Die Behandlung der bipolaren Erkrankung - Psychose.de
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703228 AZIB-SER-716/07<br />
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<strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
Leitfa<strong>de</strong>n für Patienten und Angehörige
Autoren:<br />
PD Dr. med. Stephanie Krüger<br />
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Medizinischen Fakultät <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitätsklinik<br />
Carl-Gustav Carus<br />
Fetscherstr. 74<br />
01307 Dres<strong>de</strong>n<br />
Prof. Dr. med. Peter Bräunig<br />
Klinik für Psychiatrie, Verhaltensmedizin und<br />
Psychosomatik am Klinikum Chemnitz<br />
Dresdner Str. 178<br />
09131 Chemnitz<br />
3
4<br />
Inhalt<br />
Einleitung 7<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong> 8<br />
Was unterschei<strong>de</strong>t eine Stimmungsschwankung von einer<br />
<strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>? 8<br />
Wann beginnt die bipolare <strong>Erkrankung</strong>? 9<br />
Was sind die Ursachen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>? 10<br />
Welche Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> gibt es und<br />
wie häufig kommen sie vor? 11<br />
Was be<strong>de</strong>utet Bipolar I und Bipolar II? 12<br />
Was sind die Symptome und Zeichen einer<br />
manischen Episo<strong>de</strong>? 13<br />
Was sind die Symptome und Zeichen einer<br />
<strong>de</strong>pressiven Episo<strong>de</strong>? 16<br />
Was sind katatone Symptome? 20<br />
Was unterschei<strong>de</strong>t eine Hypomanie von einer Manie? 21<br />
Was sind Mischzustän<strong>de</strong>? 21<br />
Was versteht man unter Rapid Cycling? 22<br />
<strong>Die</strong> Diagnose 23<br />
Was sind <strong>de</strong>nn „weiche bipolare Zeichen“? 26<br />
<strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong> 27<br />
Wie erfolgt die <strong>Behandlung</strong> einer <strong>bipolaren</strong> Störung? 27<br />
<strong>Die</strong> Akuttherapie 27<br />
<strong>Die</strong> Erhaltungstherapie 28<br />
<strong>Die</strong> Rückfallprophylaxe 29<br />
<strong>Die</strong> Medikamente 32<br />
Was sind Stimmungsstabilisierer? 32<br />
Warum wer<strong>de</strong>n bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie<br />
Neuroleptika eingesetzt? 33<br />
Typische Neuroleptika und Atypika –<br />
Worin besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied? 34<br />
Wie sieht die <strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> Depression aus? 35<br />
Wie lange soll ein Medikament, das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Akutbehandlung<br />
eingesetzt wur<strong>de</strong>, weiter eingenommen wer<strong>de</strong>n? 35<br />
Welche Medikamente wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rückfallprophylaxe eingesetzt? 36<br />
Kann man mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
„ganz normal“ leben? 36<br />
Beispiel eines ausgefüllten Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s 37<br />
Wichtige Adressen 38<br />
Weitere Literatur für Betroffene und Angehörige 39<br />
5
6<br />
Einleitung<br />
Nachfolgend wer<strong>de</strong>n Ihnen wichtige Informationen über die<br />
Ursachen, Formen und Symptome <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
gegeben, über <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verlauf und über die Therapie.<br />
Sie wer<strong>de</strong>n erfahren, dass Medikamente in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
akuten Krankheitsepiso<strong>de</strong>n aber auch beim Rückfallschutz<br />
(Rezidivprophylaxe) eine wichtige Rolle spielen. Auch Psychotherapie<br />
ist unverzichtbar, nicht zuletzt, um Ihnen zu helfen, mit stresserzeugen<strong>de</strong>n<br />
Lebensereignissen so umzugehen, dass Sie dadurch<br />
nicht aus <strong>de</strong>m seelischen Gleichgewicht geraten.<br />
Im Anhang an diese Broschüre fin<strong>de</strong>n Sie noch weitere Adressen<br />
und Literatur zum Thema „Bipolare <strong>Erkrankung</strong>en“.<br />
7
8<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
Was unterschei<strong>de</strong>t eine Stimmungsschwankung von<br />
einer <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>?<br />
Schwankungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmung gehören zum menschlichen Leben dazu,<br />
wie die Atmung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Herzschlag. Sie machen unsere Persönlichkeit<br />
Bipolare <strong>Erkrankung</strong>en sind<br />
sehr starke Stimmungsschwankungen<br />
und belasten<br />
die Betroffenen und ihr<br />
Umfeld erheblich.<br />
aus und treten oftmals als Reaktionen auf ein Lebensereignis<br />
auf. Stimmungsschwankungen sind meist von<br />
kurzer Dauer. Sie können einen Menschen entwe<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
glücklich o<strong><strong>de</strong>r</strong> reizbar und unleidlich machen, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sogar traurig und verzweifelt.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> (manisch-<strong>de</strong>pressiven) <strong>Erkrankung</strong> sind Stimmungsschwankungen<br />
sehr stark ausgeprägt. Sie beeinträchtigen das<br />
seelische Gleichgewicht und die psychische Leistungsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Betroffenen erheblich und stören damit auch das subjektive Wohlbefin<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> sind die Stimmungsschwankungen<br />
oftmals unabhängig von Lebensereignissen vorhan<strong>de</strong>n und dauern<br />
länger an als bei Gesun<strong>de</strong>n.<br />
Bipolare <strong>Erkrankung</strong>en treten nicht <strong>de</strong>swegen auf, weil die betroffenen<br />
Menschen etwa falsch gelebt hätten, und sie sind auch nicht die Folge<br />
einer instabilen o<strong><strong>de</strong>r</strong> schwachen Persönlichkeit.<br />
Viele bipolar erkrankte Menschen berichten, dass im zeitlichen Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>m Auftreten einer <strong>bipolaren</strong> Krankheitsepiso<strong>de</strong> ein<br />
Lebensereignis positiver o<strong><strong>de</strong>r</strong> negativer Art stattgefun<strong>de</strong>n hat, dass sie<br />
gefühlsmäßig stark bewegt o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeregt hat.<br />
Seelische o<strong><strong>de</strong>r</strong> körperliche Aufregung kann bei Menschen mit einer entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Veranlagung das Auftreten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong> begünstigen.<br />
Sie sollten wissen, dass auch positive Lebensereignisse die Seele sehr<br />
stark bewegen und insofern auch ,Stress‘ verursachen können. Stresserzeugen<strong>de</strong><br />
Lebensereignisse können das Auftreten von Krankheitsepiso<strong>de</strong>n<br />
häufig vor allem zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong>, d.h. in <strong>de</strong>n ersten<br />
Krankheitsjahren, begünstigen. Je häufiger Krankheitsepiso<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit aufgetreten sind, <strong>de</strong>sto mehr ,automatisiert‘ sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Krankheitsprozess, d.h. erneute Krankheitsepiso<strong>de</strong>n, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachsprache<br />
auch „Rezidive“ genannt, kommen mehr und mehr unabhängig<br />
von gefühlsmäßig belasten<strong>de</strong>n Lebensereignissen vor.<br />
Wann beginnt die bipolare <strong>Erkrankung</strong>?<br />
Jugendalter<br />
<strong>Die</strong> ersten Anzeichen einer <strong>bipolaren</strong><br />
<strong>Erkrankung</strong> treten oft bereits im jungen<br />
Erwachsenenalter auf. <strong>Die</strong> meisten<br />
Patienten wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m 20. und<br />
30. Lebensjahr erstmals krank. Bei jungen<br />
Menschen sind die <strong>bipolaren</strong> Symptome<br />
jedoch oft untypisch. Es ist oft nicht<br />
einfach, bei jungen Menschen <strong>de</strong>n Überschwang<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Manie und die Seelenfinsternis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Depression von jugendlichem<br />
,Ausgeflipptsein‘ und von seelischen<br />
Bipolare <strong>Erkrankung</strong>en ent-<br />
Gefühlstiefs <strong><strong>de</strong>r</strong> jugendlichen Entwicklung zu<br />
wickeln sich häufig im Alter<br />
von 20 bis 30 Jahren.<br />
unterschei<strong>de</strong>n. Übermäßige emotionale Empfindlichkeit<br />
und Auffälligkeiten im Verhalten<br />
können zu ernsthaften Beeinträchtigungen <strong>de</strong>s Wohlbefin<strong>de</strong>ns, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
psychischen Leistungsfähigkeit, und <strong>de</strong>s Verhaltens mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Menschen führen.<br />
Erwachsenenalter<br />
<strong>Erkrankung</strong>en nach <strong>de</strong>m 40. Lebensjahr kommen zwar vor, sind jedoch<br />
eher selten. Das erstmalige Auftreten einer <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
bei älteren Menschen stellt eine große Ausnahme dar. In sol-<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
9
chen Fällen ist es oft so, dass Schwankungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmung in<br />
