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aber wie? - Welt der Physik

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Energiespen<strong>der</strong><br />

Ohne Sonne kein Leben. Ohne ihre Energie keine Photosynthese, kein flüssiges Wasser und keine<br />

lauen Sommerabende. Dabei erzeugt unser Heimatstern bereits seit fast fünf Milliarden Jahren<br />

mithilfe <strong>der</strong> einfachsten aller thermonuklearen Kernfusionen Energie: <strong>der</strong> Verschmelzung von Wasserstoff<br />

zu Helium. Für schätzungsweise weitere fünf Milliarden Rekordsommer reichen die Brennstoff-<br />

Reserven im Sonneninnersten noch, danach ist <strong>der</strong> Ofen endgültig aus.<br />

Alles beginnt mit Wasserstoff, dem<br />

häufigsten chemischen Element des<br />

Universums. Während bei uns z. B.<br />

Wasserstoffautos die molekulare Variante<br />

H 2 im Tank haben, nutzt die Sonne<br />

den auf <strong>der</strong> Erde nicht vorkommenden atomaren<br />

Wasserstoff 1H, bzw. dessen durch<br />

hohe Umgebungstemperaturen vom Elektron<br />

befreiten Atomkern. Dieser besteht aus einem<br />

einzelnen Proton – die 1 im Kürzel 1H.<br />

Im ersten Schritt entsteht aus zwei Protonen<br />

ein Deuteron – <strong>der</strong> Kern des Wasserstoff-<br />

Isotops Deuterium. Isotop bezeichnet dabei<br />

ein Element mit gleicher Protonen-, <strong>aber</strong><br />

unterschiedlicher Neutronenzahl im Kern.<br />

Im Falle des Deuterons 2H bilden Proton<br />

(rot) und Neutron (blau) den Kern. Dabei<br />

wird eines <strong>der</strong> ursprünglich beteiligten Protonen<br />

in ein Neutron verwandelt.<br />

Im zweiten Schritt verschmelzen Deuteron<br />

und Proton zum Kern des Helium-Isotops<br />

3He. Danach folgt im dritten Schritt die Fusion<br />

des 4He; Nebenprodukt sind zwei Protonen.<br />

4He wird auf <strong>der</strong> Erde beim Alphazerfall<br />

verschiedener radioaktiver Elemente <strong>wie</strong><br />

zum Beispiel Uran gebildet wird.<br />

1 H<br />

4 He<br />

Während <strong>der</strong> Wasserstoff-Fusion werden neben<br />

„Positronen“ u. a. auch „Neutrinos“ erzeugt.<br />

Diese können das heiße Sonnenplasma fast<br />

ungehin<strong>der</strong>t durchqueren. Für Forscher bieten<br />

die Teilchen damit einen unverbauten Einblick<br />

ins ansonsten verborgene Sonnenzentrum.<br />

H<br />

He<br />

15 Mio °C<br />

H<br />

He<br />

Chromosphäre<br />

und Korona<br />

Photosphäre<br />

Konvektionszone<br />

14 15<br />

Grafik und Text: Timo Meyer, Melina Diener<br />

Wissensch. Beratung: PD Dr. Horst Fichtner, Uni Bochum<br />

Infografik<br />

Bei jedem Fusionsschritt muss die Sonne<br />

gegen abstoßende Kräfte ankämpfen, die<br />

sich gegen die Verschmelzung <strong>der</strong> Atomkerne<br />

stemmen. Diese Kräfte bestimmen die Wahrscheinlichkeit,<br />

mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> jeweilige Fusionsprozess<br />

