanzielle Hilfe.<br />
Den Mitgliedern des Pfarrgemeinderats<br />
St. Nikolaus Rosenheim für finanzielle<br />
Hilfe im Rahmen der Cafe Kirche.<br />
Impressum<br />
Satz Dieter Klein / BFDFG<br />
Druck www.flyeralarm.de<br />
1. Auflage <strong>2013</strong> 1000 Sück<br />
Verantwortlich Dieter Klein
Mahnende Worte<br />
Bei meiner Arbeit die <strong>Broschüre</strong><br />
zum Thema der <strong>ehemalige</strong>n <strong>Heimkinder</strong><br />
zu machen, habe ich im Vorfeld<br />
mit vielen Menschen gesprochen. Die<br />
Meinung meiner Mitmenschen war<br />
mir in dieser Hinsicht sehr wichtig. In<br />
den vielen Gesprächen habe ich immer<br />
wieder die Ängste, Hilflosigkeit<br />
und Scheu meiner Gesprächspartner<br />
zu spüren bekommen. Die <strong>Broschüre</strong><br />
so fertig zu stellen, wie sie nun vor<br />
Ihnen liegt, das war ein hartes Stück<br />
Arbeit und ein schwerer Kampf.<br />
Dieser Kampf wurde mir durch das<br />
Erlebte in meiner Kindheit und Jugend<br />
aufgezwungen und hat mich oft an den<br />
Rand meiner Kräfte und auch darüber<br />
hinaus gebracht. Aber nur so habe ich<br />
einen Teil meiner schlimmen Vergangenheit<br />
aufarbeiten können und<br />
das war gut so. Trotz vieler Kritiker<br />
-gerade von Seiten der Kirchen- habe<br />
ich mich nicht entmutigen lassen. Ich<br />
wusste nicht, wie sich die Dinge entwickeln<br />
würden und was auf mich zukommt,<br />
die Vielzahl der Rückmeldungen<br />
hat mich angenehm überrascht<br />
aber auch betroffen gestimmt.<br />
Mahnende Worte an alle Verantwortlichen<br />
der Kirchen und ihrer<br />
Wohlfahrtsverbände, von Landesjugendämtern,<br />
Jugendministerien und<br />
der Politik, Lehrkräfte, Eltern und alle<br />
anderen die heute für Kinder und<br />
Jugendliche Verantwortung tragen.<br />
Kinder sind so ein hohes Gut unserer<br />
Gesellschaft, das es zu schützen gilt.<br />
Halten wir uns all die schlimmen<br />
Dinge vor Augen, die in den Jahren<br />
1945-1975 in den Kinder- und Jugendheimen<br />
der damaligen Zeit passiert<br />
sind, so müssen wir gerade in der<br />
heutigen Zeit kritisch und achtsam darauf<br />
schauen, wie heute mit Kindern<br />
und jungen Menschen umgegangen<br />
wird. Es muss uns deutlich werden,<br />
dass wir als Gesellschaft dafür Sorge zu<br />
tragen haben, dass Kinder zu rechtschaffenen<br />
Menschen heranwachsen,<br />
dass man Ihnen Liebe, Zuneigung,<br />
Geborgenheit gibt, Werte vermittelt<br />
und eine stabile und menschenwürdige<br />
Zukunft hinterlässt. Wenn<br />
es in unserer Gesellschaft Menschen<br />
gibt, die Kinder mehr lieben<br />
als es erlaubt ist, muss diese Entwicklung<br />
gestoppt werden, sonst<br />
werden sich in 20 oder 30 Jahren die<br />
Verantwortlichen mit dem Unrecht<br />
und Leid befassen müssen, was Kindern<br />
und Jugendlichen gegenwärtig und<br />
zukünftig in Einrichtungen der<br />
Kinder- und Jugendhilfe und in der<br />
eigenen Familie zugefügt wird.
Hilfe für<br />
<strong>ehemalige</strong><br />
<strong>Heimkinder</strong><br />
Bundesweites Opfer-Telefon 116 006<br />
0800 400 10 50<br />
0800 100 49 00<br />
Infomaterial & Kontakt<br />
für Betroffene und Spender<br />
Dieter Klein<br />
(selbst <strong>ehemalige</strong>s Heimkind)<br />
eMail: dieterklein.ro @ freenet.de<br />
Mobil: 01 74 / 13 21 820 (ab 18:00 Uhr)<br />
Finanzielle Hilfe<br />
-nach Antrag- (bis 31.12.2014)<br />
Anlauf- und Beraterstelle für<br />
<strong>ehemalige</strong> <strong>Heimkinder</strong> in Bayern<br />
Bayerstrasse 32, 80335 München<br />
Telefon: 0 89 / 189 66 - 12 11<br />
www.blja.bayern.de/heimkinder.html
Die Letzte Seite<br />
Allen, die nie erfahren haben, was Liebe,<br />
Wärme, Zuneigung & Kind sein<br />
bedeutet haben. Die zerstört und<br />
zu seelischen Krüppeln gemacht<br />
wurden.<br />
Deren Seelen vergewaltigt und immer wieder<br />
im Namen einer religiösen<br />
Institution verletzt, verwundet,<br />
verkrüppelt und allzu oft für ihr<br />
ganzes Leben irreparabel geschädigt<br />
worden sind.<br />
In Gedenken an die Opfer sexuellen Missbrauchs<br />
durch Angehörige der katholischen<br />
& evangelischen Kirche, die sich<br />
aufgrund der an ihnen begangenen<br />
Verbrechen in ihrem Leben nicht<br />
mehr zurechtfanden und Selbstmord<br />
begangen haben.