jüngeren Lebensjahren entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> fehlinterpretiert wor<strong>de</strong>n sind o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nur gering ausgeprägt waren. Gera<strong>de</strong> bei älteren<br />
Erstmaliges Auftreten <strong><strong>de</strong>r</strong> bi-<br />
Menschen können auch Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
polaren <strong>Erkrankung</strong> ab <strong>de</strong>m<br />
40. Lebensjahr ist eher selten. Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>s Gehirns dazu beitragen,<br />
dass eine bipolare <strong>Erkrankung</strong> auftritt.<br />
Es kommt nicht selten vor, dass bipolare <strong>Erkrankung</strong>en erstmals<br />
während o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach einer Schwangerschaft auftreten. Dabei<br />
han<strong>de</strong>lt es sich häufiger um Depressionen, seltener auch um<br />
manische Episo<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong> ist eine Störung <strong>de</strong>s Stoffwechsels im<br />
Gehirn. Ihre Entstehung ist wesentlich auf genetische, neurochemische<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> hormonelle Faktoren zurückzuführen. Psychosoziale<br />
Faktoren (z.B. Stress, Tod <strong>de</strong>s Lebenspartners) können <strong>de</strong>n<br />
Ausbruch bipolarer <strong>Erkrankung</strong>en begünstigen. <strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
kommt in einigen Familien gehäuft vor. Deshalb untersuchen<br />
Wissenschaftler gegenwärtig sehr intensiv viele Fragestellungen, die<br />
einen möglichen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>m genetischen Bauplan<br />
<strong>de</strong>s Menschen und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> betreffen. Es gibt<br />
<strong>Die</strong> Ursache <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> zum jetzigen Zeitpunkt keine Belege dafür, dass<br />
<strong>Erkrankung</strong> ist eine Störung die bipolare <strong>Erkrankung</strong> eine typische Erbkrankheit<br />
<strong>de</strong>s Stoffwechsels im Gehirn; ist. Es gibt jedoch viele Erkenntnisse darüber, dass<br />
zum Ausbruch kann es durch es bedingt durch genetische Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im<br />
zusätzliche psychosoziale<br />
Stoffwechsel <strong>de</strong>s Gehirns zur Produktion fehlerhaf-<br />
Faktoren kommen.<br />
ter Eiweißstoffe kommt. Eine Folge davon kann<br />
eine zeitweise vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>te o<strong><strong>de</strong>r</strong> erhöhte Aktivität bestimmter Botenstoffe<br />
(so genannter Neurotransmitter, z.B. Serotonin und Dopamin)<br />
im Gehirn sein. In Verbindung mit psychosozialen Umwelteinflüssen<br />
können so <strong>de</strong>pressive o<strong><strong>de</strong>r</strong> manische Episo<strong>de</strong>n ausgelöst wer<strong>de</strong>n.<br />
10<br />
Was sind die Ursachen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>?<br />
Welche Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> gibt es und<br />
wie häufig kommen sie vor?<br />
Um die bipolare <strong>Erkrankung</strong> zu verstehen, sollten Sie wissen, dass<br />
es sich dabei um eine psychische Krankheit han<strong>de</strong>lt, die in einzelnen<br />
Episo<strong>de</strong>n auftritt:<br />
• Hochphasen (Manien)<br />
• Tiefphasen (Depressionen)<br />
<strong>Die</strong>se Episo<strong>de</strong>n kommen und gehen in unregelmäßigen Zeitabstän<strong>de</strong>n.<br />
Zwischen diesen akuten Krankheitsepiso<strong>de</strong>n liegen mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Episo<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Depression treten in unregelmäßigen<br />
Zeitabstän<strong>de</strong>n auf.<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
weniger lange Zeitabschnitte (Intervalle),<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> die Betroffenen sich überwiegend<br />
gesund fühlen.<br />
Durchschnittlich dauert eine unbehan<strong>de</strong>lte <strong>de</strong>pressive Episo<strong>de</strong> etwa<br />
zehn Monate. Manische Episo<strong>de</strong>n dauern gewöhnlich drei bis sechs<br />
Monate. Bei 80 bis 90% <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffenen entwickelt sich mit <strong>de</strong>m Ab-<br />
klingen <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie eine voll ausgeprägte<br />
<strong>de</strong>pressive Episo<strong>de</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Aufteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong><br />
Krankheitsepiso<strong>de</strong>n in Depressionen<br />
und Manien ist wichtig für<br />
eine erfolgreiche Therapie.<br />
<strong>Die</strong> einzelnen<br />
Phasen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>bipolaren</strong><br />
<strong>Erkrankung</strong><br />
normale<br />
Stimmung<br />
Depression<br />
gemischte<br />
Manie<br />
Episo<strong>de</strong><br />
Hypomanie<br />
11
12<br />
Was be<strong>de</strong>utet Bipolar I und Bipolar II?<br />
Es wer<strong>de</strong>n zwei Typen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> unterschie<strong>de</strong>n:<br />
die Bipolar-I- und die Bipolar-II-Störung.<br />
Bipolar-I-Störung: Depression und Manie<br />
Bipolar-II-Störung: Depression und weniger schwere Manie<br />
<strong>Die</strong> Bipolar-I-Störung<br />
Unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bipolar-I-Störung versteht man die „klassische“ manisch<strong>de</strong>pressive<br />
<strong>Erkrankung</strong>. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bipolar-I-Störung liegt ein Krank-<br />
Bipolar I Bipolar II<br />
Manie<br />
Hypomanie<br />
normale<br />
Stimmung<br />
heitsverlauf mit Depressionen<br />
und schwer ausgeprägten<br />
Hochphasen (Manien) vor.<br />
<strong>Die</strong>se kommt bei ca. 1 bis 2%<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung vor, Frauen<br />
und Männer sind gleich häufig<br />
betroffen.<br />
Depression Depression<br />
<strong>Die</strong> Bipolar-II-Störung<br />
<strong>Die</strong> Bipolar-II-Störung, die bei<br />
ca. 4% <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung vorkommt,<br />
ist durch Depressionen, aber weniger schwere Manien, die<br />
sogenannten Hypomanien, gekennzeichnet.<br />
Was sind die Symptome und Zeichen einer manischen Episo<strong>de</strong>?<br />
Manische Patienten mit reizbarer Stimmung können im Umgang<br />
schwierig sein, <strong>de</strong>nn sie geraten leicht in Zorn und haben eine<br />
Neigung zu aggressivem Verhalten.<br />
Manische Patienten haben wegen ihrer gefühlsmäßigen<br />
Aufgeregtheit und ihrem krankhaft gesteigerten Selbstbewusstsein<br />
gewöhnlich wenig Einsicht in die Ernsthaftigkeit<br />
ihres seelischen Zustan<strong>de</strong>s. Sie streiten häufig ab,<br />
dass mit ihnen etwas nicht stimmt und behaupten, dass<br />
ihre Angehörigen ihnen eine seelische Störung „anhängen“<br />
wollen, die in Wahrheit gar nicht vorhan<strong>de</strong>n sei.<br />
<strong>Die</strong> Stimmung manischer Patienten ist üblicherweise<br />
,aufgedreht‘ und enthusiastisch, oft aber auch gereizt.<br />
Nicht je<strong><strong>de</strong>r</strong> Patient, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine manische Episo<strong>de</strong> hat, ist<br />
glücklich o<strong><strong>de</strong>r</strong> euphorisch. Wenn jemand eine manische Episo<strong>de</strong><br />
hat, müssen min<strong>de</strong>stens drei <strong><strong>de</strong>r</strong> im folgen<strong>de</strong>n aufgelisteten<br />
Symptome vorhan<strong>de</strong>n sein:<br />
• Gesteigertes Selbstwertgefühl o<strong><strong>de</strong>r</strong> Größeni<strong>de</strong>en<br />
• Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Schlafbedürfnis<br />
• Re<strong>de</strong>drang<br />
• I<strong>de</strong>enflucht o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gedankenrasen<br />
• Psychotische Symptome (z.B. Wahnvorstellungen und<br />
Halluzinationen)<br />
• Aktivitätssteigerung<br />
• Eingeschränktes Urteilsvermögen<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
13
14<br />
Gesteigertes Selbstwertgefühl o<strong><strong>de</strong>r</strong> Größeni<strong>de</strong>en<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen haben mehr Selbstvertrauen als sonst, sie fühlen<br />
sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>en überlegen. Sie glauben, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e wür<strong>de</strong>n sie bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
fühlen sich reich, großartig, unbesiegbar, mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Fähigkeiten<br />
ausgestattet. Sie glauben zu verstehen, „wie die Welt funktioniert“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> was sie tun müssen, um „die Welt zu retten“. Manche<br />
manische Patienten leben mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung, sie wüssten, was<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Menschen <strong>de</strong>nken und fühlen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um meinen, in<br />
einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beziehung zu Gott zu stehen, bzw. sind <strong><strong>de</strong>r</strong> festen<br />