abläuft. So fusioniert ein Proton mit<br />

einem an<strong>der</strong>en im Schnitt nur alle 14 Milliarden<br />

Jahre. Wäre dieser erste und<br />

wichtigste Prozess nur etwas wahrscheinlicher,<br />

würde <strong>der</strong> Wasserstoff<br />

so schnell umgewandelt,<br />

dass unsere Sonne vermutlich<br />

längst ausgebrannt wäre.<br />

Den Grünen Punkt gibt es seit 1991, Sterne<br />

kennen das Recycling-Prinzip schon etwas<br />

länger. Alle ihre Elemente, ob unverarbeiteter<br />

Wasserstoff o<strong>der</strong> Endprodukte <strong>wie</strong> z. B. Kohlenstoff,<br />

werden mit dem Sternentod <strong>wie</strong><strong>der</strong><br />

in den <strong>Welt</strong>raum geblasen und so nicht nur<br />

Baustoff für neue Planeten, son<strong>der</strong>n auch<br />

Fusionstreibstoff für zukünftige Sternengenerationen.<br />

Die Sängerin Joni Mitchell<br />

hatte also Recht, als sie 1969 sang:<br />

„We are stardust; we are golden.<br />

We are billion-year-old carbon.”<br />

2 H<br />

3 He<br />

4 He<br />

1 H<br />

Die Wasserstoff-Fusion ist keine<br />

einspurige Strasse – nach <strong>der</strong> Erzeugung<br />

<strong>der</strong> 3He-Kerne gibt es drei<br />

Möglichkeiten, um zum 4He zu gelangen.<br />

Während auf <strong>der</strong> Hauptroute nur Helium-<br />

Isotope zu finden sind, entstehen auf den<br />

Nebenpfaden, die beide zunächst über<br />

die Bildung von Beryllium laufen, weitaus<br />

schwerere Zwischenprodukte <strong>wie</strong> etwa<br />

das Lithium-Isotop 7Li.<br />

Für den Weg über die Isotope <strong>der</strong> Elemente<br />

Beryllium und Lithium entscheiden<br />

sich 15 Prozent aller 3Helium-Kerne, für<br />

den Weg über die Isotope von Beryllium<br />

und Bor lediglich 0,015 Prozent.<br />

Albert Einstein ist überall, sogar im Innersten<br />

<strong>der</strong> Sonne. Hier werden in je<strong>der</strong><br />

Sekunde 564 Millionen Tonnen Wasserstoff<br />

zu 560 Millionen Tonnen Helium verarbeitet.<br />

Der Grund für die Diskrepanz<br />

zwischen beiden Werten ist <strong>der</strong> so genannte<br />

„Massendefekt“: Die verschmelzenden<br />

Wasserstoffkerne haben zusammengenommen<br />

eine etwas größere Masse als <strong>der</strong> aus<br />

ihnen hervorgehende Heliumkern. Glück für<br />

uns, denn die „übrig gebliebenen“ vier<br />

Millionen Tonnen werden gemäß Einsteins<br />

berühmter Formel E=mc 2 in lebenswichtige<br />

Sonnenenergie umgewandelt.<br />

Im verhältnismäßig kleinen Sonnenkern<br />

lagert nicht nur mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />

gesamten Sonnenmasse, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>der</strong> eigentliche Fusionsreaktor.<br />

Rekordverdächtige 15 Millionen Grad,<br />

200 Milliarden bar Druck und eine<br />

Dichte, 14mal höher als die von Blei,<br />

schaffen hier die Voraussetzungen,<br />

um die sich eigentlich abstoßenden<br />

Atomkerne miteinan<strong>der</strong> zu verschmelzen<br />

und damit 99 Prozent <strong>der</strong> Sonnenenergie<br />

zu erzeugen.<br />

Die Sonne, fällt nur deshalb nicht einfach<br />

unter ihrem eigenen Gewicht zusammen,<br />

weil Gas- und Strahlungsdruck den Sternenkörper<br />

entgegen <strong>der</strong> Gravitationskraft von<br />

innen her aufblasen und so stabilisieren.<br />

Die Gesamtmasse <strong>der</strong> Sonne, 333.000mal größer<br />

als die <strong>der</strong> Erde, teilt sich in 75 Prozent<br />

Wasserstoff, 23 Prozent Helium und 2 Prozent<br />

schwererer Elemente. Die einzelnen<br />

Anteile spiegeln neben dem Einfluss <strong>der</strong><br />

Kernfusion vor allem die Originalmischung<br />

jener Gaswolke <strong>wie</strong><strong>der</strong>, aus <strong>der</strong> unser Heimatstern<br />