Überzeugung, dass Gott sie geschickt habe und sie mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Kräften ausgestattet habe, um eine religiöse Mission zu erfüllen.<br />
Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Schlafbedürfnis<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen fühlen sich nach langer Schlaflosigkeit nicht mü<strong>de</strong>,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sind nach wenigen Stun<strong>de</strong>n Schlaf ausgeruht o<strong><strong>de</strong>r</strong> schlafen<br />
mehrere Tage fast gar nicht.<br />
Re<strong>de</strong>drang<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen re<strong>de</strong>n sehr schnell, zu laut, und viel mehr, als man<br />
es von ihnen gewohnt ist. Es kann sein, dass sie sich in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Weise humorvoll und witzig äußern o<strong><strong>de</strong>r</strong> ärgerlich wer<strong>de</strong>n, wenn<br />
man sie unterbricht. Sie än<strong><strong>de</strong>r</strong>n ständig das Gesprächsthema und<br />
können sich nicht auf normale Weise mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Menschen unterhalten.<br />
Sie neigen dazu, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Menschen in ihrer Re<strong>de</strong> zu unterbrechen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> mischen sich in Gespräche ein.<br />
Gedankenrasen o<strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>enflucht<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen sind in ihrem gedanklichen Tempo außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
beschleunigt, so dass sie schnell <strong>de</strong>n „roten Fa<strong>de</strong>n“ verlieren und<br />
Probleme haben, bei einem Thema zu bleiben. Es schießen ihnen<br />
ständig neue Gedanken in <strong>de</strong>n Kopf, die sie aufgrund ihrer Fülle<br />
nicht schnell genug artikulieren können. Dabei kann es sein, dass<br />
sie sehr ungeduldig o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar aggressiv wer<strong>de</strong>n, wenn an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Menschen ihnen nicht schnell genug folgen können. <strong>Die</strong> I<strong>de</strong>enflucht<br />
kann dazu führen, dass sich das Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffenen ständig<br />
än<strong><strong>de</strong>r</strong>t, weil sie <strong>de</strong>n sich ständig aufdrängen<strong>de</strong>n neuen I<strong>de</strong>en Folge<br />
leisten wollen.<br />
Psychotische Symptome<br />
Manche manische Patienten lei<strong>de</strong>n auch an Wahni<strong>de</strong>en. Wahni<strong>de</strong>en<br />
wer<strong>de</strong>n üblicherweise mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit und Überzeugungsstärke<br />
gegen alle kritischen Einwän<strong>de</strong> festgehalten und<br />
sind offensichtlich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Realität vereinbar. Bei schwerer Ausprägung<br />
können während manischer Episo<strong>de</strong>n auch Sinnestäuschungen<br />
(Halluzinationen) vorkommen. <strong>Die</strong> am häufigsten<br />
beklagten Halluzinationen während einer manischen Krankheitsepiso<strong>de</strong><br />
sind akustischer Art, d.h. die Betroffenen hören Stimmen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geräusche, die tatsächlich nicht vorhan<strong>de</strong>n sind. Während schwerer<br />
manischer Episo<strong>de</strong>n treten aber auch optische Sinnestäuschungen<br />
auf, d.h. sie sehen etwas, das in Wirklichkeit nicht vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />
Aktivitätssteigerung<br />
Patienten, die an einer Manie lei<strong>de</strong>n, vermitteln <strong>de</strong>n Eindruck einer<br />
permanenten geschäftigen Unruhe; sie haben ständig etwas vor und<br />
wollen immerfort Unternehmungen initiieren. Auffällig ist das ausgeprägte<br />
Kontaktbedürfnis manischer Patienten und ihr unstillbarer<br />
Erlebnishunger.<br />
Eingeschränktes Urteilsvermögen<br />
In einer manischen Episo<strong>de</strong> können die betroffenen Patienten die<br />
Konsequenzen ihres Verhaltens oft nicht in ausreichen<strong>de</strong>m Maße<br />
planen bzw. vorwegnehmen. So geben sie sich aus Leichtfertigkeit<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Genusssucht ungewöhnlichen, risikoreichen, sozial unüblichen<br />
und sogar verbotenen Aktivitäten hin, ohne <strong><strong>de</strong>r</strong>en negative, gefährli-<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
15
16<br />
che, o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Strafe bedrohten Konsequenzen zu vergegenwärtigen.<br />
Zu diesen Verhaltensweisen gehören extreme Geldausgaben,<br />
schädigen<strong>de</strong> Geschäftsentscheidungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> unbedachte<br />
Handlungen. Auch sexuell distanzloses Verhalten gehört dazu.<br />
Was sind die Symptome und Zeichen einer <strong>de</strong>pressiven Episo<strong>de</strong>?<br />
Depressive Patienten fühlen sich oftmals nicht nur traurig,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n leer, ausgebrannt und gefühllos. Manche empfin<strong>de</strong>n<br />
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> fällt<br />
es <strong>de</strong>m Patienten selbst o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihren Angehörigen auf,<br />
dass es <strong>de</strong>m Betroffenen nicht gelingt, in <strong><strong>de</strong>r</strong> früher<br />
gewohnten Weise auf Ereignisse o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erlebnisse gefühlsmäßig<br />
zu reagieren, Stimmungen und Gefühle durch<br />
einen entsprechen<strong>de</strong>n Gesichtsausdruck o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />
Bewegungen, Gesten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Stimmlage zum Ausdruck<br />
zu bringen. Das bedrohlichste Symptom einer Depression<br />
sind Selbstmordgedanken bzw. -impulse (Suizidalität). Suizidalität ist<br />
in je<strong>de</strong>m Fall ein Alarmsymptom, das unbedingt dazu führen sollte,<br />
ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten <strong>de</strong>pressiven Symptome sind:<br />
• Depressive Stimmung<br />
• Angstgefühle, ängstliche Stimmung<br />
• Interessenverlust, fehlen<strong>de</strong> Initiative, Lustlosigkeit<br />
• Gewichtsverlust o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gewichtszunahme<br />
• Schlafstörungen, Früherwachen und Morgentief<br />
• Verlangsamung, Hemmung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unruhe<br />
• Energieverlust, Kraftverlust, körperliches Unwohlsein<br />
• Selbstabwertung und Schuld- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>wertigkeitsgefühle<br />
• Konzentrationsstörungen und Entscheidungsunfähigkeit<br />
• Selbstmordgedanken (Suizidalität)<br />
• Psychotische Symptome<br />
Angstgefühle, ängstliche Stimmung<br />
<strong>Die</strong> ängstliche Stimmung <strong>de</strong>pressiver Patienten ist durch Sorgen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erwartung <strong>de</strong>s Schlimmsten gekennzeichnet. Oft steigt die Angst<br />
grundlos auf und verursacht ein Gefühl innerer Spannung, verbun<strong>de</strong>n<br />
mit Schreckhaftigkeit, einem Gefühl von Unruhe, Rastlosigkeit<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unfähigkeit, sich zu entspannen. Starke Angstgefühle<br />
können mit heftigen körperlichen Symptomen wie Beschleunigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Atmung, Zittern o<strong><strong>de</strong>r</strong> beschleunigtem Herzschlag einhergehen.<br />
Interessenverlust, fehlen<strong>de</strong> Initiative, Lustlosigkeit<br />
Patienten klagen über <strong>de</strong>n Verlust von Interesse an <strong><strong>de</strong>r</strong> Umwelt, an<br />
lieb gewor<strong>de</strong>nen Beschäftigungen und auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Person.<br />
<strong>Die</strong> alltäglichen Aufgaben, die kleinen und größeren Pflichten, lasten<br />
schwer auf ihnen und türmen sich vor ihnen auf, wie ein nicht zu<br />
überwin<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Berg. Selbst zu angenehmen Aktivitäten können sie<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
17
18<br />
sich nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur unzureichend motivieren. Typisch ist auch ein Verlust<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Genussfähigkeit, etwas als angenehm, wohltuend o<strong><strong>de</strong>r</strong> schön zu<br />
empfin<strong>de</strong>n. Im Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Lustlosigkeit<br />
berichten <strong>de</strong>pressive Patienten häufig über sexuelles Desinteresse.<br />
Gewichtsverlust o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gewichtszunahme<br />
Gewichtsverlust ist ein häufiges Symptom <strong><strong>de</strong>r</strong> Depression. <strong>Die</strong> Grün<strong>de</strong><br />
dafür kann Appetitlosigkeit sein. Einige <strong>de</strong>pressive Patienten bemerken<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Depression aber auch ein verstärktes Hungergefühl und<br />
nehmen bevorzugt kohlenhydratreiche und fettreiche Nahrungsmittel zu<br />
sich. <strong>Die</strong>se Patienten nehmen während <strong>de</strong>pressiver Zustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich<br />