einst entstand. Im Kern haben<br />

sich die Massenanteile fusionsbedingt bereits<br />

verschoben: Hier stellt Helium mittlerweile<br />

die Mehrheit.<br />

Bei <strong>der</strong> Nutzung des Massendefekts gilt: Kernenergie<br />

gewinnt man, wenn man sich bei <strong>der</strong><br />

Synthese neuer Elemente in Richtung Eisen bewegt,<br />

entwe<strong>der</strong> durch die Verschmelzung leichterer<br />

o<strong>der</strong> durch die Spaltung schwererer Kerne.<br />

Die Fusion von Atomkernen, die schwerer sind<br />

als 56Fe (Fe = lat. ferrum, Eisen), würde keine<br />

Energie liefern, son<strong>der</strong>n verbrauchen.<br />

Unsere Sonne ist uneinholbare Nr. 1 unter<br />

den Energiefabriken: Um die gleiche Energiemenge<br />

umzusetzen <strong>wie</strong> die Sonne sekündlich<br />

in ihrem Kern, müssten alle 438 Kernreaktoren <strong>der</strong><br />

Erde 32 Millionen Jahre lang auf Hochtouren laufen.<br />

Kern<br />

Gesamt<br />

Kern<br />

Strahlungszone<br />

500.000 °C<br />

Nachdem die Energie im Kern erzeugt wurde, tritt sie<br />

bei Kilometer 174.000 in einen Bereich ein, den sie in<br />

Form elektromagnetischer Strahlung durchquert. Dies<br />

geschieht keineswegs geradlinig, son<strong>der</strong>n im Zick-<br />

Zack-Kurs. Die einzelnen Energiepakete, die „Photonen“,<br />

werden an den Ionen des Sonnenplasmas gestreut,<br />

d. h. absorbiert und <strong>wie</strong><strong>der</strong> emittiert – manchmal<br />

sogar <strong>wie</strong><strong>der</strong> zurück in Richtung Kern.<br />

5.500 °C<br />

Nach dem Hin<strong>der</strong>nisparcours <strong>der</strong> Strahlungszone sind<br />

556.000 Kilometer vom Sonnenzentrum entfernt die Temperaturen<br />

soweit abgesunken, dass Photonen dauerhaft<br />

vom Gas aufgenommen werden können. Konvektion –<br />

Heißes steigt auf, Kaltes sinkt ab – transportiert die Energie<br />

über die letzten hun<strong>der</strong>ttausend Kilometer bis an den<br />

Rand <strong>der</strong> Photosphäre. Vom Kern bis zu dieser Schicht,<br />

die wir als Sonnenoberfläche wahrnehmen, braucht die<br />

Energie im Schnitt einige hun<strong>der</strong>ttausend Jahre.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ttausende lang ist die Energie<br />

durchschnittlich vom Kern <strong>der</strong> Sonne bis zu<br />

ihrer Oberfläche unterwegs. Dann jedoch<br />

geht alles ganz schnell. Die in je<strong>der</strong> Sekunde<br />

und von jedem Quadratmeter unseres<br />

Heimatsterns abgestrahlten 63.000 Kilojoule<br />

Energie benötigen dank Lichtgeschwindigkeit<br />

nur einen vergleichsweise<br />

kurzen Augenblick für den Weg durchs<br />

Sonnensystem – 4 Stunden bis zum<br />

Neptun, 43 Minuten bis zum Jupiter und<br />

etwas mehr als 8 Minuten bis zu uns.<br />

1 Mio °C

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