an Körpergewicht zu.<br />
Schlafstörungen, Früherwachen und Morgentief<br />
Ein- und Durchschlafstörungen fin<strong>de</strong>n sich bei Depressionen sehr<br />
häufig. Auch das Früherwachen ist ein charakteristisches Symptom <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Depression. <strong>Die</strong> Folge davon: Unausgeruhtsein am Morgen, körperliche<br />
Zerschlagenheit, Tagesmüdigkeit, Erschöpfungsgefühl. Eine Subgruppe<br />
<strong>de</strong>pressiver Patienten verspüren ein verstärktes Schlafbedürfnis,<br />
sie schlafen nicht nur nachts son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch tagsüber. Viele <strong>de</strong>pressive<br />
Patienten berichten über Start- und Anlaufschwierigkeiten am<br />
Morgen. Oft löst sich dieses Morgentief in <strong>de</strong>n Mittagsstun<strong>de</strong>n und die<br />
Patienten berichten über spürbar besseres Befin<strong>de</strong>n nachmittags und<br />
am frühen Abend.<br />
Verlangsamung, Hemmung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unruhe<br />
Patienten mit gehemmten Depressionen klagen darüber, dass ihre Bewegungen<br />
verlangsamt sind. <strong>Die</strong>se Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlangsamung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegungen,<br />
<strong>de</strong>s Sprach- und Denktempos ist ein sehr charakteristisches<br />
Symptom <strong>de</strong>pressiver Störungen. Patienten mit ängstlichen Depressionen<br />
zeigen allerdings oft ein gegenteiliges Verhalten. Sie klagen über<br />
ein quälen<strong>de</strong>s Gefühl innerer Unruhe und Getriebenheit. <strong>Die</strong>se Patienten<br />
können nicht still sitzen, laufen ständig auf und ab o<strong><strong>de</strong>r</strong> müssen sich<br />
durch ihre innere Unruhe auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Art und Weise „Luft machen“.<br />
Energieverlust, Kraftverlust, körperliches Unwohlsein<br />
Depressive Patienten klagen über Kraftlosigkeit: Für all das, was sie<br />
üblicherweise mühelos bewältigen, müssen sie vermehrte Anstrengungen<br />
aufbringen. Alles geht langsamer, schwerfälliger und ist mit<br />
erhöhtem Zeitaufwand verbun<strong>de</strong>n, weil <strong>de</strong>n betroffenen Patienten<br />
Energie und Antrieb fehlen.<br />
Selbstabwertung, Schuld- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>wertigkeitsgefühle<br />
Der Verlust <strong>de</strong>s Selbstbewusstseins, Min<strong><strong>de</strong>r</strong>wertigkeitsgefühle und<br />
Selbstabwertung sind typische Symptome <strong>de</strong>pressiver Störungen.<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen fühlen sich nutzlos, meinen alles falsch gemacht, ihre<br />
Lebensziele verfehlt, einen schlechten Charakter zu haben und Strafe<br />
zu verdienen. Selbstabwertung, Schuld- und Versündigungsgefühle<br />
können wahnhafte Ausmaße annehmen.<br />
Konzentrationsstörungen und Entscheidungsunfähigkeit<br />
<strong>Die</strong>se Symptome können so stark ausgeprägt sein, dass die Betroffenen<br />
oft nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, einfachste Dinge zu erledigen. <strong>Die</strong><br />
Unfähigkeit, geringfügige Alltagsentscheidungen zu treffen, kann das<br />
Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten blockieren.<br />
Selbstmordgedanken (Suizidalität)<br />
Ein weiteres Symptom <strong><strong>de</strong>r</strong> Depression kann das Gefühl sein, dass das<br />
Leben nicht mehr lebenswert ist und das es besser wäre, tot zu sein.<br />
Hoffnungslosigkeit, Pessimismus, Selbstabwertung und ein Gefühl, <strong>de</strong>n<br />
Lebenssinn verloren zu haben, für die Nächsten nichts mehr zu be<strong>de</strong>uten,<br />
ihnen eine Last zu sein, sind Depressionssymptome, die suizidales<br />
Verhalten begünstigen können. Suizidale Äußerungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhaltensweisen<br />
sollten bei <strong>de</strong>pressiven Patienten nie verharmlost wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
19
Psychotische Symptome<br />
Wie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie, kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient auch bei schweren Depressionen<br />
psychotische Symptome zeigen. <strong>Die</strong> auftreten<strong>de</strong>n Wahni<strong>de</strong>en o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Halluzinationen sind häufig mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>pressiven Stimmung verbun<strong>de</strong>n.<br />
Schuld- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>wertigkeitsgefühle, Sorge um die eigene körperliche<br />
Gesundheit und krankhafte Verarmungsi<strong>de</strong>en können einen so<br />
übermächtigen Überzeugungscharakter gewinnen, dass die Patienten<br />
je<strong>de</strong>n Bezug zur Realität verlieren.<br />
Was sind katatone Symptome?<br />
Bei schwer ausgeprägten Manien, Depressionen und manisch<strong>de</strong>pressiven<br />
Mischzustän<strong>de</strong>n kann es zur Ausprägung auffälliger<br />
Bewegungsmuster/motorischer Verhaltensweisen kommen. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich dabei um so genannte ,katatone‘ Symptome. <strong>Die</strong> Patienten<br />
bewegen sich entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> langsamer o<strong><strong>de</strong>r</strong> schneller als sie es normalerweise<br />
tun wür<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> zeigen ungewöhnliche Bewegungsabläufe.<br />
In schweren Fällen können die Bewegungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Katatone Symptome: ausge-<br />
Patienten so stark verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t sein, dass sie <strong>de</strong>n<br />
prägte, psychomotorische<br />
Mund selbst zum Essen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Trinken nicht mehr<br />
Störungen<br />
selbständig öffnen können. Manche Patienten<br />
sprechen auch kaum noch o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur sehr langsam mit extrem leiser<br />
Stimme. Auch das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Extrem, d.h. nicht mehr zu kontrollieren<strong>de</strong><br />
Bewegungsabläufe mit schweren Erregungszustän<strong>de</strong>n, sind dringend<br />
behandlungsbedürftig.<br />
Katatone Symptome wer<strong>de</strong>n oft nicht erkannt o<strong><strong>de</strong>r</strong> fehldiagnostiziert,<br />
weil man sehr lange davon ausgegangen ist, dass katatone Symptome<br />
nur bei schizophrenen <strong>Erkrankung</strong>en vorkommen wür<strong>de</strong>n. Erst<br />
neuere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass diese<br />
Symptome auch bei <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>en während akuter Krankheitszustän<strong>de</strong><br />
sehr häufig anzutreffen sind.<br />
Was unterschei<strong>de</strong>t eine Hypomanie von einer Manie?<br />
<strong>Die</strong> Symptome einer Hypomanie sind <strong>de</strong>nen einer Manie zwar sehr<br />
ähnlich, allerdings sind sie <strong>de</strong>utlich geringer ausgeprägt. <strong>Die</strong> Betroffenen<br />
sind oft euphorischer, manchmal auch<br />
Hypomanie: leichte, mehrere<br />
gereizter, die körperliche Leistungsfähigkeit ist<br />
Tage andauern<strong>de</strong> manische<br />
Erregung<br />
angehoben, die Patienten fühlen sich kräftiger,<br />
stärker, das Schlafbedürfnis ist vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Denktempo und Phantasiereichtum sind angeregt. Hypomanische<br />
Patienten können im Kontaktverhalten anmaßend o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch<br />
streitsüchtig sein. Allgemein kenn-<br />
zeichnend für Patienten mit einer<br />
Hypomanie ist auch die erhöhte<br />
Ablenkbarkeit durch Außenreize.<br />
Typisch für eine Hypomanie<br />
sind gesteigerter Tatendrang und<br />
Unternehmungslust.<br />
Eine hypomane Episo<strong>de</strong> wird oft als nicht behandlungsbedürftig<br />
angesehen. <strong>Die</strong>s ist nicht richtig. Je<strong>de</strong> neue Krankheitsepiso<strong>de</strong>, die<br />
nicht behan<strong>de</strong>lt wird, wirkt sich ungünstig auf <strong>de</strong>n weiteren Krankheitsverlauf<br />
aus. Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollten auch hypomane<br />
Episo<strong>de</strong>n therapiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Was sind Mischzustän<strong>de</strong>?<br />
normale<br />
Stimmung<br />
Hypomanie<br />
normale<br />
Stimmung<br />
20 <strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
21<br />
Manie<br />
Wenn während einer <strong>bipolaren</strong> Krankheitsepiso<strong>de</strong> <strong>de</strong>pressive und<br />
manische Symptome in rascher Aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong>folge auftreten o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mischzustän<strong>de</strong>: <strong>de</strong>pressive<br />
und manische Symptome<br />
treten gleichzeitig auf<br />
wenn sich <strong>de</strong>pressive und manische Symptome<br />
durch zeitgleiches Auftreten mischen,<br />
nennt man das einen manisch-<strong>de</strong>pressiven<br />
Mischzustand o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine gemischte Episo<strong>de</strong>.
normale<br />
Stimmung<br />
22<br />
gemischte<br />
Episo<strong>de</strong><br />
normale<br />
Stimmung<br />
<strong>Die</strong> betroffenen Patienten können<br />
z.B. sehr schnell <strong>de</strong>nken<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> sprechen, wie es für eine<br />
manische Episo<strong>de</strong> typisch ist.<br />
Zeitgleich können sie aber<br />
sehr ängstlich sein, Selbstmordgedanken<br />
haben und<br />
unter gedrückter Stimmung lei<strong>de</strong>n. Mischzustän<strong>de</strong> sind häufig, sie<br />
kommen min<strong>de</strong>stens so oft vor wie „klassische“ Manien. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich um schwere Episo<strong>de</strong>n, die schwieriger zu behan<strong>de</strong>ln sind als<br />
die klassischen Verlaufsformen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>.<br />
Wenn vier o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehr Episo<strong>de</strong>n innerhalb von<br />
Rapid Cycling: Vier o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zwölf Monaten auftreten, nennt man das einen<br />
mehr Episo<strong>de</strong>n innerhalb von<br />
Rapid-Cycling-Verlauf (= schneller Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zwölf Monaten<br />
Episo<strong>de</strong>n). Patienten mit einem Rapid-Cycling-<br />
Verlauf wer<strong>de</strong>n häufig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Klinik behan<strong>de</strong>lt. Rapid Cycler benötigen<br />
eine spezielle Therapie, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> häufige Episo<strong>de</strong>nwechsel mit<br />
klassischen Medikamenten<br />
12 Monate<br />
oftmals nicht ausreichend<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
normale<br />
Stimmung<br />
Was versteht man unter Rapid Cycling?<br />
Depression Rapid Cycling<br />
<strong>Die</strong> Diagnose<br />
Um die Diagnose ,bipolare <strong>Erkrankung</strong>‘ wirklich exakt zu<br />
stellen, müssen Arzt, Betroffener und, wenn möglich, Angehörige<br />
<strong>de</strong>n gesamten Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> psychischen Auffälligkeiten,<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel also einen mehrjährigen Zeitraum, gemeinsam<br />
genau beleuchten.<br />
<strong>Die</strong> Diagnose einer <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t eine gründliche<br />
Untersuchung durch einen Arzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> über Erfahrungen mit psychischen<br />
<strong>Erkrankung</strong>en verfügt, am besten durch einen Arzt für<br />
Psychiatrie. Der Arzt erhebt eine Krankheitsvorgeschichte (Anamnese),<br />
d.h. er erfragt psychische und Verhaltensbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten im bisherigen<br />
Leben und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in <strong>de</strong>n Tagen und Wochen vor<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung.<br />
Zur ärztlichen Untersuchung gehört die Erfassung aller gegenwärtigen<br />
psychischen Beschwer<strong>de</strong>n und Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im Verhalten.<br />
Dazu stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt zielgerichtete Fragen an <strong>de</strong>n Patienten. Es kann<br />
sehr hilfreich für <strong>de</strong>n untersuchen<strong>de</strong>n Arzt sein, wenn er Informationen<br />
zur Krankheitsvorgeschichte, zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschwer<strong>de</strong>n und<br />
zu <strong>de</strong>n gegenwärtigen Symptomen und Verhaltensverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
von nahen Bezugspersonen <strong>de</strong>s Betroffenen erhält. <strong>Die</strong> Einbeziehung<br />
von Angehörigen in <strong>de</strong>n diagnostischen Prozess ist sehr wichtig,<br />
sie bedarf aber in je<strong>de</strong>m Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustimmung <strong>de</strong>s Patienten.<br />
Psychische <strong>Erkrankung</strong>en berühren einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s intimen<br />
Bereich <strong>de</strong>s menschlichen Lebens. Es ist durchaus nicht selbstverständlich,<br />
über Psychisches mit ,je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann‘ offen zu sprechen. Man<br />
öffnet sich am ehesten einem Menschen, zu <strong>de</strong>m man sehr viel<br />
Vertrauen hat. Selbst das Gespräch mit einem vertrauten Menschen<br />
<strong>Die</strong> Diagnose 23
24<br />
über seelische Probleme kann aber schwer fallen.<br />
Aus diesen Grün<strong>de</strong>n gehen viele Menschen wegen psychischer Auffälligkeiten<br />
oft viel zu spät o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar nicht zum Arzt. Sie versuchen<br />
erst einmal selbst, mit <strong>de</strong>m Problem fertig zu wer<strong>de</strong>n, und es dauert<br />
oft viel zu lange, bis sie sich Angehörigen anvertrauen.<br />
Zu einem Facharzt kommen Menschen mit einer <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
lei<strong><strong>de</strong>r</strong> noch immer viel zu spät!<br />
Dem Hausarzt kann in Bezug auf die diagnostische Weichenstellung<br />
eine wichtige Rolle zukommen: Er sollte Patienten mit psychischen<br />
Störungen zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überweisen.<br />
Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> vergehen im Durchschnitt bis zu 10 Jahre, bis bei<br />
<strong>de</strong>n Patienten mit einer manisch-<strong>de</strong>pressiven <strong>Erkrankung</strong> die richtige<br />
Diagnose gestellt wird:<br />
erste<br />
Depression<br />
Patientenalter 19 23 28 29 34 36<br />
erster<br />
Arztbesuch<br />
erste<br />
<strong>Behandlung</strong><br />
mit Anti<strong>de</strong>pressiva<br />
erste Manie<br />
erste<br />
<strong>Behandlung</strong><br />
mit<br />
Stimmungsstabilisierer<br />
erstmalig<br />
Diagnose:<br />
Bipolare<br />
Störung<br />
Grün<strong>de</strong> für die späte Diagnose:<br />
• Viele Betroffene sind schlecht bis gar nicht über die bipolare<br />
<strong>Erkrankung</strong> informiert. Depressive Symptome wer<strong>de</strong>n noch am<br />
ehesten erkannt und auch von <strong>de</strong>n Patienten berichtet. Manische<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> hypomane Phasen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Patienten oftmals als<br />
nicht krankhaft empfun<strong>de</strong>n.<br />
• Es ist selbst für einen Facharzt manchmal nicht einfach, eine bipolare<br />
<strong>Erkrankung</strong> zu diagnostizieren: Für eine Diagnose benötigt er<br />
sehr viele Informationen über das psychische Befin<strong>de</strong>n und das<br />
Verhalten eines Menschen.<br />
Um die <strong>Erkrankung</strong><br />
Ihrem Arzt gegenüber<br />
besser zu beschreiben,<br />
ist das regelmäßige<br />
Ausfüllen eines<br />
Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
wichtig. Mit <strong>de</strong>m Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kann<br />
Ihr Arzt leichter <strong>de</strong>n<br />
Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
erkennen und die richtige Diagnose stellen. Ein Beispiel eines solchen<br />
Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s können Sie auf Seite 37 dieser<br />
Broschüre sehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Internet unter www.bipolar-info.<strong>de</strong> kostenlos<br />
bestellen. Sie erhalten <strong>de</strong>n Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong> auch bei Ihrem Arzt.<br />
<strong>Die</strong> Diagnose<br />
25
Was sind <strong>de</strong>nn „weiche bipolare Zeichen“?<br />
Unter weichen <strong>bipolaren</strong> Zeichen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf englisch „bipolar soft<br />
signs“, versteht man Merkmale, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Familiengeschichte<br />
eines Patienten o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>ssen eigenem Krankheitsverlauf fin<strong>de</strong>n<br />
Weiche bipolare Zeichen:<br />
Krankheitssymptome, die auf<br />
die <strong>Erkrankung</strong> hin<strong>de</strong>uten<br />
können<br />
lassen, und die darauf hin<strong>de</strong>uten, dass es sich um<br />
eine bipolare <strong>Erkrankung</strong> han<strong>de</strong>ln könnte. Das ist<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e dann wichtig, wenn man sich bezüglich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Diagnose nicht sicher ist.<br />
Folgen<strong>de</strong> Merkmale sollten dabei beachtet wer<strong>de</strong>n:<br />
• Eine familiäre Belastung mit <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>en<br />
• Erfolgreiche Lithium-Therapie von Verwandten 1. Gra<strong>de</strong>s<br />
(Eltern, Geschwister) mit Gemütserkrankungen<br />
• Gemütserkrankungen in drei aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong>folgen<strong>de</strong>n<br />
Generationen einer Familie<br />
• Durch eine Therapie mit Anti<strong>de</strong>pressiva<br />
ausgelöste Hypomanien<br />
• Auffälligkeiten im Temperament (Stimmungsschwankungen,<br />
leichte Reizbarkeit, Überdrehtheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> ständige Gedrücktheit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmung)<br />
• Depressionen, abhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahreszeit<br />
• In <strong><strong>de</strong>r</strong> Kindheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Teenageralter auftreten<strong>de</strong><br />
Depressionen mit psychotischen Merkmalen<br />
<strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
Wie erfolgt die <strong>Behandlung</strong> einer <strong>bipolaren</strong> Störung?<br />
Aus <strong>de</strong>m Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus akuten<br />
Krankheitsepiso<strong>de</strong>n und dazwischen liegen<strong>de</strong>n symptomfreien<br />
Zeiträumen zusammensetzt, ergibt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong>splan.<br />
Unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n:<br />
Akuttherapie Erhaltungstherapie Rückfallprophylaxe<br />
2-4 Wochen<br />
Im Aschluss für<br />
6-12 Monate<br />
Im Anschluss an die<br />
Erhaltungstherapie<br />
<strong>Die</strong> Akuttherapie<br />
<strong>Die</strong> Akuttherapie hat die <strong>Behandlung</strong> einer akuten<br />
Krankheitsepiso<strong>de</strong>, das heißt einer Manie o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Akuttherapie: 2-4-wöchige<br />
einer Depression zum Ziel. Sobald Symptome<br />
<strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> akuten<br />
Manie o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> akuten einer erstmaligen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erneuten <strong>bipolaren</strong><br />
Depression<br />
Krankheitsepiso<strong>de</strong> auftreten, wird mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Akuttherapie<br />
begonnen. Natürlich hängen die<br />
Intensität und die Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Akuttherapie ganz entschie<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schwere <strong><strong>de</strong>r</strong> Symptomatik <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Krankheitsepiso<strong>de</strong> ab.<br />
<strong>Die</strong> Akuttherapie dauert bei Manien 2-4 Wochen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Akutbehandlung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Depression muss mit min<strong>de</strong>stens 4 Wochen gerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong> betrifft ja nicht nur die Stimmung,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t auch Gedankenprozesse und Verhaltensweisen<br />
sowie das Aktivitätsniveau. Deswegen müssen oftmals mehrere Medikamente<br />
gleichzeitig eingenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
26 <strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
27
28<br />
Worauf sollte während <strong><strong>de</strong>r</strong> Akuttherapie beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
geachtet wer<strong>de</strong>n?<br />
Ganz entschei<strong>de</strong>nd für das Gelingen <strong><strong>de</strong>r</strong> Akuttherapie ist eine beruhigen<strong>de</strong><br />
Umgebung <strong>de</strong>s erkrankten Menschen. Das Ausmaß seelischer<br />
Belastung und Anstrengung sollte so gering wie möglich sein.<br />
In dieser Krankheitsphase können bereits geringfügige<br />
Reize und Lebensereignisse, die in gesun<strong>de</strong>n Zeiten<br />
problemlos akzeptiert wer<strong>de</strong>n, als ,Stress‘ wirken und<br />
eine Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong> verursachen. Eine behutsame<br />
psychische Begleitung <strong>de</strong>s erkrankten Menschen<br />
durch Therapeuten und Angehörige ist in dieser <strong>Behandlung</strong>sphase<br />
ebenso wichtig wie die sorgfältige Planung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> medikamentösen Therapie.<br />
Sobald sich die Symptomatik <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen akuten<br />
<strong>bipolaren</strong> Krankheitsepiso<strong>de</strong> durch eine geeignete<br />
<strong>Behandlung</strong> mit Medikamenten sowie durch Reiz- und<br />
Belastungsreduktion gebessert hat, wird die Intensität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
mit Medikamenten vorsichtig reduziert. Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Psychotherapie wird behutsam mit <strong>de</strong>m Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> seelischen<br />
Belastbarkeit begonnen.<br />
<strong>Die</strong> Erhaltungstherapie<br />
Unter Erhaltungstherapie versteht man alle <strong>Behandlung</strong>smaßnahmen,<br />
die nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Stabilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> akuten Symptomatik erfolgen<br />
müssen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltungstherapie kann dann<br />
Erhaltungstherapie:<br />
Stabilisierung für 6 bis 12<br />
Monate im Anschluss an die<br />
Akuttherapie<br />
begonnen wer<strong>de</strong>n, wenn die Akutsymptomatik<br />
wirklich unter Kontrolle ist und normale seelische<br />
Alltagsbelastungen und alltägliche Umgebungsreize<br />
nicht mehr zu einem ,Aufflackern‘ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Symptomatik führen.<br />
Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltungstherapie ist es, Beschwer<strong>de</strong>freiheit zu erreichen<br />
und einen stabilen Zustand über einen Zeitraum von sechs bis zwölf<br />
Monaten zu sichern. Das ist am besten erreichbar, wenn medikamentöse<br />
Therapie und Psychotherapie aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong> abgestimmt<br />
wer<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel wer<strong>de</strong>n die Medikamente beibehalten, die sich<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Akutbehandlung als gut wirksam bewährt haben und die gut<br />
vertragen wur<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> Rückfallprophylaxe<br />
Für die gesundheitliche Stabilität bipolar erkrankter Menschen<br />
hat die <strong>Behandlung</strong> zur Vorbeugung von Rückfällen, die so ge-<br />
Rückfallprophylaxe:<br />
Vorbeugung von Rückfällen<br />
in die Manie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Depression<br />
im Anschluss an die Erhaltungstherapie<br />
nannte Rückfallprophylaxe, eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung.<br />
<strong>Die</strong> Rückfallvorbeugung wird vom Arzt, vom<br />
Patienten und, wenn möglich, von Angehörigen<br />
gemeinsam entwickelt. Der <strong>Behandlung</strong>splan<br />
wird an <strong>de</strong>n ganz persönlichen Bedürfnissen eines je<strong>de</strong>n Patienten<br />
ausgerichtet. <strong>Die</strong> Rückfallprophylaxe umfasst medikamentöse und<br />
psychotherapeutische Maßnahmen.<br />
Worauf sollte während <strong><strong>de</strong>r</strong> medikamentösen Rückfallprophylaxe<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s geachtet wer<strong>de</strong>n?<br />
In Bezug auf die medikamentöse <strong>Behandlung</strong> gibt es einige grundsätzliche<br />
Regeln, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffene mit seinem Arzt besprechen<br />
muss. <strong>Die</strong> medikamentöse Rückfallprophylaxe kann für <strong>de</strong>n Betroffenen<br />
be<strong>de</strong>uten, dass er jahrzehnte- o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch ein Leben lang<br />
Medikamente einnehmen muss, um sich vor einem Rückfall zu<br />
schützen. Da es <strong>de</strong>m Betroffenen zu diesem Zeitpunkt meist schon<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gut geht, wird von ihm häufig kein Grund mehr gesehen, die<br />
Medikamente weiter einzunehmen. Sie wer<strong>de</strong>n abgesetzt, ohne<br />
dass vorher mit <strong>de</strong>m Arzt gesprochen wur<strong>de</strong>.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
29
30<br />
Das ist problematisch und kann riskant wer<strong>de</strong>n:<br />
Mit <strong>de</strong>m plötzlichen Absetzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Medikamente ist die große Gefahr<br />
verbun<strong>de</strong>n, dass die bipolare <strong>Erkrankung</strong> erneut auftritt.<br />
Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wie bei einem Menschen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zuckerkrank ist. Wenn er sein Medikament einnimmt und gesund<br />
lebt, kann er beschwer<strong>de</strong>frei sein und immer gute Blutzuckerwerte<br />
haben. Wenn er dann aber glaubt, die Zuckerkrankheit sei nun<br />
geheilt, und er aufhört, seine Medikamente einzunehmen, dann wird<br />
er sehr rasch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> schlechte Blutzuckerwerte haben.<br />
Deswegen darf man nicht davon ausgehen, dass eine Beschwer<strong>de</strong>freiheit<br />
mit Heilung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong> gleichzusetzen ist.<br />
<strong>Die</strong> regelmäßige Einnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Medikamente bei chronischen<br />
Krankheiten wie Zuckerkrankheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> ist<br />
sogar die Voraussetzung dafür, dass die Beschwer<strong>de</strong>freiheit überhaupt<br />
auf Dauer bestehen bleibt und es einem wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gut geht!<br />
Psychotherapie und Psychoedukation als Bestandteil<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rückfallprophylaxe<br />
Psychotherapie bzw. Psychoedukation sind ebenfalls sehr wichtige<br />
Bausteine in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückfallvorbeugung. Unter Psychoedukation<br />
versteht man, dass Betroffene und Angehörige vom Arzt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Psychologen zu ,Experten‘ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong> gemacht wer<strong>de</strong>n. Sie<br />
wer<strong>de</strong>n über Frühwarnzeichen und Symptome akuter Episo<strong>de</strong>n<br />
informiert und lernen, mit diesen entsprechend umzugehen.<br />
Je nach individueller Situation <strong>de</strong>s bipolar erkrankten Menschen und<br />
ggf. auch seiner Familie, kann es erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein, zusätzlich eine<br />
begleiten<strong>de</strong> Psychotherapie durchzuführen.<br />
Es gibt verschie<strong>de</strong>ne psychotherapeutische <strong>Behandlung</strong>sverfahren:<br />
• Familienfokussierte Therapie<br />
• Kognitive Verhaltenstherapie<br />
• Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie<br />
• Psychodynamische Psychotherapie<br />
• Gesprächspsychotherapie<br />
Dabei wird insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e darauf gesetzt, biologische Rhythmen<br />
sinnvoll zu beeinflussen, um Stress abzubauen und die „innere Uhr“<br />
<strong>de</strong>s Betroffenen richtig zu stellen. Erst die Kombination medikamentöser<br />
und psychotherapeutischer Verfahren trägt zu einer ausreichen<strong>de</strong>n<br />
psychischen Stabilität bei. Betroffene und Angehörige<br />
können sich mittlerweile recht gut über die <strong>Erkrankung</strong> informieren.<br />
Hierzu sind Adressen im Anhang genannt.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Behandlung</strong><br />
31
32<br />
<strong>Die</strong> Medikamente<br />
Was sind Stimmungsstabilisierer?<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong> bipolarer <strong>Erkrankung</strong>en wer<strong>de</strong>n überwiegend<br />
Medikamente eingesetzt, die gegen die übermäßigen<br />
Stimmungsschwankungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Depression wirken<br />
ohne eine Episo<strong>de</strong> <strong>de</strong>s „Gegenpols“ auszulösen und vor weiteren<br />
Episo<strong>de</strong>n schützen. <strong>Die</strong>se Medikamente haben somit eine<br />
stimmungsstabilisieren<strong>de</strong> Wirkung. Man nennt sie <strong>de</strong>swegen<br />
auch kurz: Stimmungsstabilisierer.<br />
Stimmungsstabilisierer:<br />
• Lithium<br />
• Antiepileptika<br />
• Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne, so genannte atypische Neuroleptika<br />
Nach neueren Erkenntnissen unterschei<strong>de</strong>t man Stimmungsstabilisierer<br />
vom Typ A und vom Typ B.<br />
Stimmungsstabilisierer vom Typ A<br />
Stimmungsstabilisierer vom Typ A sind Medikamente, die einer gehobenen<br />
Stimmungslage entgegenwirken. A steht<br />
Stimmungsstabilisierer Typ dabei für „above“, was soviel be<strong>de</strong>utet wie „oben“.<br />
A: Medikamente, die einer<br />
Gemeint ist damit, dass die Stimmung <strong>de</strong>s Betrof-<br />
gehobenen Stimmungslage<br />
entgegenwirken, ohne fenen <strong>de</strong>utlich „oben“, also über Normal ist, und<br />
Depressionen auszulösen die Stimmungsstabilisierer vom Typ A dieses auszugleichen<br />
versuchen. <strong>Die</strong>se Substanzen haben<br />
somit eine antimanische Wirkung, ohne dabei eine Depression auszulösen<br />
bzw. zu verschlimmern. Auch bestimmte mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne, so<br />
genannte atypische Neuroleptika haben nach neueren Erkenntnis-<br />
Stimmungsstabilisierer Typ B:<br />
Medikamente, die einer <strong>de</strong>pressiven<br />
Stimmungslage<br />
entgegenwirken, ohne Manien/<br />
Hypomanien auszulösen<br />
sen eine antimanische stimmungsstabilisieren<strong>de</strong><br />
Wirkung vom Typ A und sind zu<strong>de</strong>m<br />
gut verträglich. Stimmungstabilisierer vom<br />
Typ A sind z.B. Lithium, Antikonvulsiva, wie<br />
Valproat und Carbamazepin und bestimmte<br />
neue atypische Neuroleptika (Atypika).<br />
Stimmungsstabilisierer vom Typ B<br />
Stimmungsstabilisierer vom Typ B sind Medikamente, die eine<br />
<strong>de</strong>pressive Stimmungslage bessern. B steht für das englische Wort<br />
„below“. Below be<strong>de</strong>utet „unter“. <strong>Die</strong>se Medikamente versuchen, die<br />
Stimmung, die im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes „unten“ ist, auf die<br />
normale Stimmungslage zu bringen, ohne dabei manische/hypoma-<br />
nische Episo<strong>de</strong>n hervorzurufen.<br />
Anti<strong>de</strong>pressiva können nicht zu<br />
diesen Stimmungsstabilisierern<br />
gezählt wer<strong>de</strong>n, weil sie manische/hypomanische<br />
Episo<strong>de</strong>n<br />
auslösen können. Stimmungsstabilisierer<br />
vom Typ B sind<br />
z.B. Lamotrigin und bestimmte<br />
neue Atypika.<br />
<strong>Die</strong> Medikamente<br />
Typ A<br />
normale<br />
Stimmung<br />
Typ B<br />
Depression<br />
Warum wer<strong>de</strong>n bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Manie<br />
Neuroleptika eingesetzt?<br />
Gemischte<br />
Manie Episo<strong>de</strong><br />
Hypomanie<br />
<strong>Die</strong> Einnahme von Neuroleptika ist auf je<strong>de</strong>n Fall immer dann sinnvoll,<br />
wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient beispielsweise Stimmen hört, Dinge sieht, die<br />
nicht da sind (Halluzinationen) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellungen und Überzeugungen<br />
hat, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Realität nicht entsprechen (Wahnvorstellungen).<br />
normale<br />
Stimmung<br />
33
<strong>Die</strong>se psychotischen Symptome führen häufig dazu, dass die Betroffenen<br />
sehr erregt, aggressiv, unruhig o<strong><strong>de</strong>r</strong> ängstlich sind. Aufgrund<br />
ihrer antipsychotischen Wirkung wer<strong>de</strong>n Neuro-<br />
Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne, atypische<br />
leptika auch als „Antipsychotika“ bezeichnet.<br />
Neuroleptika (Atypika)<br />
können helfen, die Stimmung <strong>Die</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen so genannten Atypika (atypischen<br />
zu stabilisieren<br />
Neuroleptika) haben nicht nur eine antipsychotische<br />
Wirkung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wirken direkt auf die<br />
Stimmung und haben somit ,stimmungsstabilisieren<strong>de</strong>‘ Eigenschaften.<br />
<strong>Die</strong>se Atypika können also unabhängig vom Vorhan<strong>de</strong>nsein psychotischer<br />
Symptome gut eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
34<br />
Typische Neuroleptika und Atypika –<br />
Worin besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied?<br />
<strong>Die</strong> erste Generation <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuroleptika, die auch als „typische Neuroleptika”<br />
bezeichnet wird, wirkt zwar sehr gut antipsychotisch, ist aber<br />
meist auch mit schweren Nebenwirkungen verbun<strong>de</strong>n. Dazu zählen<br />
beispielsweise Mundtrockenheit, Zittern <strong><strong>de</strong>r</strong> Hän<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verlangsamung<br />
aller Bewegungsabläufe. Aufgrund dieser Nebenwirkungen<br />
war eine Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuroleptika dringend erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />
So kam es zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen, so genannten „atypischen<br />
Neuroleptika”, kurz Atypika. <strong>Die</strong>se zeichnen sich dadurch aus, dass<br />
sie stimmungsstabilisieren<strong>de</strong> Eigenschaften haben. Es gibt allerdings<br />
auch zwischen <strong>de</strong>n Atypika erhebliche Unterschie<strong>de</strong>, vor allem<br />
in Bezug auf die Verträglichkeit. Ein Begleiteffekt einiger Atypika ist,<br />
dass sie zu Therapiebeginn mü<strong>de</strong> machen können. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswahl<br />
<strong>de</strong>s passen<strong>de</strong>n Atypikums sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt aber auch an eine gute<br />
Langzeitverträglichkeit <strong>de</strong>nken, da diese Medikamente unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
über die Akutphase hinaus eingenommen wer<strong>de</strong>n. Sprechen<br />
Sie mit Ihrem Arzt über Ihre Erwartungen an die Wirksamkeit und<br />
Verträglichkeit Ihrer Medikamente.<br />
Wie sieht die <strong>Behandlung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> Depression aus?<br />
Üblicherweise behan<strong>de</strong>lt man eine bipolare Depression mit Anti<strong>de</strong>pressiva,<br />
sollte hier jedoch auf die älteren Medikamente verzichten,<br />
weil diese beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s häufig im Verdacht stehen, Manien auszulösen<br />
bzw. Stimmungsschwankungen zu verstärken. Neuere Stimmungsstabilisierer<br />
vom Typ B haben offensichtlich eine bessere anti<strong>de</strong>pressive<br />
Wirksamkeit. Häufig muss vorübergehend mit Beruhigungsmitteln<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, um Ängste o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unruhe in <strong>de</strong>n Griff zu bekommen.<br />
Wie lange soll ein Medikament, das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Akutbehandlung<br />
eingesetzt wur<strong>de</strong>, weiter eingenommen wer<strong>de</strong>n?<br />
<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong> erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t in <strong>de</strong>n allermeisten Fällen eine<br />
Langzeittherapie. Auch in Phasen, in <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffene keine<br />
Beschwer<strong>de</strong>n hat, müssen Medikamente eingenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong>s ist für die Betroffenen oftmals nicht einfach<br />
hinzunehmen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel ist die bipolare<br />
<strong>Erkrankung</strong> aber eine lebenslang bestehen<strong>de</strong><br />
<strong>Erkrankung</strong>, die je<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit und oftmals ohne<br />
Vorwarnung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ausbrechen kann. Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
(siehe Seite 37 o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Internet unter<br />
www.bipolar-info.<strong>de</strong>) können dabei helfen, zu überprüfen,<br />
ob sich mit <strong>de</strong>n eingenommenen Medikamenten<br />
die Stimmung stabilisiert. Außer<strong>de</strong>m kann<br />
man durch das regelmäßige Führen eines<br />
Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s erkennen, welche äußeren<br />
Einflüsse die eigene Stimmung verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n. <strong>Die</strong>s hilft dabei, solche<br />
Faktoren für sich persönlich zu erkennen und leichter das eigene<br />
seelische Gleichgewicht zu erhalten.<br />
<strong>Die</strong> Medikamente<br />
35
Egal, was Sie machen, es gilt immer: Setzen Sie niemals<br />
Ihre Medikamente ab, ohne vorher mit Ihrem Arzt gesprochen<br />
zu haben!<br />
Welche Medikamente wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückfallprophylaxe eingesetzt?<br />
Üblicherweise erfolgt die Rückfallprophylaxe mit Stimmungsstabilisierern.<br />
<strong>Die</strong> älteren typischen Neuroleptika sollten keinesfalls über die<br />
Akutphase hinaus gegeben wer<strong>de</strong>n, da sie zu schweren Nebenwirkungen<br />
führen können.<br />
Es kann jedoch sinnvoll sein, ein mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nes Atypikum dauerhaft<br />
zusätzlich zu <strong>de</strong>m gewählten Stimmungsstabilisierer einzunehmen,<br />
um <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmungsstabilisierer gegen neue Episo<strong>de</strong>n<br />
zu verstärken.<br />
Kann man mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> „ganz normal“ leben?<br />
Grundsätzlich kann man, wenn die <strong>Erkrankung</strong> medikamentös gut<br />
eingestellt ist und i<strong>de</strong>alerweise eine begleiten<strong>de</strong> psychotherapeutische<br />
Betreuung erfolgt, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erkrankung</strong> ein normales Leben<br />
führen. Es gibt natürlich auch schwere Verläufe, so wie bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Krankheitsbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch, bei <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffene zum Beispiel seiner<br />
Arbeit nicht mehr in ausreichen<strong>de</strong>m Maße nachgehen kann. Verschwiegen<br />
wer<strong>de</strong>n darf auch nicht, dass natürlich die Verhaltensän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
vor allem während manischer Episo<strong>de</strong>n dazu führen können,<br />
dass Familien lei<strong>de</strong>n, Beziehungen zerstört wer<strong>de</strong>n, und die Be-<br />
troffenen oftmals vor einem sozialen Scherbenhaufen stehen.<br />
Dennoch ist die bipolare <strong>Erkrankung</strong> unter <strong>de</strong>n psychiatrischen<br />
Krankheitsbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine, die gut behan<strong>de</strong>lbar ist,<br />
und die <strong>de</strong>n Betroffenen genügend Spielräume für ein<br />
erfülltes soziales und privates Leben lässt.<br />
Beispiel eines ausgefüllten Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
Kostenlose Bestellung unter<br />
www.bipolar-info.<strong>de</strong><br />
36 <strong>Die</strong> Medikamente<br />
37
38<br />
Wichtige Adressen:<br />
www.bipolar-info.<strong>de</strong><br />
• Aktuelle Informationen zur <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
• Experten beantworten Fragen zur Diagnose und Therapie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong><br />
• Download und Nachbestellung <strong>de</strong>s Stimmungskalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
• Nachbestellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Patientenbroschüre „<strong>Die</strong> bipolare <strong>Erkrankung</strong><br />
- was Sie wissen sollten“<br />
DGBS<br />
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.<br />
(manisch-<strong>de</strong>pressive <strong>Erkrankung</strong>en)<br />
Postfach 920249<br />
21132 Hamburg<br />
Tel.: 040 / 854 088 83<br />
E-Mail: DGBS.eV@t-online.<strong>de</strong><br />
www.dgbs.<strong>de</strong><br />
Bun<strong>de</strong>sverband <strong><strong>de</strong>r</strong> Angehörigen psychisch Kranker e.V. (BapK)<br />
Thomas-Mann-Straße 49<br />
53111 Bonn<br />
Tel.: 0228 / 632 646<br />
E-Mail: bapk@psychiatrie.<strong>de</strong><br />
www.bapk.<strong>de</strong><br />
Tel. Beratung unter: 01805 / 950 951<br />
E-Mail Beratung unter: beratung.bapk@psychiatrie.<strong>de</strong><br />
Horizonte e.V. – Verein zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung affektiv Erkrankter<br />
c/o Bezirkskrankenhaus Haar<br />
Postfach 1111<br />
85529 Haar<br />
Tel.: 0700 / 552 288 22 (<strong>Die</strong>nstag und Donnerstag, 18.00 bis 20.00 Uhr)<br />
E-Mail: hotline@verein-horizonte.<strong>de</strong><br />
www.verein-horizonte.<strong>de</strong><br />
Weitere Literatur für Betroffene und Angehörige<br />
Rosa Geislinger, Dipl.-Psych.; Dr. Heinz Grunze<br />
Bipolare Störungen<br />
(manisch-<strong>de</strong>pressive <strong>Erkrankung</strong>en)<br />
Ratgeber für Betroffene und Angehörige<br />
Anhang: Interview<br />
Herausgeber: DGBS e.V.<br />
ISBN 3-8311-4519-9<br />
PD Dr. med. Stephanie Krüger<br />
Mutter wer<strong>de</strong>n mit einer <strong>bipolaren</strong> Störung – was sollte ich wissen? Ein Ratgeber für Patientinnen.<br />
Frauen mit einer <strong>bipolaren</strong> (manisch-<strong>de</strong>pressiven) <strong>Erkrankung</strong> sind verunsichert, wenn sie<br />
schwanger wer<strong>de</strong>n wollen o<strong><strong>de</strong>r</strong> ungeplant schwanger gewor<strong>de</strong>n sind. <strong>Die</strong>se Schrift soll Frauen mit<br />
einer <strong>bipolaren</strong> <strong>Erkrankung</strong> dabei helfen, sich über wichtige und spezifische Fragen zu<br />
Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit zu informieren.<br />
ISBN: 3833005955<br />
Erscheinungsdatum: August 2003<br />
Preis: 5,00 Euro<br />
Dr. Renate Kingma (Redaktion)<br />
Mit gebrochenen Flügeln fliegen<br />
Menschen berichten über bipolare Störungen<br />
Ein Lehr- und Lesebuch <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Art. Menschen, die an einer <strong>bipolaren</strong> Störung lei<strong>de</strong>n,<br />
schil<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre ganz persönliche Lebens- und Krankengeschichte – von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kindheit über <strong>de</strong>n<br />
ersten Ausbruch bis zur exakten Diagnose und <strong><strong>de</strong>r</strong> angemessenen <strong>Behandlung</strong>. Sie sprechen<br />
über Probleme in Partnerschaft und Beruf, über Angst und Einsamkeit, über die Schwierigkeiten,<br />
<strong>de</strong>n richtigen Arzt zu fin<strong>de</strong>n und ihre Krankheit annehmen zu können. Manche Berichte klagen an,<br />
manche sprechen von Resignation, manche vom Siegen. Auch Dankbarkeit klingt immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
an. Bevor ein junger Arzt seinen ersten Patienten sieht, sollte er dieses Buch gelesen haben. Er<br />
wird dann vieles besser verstehen können. Es kommen auch Angehörige zu Wort. Ihre Berichte<br />
zeigen, dass auch sie Hilfe brauchen, um mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch die Krankheit in ihrer<br />
Familie fertig zu wer<strong>de</strong>n.<br />
ISBN 3-8330-0662-5<br />
Erscheinungsdatum: August 2003<br />
Preis: Gebun<strong>de</strong>n, 296 Seiten 28,00 Euro<br />
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